Mit diesem (unbeabsichtigten) Cliffhanger verabschiede ich mich fuer eine Woche - wir sind in Island zelten und ich rechne nicht damit viel ins Internet zu kommen, daher - viel Spass mit einer Ahnung was an Tanred besonderes ist
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Für einen Moment wußte er nicht wo er war.
Kälte umgab ihn, Kälte und Dunkelheit, nur das verglimmende Lagerfeuer gab noch schwaches Licht ab. Felle hüllten ihn ein und Decken, und trotzdem kroch die Kälte von allen Seiten in seine Kleidung.
Tanred fröstelte. Seine Füße waren eisig. Es war nicht mehr die beste Zeit um unter den Wagen zu übernachten, aber drinnen war es nur unwesentlich wärmer. Er zog die Decken noch enger um sich. Dann hielt er inne.
Was hatte ihn geweckt?
Irgendwas war falsch, als sollte er gar nicht hier sein... Es war zu still, er hörte keine... was genau war es was er zu hören erwartet hatte?
Dann, wie als wäre ein Damm gebrochen, kamen alles wieder zu ihm, die Bilder und die Geräusche, sogar die Gerüche. Da waren Reiter gewesen, in den dunklen Rüstungen der Garde, und das Getrappel von Pferdehufen auf hartgefrorenem Boden. Er war da gewesen, hatte das Schnauben der Pferde gehört, ihren Schweiß gerochen, das Leder und den Stahl der Waffen. Er hatte die Rufe gehört, in der fremden Sprache der Söldner - Eloranisch, und das Klirren der Rüstungen.
Sie kamen! Die Garde war unterwegs um die Gauklertruppe zu töten!
Tanreds Herz hämmerte plötzlich wild. Er mußte Perren warnen.
Schon hatte er sich halb erhoben, da hielt er inne.
Nein.
Es war nur ein Traum gewesen. Er war nicht wirklich bei den Reitern gewesen, egal was seine Erinnerung ihm sagte. Er konnte nicht wirklich bei ihnen gewesen sein! Er war hier unter dem Wagen gewesen, genau da wo er aufgewacht war.
Aber es fühlte sich nicht wie ein Traum an... Eher... wie damals in Sant Kymran, als er erst dem Fuchs gefolgt war, der sich in das Mädchen verwandelt hatte - Felua. Träume waren schemenhaft wenn man aus ihnen erwachte, ergaben keinen rechten Sinn mehr - aber an was er sich erinnerte, das war wie als wäre er dabei gewesen, lauter Einzelheiten. Er konnte den verzierten Schwertknauf des Anführers noch genau vor sich sehen! Und dazu hatte er dieses überwältigende Gefühl daß eine Gefahr drohte, daß er handeln mußte!
Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Es hatte keinen Sinn sich von einem verdammten Traum verrückt machen zu lassen, sein Leben war schon kompliziert genug. Und mehr als ein Traum war es nicht gewesen.
Und wenn doch?
Der Gedanke stand ungebeten in seinem Kopf. Der Traum mit dem Fuchs hatte mit Felua zu tun - einer Hexe. Wenn dieser Traum jetzt auch mit Magie zu tun hatte? Wenn es eine Warnung war?
Er schnaubte und drehte sich zur Seite, schloß die Augen. Sofort war das Gefühl der Bedrohung zehnmal so stark, und sein Herz hämmerte. Er schlug die Decke zur Seite, schauderte in der kalten Nachtluft. Es war nichts zu hören.
Verdammt...
Er kroch unter dem Wagen vor und stolperte im schwachen Licht zu dem Wagen, in dem Perren schlief. Sein Fuß stieß schmerzhaft gegen ein Hindernis, aber er biß die Zähne zusammen und tastete sich zum Eingang hinten am Wagen hoch, öffnete dann die Tür. Drinnen war es stockdunkel, nur leises Schnarchen sagte ihm, daß jemand vor der Kammer schlief - Wulfgar vermutlich, und wahrscheinlich auch Fret. Vorsichtig tastete er sich voran, eine Hand gegen die Wand ausgestreckt, die Füße immer einen halben Fußbreit ach vorne. Stoffe streiften sein Gesicht, Lederzeug, dann stählerne Werkzeuge - hier war Wulfgars tragbare Esse untergebracht... Es war eine Scheißidee - die paar Gründe die ihm noch vor einem Moment halbwegs überzeugend vorgekommen waren kamen ihm jetzt komplett lächerlich vor. Endlich erreichte er die Tür zur Kammer und klopfte bevor er es sich anders überlegen konnte.
Das Schnarchen im Wagen verstummte. Großartig... Dann hörte er Bewegung hinter der Tür, und mit einem leisen Knarren öffnete sie sich einen Spalt.
"Perren?", flüsterte er in die Finsternis.
"Was ist los?", fragte der Prinzipal ungehalten.
"Wir sind in Gefahr hier...", erklärte Tanred. "Wir müssen weg, so schnell wie möglich. Die Garde ist hinter uns her."
"Woher willst du das wissen, Junge?", brummte Wulfgar hinter ihm. "Hast du sie gesehen?"
"Ja...", flüsterte Tanred. "In einer Vision... oder so etwas."
"Du hast schlecht geträumt", stellte Wulfgar ärgerlich fest. "Leg' dich verdammt noch mal wieder schlafen."
"Es war kein Traum!", entgegnete Tanred. "Perren, es war... etwas anderes. Wie eine Vision, ich weiß nicht so genau..." Unsicher brach er ab.
"Was genau bringt dich auf die Idee daß es kein Traum war?", fragte Ketrans Stimme aus der Dunkelheit vor ihm.
"Es war zu real...", sagte Tanred zögernd. "Ich habe den Wind gespürt, die Pferde gerochen, das Eloranisch gehört daß die Reiter miteinander gesprochen haben... Meine Träume sind nicht so!"
"Hast du verstanden was die Eloraner gesagt haben?", fragte Ketran.
"Nein, ich kann doch kein Eloranisch...", antwortete er automatisch.
Perren, Ketran und Wulfgar schwiegen. Tanred stand in der Dunkelheit und kam sich unsagbar blöd vor. Natürlich glaubten sie ihm nicht. Er selbst würde sich auch nicht glauben... Wieso auch? Es war nicht zu leugnen daß er unter dem Wagen gelegen hatte als er aufgewacht war - wo er geschlafen hatte...
Perren holte tief Luft.
"Also gut", sagte er. "Wir brechen auf. Jetzt gleich. Wulfgar, du weckst die anderen und siehst zu daß die Armbrust in Reichweite ist - nur für den Fall der Fälle."
"Bis du sicher?", fragte der bullige Mann skeptisch.
"Wer weiß was Tanred da gesehen hat...", sagte Perren leise. "Wenn es nur ein Traum war, dann ist unser größtes Problem daß Rocas einen Anfall bekommt. Aber wenn nicht, dann rettet uns das vielleicht das Leben. Maldua hat irgendwas in ihm gesehen... Vielleicht sieht er manchmal Dinge die passieren werden. Oder Maldua kann uns durch ihn warnen. Aber wenn es eine echte Vision ist und wir sie ignorieren - dann gnade uns Ädon! Und wenn alles gut geht, können wir bis zum frühen Nachmittag schon über der Grenze zu Kerst sein."
"Deine verdammte Entscheidung...", knurrte Wulfgar und richtete sich geräuschvoll auf. "So lange ich sie nicht den anderen erklären muß..."