Beiträge von Thorsten

    Die Kreuzung vor Erbor

    Er ist nervös als er den Schankraum der Taverne betritt. Er ahnt schon daß es Schwierigkeiten geben kann, er weiß es fast sicher - aber welche Wahl hat er?

    Der Raum ist niedrig, die Decke aus groben Balken, schwarz verrußt vom Rauch des Kochfeuers, und der Geruch nach Schweiß, verbranntem Fett und billigem Bier liegt über allem. Um diese Zeit ist die Taverne nicht sehr voll, die Dorfbewohner nutzen die wenigen Stunden Tageslicht zur Arbeit und kommen erst nach Sonnenuntergang her. Trotzdem sitzen ein paar junge Männer nahe der Tür und unterhalten sich laut.

    Er geht an ihnen vorbei zur Theke, zwingt sich dazu nicht zu hasten um nicht nervös zu wirken und eine rundliche Frau mit strähnigen dunklen Haaren mustert ihn.

    "Was willst du?", fragt sie barsch. Sie kennt ihn nicht, und Mißtrauen ist in ihre Züge eingeschrieben. Er kann ihre Gedanken förmlich lesen - ein Fremder in so einem kleinen Dorf - wo kommt er her? Und was will er hier? Gehört er etwa zum fahrenden Volk?

    "Einen Laib Brot und ein paar Scheiben Fleisch", verlangt er. Unglauben mischt sich in ihre Miene. "Ich habe Geld", setzt er schnell hinzu und läßt sie einen Blick auf den silbernen Halbpfennig werfen.

    "Silber?", zischt sie so laut daß die anderen im Raum sich umdrehen. "Woher willst du kleine Ratte denn Silber haben? Wo hast du das gestohlen?"

    "Es war ein Geschenk...", murmelt er verzweifelt, er ahnt schon was passieren wird, hat es vorher schon befürchtet. Aus dem Augenwinkel kann er sehen wie drei Männer aus der Gruppe an der Tür sich erheben. Er muß schnell handeln... und den Plan dafür hat er sich schon zurechtgelegt.

    Blitzschnell taucht er ab und läuft nach rechts, und während einer der überraschten Männer nach ihm greift schlägt er einen Haken und taucht nach links in Richtung Tür.

    "Dieb!", kreischt die Wirtin hinter ihm während schwere Stiefel über den Boden Poltern, eine Bank zu Boden geht und jemand ungehemmt flucht. Aber er ist schon draußen, in der kalten, klaren Schneeluft eines dämmrigen Winternachmittags und rennt den ausgetretenen Weg entlang, an tief eingeschneiten Hütten vorbei, zählt Schritte und als er an einem Blutspritzer mitten auf dem Weg vorbei kommt den er vorher bemerkt hat, wirft er die kleine Silbermünze schnell in den tiefen Schnee am Wegrand.

    Keinen Moment zu früh - die Schritte von hinten kommen schnell näher und dann packt eine grobe Hand seine Schulter und er spürt wie er stolpert, wie sein Gesicht in den eiskalten Schnee gedrückt wird. Einen Moment später wird er hochgerissen, und zwei Schläge brennen auf seinen Wangen. Seine Angreifer sind nicht kräftig, grade mal an der Schwelle des Erwachsenseins, aber er kann ihnen wenig entgegensetzen.

    "Wo ist das geklaute Silber!", brüllt ihn einer an, während der andere ihm den Arm verdreht. Der Schmerz treibt Tränen in seine Augen, und Blut läuft aus seiner Nase, aber ein anderer schlägt ihm die Faust in den Magen noch bevor er antworten kann. Gierige Hände zwingen seine kalten Finger auseinander, schütteln ihn dann, und werfen ihn zu Boden als keine Münze zu finden ist. Er legt die Hände schützend über seinen Kopf, das ist alles was er tun kann.

    "Wo ist das Silber, du verdammter Dieb!", brüllt wieder jemand. "Wo hast du es versteckt?"

    Tritte treffen auf seine Rippen, selbst durch die dicke Winterjacke abgeschwächt sind sie schmerzhaft und er keucht.

    "Wo ist es?" - "Spuck's aus, Pathonbrut!" - "Rede, oder bei Ädon, ich schlag' dich zu Brei!"

    Endlich geben sie ihm Zeit zu antworten.

    "Ich hab's in der Taverne verloren...", wimmert er während Blut, Rotz und Tränen über sein Gesicht laufen und den weißen Schnee färben. "Es ist mir aus der Hand gefallen als ich abgehauen bin..."

    Die drei sehen sich fast entsetzt an, und er weiß was sie denken - wenn die Wirtin das Geld findet, dann wird sie sicher nicht mit ihnen teilen. Und dann war all ihre Mühe umsonst! Er bekommt einen letzten Tritt in den Magen, dann lassen sie ihn in Ruhe und rennen zurück - vielleicht war die Wirtin ja unaufmerksam.

    Eine Weile liegt er nur da, dann rafft er sich stöhnend auf, zieht Handschuhe über seine tauben Finger und humpelt aus dem Dorf hinaus in den Wald. Er will den dreien nicht noch einmal über den Weg laufen. Nachdem sie das Silber in der Taverne auch nicht finden werden...

    Erst weit nach Mitternacht kommt er wieder ins Dorf, um im Mondlicht mit eisigen Fingern den Schnee zu durchwühlen wo er die kleine Münze hingeworfen hat. Er braucht lange um sie zu finden, und seine Hände sind taub und gefühllos als er den Halbpfennig endlich aus dem Schnee zieht. Aber welche Wahl hat er schon?

    Wir können nicht deutschlandweit über jede Veröffentlichung abstimmen. Ich habe die Möglichkeit meine Meinung zu sagen und dagegen zu protestieren, wenn mir die Veränderung nicht gefällt und das führt dann entweder dazu das die Verantwortlichen einlenken oder nicht.

    Wir drehen uns da argumentativ im Kreis. Es waere ja schoen wenn jeder nach seiner Weise schreiben wuerde und das dann auch akzeptiert wuerde dass es solche und solche Buecher gibt und jeder kauft die die er mag - ungluecklicherweise ist das aber eben nicht das Ziel des woken Lagers, sondern da werden Buecher aus den Bibliotheken geworfen, Autoren arbeitslos gemacht alles im Namen der 'richtigen' Literatur,...

    Und ein Shitstorm der Existenzen vernichtet ist zwar legal (wie auch die Veroeffentlichung Deiner Addresse) - aber als Spielregel des Zusammenlebens einfach ungeeignet.

    Du musst leider der Tatsaeche ins Auge sehen dass die Verlage eben nicht frei entscheiden wie sie wollen, sondern dass sie durch die Androhung wirtschaftlicher Schaeden von einer radikalen Minderheit gezwungen werden in der genehmen Weise zu unterscheiden. Wie bei dem Wort an der Tafel des Dozenten scheinst Du eine eher eher unschuldige Vorstellung von dem was real im Bereich des Moeglichen ist zu haben.

    Und zum X-ten Mal in dieser Diskussion - es gibt ein weites Feld and Formen von Missfallensbekundung - von Buch einfach nicht kaufen ueber Boykottaufruf zum Stoeren von Lesungen und offentlichem Niederbruellen - nicht alle sind als generelle Spielregel zum Zusammenleben geeignet.

    Wir muessen nicht ueber jede Veroeffentlichung abstimmen - es wuerde mir schon reichen wenn Verlage frei darueber entscheiden koennten statt darauf zu schielen dass ja nicht die naechste Internet-Kampagne losgetreten wird.

    Filme wie Prinzessin Mononoke zb. sind sehr deutlich darin, dass Miyazaki, sowie mit vielen seiner Filme, zu den Environmentalist Movies gehören, weil ihm das Thema persönlich viel zu wichtig ist, um es hinter Subtext zu verstecken. Er hat dennoch beide Seiten des Konflikts ausgearbeitet.

    Also, ich bin ja ein grosser Fan von Miyazaki - und ich finde es ein Raetsel warum Du ihn an dieser Stelle in die Diskussion einbringst.

    Ich habe viele Stunden mit Prinzessin Mononoke verbracht (und sogar das Thema einmal fuer mich in einer Fantasy-Geschichte verarbeitet) - wenn es eine Geschichte gibt wo ich wirklich das Gefuehl habe dass einem eine komplexe Thematik mit vielen Aspekten vorgesetzt wird ohne dass ein Urteil vorgekaut wird, dann die. Oder auch Nausicaa aus dem Tal der Winde.

    Ausser 'die Welt ist komplex und urteilen ist schwierig' faellt mir nicht so recht ein was ich als Moral von Miyazaki ziehen sollte - also - der Anti-Holzhammer um von Acala zu borgen.

    Subtext - eine ganze Menge glaube ich, je nachdem wie gut man Subtext in der japanischen Kultur eben dekodieren kann, es sind schon sehr japanische Filme (Mononoke noch mehr als Nausicaa).

    Ich würde auch keine Studentin ernst nehmen, die Kurse über historische Amerikanische Literatur besucht und dann jammert, wenn an der Tafel „Nigger“ steht. Noch dazu als Teil von einem Buch-Titel. Und genau das ist für mich der Punkt. Diese Situation ist unrealistisch. Das würde so nicht passieren und ich glaube auch nicht, dass wir uns in irgendeiner Form darauf zu bewegen.

    Um... verfolgst Du eigentlich Nachrichten aus den USA? Oder kennst Du Leute die da an Unis arbeiten? Das ist absolut keine unrealistische Situation, dass Studenten sich beim Dekan beschweren wenn ein Dozent solche Woerter an die Tafel malt ist - je nach Uni und Bundesstaat - ziemlich normal. Dass der Dozent dann gefeuert wird ist vielleicht nicht normal, aber auch schon vorgekommen.

    Oder störst du dich generell daran wenn Bücher versuchen Kindern etwas mitzuteilen bzw sie zu "belehren" ?

    Mich stoert das genauso wie bei Literatur fuer Erwachsene - ich moechte eine fiktive Situation lesen und erleben und mir dazu meine Gedanken machen - wenn der Autor mir die Meinung in den Mund legt die sich zu den Protagonisten zu haben habe, dann lege ich das Buch zur Seite, ich entscheide selber wer mir sympathisch ist und ich kann mir selber meine Schluesse zu einem Text erarbeiten.

    Genauso stoert es mich, wenn Kinderbuecher das Urteil vorwegnehmen wollen - aber das ist gar nicht so relevant, denn die Kinder stoert das auch. Solche Buecher kommen bei denen im Vergleich mit den eher anarchischen wo man sich selber reinfinden muss gar nicht gut an.

    Wie kann es diese Schneewittchen Person wagen meinen Kindern beibringen zu wollen das Obsession mit Jugend und Schönheit schlecht für sie ist und das sie stattdessen freundlich und fürsorglich sein sollten!?

    So einfach ist Schneewittchen halt nicht zu deuten - wir haben hier ja ein Maedel das mit 7 Kerlen zusammenlebt - was uns das wieder sagen will? Ist Schneewittchen mutig (dunkler Wald), freundlich (Umgang mit den Zwergen) - oder naiv (Umgang mit den verschiedenen Gestalten der boesen Koenigin)? Sind die Zwerge besorgt, misstrauisch? Schneewittchen gewinnt am Ende ob ihrer Schoenheit und Jugend den Prinzen - wieso sollte das schlecht fuer sie sein?

    Wenn Du nicht grade mit der Axt rangehst und Teile der Geschichte weghaust, bleibt ein ziemlich widerspruechliches Geschehen im Raum stehen zu dem sich jeder seine eigenen Gedanken machen kann. Das ist meines Erachtens die Staerke dieser Geschichten - sie entziehen sich einer einfachen Deutung die man mal eben als Moralhappen konsumieren koennte.

    Niemand versucht mir irgendwas weg zu nehmen, daher erkenne ich in Neuauflagen ohne das Wort "Neger" auch keine Zensur.

    Ich mach' den Exkurs ueber Videospiele jetzt nicht mit - da sind diverse technische Fragen die im Raum stehen (Emulatoren, Kompatibilitaet,...) die ein Buch nicht hat - ich finde die Diskussion ist schon weit genug gefasst wenn wir Buecher machen.

    Also - nein, niemand braucht das Wort 'Neger', insofern nimmt niemand einem was weg, das stimmt schon.

    Darum geht's mir aber gar nicht - in dem Moment wo ich prinzipiell damit einverstanden bin Geschichten in Neuauflage zu veraendern muss ich auch sagen bis zu welcher Grenze das fuer mich okay ist und wo es aufhoert.

    Man kann ja als naechstes sagen 'Jim soll nicht mehr Pfeife rauchen und Lukas auch nicht' - rauchen ist ja ungesund. Besser fuer die Kinder wenn die Vorbilder sowas nicht machen.

    Dann koennte jemand auf die Idee kommen, eine Geschichte in der Neuauflage so zu veraendern dass Du nicht damit einverstanden bist - die schwule Nebenfigur eben rausnehmen - wenn das gesellschaftliche Klima halt irgendwo so ist,ist es dann okay alles ausser Heterosexualitaet unsichtbar zu machen?

    Verstehst Du, Deine argumentative Position gegen solche 'paedagogischen' Aenderungen bricht zusammen wenn Du grundsaetzlich damit einverstanden bist dass man Buecher umschreiben darf - weil dann geht's nur noch darum wer bestimmt welche Aenderungen gut sind, und da hast Du schon an den Verlag abgegeben,... und damit schachmatt.

    Waehrend meine Position 'Haende weg vom Text' schuetzt auch Elemente die Dir wichtig sind. Und sie hat keine schwer auszulotende Grauzone wo ich sagen muss 'okay, also Lukas darf die Pfeife behalten, aber Jim nicht' und jemand anders sich an die Stirn langt.

    "Graf Perren?"

    Ketran drehte sich zu Tanred um der neben ihr auf dem Bock des Wagens saß und musterte ihn eine Weile. Hinter ihnen verschwand Eschgeir langsam in der endlosen Weite des Waldes während die Pferde sich anstrengten, die erste Steigung zu erklimmen. Ein Falke kreiste hoch am Himmel.

    Die ältere Frau seufzte, schüttelte den Kopf und blickte in den Wald.

    "Herzogin Maldua scheint sehr freigiebig mit unseren Geheimnissen zu sein", kommentierte sie dann trocken und leise genug daß niemand sie gegen das Knarren und Rumpeln des Wagens hören konnte. "Aber vermutlich wäre es Zeitverschwendung, sie um sowas zu bitten. Sie ist eine Verbündete der Kerrinsmänner, keine von uns, und sie tut was sie will... Aber ja - Perren gehört zu Gondreds Adel. Sigwulf Perren Anduas Graf von Felkafort ist der volle Name unseres Prinzipals. Was du eigentlich besser nicht wüßtest, weil es gefährlich ist. Und was du verdammt noch mal für dich behalten wirst!"

    Tanred nickte bei sich. Das erklärte so manches... Deshalb redete Perren also mit Maldua als wären sie gleichgestellt - sie waren gleichgestellt... Oder, zumindest so ähnlich, eine Herzogin war mehr als ein Graf. Bei Ädon und all seinen Heiligen - immer wenn er dachte jetzt zu verstehen wer die Gauklertruppe wirklich war, tat sich ein neues Geheimnis auf!

    "Und du?", fragte er Ketran direkt. Immerhin teilte sie das Bett mit Perren - und führte die Gauklertruppe für alle praktischen Zwecke mit ihm zusammen...

    Sie lachte.

    "Meine Mutter war Gauklerin und wer mein Vater war, das weiß niemand, er jedenfalls ganz sicher nicht. Das hier war meine Truppe bevor Perren Teil von uns wurde."

    Tanred blickte sie zweifelnd an. Also Perren war erst spät zu der Truppe gestoßen, und in Wirklichkeit war er ein Graf? Aber wie so vieles anderes ergab es irgendwie Sinn - es waren Ketran und Arngard die jonglierten, Ofyas und Felcas die Akrobatik betrieben, Tareia die tanzte und Vinlind die Taschenspielertricks vorführte - Perren spielte die Laute und Theater - nichts wofür man jahrelang als Gaukler lernen mußte...

    "Und weißt du was wirklich ironisch an der Sache ist?", fuhr Ketran fort. "Ohne Edred den Schwarzen wäre ich nie im Leben mit Perren zusammengekommen. Eine Gauklerin kann einem Grafen das Bett wärmen, aber nicht ihr Leben mit ihm teilen. Aber so... Ädons Wege sind unergründlich. Vielleicht sollte ich Edred dankbar sein, aber so weit reicht mein Respekt für den Thronräuber auch nicht."

    Tanred blickte in den Wald. Irgendwie erwartete er, den Fuchs, oder nein, die Füchsin zu sehen, aber da war nichts. Perren ein Graf... Aber wem sonst würde die Königin im Exil eine Aufgabe wie den Kontakt zu den Verbündeten zu halten anvertrauen? Immerhin erklärte es, wieso er so gut mit einem Schwert umgehen konnte. Und Wulfgar war vermutlich einer seiner Ritter gewesen... Hatte Maldua ihn darauf hinweisen wollen? Nein, es war ihre Tochter gewesen die das Thema aufgebracht hatte.

    "Kennst du Maldua näher?", fragte er schließlich.

    Ketran schüttelte den Kopf.

    "Ich würde denken daß du sie von uns am besten kennengelernt hast - immerhin hat sie mehr als einmal alleine mit dir geredet. Worüber eigentlich?"

    Die letzte Frage klang beiläufig, aber Tanred ahnte daß sie alles andere als das war.

    "Ich bin mir nicht sicher...", sagte er langsam. "Sie hat angedeutet daß sie die Zukunft sieht - oder zumindest vorausahnt - und daß ich Entscheidungen fällen werde, aber ich habe keine Ahnung was sie damit meint. Oder ob sie überhaupt die Wahrheit sagt. Wenn sie wirklich eine Hexe ist - wieso duldet sie Edred auf dem Thron?"

    Die Gauklerin seufzte.

    "Vielleicht hat sie auch Grenzen was ihre Magie kann und was nicht... Aber ich habe erlebt daß sie in der Vergangenheit öfter richtig lag mit Dingen die sie vorhergesagt hat... Man sollte ihre Worte nicht auf die leichte Schulter nehmen. Trotzdem - daß du irgendwelche wichtigen Entscheidungen bei den Kerrinsmännern fällen solltest, kann ich mir eher nicht vorstellen. Und trotz ihrer Worte über den Ratgeber von Fürsten - ich denke nicht daß die Königin im Exil auf dich besonders viel geben wird."

    Tanred blickte gedankenverloren auf die Straße. Eine Hexe die ein wichtiges Schicksal für ihn voraussah, ein Graf dem er als Kerrinsmann Gefolgschaft geschworen hatte, eine Füchsin die ein Mensch war. In was für eine Geschichte war er nur geraten als er Perrens Einladung mit den Gauklern zu ziehen gefolgt war?

    Wenn es Personen, Vereine, wasauchimmer gibt, die an Klassikern der Rockmusik Anstoß nehmen, ist die Saat bereits gelegt, dass andere auf den Zug aufspringen.

    Ich denke (hatte ich schon so geschrieben...) es ist normal dass Menschen Anstoss an Dingen nehmen - sei es mein Lebensstil, der Name einer Schule, Rockmusik-Klassiker, aktuelle Buecher,... sowas gehoert zu einer freiheitlichen Gesellschaft dazu (du nimmst zum Beispiel Anstoss an meiner Replik - welche Saat legt das?)

    Was ich nicht normal finde ist die Erwartung dass man die Dinge so aendern kann dass niemand mehr Anstoss nehmen muss - das geht meiner Meinung nach einfach nicht. Und das scheint mir eine neue Entwicklung zu sein - die dann dazu fuehrt dass man meint das mit der Brechstange durchdruecken zu muessen. Aber ich kann ja auch nicht durch einen Alltag ohne Aergernisse, ich muss mir auch das Gerede ueber alte weisse Maenner reinziehen, sexistische Spitzen auf Kosten von Maennern in Zeitungen sehen,.. wieso glaubt jemand dass ich das will?

    Es ist ja nicht das Gleiche einen Band nicht zu moegen und deswegen die Platte nicht zu kaufen oder oeffentlich zum Boykott aufzurufen und die Band als Nazis zu beschimpfen - was ich mache wenn ich Anstoss nehme spielt schon eine grosse Rolle.

    In meinen Augen sind wie freier als je zuvor, es gibt nur mehr Leute denen man theoretisch auf die Füße treten kann, weil es viel mehr Gruppen gibt die sich offen am öffentlichen Leben beteiligen können.

    Also, man ist schon auch empfindlicher - dass man auf Zumutungen mit 'da muss man durch' reagiert gehoert heute nicht mehr so zur gesellschaftlichen DNA.

    Diese Kinder haben es verdient Bücher von Autoren und Verlagen zu lesen, die an sie als ihre Leser gedacht haben und keine literarischen Museumsreplikate von dem was ich damals hatte.

    Wieso? Es werden ja heute auch Kinderbuecher geschrieben, die koennen die Autoren und Verlage ja so machen wie sie wollen.

    Mit was die Kinder verdient haben waere ich vorsichtig - die haben ihre ganz eigene Meinung dazu, das bringen sie dann schon zum Ausdruck wenn man ihnen eine Auswahl gibt. Verdient haben die Buecher die sie unterhalten und nicht belehren wollen.

    Und grade stelle ich hier bei der dreijaehrigen fest - Museum ('Die kleine Hexe') schlaegt moderne Angebote.

    Ist ja schließlich wichtiges Kulturgut, aber ich sehe auch keinen guten Grund mich gegen veränderte Neuauflagen zu stellen.

    Naja, wie stehst Du zum Argument der Geschichtsfaelschung? Ein Buch ist ein Dokument seiner Zeit - Grimms Maerchen sind ja durchaus nicht ohne - wieso sollte man das aendern duerfen? Wo hoert das auf, wer bestimmt was noch in den Buechern sein darf oder nicht? Ich sehe da viel Moeglichkeit fuer Missbrauch - Du nicht?

    Ich würde da bei Anschuldigungen schon vorsichtig sein, als Politiker erstrecht.

    Ich denke nicht dass ich da hinweggehe - das war so mein Punkt persoenlich Solidaritaet mit mutmasslichen Opfern zeigen ohne verbal einem Urteil vorzugreifen - eine Anschuldigung greift halt einem Urteil vor.

    Das ist eine schwierige Gratwanderung, aber wenn sie als Politikerin nichts tut fragt jeder 'wieso haelt die Politik nicht zu den Opfern?' Wenn ich mir konkret vorstelle dass eine Bekannte heulend vor mir steht und sagt sie ist vergewaltigt worden - da warte ich doch auch nicht erst das Urteil ab bevor ich sie in den Arm nehme und sage - ich bin fuer Dich da. Und das kann ich zu tun versuchen ohne mir Beschuldigungen zu eigen zu machen.

    Schwer, da empathisch und moralisch in jedem Fall sauber zu bleiben.

    Ich habe insgesamt den Eindruck, dass die Nachkommen der "Revolution" den Diskussionsraum wieder verengen.

    Ja, war wohl zwischendrin mal generell freier in dem was kuenstlerisch ging ohne Aufregung zu produzieren. Wie gesagt, ich finde es ja auch eine Ueberreaktion vom Rugby-Verband.

    Das habe ich nie behauptet.

    Doch, hast Du - hier ist Deine originale Aussage:

    Das mit den "Einschränkungen" geht (leise) in eine weitere Runde, nachdem ich heute eine Playlist von Songs gelesen habe, die kaum oder gar nicht gespielt werden (sollen).

    ***

    Sei es der Rugby-Verband oder irgendein Musikredakteur - die Zahl der Berufsempörer wächst.

    Hm.

    Hat eigentlich heute noch jemand eine Vorstellung wie die Ankunft der Rockmusik so in Europa begruesst wurde? Ich war ein bisschen spaet dran, aber der Sound meiner Kindheit ist Kritik am latenten oder offenen Satanismus, backward-masking von satanischen Botschaften, schwarze Messen der Musiker (wo Bands wie 'Black Sabbath' dankbar drauf eingestiegen sind).

    Hat man natuerlich trotzdem ueberall gespielt, oder? Nee, hat man nicht.

    Da wurde aber empoert - Kunstfreiheit hin- oder her.

    Bsp. der Fall Gil Ofarim: Sehr schnell wurde nach seinem Video vor dem Leipziger Westin-Hotel eine Antisemitismus-Demo organisiert, u.a. durch Irena Rudolph-Kokot, SPD-Mitglied und stellv. Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Migration und Vielfalt. Als sich nach vielen Monaten das Blatt wendete, es zur Verhandlung gegen Ofarim kam und sie auf diese Demos angesprochen wurde, antwortete sie sinngemäß: Es ist nicht an uns, das zu recherchieren.

    Das ist ein eher unfaires Statement.

    Hier stehen ja zwei Prinzipien im Widerstreit - auf der einen Seite muss die Aufarbeitung durch die Justiz auf Basis der Unschuldsvermutung funktionieren, auf der anderen Seite ist gegenueber einem mutmasslichen Opfer ein 'hey, warte erst mal ein paar Monate bis der Prozess durch ist, und dann kann ich solidarisch zu dir sein, so lange behandle ich dich als moeglichen Luegner' keine moralisch akzeptable Position.

    Das Dilemma ist nicht aufloesbar (es ist die Variante davon dass einer Frau die eine Vergewaltigung anzeigt immer geglaubt werden soll - funktioniert in einem Rechtsstaat nicht) - aber man kann die juristische und die persoenliche Ebene trennen und eben persoenlich Solidaritaet mit mutmasslichen Opfern zeigen ohne verbal einem Urteil vorzugreifen.

    In jeden Fall eine Gratwanderung, die kann auch mal schief gehen - aber die gute Frau hat Recht - es ist nicht an ihr das zu recherchieren, sowas macht die Polizei.

    Und Felua ... Ich habe auch schon solche Töchter gesehen, die große Begabungen hatten, aber sie einfach nicht so nutzen wollten, wie ihre Mütter hofften.

    Naja, jetzt wisst ihr was das mit dem Fuchs auf sich hat :)

    Das wurde richtig gruselig und ich habe den plötzlichen Stimmungswechsel auch als schaurig empfunden. Die verschiedenen Sorten von Magie sind sehr eindrucksvoll beschrieben.

    Heh - freut mich wenn das so rueberkommt!

    Ich finde das Beispiel jetzt interessant, weil... irgendwie ist es fuer mich in der schwierigen Grauzone angesiedelt wo ich auch lange ueberlegen muss was meine Position dazu jetzt eigentlich ist.

    Fangen wir mal mit dem Inhalt an.

    aber die Umsetzung von diesem Thema ist in meinen Augen (bzw. Ohren) einfach komplett misslungen und klingt viel mehr nach Rechtfertigung für die Aggression von dem Typen und eben nicht nach Verurteilung eben dieser.

    Es ist definitiv kein Heile-Welt-Song, aber wieso sollte denn ein Songtext ueber ein Eifersuchtsdrama eine Verurteilung enthalten? Verherrlichung von Gewalt liest sich schon auch anders, da kann der eine oder andere Rap-Text als Beispiel dienen. Die Geschichte ist aus der Perspektive des Taeters erzaehlt - natuerlich hat der in seinem Erleben Gruende fuer seine Tat, sonst haette er sie ja nie begangen - und wir erfahren schon auch aus 'forgive me' dass er weiss dass er Mist gebaut hat - und auch keinen Ausweg mehr fuer sich sieht (man kann die Geschichte vermutlich auch aus der Perspektive des Opfers erzaehlen - allerdings fehlt da das Drama, vermutlich hat sie gar nicht mitbekommen dass der Typ schwer austickt und die Zeit zwischen dem Blick auf das Messer und der Tat ist sehr kurz - das Ende fehlt dann auch - also die gewaehlte Perspektive ist schon spannender - mutet dem Hoerer aber auch zu, selbst seine Schluesse zu ziehen statt vorgekaut zu bekommen dass Gewalt schlecht ist. Hier gibt's einen finnischen Song der Zeilen wie 'stell dein Bild nicht ins Netz, sonst kann's jeder sehen' verwendet um den Kids paedagogische Empfehlungen zu geben - halte ich nicht fuer geglueckt...).

    Eine Einladung zu Gewalt oder Frauenfeindlichkeit sehe ich da nicht drin. Ein netter Wohlfuehlsong ist es allerdings auch nicht, eher was, was erst mal haengen bleibt und ein ungutes Gefeuhl macht.

    Was folgt jetzt draus?

    Meine erste Reaktion auf das entschied der walisische Rugby-Verband war - wer schert sich denn bitte um den walisischen Rugby-Verband? Ich gehe davon aus dass die Redaktion der 'Emma' bei den Weihnachtsfeiern auch was anderes spielt - koennen sie ja machen.

    Aber okay - das wirft wirklich die Frage auf - ab welchem Punkt entsteht aus dem einzelnen 'kann man machen wie man mag' ein Klima in dem man halt nicht mehr den Eindruck hat dass man machen kann wie man mag?

    Hier ist es kein DJ mit Hoheit ueber die Anlage der entscheidet dass er das nicht spielen mag, sondern schon ein Verband der seinen Mitgliedern verbietet... Und da reibe ich mir bei den Lyrics dann schon die Augen und frage mich - ist das die Aufregung wert? Weil, wie gesagt, Gewaltverherrlichung kann ich nicht sehen.

    Finde ich ueberreagiert von walisischen Rugby-Verband. Auf der anderen Seite -

    Die Titel u./o. Texte werden heute von einigen als anstößig empfunden.

    so what? Die wurden vermutlich damals auch von einigen als anstoessig empfunden. Skandal gehoert zur Kunst, und ich waere sehr ueberrascht wenn Tom Jones keine Ahnung hatte dass der Text kein Wohlfuehl-Song ist und manchen aufstoesst.

    Aber die Anmoderation nachdem ich heute eine Playlist von Songs gelesen habe, die kaum oder gar nicht gespielt werden (sollen) und dann geht's um den walisischen Rugby-Verband (dessen Einfluss auf die Musikszene wohl ueberschaubar ist) das ist schon auch ein wenig ueberreagiert. Bei den Songs im Artikel steht ja dann auch immer 'wird als anstoessig empfunden' oder 'sagt man nicht mehr so' - naja, soll's geben. Aber dass die Songs deswegen nicht gespielt werden, dafuer gibt der Artikel nichts her.

    'Layla' (der Song ueber die Bordellbesitzerin) ist ein Beispiel fuer ein Werk das von vielen als anstoessig empfunden wurde aber irgendwie doch sehr viel gespielt wurde (von ein paar der Leute die spaeter ihren Abscheu zu Protokoll gegeben haben gibt's anscheinend auch Videos wo sie begeistert dazu tanzen...).

    Generell denke ich kann man an Ton Jones oder ABBA auch argumentativ haerter ran - die sind keine kleinen Autoren wo der Erfolg eines Buches darueber entscheidet ob am Ende des Monats Geld da ist, sondern Multimillionaere mit einer grossen Bekanntheit - so einfach wie ein unliebsames Buch im Selbstverlag macht man diese Hits nicht weg.

    Der Falke schlug wild mit den Flügeln und schien dennoch still in der Luft zu stehen, und dann, auf einmal, legte er die Flügel an und schoß dem fernen Wald entgegen, steil nach unten.

    Tanred folgte ihm mit den Augen bis er den Vogel vor dem Gewirr der Baumwipfel verloren hatte, dann lehnte er sich gegen die Zinnen des Burgturms und blickte nach unten, auf eine Welt aus wucherndem Grün die von hier oben auf dem Turm so ferne schien.

    "Ich könnte dich durch die Augen eines Falken sehen lassen...", murmelte Maldua. "Wenn du wolltest. Aber ich vermute, es wäre besser für deinen Seelenfrieden es nicht zu tun..."

    Einen Augenblick lang war er wirklich versucht, ihr Angebot anzunehmen, und das erschreckte ihn. Ädon hatte die Magie verboten weil ihr Gebrauch so verführerisch war, weil jeder Schritt zum nächsten führte obwohl jeder für sich genommen so einfach aussah. Und dennoch - die Sehnsucht nach der wilden Freiheit des Falken konnte er nicht so ohne weiteres abschütteln.

    Mit Mühe wandte er sich von dem Panorama ab das sich vor ihm ausbreitete und sah statt dessen Maldua an. Er sah keine Bosheit in ihren Augen, nur... Wehmut vielleicht? Ihre Miene war schwer zu deuten.

    "Es ist die Magie des alten Wegs, Tanred", erklärte sie. "Die Macht des Landes, die Geheimnisse der Bäume und Wälder, die Kraft der Lebewesen um uns her. Wir sind eins, eins mit allem im Rad der Zeit, und daher kann ich sehen was der Vogel sieht und spüren was der Bär spürt."

    Einmal mehr hatte er das Gefühl daß etwas hinter ihren Worten lag, daß sie ihm hier nicht beiläufig etwas erklärte, sondern daß es ihr wichtig war, ihn diese Dinge wissen zu lassen. Aber warum? Das Buch Ädon machte keinen Unterschied - wer Magie verwendete, stellte sich damit gegen Ädons Willen, zerstörte das Gleichgewicht und verkaufte so seine Seele an Pathon. Wozu die Magie verwendet wurde spielte keine Rolle.

    Und trotzdem - konnte es schaden, mehr über diese Dinge zu wissen?

    "Der alte Weg...", sagte er langsam. "Gibt es denn noch andere Magie?"

    Maldua lächelte traurig.

    "Ja, Tanred", antwortete sie. "Sehr andere Magie. Wenn du möchtest daß eine Frau dich küßt, dann kannst du sie umwerben, sie zu verstehen lernen, sie zum Lachen bringen, mit ihr tanzen - und vielleicht wird sie es irgendwann tun. Oder du kannst ihr Dorf abschlachten, ihre Familie als Gefangenen nehmen, foltern und quälen und ihr anbieten daß sie erst sterben dürfen wenn du deinen Kuss bekommen hast. So unterschiedlich kann Magie sein."

    Sie atmete einen Moment tief durch, trat neben ihn und blickte dann über den Wald.

    "Solche - andere - Magie ist vor langer Zeit nach Gondred gekommen, zur Zeit der Kyrenai vor vielen tausend Jahren. Sie hat das Land gequält und geschunden und ihre Spuren eingebrannt, Spuren die bis heute noch zu finden sind. Sie hat Dinge gerufen die niemand in diese Welt rufen sollte der bei Verstand ist. Die Magie von Kyrenai liegt wie ein Fluch auf diesem Land. In den Ebenen von Kyran, weit im Westen von hier, siedelt nach all den Jahrtausenden immer noch niemand weil bis zum heutigen Tag... Dinge dort umgehen. Blut ist in Strömen vergossen worden damit Teufel und Dämonen sich davon nähren können und den Kyrenai zu Willen sind, und die blutgetränkte, geschundene Erde erinnert sich... "

    Tanred lief ein Schauer über den Rücken. Die warmen Sonnenstrahlen schienen bei ihren Worten an Kraft zu verlieren, substanzlos zu werden, und auch das Licht wurde irgendwie fleckig und grau, aber sie sprach weiter als würde nichts ungewöhnliches passieren.

    "Wer kann es den Ädoniten verdenken daß sie das ihre getan haben um das Land von dieser Magie zu reinigen? Sie wußten nicht, was hier geschehen war als ihre Schiffe damals aus dem arianischen Reich kamen. Erst allmählich haben sie die Natur des Bösen kennengelernt. Und ihre eigene Art gefunden, dagegen zu kämpfen."

    Sie wandte sich um und sah ihn ernst an. Er fröstelte.

    "Verwechsle diese Arten von Magie nie, Tanred", sagte sie. "Nicht für einen Moment. Auch wenn wir das gleiche Wort verwenden, es ist nicht das Gleiche. Die Magie der Kyrenai frißt sich wie ein Krebs in diese Welt, sie hat nichts aber auch gar nichts mit dem alten Weg zu tun. Vergiß das nicht!"

    Er nickte, unsicher und eingeschüchtert. Er wünschte sie würde endlich aufhören damit, nicht mehr weiter über Teufel und Dämonen reden. Schatten schienen über die Turmmauern zu fließen die vorher nicht da gewesen waren und die dort nicht hingehörten, und die Sonne war grau und substanzlos geworden.

    "Laß uns in den Garten gehen...", murmelte sie. "Da gibt es einen Strauch - Teufelsbann - der Geruch hilft. Du merkst, selbst über manche Dinge zu reden ruft... Dinge in der Seele hervor..."

    Schweigend folgte er der Herzogin, als sie die lange Wendeltreppe den Turm hinunter schritt, und dann durch Korridore und Treppen eine kleine Tür zum Kräutergarten erreichte. Warmes Licht fiel von außen herein, nicht mehr grau und fleckig, und dankbar trat er in den Duft des sonnendurchfluteten Gartens.

    Auf einer Bank zwischen blühenden Stauden saß ein Mädchen in einem moosgrünen Kleid, vielleicht einen oder zwei Winter jünger als Tanred. Fuchsrote lange Haare fielen offen über ihre Schultern, und ihre grünen Augen blitzten zornig als sie auf Maldua zuging.

    "Hier steckst du. Ich hab' dich überall gesucht", begann sie ohne Umschweife ohne Tanred auch nur eines Blickes zu würdigen. "Wenn du dich nun endlich entschlossen hast dich auf die Seite von Graf Perren zu stellen, dann möchte ich ihn begleiten und meinen Teil tun. Ich bin sicher daß er meine Kräfte gut brauchen kann."

    "Meine Tochter Felua", erklärte Maldua milde, zu Tanred gewandt. "Du hast sie schon kennengelernt..."

    Er wollte den Kopf schütteln, aber in diesem Moment sah das Mädchen ihn an und legte auf eine eigenartige Weise den Kopf schräg während ein spöttisches Lächeln über ihre Lippen glitt. Fuchsrote Haarsträhnen fielen über ihre Stirn...

    "Du...", stammelte er, während sie lachte und nickte, sich dann wieder ihrer Mutter zuwandte.

    "Oder hast du gehofft daß ich nichts mitbekomme wenn mir keiner was sagt? Ich habe es satt anderen zuzusehen wie sie ihren Teil tun - ich bin wirklich alt genug um jetzt selbst loszuziehen, du kannst mich nicht ewig auf Eschgeir festhalten."

    Tanred hörte kaum was sie sagte und starrte Felua immer noch mit offenem Mund an. Felua war der Fuchs gewesen! Er hatte von der Herzogin gehört die Hexe war, und von ihrer Magie, aber irgendwie waren das trotzdem... nur Geschichten gewesen. Aber ihre Tochter war ein Fuchs gewesen!

    Und plötzlich war Magie etwas sehr Reales in seinem Leben...

    Ich bin mir unsicher welche Lösung du hier suchst. Ich kann ja wohl kaum Bücher kaufen die ich beleidigend finde, nur um sicher zu stellen das der Autor sich finanziell über Wasser halten und mehr Bücher schreiben kann die ich nicht lesen will.

    Ich wuerde keine Buecher kaufen die ich beleidigend finde, nein. Ich wuerde aber Buecher kaufen die ich gut finde, selbst wenn der Autor nicht meine politischen Ansichten teilt. Oder auch Texte lesen die ein Sklavenhalter verfasst hat (Thomas Jefferson ist ein ganz gutes Beispiel dafuer, der hat viele intelligente und bedenkenswerte Sachen gesagt die wertvoll sind auch wenn sein eigenes Leben nicht hinterherkommt).

    Es ist auch ein Unterschied ob ich fuer mich entscheide ein Buch nicht zu kaufen oder das per SoMe jeden wissen lasse, andere kritisiere die das Buch kaufen oder zu Boykott aufrufe.

    Ich hab's mit der Tugendethik wo's sehr auf die Motivation fuer eine Handlung ankommt - vereinfacht gesagt wuerde ich ein Buch dann nicht kaufen wenn es mir nicht gefaellt, aber wenn meine Motivation ist den Autor zu bestrafen dann ist irgendwas faul.

    Man sollte, wenn man einen Beitrag beurteilt mit einem gewissen Grad an gutem Willen ran gehen und den Autor nicht wegen Dingen zum Staatsfeind erklären die auch Fehler oder ungeschickte Wortwahl sein könnten.

    Man kann Dinge ja auch mit geringerer Intensitaet kritisieren - ich kann den Autor ja wissen lassen dass ich das Buch sonst interessant fand, die eine Stelle da aber daneben. Kann er vielleicht ab - und lernt vielleicht sogar was draus als wenn ich medienwirksam verkuende dass das Buch gar nicht geht und von der Buchhandlung fordere dass die Lesung abgesagt wird.

    Also ja - mit Augenmass ran. Rassissmusvorwuerfe fuer die aufheben die echt Rassisten sind und boesartig agieren. Das waere so meine Loesung.

    Aber auf der Kehrseite kann man auch Kritik akzeptieren, zuhören, sich besser Informieren und sich bei Bedarf entschuldigen. Ich sehe letzteres eher selten.

    Hm, jein - es scheint keinen Mangel an dramatischen oeffentlichen Entschuldigungen zu geben - die dann allerdings vorher eingefordert wurden und vermutlich weniger auf Lernprozess als auf Shitstormvermeidung hindeuten (was auch nicht immer hilft).

    Aber ansonsten - ja, nicht-erzwungene Entschuldigungen die offensichtlich auf einem Umdenken beruhen sind selten - koennen Menschen nicht so richtig gut, muss man lernen. Selbst bei Faktenfehlern wo irgendwas nachpruefbar falsches behauptet wurde faellt es den meisten schwer den Irrtum zuzugeben - um wie viel schwerer ist das dann bei moralischen Fragen?

    Es waere schoen wenn die Welt anders waere und es leichter waere aus der eigenen Position raus aus den Augen des anderen zu sehen - dann waere es vermutlich auch leichter Fehler einzugestehen und sich dafuer zu entschuldigen. Aber so ist es echt eine Faehigkeit die muehsam gelernt werden muss und die sehr viele Erwachsene nicht koennen (bevor Cory Thain mir hier schreibt - ich denke ich versuche die Faehigkeit zu kultivieren - dass ich es nicht immer schaffe weiss ich auch...)

    Lernen ist uncool geworden. Lieber von Anfang an Recht haben.

    War das schon mal cool?

    Vor inzwischen gut 20 Jahren habe ich diesen Essay verfasst - es geht darin um Leute die sich in Foren bewegen in denen man was lernen will - aber viele wollen dort nicht was lernen sondern es schon wissen - und sind zu jeder Anfeindung und Debatte bereit um nur nicht zuzugeben dass jemand anders mehr von der Sache weiss.

    Ich kann die letzten beiden Punkte nicht wirklich gut beurteilen, weil mir das nie untergekommen ist, aber wenn man betrunken ist und etwas sagt was man nicht meint, warum kann man es nicht einfach zurücknehmen? Notfalls am nächsten Tag, wenn man wieder nüchtern ist?

    #1 ist von Rainer Brüderle inspiriert der nach einer missglueckten Barbegegnung mit einer Journalistin zuruecktreten musste, #2 von Boris Palmer inspiriert der wegen Verwendung von 'Neger' in Zitaten von Demonstranten mit 'Nazis raus' niedergebruellt wurde.

    Ich wuerde hoffen dass man einen Witz der danebengegangen ist (oder eine doofe Bemerkung die rausgerutscht ist,...) zuruecknehmen kann (persoenlich wuerde ich jedem die Gelegenheit dazu geben) oder dass sich jemand dafuer interessiert was die Absicht des Sprechers war, ob er etwa ein Wort verwendet um ein Problem zu veranschaulichen oder ob er wirklich jemanden beleidigen will - aber leider ist das sehr oft nicht der Fall.

    Ich denke wenn man zu einem so entspannten Umgang miteinander kommen koennte dass man sich erst mal nach der Absicht fragt und dann sachlich Kritik uebt und auch eine Entschuldigung annehmen kann - dann waere sehr viel gewonnen.

    Aber ich glaube auch nicht, dass grundsätzlich jede Meinung Respekt verdient hat, da eine Meinung auch Schaden anrichten kann, gegen den es möglich sein muss Widerstand zu leisten.

    Das glaube ich auch nicht - es gibt Positionen die sind nicht diskutierbar und haben auch in einer freiheitlichen Gesellschaft keinen Platz. Etwa die Idee massenhaft Deutsche auszuweisen weil sie nicht in Deutschland geboren sind.

    Nur - eine literarische Fiktion schreiben (worum es hier im Thread primaer geht) gehoert fuer mich nicht in die Kategorie. Auch ein rassistischer Fantasy-Roman ist Fantasy - ich muss solche Buecher nicht moegen (und auch nicht kaufen) - aber ich bin trotzdem dafuer dass solche Buecher geschrieben werden duerfen und die Gesellschaft das aushalten muss.

    Ich weiß das Thema ist alt aber ich bin beispielsweise bi-sexuell und mag halt auch manche Frauen. Was soll ich tun, wenn Person X aber sagt: „Ich bin aber dagegen!“?

    Dein Leben leben - da trifft das gleiche zu wie oben, der andere mag dagegen sein, aber muss es halt aushalten.

    (Du wuerdest bei einem laengeren Gespraech mit mir vermutlich finden dass ich viele Deiner Positionen teile - ich verstehe in der Regel die Gruende warum andere anders argumentieren, aber es ist deswegen nicht meine Meinung).

    Die „Meinung“ von Person Xs ist schlicht und einfach invalide.

    Nein, das ist sie nicht - die ist genauso aus innerer Logik gerechtfertigt wie Deine. Nur sind die Regeln des Zusammenlebens in einer freiheitlichen Gesellschaft halt so gemacht dass Du Dir nicht jede Meinung eines anderen anziehen musst - andere muessen Aspekte Deines Lebens aushalten, Du musst Aspekte ihres Lebens aushalten... und daraus entsteht Freiheit fuer alle Beteiligten.

    Die Meinung von X kann etwas relevant sein wenn's darum geht ob Du auf einer religioesen Veranstaltung auftrittst oder Dich an einem religioesen Ort bewegst - X kann meiner Meinung nach berechtigterweise verlangen dass Du bei so einer Gelegenheit nicht mit der Freundin im Arm auftauchst.

    Ich denke eben genau das nicht und sehe das mit der Hautfarbe von Menschen genauso. Ich kann nicht überzeugt werden heterosexuell zu sein oder eine andere Abstammung zu haben, aber Person X -kann- seinen dämlicher Kommentar überdenken und Frieden schließen, wenn er/sie/dey das will.

    Angenommen Du koenntest ueberzeugt werden und es gaebe eine Methode Dich heterosexuell zu machen - wuerde das Deine Position wirklich aendern? Ich waere ueberrascht... Wuerdest Du dann Frieden schliessen, oder ist der Grund fuer Deinen Widerstand nicht eher dass Du nicht willst - Du willst so sein wie Du eben bist?

    Genauso wie „Ich kaufe keine Bücher von Christen, die Religion als Vorwand nutzen Transsexuelle anzufeinden“ nicht dasselbe ist wie „Ich kaufe keine Bücher von Christen“

    Es ist, wie oben gesagt, die gleiche Methode, nur ein unterschiedliches Ziel. Ich stimme Dir zu dass das eine Ziel wesentlich erstrebenswerter ist als das andere, aber ich billige die Methode in keinem Fall.

    Ausserdem - wie gesagt, was Du 'anfeinden' nennst stellt sich in der woken Praxis raus als Dinge wie

    * spaet abends an der Bar betrunken einen unpassenden Witz machen
    * in einem Zitat 'Neger' verwenden
    * in einem Buch dem Protagonisten die falsche Hautfarbe zu geben

    Rowling zum Beispiel haelt ja keine Hetzreden gegen Transpersonen - sie ist nur eine klassische Frauenrechtlerin und weist auf Problematiken hin wie dass sich nicht alle Frauen damit wohlfuehlen dass jemand mit Penis mit ihnen in der Sauna sitzt. So richtig die Anfeindung kann man da nicht festmachen.

    Wir reden ja nicht ueber konkrete Anfeindungen wie rassistische Beleidigungen, Fackelaufmaersche vor dem Haus oder Pruegeleien - das sind alle juristisch relevante Kategorien die das Strafrecht erledigen kann. Sondern es geht um Dinge die weit unterhalb des juristisch relevanten Horizonts laufen, die oft ueberhaupt keine Absicht sind (wer ein Buch zitiert macht das nicht um jemanden zu beleidigen) und von denen eine bestimmte Gruppe aber glaubt, dass sie trotzdem geahndet werden muessen - und deswegen im Endeffekt zur Selbstjustiz greift.

    Und ich glaube dass im Gegenteil die Gesellschaft dieses Level an Spannung aushalten muss - ein bloeder Witz ist nur ein bloeder Witz.

    Ausserdem gibt es einen Unterschied zwischen 'ich kaufe keine rassistischen Buecher' und 'ich kaufe keine Buecher von Leuten deren Gedankengut mir nicht passt selbst wenn das Buch selbst gar nicht rassistisch ist'.

    Der erste Eindruck den man von Eschgeir hatte war, daß die Burg sehr abgelegen tief im Wald lag und daß sie kaum Besucher hatte.

    In Wirklichkeit war das nicht so, Tanred begriff das recht schnell als er einen Vormittag lang das Kommen und Gehen um die Festung herum verfolgte. Reitende Boten trafen aus verschiedenen Richtungen über kleine Wege durch den Wald ein, Händler mit Wagen und Maultieren folgten der größeren Straße auf der die Gaukler selbst gekommen waren und bauten einen kleinen Markt auf dem Platz unterhalb der Burg auf während aus dem Wald Karren um Karren mit frisch gefällten Stämmen, gut abgelagerten Balken, Holzkohle oder Fässern voll mit Pech eintrafen um entweder gleich verkauft zu werden oder erst einmal einem der Langerhäuser zu enden.


    Und das war längst nicht alles an Aktivität - Knappen übten das Reiten mit der Lanze auf einem Turnierplatz unterhalb der Burg, während eine Kompanie Langbogenschützen ihr Können unter Beweis stellte und Fußvolk mit Speeren und Schilden exerzierte. Laute Hammerschläge hallten aus der Schmiede, während unter großem Geschrei in der Gerberei eine neue Beize angesetzt wurde und frisch entfleischte Felle in die kalkige Brühe geworfen und mit großen Steinen beschwert wurden um die komplett in der Flüssigkeit zu halten.

    Die Lage mitten im Wald täuschte - Eschgeir war nicht ein entfernter Außenposten, sondern der Mittelpunkt eines ganzen Reiches - eines Reiches allerdings das sich den Blicken von Außenstehenden gerne entzog.

    "`Konzentrier' dich ein bisschen!"', rief Arngard mit freundlichem Spott und riß Tanred aus seinen Betrachtungen.

    Sie standen zwischen den Wagen der Gaukler, umringt von ein paar neugierigen Kindern und Burgvolk das ein paar Minuten Pause machte und übten das Jonglieren zu zweit. Die Idee war eigentlich ganz einfach - Arngard hatte die sechs Lederbälle so herausgesucht daß zwei eine andere Farbe hatte, und immer wenn er einen roten Ball in der rechten Hand hatte, wurde der statt in seine linke Hand nach vorne zu Arngard geworfen.

    Zu Tanreds Überraschung funktionierte die Sache besser als erwartet. Vielleicht lag es daran daß er gerne mit Arngard zusammen war, vielleicht auch an den abenteuerlichen Bewegungen die sie manchmal machte um einen schlecht geworfenen Ball zu fangen und präzise wieder zurück zu werfen, vielleicht hatte er die Sache auch endlich kapiert, jedenfalls flogen an diesem Vormittag deutlich mehr Bälle zwischen ihnen hin- und her als er vom Boden aufheben mußte.

    Er grinste und begann das Muster erneut - zwei Bälle zwischen den eigenen Händen hin- und her, dann einen zu Arngard. Allmählich entspannte er sich und seine Würfe wurden sicherer. Irgendwie machte die Sache sogar Spaß.

    Nicht daß er auch nur im entferntesten an Arngards Können herankam - sie warf mit einer entspannten Leichtigkeit und Präzision von der er nicht mal träumen konnte...

    Wenn man vom Träumen sprach... Seine linke Hand griff daneben und fing nur Luft statt den Ball den Arngard geworfen hatte, und er ließ auch den Rest der Bälle zu Boden gehen. Ein paar der Kinder klatschten Beifall.

    "`Wir machen noch einen Jongleur aus dir!"', hörte er Ketran hinter sich anerkennend loben.

    "`Mhm - und jetzt mit Fackeln, dann kann man das vielleicht sogar herzeigen"', kommentierte Ofyas der grade mit einem Kostüm aus dem Wagen kam trocken. "`Falls ihr es noch nicht mitbekommen habt - wir führen heute abend in der Burg auf."' Er machte eine dramatische Pause und wandte sich an Tanred. "`Also - Arngard führt auf, du nicht. Falls das unklar war."'

    Arngard streckte ihm die Zunge raus.

    "`Ignorier' ihn, Tan - er ist nur neidisch weil er nicht jonglieren kann"', sagte sie schelmisch. "`Magst du weiter machen?"'

    "`Ich glaube für heute sind wir ein ganzes Stück weit gekommen..."', meinte er erschöpft.

    Seine Arme taten allmählich weh, und irgend etwas sagte ihm, daß Perren ihn für eine Stunde Schwertkampf holen würde wenn er mit Wulfgar von der Besprechung mit der Herzogin zurückkam...

    Ein Produkt aus politischen Gründen ablehnen, jemandem die Freundschaft kündigen und jemanden sagen das seine Meinung Schrott ist sind legale Handlungen. Ich kann mich sogar einem Protest anschließen, wenn ich will.

    Auf die Gefahr hin das Pferd zu Tode zu reiten, aber ich wuerde gerne dazu noch ein paar Gedanken loswerden weil ich die Parallele fuer sehr wichtig halte.

    In der Tat ist es legal ein Produkt abzulehnen, eine Freundschaft zu kuendigen (oder erst gar nicht einzugehen) oder jemandem die Meinung zu geigen. Und fuer Dich stellt es sich halt so dar dass das individuelle Entscheidungen sind zu der jeder das Recht hat.

    Nur - wenn sich ganz viele Menschen individuell entscheiden nicht bei Leuten die anders aussehen zu kaufen - dann gehen deren Geschaefte pleite. Wenn ganz viele sich entscheiden bei Leuten die anders aussehen Freundschaften abzulehnen - dann sind die isoliert. Und wenn jedes Mal wenn einer von diesen anders aussehenden was sagen will sofort zehn Leute um ihn rumstehen - dann werden die nicht gehoert.

    Und das Ganze nennst Du dann 'strukturellen Rassismus'.

    Produkte einer Gruppe aus politischen Gruenden abzulehnen hat ja eine traurige Vorgeschichte die sich durch das dritte Reich zieht...

    Deshalb denke ich nicht dass man das einfach so als unschuldige persoenliche und ganz legale Entscheidung verkaufen kann - sonst waere die gleiche Sache beim individuellen Rassissmus ja auch okay. Die Methodik der spezifischen Verfolgung einer Gruppe ist einfach zu gleich.

    Nun kann man versuchen dass es im einen Fall um eine ueber Rasse definierte Gruppe geht, im anderen Fall um eine ueber politische (oder religioese) Ueberzuegung definierte. Nur - der Versuch ist definitiv nicht mit der freiheitlichen Gesellschaft konform, denn das Grundgesetz schuetzt beides gleichberechtigt (hier ist Artikel 3, Paragaph 3:)

    Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

    Wenn man sich jetzt des Methodenkastens des strukturellen Rassismus bedient um politische Ziele durchzusetzen, dann haben wir es mit einer Ethik des Zwecks zu tun - das gute Endergebnis heiligt am Ende die Mittel um es zu erreichen.

    Historisch haben sich solche Ethiken als gefaehrlich rausgestellt - die Grundidee der roten Khmer beispielsweise mehr Autarkie im eigenen Land zu erzielen und die Rolle der verarmten Bauern aufzuwerten war meines Erachtens gut - nur dass das Mittel dazu Gewalt und Massenmord sein darf - dieserTeil fuehrt in die Katastrophe. Auch die Kreuzzuege sind ein gutes Beispiel - fuer den guten Zweck (jerusalem fuer die Christenheit befreien) darf ein Ritter auch Unschuldige ermorden. Auch darueber urteilt die Geschichte nicht so besonders mild.

    Wie ich schoen erwaehnt hatte - mit freiheitlicher Gesellschaft hat das nichts zu tun, die ist nicht auf einer Ethik des Zwecks gebaut sondern eher auf einer der Mittel - jeder darf (in Massen) seinen Zweck selbst bestimmen, aber nicht jedes Mittel darf dazu recht sein. Oder anders - wenn Du nicht willst dass es strukturellen Rassissmus gibt, dann musst Du konsequenterweise auch die Methoden dahinter ablehnen wenn sie anderen Zielen dienen.

    Oder wir enden in einer Gesellschaft in der die maechtigste Gruppe bestimmt was der Zweck ist und alle Mittel einsetzt um da hin zu kommen - die ist ganz gewiss nicht frei, und Du koenntest feststellen dass Du nicht der maechtigsten Gruppe angehoerst...

    Sorry aber in deinem Beispiel geht es nicht um eine Person die sich selber weigern Leute mit den richtigen Pronomen an zu sprechen, was ich furchtbar unhöflich finden würde, sondern um jemandem der diese Unart von mir verlangt und zwar gegen den ausdrücklichen Wunsch von betroffenen Personen die ihre bevorzugten Pronomen angegeben haben.

    Ja... und?

    Ich hab' das Beispiel ja bewusst parallel konstruiert.

    Du forderst auf der einen Seite ein dass andere tun sollen was in Deinem Wertesystem richtig ist (aka bestimmte Ausdruecke vermeiden) und bezeichnest sowas als 'berechtigte Meinung' - auf der anderen Seite weigerst Du Dich, wenn Du aufgefordert wirst etwas zu tun was in einem anderen Wertesystem richtig ist massiv und bezeichnest es als 'grundlos' (obwohl in meinem fiktiven Beispiel der Grund tatsaechlich angegeben war). Du wuerdest die Pronomen ja offenbar auch gegen den ausdruecklichen Wunsch einer religioesen Person die sich davon veraergert fuehlt verwenden...

    Nein sind sie nicht. Wenn man von anderen verlangen muss sich an die Vorgaben der eigenen Religion zu halten, obwohl sie kein Teil davon sind oder das nicht so auslegen, ist man entweder viel zu intolerant oder die besagte Religion ist fundamental nicht mit einer freien Gesellschaft vereinbar.

    Naja, nach der Definition ist 'Wokeness' in der starken Auspraegung auch nicht mit einer freien Gesellschaft vereinbar - sanktioniertes Tilgen von Vokabular hat so gar nichts damit zu tun (ich verweise hier auf die quasi-religioese Parallele vieler woker Ansichten). Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden - sogar wenn er nicht Deine politischen Ansichten teilt :)

    Die Forderung ein Pronomen nicht zu verwenden ist im Kern nicht verschieden von der ein Wort nicht zu verwenden - wenn das eine Zensur ist, dann ist es das andere auch.

    ***

    Das Problem auf das ich mit der Parallele aufmerksam machen moechte ist die Sicherheit im Urteil - oder andersrum der Mangel an Zweifel die sowohl fuer Dich als auch fuer den fiktiven Forumsmod charakteristisch sind. Jeder von euch ist sich sicher Recht zu haben (Du schreibst sogar recht dramatisch von der Geschichte die sich sonst ohne Dich entfaltet...).

    Und daraus folgen dann ein paar Dinge, denn wenn Du absolut und objektiv Recht hast, dann muss der andere Unrecht haben. Und wenn er im Unrecht ist und etwas trotzdem tut, dann kann er keine guten Gruende dafuer haben - ausser dass er unrettbar moralisch verkommen ist und wider besseres Wissen Unrecht tut. Und damit ist natuerlich praktisch alles an Strafe fuer solche Personen gerechtfertigt (was Du im Zweifelsfall ja auch gutheisst).

    .Von Deiner Warte aus gesehen macht also alles was Du sagst Sinn und fuegt sich in einen Zusammenhang.

    Der nur leider zu einem Frontalzusammenstoss fuehrt sobald jemand aus einem anderen Wertesystem kommt. Und dann haben wir eben das Problem dass Du, indem Du einem anderen absprichst Gruende fuer sein Handeln zu haben, ihm schon einen essentiellen Teil seines Mensch-seins nimmst, naemlich ein bewusstes Wesen zu sein das nach seinen eigenen Motiven handelt.

    Das ist einer der Gruende warum ich mir generell Zweifel leiste - habe ich wirklich recht? Einmal bin ich nicht versucht den anderen als boese zu verurteilen - ich kann statt dessen versuchen erst mal die Gruende fuer sein Handeln zu verstehen, und dann kann man sich auf der Basis weiter auseinandersetzen - man ist dann eher bei 'ich finde diese Ansicht von dir nicht gut' als bei 'du bist ein boeser Mensch'.

    Und dann kann ich ja auch tatsaechlich danebenliegen... soll's geben:D

    Das Wort „Neger“ bezieht sich aber auf die Kolonialzeit und wurde verwendet um die angebliche, natürliche Unterlegenheit von Sklaven aus zu drücken.

    Ja, aber Du hattest schon gesagt dass es okay ist wenn diese Woerter verwendet werden um Charaktere in einem Buch ihre Ansichten ausdruecken zu lassen (die nicht die des Autors sind). Und im Buch wird es verwendet um Herrn Aermels... Spiessigkeit hat glaube ich jemand gesagt? - auszudruecken - insofern muesstest Du keine dringende Notwendigkeit fuer eine Anederung sehen und offen fuer das Argument 'historischer Kontext' sein.

    Man kann über feinere Details diskutieren zum Beispiel darüber ob es falsch ist die Hautfarbe einer Figur mit Essen zu vergleichen (üblicherweise Kakao oder Kaffee),

    Nach Deiner voerherigen Definition Rassistisch ist alles was versucht negative Attribute mit der Abstammung von Menschen zu verbinden, sodass vermittelt wird das manche Völker anderen grundlegend unterlegen sind. ist das klar nicht rassistisch, weil Farbvergleiche per se nichts von Ueber- oder Unterlegenheit vermitteln.

    Hier haben wir halt ein verbreitetes Problem - wie die Sache in einer Diskussion vertreten wird ist durchaus vernuenftig, wie's dann in der Praxis zugeht aber nicht.

    Ich hab' kein Problem damit jemanden gegen die Unterstellung einer grundlegenden Unterlegenheit zu verteidigen, das wuerde ich jederzeit tun. Aber ich sehe nicht wie man daraus folgert dass Jim Knopf umgeschrieben werden muss (Jim ist der Held der Geschichte der die wilde 13 besiegt) oder warum Onkel Toms Huette problematisch sein soll das offensichtlich Sklavenhaltung kritisiert.

    Da ist argumentativ ein non sequitur.

    aber an irgendeiner Stelle muss man (Jeder für sich) ein Urteil fällen, wenn man die Unterdrückung von Minderheiten beenden oder verhindern will

    Ich glaube das wuerden die meisten von uns gerne. Viele haben aber das Gefuehl dass dieses Urteil grade nicht ihnen selber ueberlassen werden soll, sondern dass es von aussen aufgenoetigt wird.

    Also - auch mit diesem Satz habe ich kein Problem, aber das ist nicht wie Wokeness sich im Alltag manifestiert.

    Aber ich verhätschle keine Leute die versuchen Geld auf Kosten anderer zu machen, nur um Konflikte zu vermeiden.

    Es geht nicht um verhaetscheln sondern um eine gewisse Form von Angemessenheit. Die juristische Strafe fuer Beleidigung ist in aller Regel nicht Arbeitsverbot und Bedrohung der Existenz - und juristisch muss die Beleidigung als Absicht nachgewiesen sein. Einem Internet-Mob reicht die Vermutung dass Rowling mit Galbraith ein Vorbild meinte um loszulegen - es gibt keine Verhandlung, keine Berufungsinstanz, kein Versuch die 'Strafe' in ein Verhaeltnis zu anderen zu setzen.

    Ein Produkt aus politischen Gründen ablehnen, jemandem die Freundschaft kündigen und jemanden sagen das seine Meinung Schrott ist sind legale Handlungen.

    Legale Handlungen sind ziemlich vieles... Nur funktioniert der Staat nicht mehr wenn jeder all das ausreizt was legal ist.

    Einmal koennen Dinge legal sein aber trotzdem moralisch verwerflich. Dann koennen sie legal und moralisch sein, und trotzdem eine schlechte Idee weil das Endergebnis Mist ist.

    Freundschaften zu kuendigen gehoert in diese Kategorie - da spalten wir uns dann fein saeuberlich in immer kleinere Gruppen auf die ja alle die gleiche Meinung haben, und wer Angst hat alleine zu sein muss halt seine Meinung fuer sich behalten.

    Nee danke - ich steh' auch zu Freunden wenn sie schwierig sind und streite mich dann notfalls mit denen - manche Dinge kann einem halt nur ein guter Freund sagen.

    Ich finde man sollte auch beachten das in der Anonymität des Internets Belästigung, Bedrohung und Doxing (Deine Adresse herausfinden und veröffentlichen) für viele Menschen aus Minderheiten die Standard Erfahrung ist, ob sie sich zu brisanten Themen äußern wollen oder nicht.

    So?

    Ich finde es grundsaetzlich falsch - es wird nicht dadurch richtiger wenn der 'Gegner' das auch macht. Ich muss ja auch nicht zu Beleidigungen greifen nur weil mich jemand beleidigt.

    Uebrigends ist auch das Herausfinden und Veroeffentlichen von Addressen legal... Viele Belaestigung ist auch legal wenn sie unterhalb der Schwelle der Beleidigung bleibt.

    So viel zum Unterschied zwischen 'legal' und 'legitim'.

    Nachdem ich mich gefragt habe wie ich überhaupt in diesem Forum gelandet bin, würde ich meinen Account löschen und ein eigenes Forum auf machen, in dem Nutzer mit ihren korrekten Pronomen angesprochen werden.

    Ja, dann gehst Du halt pleite weil Deine Internetwerbung kollabiert... (das war ja das hypothetische Szenario). Das andere Forum kannst Du Dir vermutlich vom Arbeitslosengeld nicht leisten, sorry.

    Das macht Dich vermutlich zu einer Minderheit die bereit ist fuer ihre Meinung solche Nachteile in Kauf zu nehmen - die meisten Menschen entscheiden allerdings nicht so.

    während dieser theoretische Moderator sich grundlos aussucht diese Minderheit an zu feinden

    Das ist auch so ein Ding, oder? Er hat ja einen Grund - der ihm komplett legitim erscheint - Dir aber nicht. Umgekehrt hast Du fuer Deine Anliegen Gruende die Dir komplett legitim erscheinen, ihm aber nicht.

    Es ist ein grober Fehler zu unterstellen dass andere Menschen Dinge grundlos tun...

    Aber es beantwortet meine Frage on die Reaktion berechtigte Meinung ist - wenn Du sagst 'nein' weil Du keinen Grund siehst, dann hat der andere kein Recht seine Meinung zu aeussern - das ist sehr subjektiv als Kriterium, und Du wuerdest diese Behandlung nach eigener Aussage bei Dir ja absolut nicht akzeptieren.

    Nicht-Binäre Menschen sind wie sie sind

    Auch religioese Menschen sind wie sie sind, und dieser Tage sind sie in den meisten Laendern eine Minderheit - aber was folgt daraus? Argumentativ braucht man an dieser Stelle einen Grund die eine Minderheit zu schuetzen, die andere nicht.


    Ich habe über meine Meinung lange nachgedacht und sie ist mir wichtig genug sie zu verteidigen.

    Ja, aber das haben andere vielleicht auch. Bei keinem von euch folgt aus 'langem Nachdenken' dass ihr im deswegen Recht seid (und logisch ist es auch unmoeglich dass alle durch nachdenken objektiv zum richtigen Ergebnis kommen - dafuer ist die Meinungsvielfalt in der Welt zu gross...).

    Was ich bis jetzt herausgelesen habe, ist, dass viele Dinge in dieser Welt "innen drin" nicht so sind, wie sie äußerlich erscheinen oder andersherum die äußere Erscheinung verschieden gedeutet werden kann.

    Damit kann ich an diesem Punkt gut leben denke ich :)