Beiträge von Thorsten

    Mit diesem (unbeabsichtigten) Cliffhanger verabschiede ich mich fuer eine Woche - wir sind in Island zelten und ich rechne nicht damit viel ins Internet zu kommen, daher - viel Spass mit einer Ahnung was an Tanred besonderes ist:)

    ***

    Für einen Moment wußte er nicht wo er war.

    Kälte umgab ihn, Kälte und Dunkelheit, nur das verglimmende Lagerfeuer gab noch schwaches Licht ab. Felle hüllten ihn ein und Decken, und trotzdem kroch die Kälte von allen Seiten in seine Kleidung.

    Tanred fröstelte. Seine Füße waren eisig. Es war nicht mehr die beste Zeit um unter den Wagen zu übernachten, aber drinnen war es nur unwesentlich wärmer. Er zog die Decken noch enger um sich. Dann hielt er inne.

    Was hatte ihn geweckt?

    Irgendwas war falsch, als sollte er gar nicht hier sein... Es war zu still, er hörte keine... was genau war es was er zu hören erwartet hatte?

    Dann, wie als wäre ein Damm gebrochen, kamen alles wieder zu ihm, die Bilder und die Geräusche, sogar die Gerüche. Da waren Reiter gewesen, in den dunklen Rüstungen der Garde, und das Getrappel von Pferdehufen auf hartgefrorenem Boden. Er war da gewesen, hatte das Schnauben der Pferde gehört, ihren Schweiß gerochen, das Leder und den Stahl der Waffen. Er hatte die Rufe gehört, in der fremden Sprache der Söldner - Eloranisch, und das Klirren der Rüstungen.

    Sie kamen! Die Garde war unterwegs um die Gauklertruppe zu töten!

    Tanreds Herz hämmerte plötzlich wild. Er mußte Perren warnen.

    Schon hatte er sich halb erhoben, da hielt er inne.

    Nein.

    Es war nur ein Traum gewesen. Er war nicht wirklich bei den Reitern gewesen, egal was seine Erinnerung ihm sagte. Er konnte nicht wirklich bei ihnen gewesen sein! Er war hier unter dem Wagen gewesen, genau da wo er aufgewacht war.

    Aber es fühlte sich nicht wie ein Traum an... Eher... wie damals in Sant Kymran, als er erst dem Fuchs gefolgt war, der sich in das Mädchen verwandelt hatte - Felua. Träume waren schemenhaft wenn man aus ihnen erwachte, ergaben keinen rechten Sinn mehr - aber an was er sich erinnerte, das war wie als wäre er dabei gewesen, lauter Einzelheiten. Er konnte den verzierten Schwertknauf des Anführers noch genau vor sich sehen! Und dazu hatte er dieses überwältigende Gefühl daß eine Gefahr drohte, daß er handeln mußte!

    Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Es hatte keinen Sinn sich von einem verdammten Traum verrückt machen zu lassen, sein Leben war schon kompliziert genug. Und mehr als ein Traum war es nicht gewesen.

    Und wenn doch?

    Der Gedanke stand ungebeten in seinem Kopf. Der Traum mit dem Fuchs hatte mit Felua zu tun - einer Hexe. Wenn dieser Traum jetzt auch mit Magie zu tun hatte? Wenn es eine Warnung war?

    Er schnaubte und drehte sich zur Seite, schloß die Augen. Sofort war das Gefühl der Bedrohung zehnmal so stark, und sein Herz hämmerte. Er schlug die Decke zur Seite, schauderte in der kalten Nachtluft. Es war nichts zu hören.

    Verdammt...

    Er kroch unter dem Wagen vor und stolperte im schwachen Licht zu dem Wagen, in dem Perren schlief. Sein Fuß stieß schmerzhaft gegen ein Hindernis, aber er biß die Zähne zusammen und tastete sich zum Eingang hinten am Wagen hoch, öffnete dann die Tür. Drinnen war es stockdunkel, nur leises Schnarchen sagte ihm, daß jemand vor der Kammer schlief - Wulfgar vermutlich, und wahrscheinlich auch Fret. Vorsichtig tastete er sich voran, eine Hand gegen die Wand ausgestreckt, die Füße immer einen halben Fußbreit ach vorne. Stoffe streiften sein Gesicht, Lederzeug, dann stählerne Werkzeuge - hier war Wulfgars tragbare Esse untergebracht... Es war eine Scheißidee - die paar Gründe die ihm noch vor einem Moment halbwegs überzeugend vorgekommen waren kamen ihm jetzt komplett lächerlich vor. Endlich erreichte er die Tür zur Kammer und klopfte bevor er es sich anders überlegen konnte.

    Das Schnarchen im Wagen verstummte. Großartig... Dann hörte er Bewegung hinter der Tür, und mit einem leisen Knarren öffnete sie sich einen Spalt.

    "Perren?", flüsterte er in die Finsternis.

    "Was ist los?", fragte der Prinzipal ungehalten.

    "Wir sind in Gefahr hier...", erklärte Tanred. "Wir müssen weg, so schnell wie möglich. Die Garde ist hinter uns her."

    "Woher willst du das wissen, Junge?", brummte Wulfgar hinter ihm. "Hast du sie gesehen?"

    "Ja...", flüsterte Tanred. "In einer Vision... oder so etwas."

    "Du hast schlecht geträumt", stellte Wulfgar ärgerlich fest. "Leg' dich verdammt noch mal wieder schlafen."

    "Es war kein Traum!", entgegnete Tanred. "Perren, es war... etwas anderes. Wie eine Vision, ich weiß nicht so genau..." Unsicher brach er ab.

    "Was genau bringt dich auf die Idee daß es kein Traum war?", fragte Ketrans Stimme aus der Dunkelheit vor ihm.

    "Es war zu real...", sagte Tanred zögernd. "Ich habe den Wind gespürt, die Pferde gerochen, das Eloranisch gehört daß die Reiter miteinander gesprochen haben... Meine Träume sind nicht so!"

    "Hast du verstanden was die Eloraner gesagt haben?", fragte Ketran.

    "Nein, ich kann doch kein Eloranisch...", antwortete er automatisch.

    Perren, Ketran und Wulfgar schwiegen. Tanred stand in der Dunkelheit und kam sich unsagbar blöd vor. Natürlich glaubten sie ihm nicht. Er selbst würde sich auch nicht glauben... Wieso auch? Es war nicht zu leugnen daß er unter dem Wagen gelegen hatte als er aufgewacht war - wo er geschlafen hatte...

    Perren holte tief Luft.

    "Also gut", sagte er. "Wir brechen auf. Jetzt gleich. Wulfgar, du weckst die anderen und siehst zu daß die Armbrust in Reichweite ist - nur für den Fall der Fälle."

    "Bis du sicher?", fragte der bullige Mann skeptisch.

    "Wer weiß was Tanred da gesehen hat...", sagte Perren leise. "Wenn es nur ein Traum war, dann ist unser größtes Problem daß Rocas einen Anfall bekommt. Aber wenn nicht, dann rettet uns das vielleicht das Leben. Maldua hat irgendwas in ihm gesehen... Vielleicht sieht er manchmal Dinge die passieren werden. Oder Maldua kann uns durch ihn warnen. Aber wenn es eine echte Vision ist und wir sie ignorieren - dann gnade uns Ädon! Und wenn alles gut geht, können wir bis zum frühen Nachmittag schon über der Grenze zu Kerst sein."

    "Deine verdammte Entscheidung...", knurrte Wulfgar und richtete sich geräuschvoll auf. "So lange ich sie nicht den anderen erklären muß..."

    Seit Tagen fuhren die Wagen durch karge, hügelige Heidelandschaft in Richtung Nord-Osten. Allmählich schien das Land wieder besiedelt zu sein, erst fand sich hier und da ein Unterstand für Schäfer, dann kleinere Dörfer die sich in den Windschatten von felsigen Erhebungen drängten, dann endlich auch größere Siedlungen die von einer festen Palisade umgeben inmitten von Ackerland thronten und den Turm ihres Ädonshauses stolz in den düsteren Himmel reckten.

    Die Gaukler hatten zweimal 'Die Wunder aus fernen Ländern' gegeben - aber niemand schien recht bei der Sache zu sein, die Vorführungen waren lieblos gewesen und die Einnahmen entsprechend - das Land war arm, und die Schäfer und Bauern hielten ihren Besitz zusammen und sparten mit Beifall und Lohn. Tanred konnte sie gut verstehen - es war der Beginn der dunklen Jahrenszeit, niemand wußte wie streng oder lang der Winter werden würde und zögerte, von den Vorräten abzugeben wenn es am Ende die eigene Not bedeuten mochte. Praktisch gesehen würde ein Kohlkopf oder eine Räucherwurst kaum einen Unterschied machen, aber Tanred kannte das Gefühl dahinter - die Angst vor dem Hunger - nur allzu gut.

    Das Endergebnis war allerdings, daß Rocas und Ofyas noch gereizter als sonst waren und jedem der es hören wollte erzählten daß es auf Burgen - statt Dörfern - für Gaukler Geld zu verdienen gab, und selbst Perrens wiederholte Erklärung daß er vor dem ersten großen Schneefall noch Kerst erreichen wollte half nicht viel. Am Ende wurde sogar die sonst gut gelaunte Vinlind schnippisch, Arngard zog sich fast komplett zurück, Tareia und Seshani redeten praktisch nur noch miteinander und mit keinem anderen und Fret flüchtete sich zu Branwen.

    Und jedes kleine Problem und jede Verzögerung führte sofort zu heftigen Wortwechseln...

    Tanred seufzte, zog den Umhang enger um sich und starrte auf die weiß gesprenkelten Hügel. Selbst im besten Fall hatten sie noch zehn Tage bis Kerst - wenn das Wetter hielt. Und die Wagen kein Problem machten. Und sie in keine Straßensperre gerieten...

    "Tanredan, a gerasat mihannu ivi utmata!", unterbrach Ketran seine Gedanken.

    "Es heißt a gerasa", verbesserte er sie ohne nachzudenken und reichte ihr die Zügel. Ketran griff danach, blickte ihn aber amüsiert an. Erst jetzt kam ihm zu Bewußtsein was gerade passiert war - er konnte Arianisch inzwischen besser sprechen als Ketran!

    "Nein, ich hatte nicht den Vorteil in einem Kloster zu lernen", beantwortete sie eine Frage die ihm kurz durch den Kopf geschossen war, immer noch eine Spur von Belustigung in der Stimme. "Ich hab' Arianisch von einem Händler gelernt."

    "Es tut mir leid, ich wollte nicht...", begann er, aber Ketran unterbrach ihn.

    "Es stört mich nicht, Tan. Perren möchte daß du gut Arianisch kannst - und wenn du es besser als ich gelernt hast, dann hat sich die Zeit gelohnt."

    "Warum möchte er eigentlich, daß ich Arianisch kann?", fragte Tanred vorsichtig.

    Ketran zuckte mit den Schultern.

    "Wenn er mich in diesem Plan eingeweiht hätte, dann dürfte ich es dir vermutlich nicht sagen. Aber es gehört zu den Dingen die er auch vor mir nicht ausbreitet - es gibt Pläne innerhalb der Pläne... Manchmal frage ich mich ob es irgendjemanden unter den Kerrinsmännern gibt, der sie alle kennt."

    Tanred nickte grimmig. Aber er sah die Notwendigkeit. Nach dem Verrat bei Erbor, nach dem Kampf nahe Sant Kymran... je weniger Leute über einen Plan Bescheid wußten, desto weniger konnten ihn an die Garde verraten - und sei es unabsichtlich, oder unter Zwang.

    "Du hast dich verändert, Tan", fuhr Ketran fort.

    "Wahrscheinlich...", bestätigte er, unsicher wohin sie mit dieser Feststellung wollte.

    "Du bist reifer geworden in den letzten Monden." Sie seufzte. "Und es ist schade, daß Arngard das nicht sehen kann... Ich wünschte ich könnte dir raten dich mit ihr auszusprechen - glaub' nicht daß niemand mitbekommt daß keiner von euch glücklich mit der Situation ist. Aber ich weiß nur zu gut warum du es nicht tun kannst."

    Unglücklich nickte er, und zum ersten Mal fragte er sich, ob sich eigentlich irgend etwas zum Besseren wenden würde wenn sie Kerst erreichten.

    Nachdem ich jetzt die Kamera bei einigen Sparring-Sessions mit dem Langschwert dabei hatte, habe ich mich mal an einem Zusammenschnitt versucht der einen Eindruck gibt was es da an Techniken und taktischen Varianten gibt (sieht man eigentlich nur in Slow Motion...)

    Wer also mal einen Eindruck vom Tempo und der Dynamik von Schwertkaempfen haben moechte - hier ist die Entwurfsfassung des Films (ich warte noch auf Kommentare vom Verein bevor das auf YT oeffentlich geschaltet wird...)

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    Die Wagen der Gaukler standen inmitten der Ruinen eines Dorfes. Verkohlte Balken, schon halb von Ranken überwuchert, eingestürzte Mauern von etwas was früher ein Ädonshaus gewesen sein mochte, zerborstene Zäune und ein Brunnen - das war alles was der Krieg von der Ansiedlung übrig gelassen hatte.

    Schneeflocken tanzten durch die kalte Luft als Perren und Tanred die letzte Steigung hinunterritten und auf die Mauerreste im Tal blicken konnten. Im Hintergrund erhoben sich schweigend schneebedeckte Berge deren Flanken von dichtem Nadelwald bewachsen waren und deren Gipfel in den Wolken verschwanden. Alles wirkte düster. kalt und abweisend, und nur das Feuer zwischen den Wagen verbreitete einen warmen Glanz.

    Tanred hatte sich die letzten Tage auf den Moment gefreut wenn er wieder heimkommen würde, aber jetzt wo es so weit war, fühlte er nur Leere in sich.

    Es schien nicht nur ihm so zu gehen.

    Als Perren und er vom Pferd glitten, umarmte Ketran den Prinzipal lange und innig. Wulfgar packte ihn fest an beiden Schultern, aber die anderen begrüßten sie nur müde und halbherzig. Arngard erhob sich von ihrem Platz beim Feuer, ging sogar ein paar Schritte auf Tanred zu als ob sie ihm um den Hals fallen wollte, blieb dann aber zögernd stehen und blickte ihn an, mit einem Ausdruck den er nicht deuten konnte. Dann nickte sie ihm nur zu, schien einen Moment zu überlegen ob sie etwas sagen sollte, und blickte dann weg.

    Tanred fühlte einen Stich, aber wie aus weiter Ferne, gedämpft. Was genau hatte er erwartet?

    Auch er war nicht mehr der Gleiche der im Spätsommer von Arngard fortgeritten war - er hatte einen Heiligen getroffen, eine Vision gehabt in der er die Seelen von Menschen gesehen hatte und er hatte in einem Kampf auf Leben und Tod an der Seite von Perren gestanden...

    Unmöglich, so zu tun als wäre das alles nicht passiert. Ebenso unmöglich Arngard davon zu erzählen.

    Er setzte sich ans Feuer, verzog das Gesicht als die verkrampfen Muskeln seiner Beine protestierten und nahm dankbar einen Becher heißen, gewürzten Wein den Tareia ihm reichte.

    "Und, hast du Arianisch gelernt?", fragte Vinlind, die ihn von hinten leicht an der Schulter berührte und sich dann neben ihn setzte. "Oder die ganze Zeit nur gebetet?"

    "Ich hab' schon Arianisch gelernt...", antwortete er. "Aber auch gebetet. Auf Arianisch..."

    Vinlind lachte und bot ihm noch warmes Brot an.

    "Du hast wenig verpasst...", erzählte sie. "Seit Perren dich weggebracht hat, hat die Truppe keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Außer kleinen Auftritten in Dörfern war nichts - von dem Überfall auf die andere Truppe von Barnvar hast du gehört, oder?"

    Tanred nickte.

    "Wer greift fahrendes Volk an?", fragte sie kopfschüttelnd. "Seit uralten Zeiten sind die Fahrenden unberührbar - egal ob es in einer Fehde ist, einem ausgewachsenen Krieg oder ob es um Eroberung geht - wir sind bereit vor jedem zu spielen und unsere Kunst zu zeigen und niemands Feind. Was ist bloß aus diesem Land geworden?"

    Tanred blickte ins Feuer um sie nicht ansehen zu müssen, aß dann von seinem Brot. Er hätte ihr eine Antwort auf ihre Frage geben können... aber sie war kein Kerrinsmann. Gegenüber sah er, wie sich Ketran, Perren und Wulfgar leise unterhielten. Dahinter, bei den Wagen, stritten sich Ofyas und Rocas lautstark während Fret unglücklich neben ihnen stand.

    "Wir hatten eine Begegnung mit Räubern...", log er schließlich. "Vermutlich den gleichen die die anderen Gaukler überfallen haben. Aber Perren hat sie vertrieben, ich glaube sie hatten nicht mit ernsthaftem Widerstand gerechnet..."

    Vinlind warf einen Ast ins Feuer.

    "Die meisten sind arme Teufel, Tan...", meinte sie nachdenklich. "Nicht genug zu Essen wenn der Steuereintreiber da war, eine Mißernte - was sollen sie denn tun? Aber daß sie die Hände von Gauklern lassen - das zumindest sollten sie wissen."

    Tanred schluckte das letzte Brot, spülte alles mit dem Wein herunter und stellte den Becher auf den Boden.

    Was seine Heimkehr betraf so hatte er bisher ganze Arbeit geleistet - er hatte Arngard angeschwiegen und Vinlind belogen. Vielleicht sollte er jetzt mit Tareia weitermachen...

    Der Schmerz war allgegenwärtig. Tanred hatte versucht eine Decke als Polster zu verwenden oder seine verkrampften Muskeln zu entspannen, aber nichts half wirklich um den Ritt hinter Perren auch nur halbwegs bequem zu gestalten. Jeden Morgen dauerte es kaum eine Stunde ehe die Muskeln in seinen Beinen sich schmerzhaft verhärteten und die Haut wieder wund und aufgescheuert wurde. Der Schnitt an seinem Handgelenk verheilte nur langsam, auch wenn da wenigstens kein Leder scheuerte. Und zu allem kam, daß er er erbärmlich fror - Füße die nicht bewegt wurden erstarrten zu Eisklumpen und der Umhang schien nie genug zu sein um den Wind fernzuhalten. Das Wetter hielt, die großen Schneefälle des frühen Winters blieben aus, aber das war auch alles was man Gutes darüber sagen konnte - Nebel vermischte sich mit Nieselregen der in der kalten Nacht zu Reif gefror.

    Einen trüben Tag nach dem anderen ritten sie nach Süden - erst durch den endlosen Wald, dann mit einer Fähre über die Galta wo am anderen Ufer die Bäume allmählich ausdünnten und in hügelige Heidelandschaft überging, und schließlich in eine Landschaft in der die Hügel steiler und felsiger wurden, Nadelwälder die Täler und Flanken der schroffen Anhöhen bedeckten und im Hintergrund schneebedeckte Berge aufragten.

    Es war ein seltsam leeres Land das hier unter dem bleigrauen Himmel lag - verbrannte Ruinen von ehemals stolzen Burgen thronten hier und da auf den Anhöhen, und in den Tälern verwilderten langsam die Äcker von Dörfern die aufgegeben oder zerstört worden waren. Nur hier und da hielt sich ein versteckter kleiner Weiler oder ein gut befestigtes Gehöft, andonsten waren die Wege menschenleer. Und auch diese verfielen zusehens - Wasserläufe hatten Rinnen in die Straßen gefräst und hier und da wuchsen erste Schößlinge mitten auf der gestampften Erde. Niemand schien sich hier um die Straßen zu kümmern.

    Tanred wußte, es war das Grenzland zwischen dem Herzogtum Hasted und dem Herrschaftsbereich von Edred dem Schwarzen, wo die Ritter von Herzog Wulfric die Schwarze Garde in zwei Schlachten und einem Jahr von Belagerungen zurückgeschlagen hatten. Jetzt war der Landstrich zu weit weg um die Faust der Garde zu spüren, aber für Wulfric ohne den Schutz der Burgen nicht mehr wirkungsvoll zu verteidigen - ein Niemandsland in dem nur wenige geblieben waren und sich die flüchteten, die von keinem gesehen werden wollten.

    Perren hielt zum Mittag an einem kleinen See an, der an einer Seite in eine felsige Klippe überging hinter der sich der Ausläufer eines Berges erhob. An der anderen Seite war das Ufer felsig und kleine Wellen klatschten unaufhörlich gegen dunkles Gestein. Schneeflocken wirbelten um Wind, aber nicht genug um die dunklen Fichten und Tannen die den See einrahmten zu bedecken. Tanred ging dankbar ein paar Schritte am Ufer auf und ab um seine eiskalten, verkrampften Muskeln aufzuwärmen. Perren gab dem Pferd Hafer aus dem Sack den er mitführte, rieb ihm die Flanken mit einer Decke ab, kontrollierte die Eisen und kam dann langsam zu Tanred.

    "Wenn alles gut geht, dann müßten wir morgen die Wagen erreichen", erklärte der Prinzipal. "Eine gute Gelegenheit, unsere Geschichte nochmal durchzugehen."

    Tanred nickte seufzend.

    "Ich war im Kloster um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen", begann er die Erzählung an der sie beide ein paar Abende gearbeitet hatten. "Weil du jemanden brauchst der die Worte aufschreibt wenn du ein Theaterstück oder ein Lied machst, oder Abrechnungen mit Händlern machst - und Ketran keine Lust mehr dazu hat. Deshalb hat sie schon begonnen, mir Arianisch beizubringen."

    Perren nickte

    "Wieso sollte uns das irgenwer glauben?", fragte Tanred. "Wäre es nicht einfacher wenn du selber schreibst?"

    "Weil ich, soweit die Truppe das weiß, nur sehr langsam und mühevoll Arianisch schreiben kann - schlechter als Ketran", erwiderte der Prinzipal. "Eine schöne Handschrift und Kenntnisse von Eloranisch, Arianisch und Perlanisch erinnern dann doch eher an Graf Sigwulf als an einen Gaukler..."

    "Naja, und wieso sollte grade ich das dann lernen?"

    Perren lachte kurz auf.

    "Weil niemand in der Truppe es mir abnimmt daß ich dich als Gaukler haben will", meinte er. "Versteh' das nicht falsch, du hast ganz passabel jonglieren gelernt über den Sommer - aber nicht genug um mit dieser Truppe aufzutreten. Nicht wenn Ketran und Arngard oder Ofyas und Rocas zu sehen sind. Also müssen sie davon ausgehen daß ich dich zumindest fürs erste für andere Dinge brauche. Daß ich mich für Theater interessiere ist alles andere als geheim - passt also alles halbwegs zusammen."

    Tanred nickte zweifelnd. Ob es so wahnsinnig sinnvoll war einen Gerbergehilfen anzuwerben um einen Schreiber aus ihm zu machen? Irgendwie paßte es alles nicht zusammen... Aber er fragte nicht weiter nach.

    "Also, auf dem Rückweg sind wir dann von Räubern überfallen worden", fuhr er fort. "Vermutlich von der gleichen Bande, die schon die Wagen dieser anderen Gauklertruppe geplündert hat - und wir sind in einen Kampf verwickelt worden, konnten sie aber mit Glück zurückschlagen."

    Er brach ab und blickte Perren direkt an.

    "Diese ganzen Lügen und Täuschungen - beginnst du das nicht irgendwann zu hassen?", fragte er.

    Perren seufzte und lächelte traurig.

    "Mehr als du dir vorstellen kannst, Tanred", sagte er leise nach einer langen Pause. "Ich bin als Ritter erzogen, dazu angehalten die Wahrheit zu sagen. Meinst du ich führe meine Kämpfe gerne so?" Er schüttelte den Kopf. "Wenigstens kann ich ehrlich zu Ketran sein... das macht die Sache leichter. Und weiß Ädon, ich beneide dich nicht darum, Arngard täuschen zu müssen. Wir haben kein leichtes Los, Tan. Aber vieles müssen wir tun um die zu schützen die uns wichtig sind."

    Perren brach ab und blickte nachdenklich auf das dunkle Wasser hinaus. Tanred nahm gedankenverloren einen Stein vom Boden auf, warf ihn hinaus und betrachtete den Ring von Wellen der sich ausbreitete.

    "Und um und vor Verrat zu schützen...", meinte er leise.

    Perren nickte grimmig.

    "Auch deswegen müssen wir täuschen, ja..."

    "Hast du eine Ahnung wer der Verräter sein könnte?", fragte Tenred direkt.

    Perren schüttelte den Kopf.

    "Du jedenfalls nicht...", antwortete er. "Wenn es dir darum gegangen wäre mich an die Garde zu verkaufen, dann hättest du das tun können ohne dein Leben zu riskieren. Und so ähnlich gilt das für Ketran und Wulfgar - wenn sie mich hätten töten wollen, hätten sie mehr als einmal Gelegenheit gehabt. Branwen auch - zu leicht uns etwas ins Essen zu mischen das uns alle außer Gefecht setzt... Also keiner von den Kerrinsmännern..."

    "Einer der anderen dann?", fragte Tanred.

    "Vielleicht...", erwiderte der Prinzipal unglücklich. "Ich kann es mir nur nicht so recht vorstellen..."

    Tanred schaute wieder auf das Wasser hinaus. Irgendwo in der Ferne war die ausgebrannte Ruine eines Turms über dem düsteren Wald zu sehen.

    Das ganze zerstörte Land um sie herum zeigte nur einmal mehr, was Edred der Schwarze in seinem Hunger nach Macht angerichtet hatte. Wenn sie lügen und täuschen mußten um Prinz Kerrin wieder auf seinen rechtmäßigen Thron zu bringen damit er das Land wieder zusammenführen und heilen konnte... dann würde er das verdammt noch mal tun.

    Als Tanred nach dem "wie" fragte, dachte ich, jetzt offenbart Perren, dass auch er ein Geheimnis hat und dass ein Kampf eins gegen vier normal nicht zu gewinnen ist.

    Ich weiss nicht - hier kontrastiert halt Tanreds Perspektive der auch keine besondere Ahnung von der Materie hat (wie vermutlich die meisten Leser auch) mit Perrens der sich auskennt.

    Es erscheint ja auch wie ein mittleres Wunder dass einer gegen vier bestehen kann - bis man sich mal hinstellt und das probiert. Selbst in einer grossen Halle ohne Hindernisse am Boden bekommt man das nicht ohne weiteres koordiniert dass man zusammen angreift.

    Man muss auch sagen dass - anders als in Filmen - in echt eine Sequenz von Klingenbeewegungen oft wenig mehr als 1-2 Sekunden dauert - er ist also nicht eine Minute mit einem beschaeftigt waehrend die anderen in aller Ruhe in seinen Ruecken kommen, sondern er kann einen kampfunfaehig schlagen bevor die anderen noch auf einen ploetzlichen Angriff reagieren koennen.

    Also - was Perren sagt hat Hand und Fuss wie auch Kamar erklaert hatte - und dass Perren gut im Fechten ist und einen Ruf hat wurde schon kurz angedeutet:

    "Graf Sigwulf", erwiderte der knapp und nickte. "Die Geschichte entscheidet, wen sie als Verräter sieht. Heute werden wir statt dessen sehen, ob du wirklich so gut mit dem Schwert bist wie man sagt."

    Er ist also schon innerhalb der Ritterschaft als Kaempfer gefuerchtet.

    Ich weiß nicht so recht, wie ich das finden soll ...

    Ich glaube Du hast vielleicht im Kopf dass in der Geschichte Wunder mit Licht vom Himmel und Blitzstrahlen kommen - aber, um von Gene Wolfe zu borgen - ist es weniger ein Wunder nur weil es eine Erklaerung hat? Kann nicht Ädon die Dinge so erschaffen haben dass sein Wille passiert - sogar wenn der Mensch es begreift?

    Das einzige was man bemängeln könnte, ist das Perron die bessere Lage nicht ausnutzt.

    Wir erfahren nicht so genau was er gemacht hat... Ich habe vage im Kopf dass seine idee war die anderen in Sicherheit zu wiegen und zu nehe rankommen zu lassen und dann ploetzlich loszuschlagen.

    Der Regen verstärkte sich während Perren die Satteltaschen der Pferde durchsuchte und Vorräte und Decken die er dabei fand auf sein eigenes Pferd packte.

    "Du kannst gut mit Pferden umgehen Tan - aber kannst du reiten?", fragte er schließlich. "Auf zwei Pferden würden wir deutlich schneller vorankommen."

    Tanred schüttelte müde den Kopf. Er war schon ein paar Mal auf einem Pferd gesessen, aber das war nicht das gleiche wie reiten, so viel wußte er. Und die eher feurigen Schlachtrösser der Soldaten waren auch etwas ganz anderes als die friedlichen Zugpferde die es im Dorf seiner Kindheit gegeben hatte.

    "Dann müssen wir eben so weiter machen wie bisher...", meinte der Prinzipal enttäuscht. "Aber ich glaube wir sollten jetzt eine Atempause gewonnen haben."

    "Wie, Perren?", brach die Frage aus Tanred heraus die ihm die ganze Zeit schon im Kopf herumging. Er wies stumm auf die toten Soldaten und Evric der inzwischen auch reglos dalag. "Wie kann ein einzelner Mann gegen vier Krieger bestehen?"

    Perren seufzte, dann fuhr er sich durch die nassen Haare was, ohne daß er es bemerkte, eine blutige Spur in seinem Gesicht hinterließ.

    "Du stellst dir vielleicht vor daß vier Soldaten viermal so gefährlich sind wie einer", erklärte er schließlich. "Aber so ist es nicht - dazu müßten sie zusammen angreifen. Und dazu braucht man erstens Raum, und zweitens muß man diese Kunst lernen. Sich mit kleinen Signalen verständigen, sich so bewegen daß man sich nicht gegenseitig in die Quere kommt. Wenn deine Gegner das nicht können - oder wenn sie nicht genug Raum haben - dann kämpfst du im Endeffekt gegen einen nach dem anderen. Und ich bin recht gut mit dem Langschwert..."

    "Du warst Heerführer."

    Perren sah ihn scharf an, lachte dann kurz auf und nickte.

    "Ich denke ich kann dich schlecht in ein Kloster schicken damit du Dinge lernst und mich dann beschweren daß du danach Dinge weißt... Ja, ich war Heerführer, und noch einiges mehr, und als ich so alt war wie du habe ich sehr viel mit Waffen trainiert. Genug, um mit einem Söldner der ausgebildet ist vom Pferderücken zu kämpfen fertig zu werden wenn er gezwungen ist abzusteigen. Dazu kommt daß sie sich in der Überzahl sicher gefühlt haben - das macht unvorsichtig, und leichtsinnig."

    Tanred nickte. Sein Inneres fühlte sich immer noch taub an, die ganze Situation war irreal - letzten Abend war er in seine Zelle gegangen um vor dem Primasgebet noch ein wenig zu schlafen, und jetzt stand er im verregneten Wald, hatte um sein Leben gekämpft und es lagen fünf Tote hier um ihn herum.

    "Ich denke wir sollten weiter...", meinte Perren schließlich. "Jedenfalls nachdem ich den Schnitt an deinem Arm versorgt habe. Meinst du, daß du auf dem Pferd bleiben kannst? Ich möchte nicht mehr in der Gegend sein, wenn die anderen Soldaten ihre Kameraden finden."

    Tanred nickte.

    Der Schnitt an seinem Arm?

    Erst jetzt sah er das Blut, das den Ärmel des Waffenrocks tränkte und spürte wieder das Pochen in der Wunde.

    Tariq  Kirisha - das freut mich dass die Kampfszene so gut ankommt - das ist eine Szene die mir schon am Herzen liegt (und der zweite Actionhoehepunkt...)

    Es hätte mich auch nicht überrascht, wenn in dieser absoluten Notlage etwas von Tanreds Besonders-Sein durchgeblitzt wäre. Etwas, was - selbst von ihm völlig unerwartet - den Spieß in seinem Zweikampf umgedreht hätte.

    Interessant... Ich bin gespannt was Du sagst wenn sich spaeter abzeichnet was Tanred tatsaechlich auszeichnet...:)

    Es dauerte nicht lange bis ihre Verfolger sie erreichten - gerüstete Reiter schälten sich aus dem Nebel und zügelten dann ihre Pferde. Matsch und feuchter Schnee spritzte unter ihren Hufen als sie zum Stehen kamen. Tanred betrachtete sie, äußerlich reglos, innerlich angespannt wie nie zuvor in seinem Leben, beide Hände fest um das Langeschwert gekrallt.

    Es waren fünf - vier davon Soldaten der schwarzen Garde mit den typischen dunklen Rüstungen - Lederzeug und Kettenhemden, konische Helme, achteckige lange Schilde und schwere Stiefel. Ihre Gesichtszüge wiesen sie als Eloraner aus. Der letzte war ein gondrischer Ritter, kein Eloraner - ebenfalls mit einem Kettenhemd gerüstet, aber es glänzte silbrig und er trug dazu einen blauen Umhang. Er trug keinen Helm so daß sein von hellblondem Haar umrahmtes bärtiges Gesicht gut zu sehen war.

    Einen Moment lang standen die fünf Reiter unterhalb der Böschung und blickten hinauf.

    "Das ist Graf Sigwulf", sagte der Ritter dann zu den vier Soldaten gewandt. Die nickten und suchten die Böschung nach einem Weg ab der hinauf führte. Aber natürlich gab es den nicht, nicht für die Pferde, dazu war der Platz zu gut ausgesucht.

    "Everic...", grüßte Perren den Ritter müde. "Du hast dich also unter die Verräter eingereiht."

    "Graf Sigwulf", erwiderte der knapp und nickte. "Die Geschichte entscheidet, wen sie als Verräter sieht. Heute werden wir statt dessen sehen, ob du wirklich so gut mit dem Schwert bist wie man sagt."

    Ohne eine Antwort abzuwarten glitt Everic vom Pferd und zog sein Langeschwert. Die anderen Soldaten taten es ihm nach, auch wenn die Eloraner nur kürzere Einhandschwerter hatten. Dann begann der Trupp, seitlich an Perren und Tanred vorbei die Böschung hoch in Richtung Wald zu gehen.

    Tanred zitterte. In wenigen Momenten würden sie aus dem Wald kommen, und dann...

    "Erinner' dich an alles, was wir dir beigebracht haben, Junge", sagte Perren leise. "Nutz' deine lange Klinge, um den anderen auf Abstand zu halten. Du must Zeit gewinnen, das ist alles."

    Tröstliche letzte Worte... Aber welche Chance hatten sie wirklich - Perren und ein kaum ausgebildeter Gerberlehrling gegen einen Ritter und vier gerüstete Soldaten?

    Vom Geräusch raschelnder Blätter begleitet kamen die fünf aus dem Wald. Wortlos verständigten sie sich - der Ritter und drei Soldaten gingen auf Perren zu, der letzte Soldat wandte sich mit einem gehässigen Grinsen Tanred zu.

    Blut rauschte plötzlich in Tanreds Ohren, und alle anderen Geräusche klangen gedämpft. Er senkte das Schwert in die Position Hauer des Wildschweins und beobachtete seinen Gegner. Der kam fast lässig näher, den dunklen Schild an der linken Seite, das Schwert nach vorne gestreckt. Tanred spannte sich an, jetzt war gleich der Moment... Wie von ferne hörte er das Klirren von Stahl auf Stahl und sah eine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel, dann ließ er sein eigenes Schwert mit einem kräftigen Hieb nach oben schnellen.

    Der harte Widerstand den er erwartet hatte kam nicht, statt dessen zog der Soldat sein Schwert mit einer elegaten Bewegung zurück und Tanreds Klinge kam zu hoch - und dann zuckte das gegnerische Schwert auch schon vor und traf ihn am Handgelenk. Die ledernen Armschienen hielten die meiste Wucht ab, aber die Spitze des Stahls biß sich trotzdem durch das Material und eine grelle Linie aus Schmerz zuckte durch Tanreds Arm. Er taumelte zurück und brachte sein eigenes Schwert wieder zwischen sich und seinen Gegner.

    Der Soldat grinste hähmisch. Es war alles eine Falle gewesen, kein echter Angriff - und Tanred war blindlings in diese Falle gelaufen!

    Der Eloraner machte einen schnellen Schritt nach vorne, und Tanred stolperte zurück, hatte Probleme die Schwertspitze auf die Brust des anderen gerichtet zu halten. Seine Hand schmerzte und er zitterte. Wieder kein echter Angriff. Er machte einen Schritt zur Seite, war sich bewußt daß er nicht mehr allzu viel Raum nach hinten hatte bevor die Böschung kam und er fallen würde... Dann noch einen Schritt zur Seite - jetzt konnte er aus dem Augenwinkel sehen wo es nach unten ging.


    Vorsichtig kam der Soldat wieder auf ihn zu, das Schwert zuckte kurz nach vorne und schlug gegen Tanreds. Er fühlte den Zusammenprall - dann schlug der andere wieder, versuchte ihn zur Seite zu drücken - Tanred hielt dagegen, aber in diesem Moment schlug der Soldat um die Klinge herum nach seinen Händen, und nur Glück war dafür verantwortlich daß der Hieb an der Parierstange endete.

    Und sein Gegener hatte nicht die Absicht ihm Ruhe zu gönnen - wieder schnellte das Schwert nach oben, Tanred bewegte sich und schlug die Klinge zur Seite - und in diesem Moment knallte der Schild des Soldaten mit voller Wucht gegen seine Rippen und nahm ihm den Atem. Hilflos taumelte er zurück, verlor fast das Gleichgewicht, sog keuchend Luft ein und richtete dann eine zitternde Schwertspitze wieder auf die Brust des anderen. Der Soldat war ihm nicht nachgekommen - es wäre ihm ein leichtes gewesen nachzusetzen... warum hatte er es nicht getan?

    Er spielte nur mit ihm...

    Tanreds Herz hämmerte, seine Knie waren weich und seine Hände fühlten sich wie Blei an. Egal was er gelernt hatte - sein Gegner war kein Anfänger den er überraschen konnte, er kannte alle Tricks die Tanred auch beherrschte. Es gab keine Chance diesen Kampf zu gewinnen...

    Wie hypnotisiert betrachtete er die Schwertspitze des anderen die sich langsam hin- und her bewegte, wie um nach einer Blöße zu suchen. Tanred versuchte mit seinem Schwert zu folgen, aber er zitterte zu sehr. Jeden Moment konnte der Angriff kommen...

    Eine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel, und Tanred riß die Waffe nach oben. aber es kam kein Angriff. Statt dessen stand der Soldat mit aufgerissenen Augen da und starrte auf die blutige Schwertspitze die aus seiner Brust ragte, dann sank er langsam in sich zusammen während Perren sein Schwert aus dem Rücken des Toten zerrte.

    Tanred blickte sich um.

    Tote und Sterbende.

    Zwei der Soldaten lagen reglos da, wie weggeworfenes Spielzeug. Einer kniete am Boden und starrte leise wimmernd auf den blutenden Stumpf der vor kurzer Zeit noch seine rechte Hand gewesen war. Der Ritter - Evric - lehnte schwer atmend und mit grauem Gesicht an einem Baumstamm während sein Blut aus einer tiefen Wunde am Bein in den Waldboden sickerte. Perrens rechte Gesichtshälfte war zornig gerötet und begann schon anzuschwellen und Blutspritzer bedeckten ihn, aber er schien nicht ernsthaft verletzt zu sein. Die Pferde stampften unruhig - der Lärm und der Geruch machten sie nervös.

    Tanred ließ das Schwert aus seinen kraftlosen Händen fallen, fiel auf die Knie und würgte. Aber es wollte nichts aus seinem leeren Magen kommen.

    Ich tu' mir in diesem Abschnitt ein bisschen schwer, Elas' Innenwelt zu deuten.

    Du behauptest dass er masslose, brodelnde Wut spuert:

    Schon an seinen Bruder zu denken, ließ die maßlose Wut in ihm erneut aufbrodeln. Das würde er ihm nie durchgehen lassen. Niemals.

    Und das wuerde ich ihm, gemessen an den Umstaenden, auch abnehmen, immerhin hat Mestor mal so eben seinen Sohn gekapert. Aber er redet sehr ruhig und beherrscht, und nachdem wir den Abschnitt aus seiner Perspktive lesen wissen wir dass er auch sehr ruhig nachdenkt.

    Das Treffen der beiden wirkt eher nicht wie das dramatische Gefuehlschaos das der zitierte Abschnitt nahelegt, sondern ruhig und vorsichtig, eher wie ein Treffen mit einem Sohn von dem Elas nie wusste und den er jetzt erst kennenlernt.

    Was mir hier wirklich fehlt ist, dass Elas ja die ganze Vorgeschichte und Erinnerungen hat und es irgendwie gefuehlsmaessig schaffen muss damit klar zu kommen dass Ares das alles nicht mehr hat, dass der Sohn den er schon beerdigt hat da auf einmal vor ihm steht...

    Der Tag kam wie ein Dieb, fast unbemerkt wurde der Himmel heller und irgendwann waren die Bäume am Wegesrand nicht nur düstere Schemen sondern deutlich zu sehen, und dann schlichen sich auch Farben in die Umgebung. Nicht daß viel Farbe zu sehen gewesen wäre - der Himmel war ein verhangenes Grau, die nassen Stämme und Äste der Bäume fast schwarz und die dünne Schneeschicht auf dem Boden ein nasses, schmutziges Weiß.

    Mit der Dämmerung verwandelte sich der Schneefall der Nacht endgültig in feinen Nieselregen der sich mit dem Nebel vermischte der aus Bachläufen und feuchten Niederungen im Wald aufstieg. Feine Tropfen perlten auf den Umhängen und feuchte Kälte kroch Tanred unter die Kleidung. Er hatte den größten Teil der Nacht nicht geschlafen, war steif von der ungewohnten Anstrengung auf einem Pferd zu sitzen und fror erbärmlich.

    Perren ließ das Schlachtroß mit seinem eigenen Tempo durch den Wald laufen, er saß zusammengesunken vor Tanred im Sattel und schien zu dösen.

    Auf einmal versteifte sich der Prinzipal. Unwillkürlich schreckte Tanred hoch.

    "Hast du das gehört?", fragte Perren.

    Tanred spitzte die Ohren. Da war das Gurgeln von Wasser, die Schritte des Pferdes in der dünnen nassen Schneeschicht, das Knarren von Ästen im Wind und... noch etwas. Hinter ihnen.

    "Hufschlag...", murmelte Tanred düster.

    Perren fluchte ungehemmt, mit Wörtern die einem guten Ädoniten die Schmesröte ins Gesicht treiben konnte.

    "Halt dich fast", knurrte er grimmig. "Wir müssen traben."

    Tanred schlang die Arme um Perren, und im nächsten Moment trabte das Pferd an, was ihn auf dem Rücken des Tiers wild herumschleuderte und seine ohnehin schon schmerzenden Oberschenkel noch weiter malträtierte.

    "Meinst du wirklich wir können ihnen entkommen?", fragte er mit klappernden Zähnen - teilweise wegen der Kälte, teilweise wegen des Trabs der ihn durchschüttelte.

    "Keine Chance", antwortete Perren. "Aber wir müssen einen Platz finden den wir gegen eine Übermacht verteidigen können. Bevor sie uns erreichen."

    "Wie haben sie uns überhaupt bemerken können?"

    Perren lachte bitter.

    "Schau dich mal um...", sagte er.

    Tanred drehte sich im Sattel und blickte auf den Weg zurück - und die Hufspuren des Pferdes zeichneten sich überdeutlich in der dünnen, feuchten Schneeschicht ab - wo ein Huf heruntergekommen war, war der Schnee beiseite gespritzt und der dunkle Untergrund war sichbar. Selbst ein halb Blinder hätte diesen Spuren folgen können.

    "Verdammt...", murmelte Tanred. Der Schneefall in der Nacht hatte ihnen diesen bösen Streich gespielt - ohne das verdammte Wetter hätte sie niemand bemerken können. Aber es war zu spät um irgend etwas zu tun - falls das jemals möglich gewesen war.

    Perren zügelte plötzlich das Pferd, und Tanred wäre beinahe zu Boden gefallen als der Hengst direkt aus de Trab anhielt.

    "Hier!", sagte der Prinzipal und deutete auf eine felsige Böschung neben dem Weg die mit Wurzeln und Moospolstern durchsetzt war.

    Tanred begriff sofort was er meinte - von vorne würde kein Angreifer mit den Pferden hinaufkommen - zu steil. Und hinter dem felsigen Anstieg war alter Wald - niedrige Zweige und wuchernde Ranken - auch unmöglich mit einem Pferd. Und dazwischen ein paar Klafter Raum, bewachsen mit Moosen und Flechten die von braunen Blättern bedeckt waren- vielleicht genug für zwei entschlossene Verteidiger. Immerhin gab es nur eine Richtung aus der die Angreifer kommen konnten.

    Tanred glitt vom Pferd, nahm das Langschwert das Perren ihm reichte und machte sich auf den Weg die Böschung hinauf. Seine Hand zitterte, nicht nur vor Kälte. Irgendwie hatte er sich den Ort, an dem er sterben würde, anders ausgemalt.

    Ich gebe zu, Magie erschien mir zu einfach als Loesung.:) Ich hab' die ganze Situation von der anderen Seite her (also, was wuerden Perrens Feinde wann und wie tun?) konstruiert und auf dem Weg eine ganze Menge an Problemen gefunden - zum Beispiel kennen die meisten Auslaender der Garde Perren ja gar nicht, und eine Beschreibung ist notwendigerweise recht vage und uneindeutig - daher passiert also einiges im Hintergrund - der sichtbare Teil den Perren und Tanred davon abbekommen sieht etwas... merkwuerdig aus, und Tanred weiss ja auch nicht alles von dem was Perren tut... - sie wundern sich daher im obigen Abschnitt ja auch ueber einige Punkte - insgesamt glaube ich aber dass die Geschehnisse Sinn ergeben und logisch aufeinanderfolgen.

    Die Finsternis die sie umgab war fast undurchdringlich. Die Bäume die den Weg einrahmten konnte Tanred mehr erahnen als sehen und die Schneeflocken in der Luft spürte er nur auf seiner Haut. Seit das letzte Licht aus den Fenstern des Klosters in der Nacht verschwunden war bestand seine Welt nur aus dem was er tasten und hören konnte - das Muskelspiel des Schlachtrosses unter ihm, Perrens grober Wollmantel vor ihm der ihm immer wieder ins Gesicht fiel, dazu das leise Klirren des Kettenhemds das der Prinzipal darunter trug und der Klang von beschlagenen Hufen die auf Steine auf dem Weg traten - dazu das Rauschen des Windes in den Zweigen. Das war alles was er wahrnehmen konnte.

    Wie Perren wiussen konnte wohin sie ritten war Tanred ein Rätsel.

    "Pferde sehen in der Dunkelheit um einiges besser als wir...", brummte der Prinzipal vor ihm, wie als hätte er Tanreds Gedanken gelesen. "Mach' dir keine Sorgen."

    Was Ratschläge anging, schien Tanred dieser ziemlich deplatziert - Perren kam mitten in der Nacht an um ihn abzuholen, noch von einem Kampf gezeichnet, gab ihm gleich Waffen und Rüstung und ritt mit ihm in die Mitternacht hinaus - welcher Aspekt davon sollte ihn möglicherweise beruhigen?

    Nach einem Zeitraum der genausogut eine halbe Ewigkeit wie eine halbe Stunde gewesen sein mochte, wurde das Licht fast unmerklich heller- der Mond mußte hinter den Wolken aufgegangen sein. Wald umfing sie so weit er sehen konnte, Bäume die ihre kahlen Äste dem verhangenen Himmel entgegenreckten. Statt wirbelnder Schneeflocken fielen nun Wassertropfen vom Himmel und rannen über Perrens Mantel und in Tanreds Kragen.

    Der Prinzipal entspannte sich allmählich.

    "Das Schlimmste ist geschafft denke ich...", murmelte er schließlich. "Hier ist der Weg besser - wenn wir bis zur Dämmerung noch etwas Strecke machen, dann können wir nach Sonnenaufgang rasten."

    "Vor wem fliehen wir?", stellte Tanred die Frage die ihn schon die ganze Zeit beschäftigt hatte. "Der Garde?"

    "Mhm", antwortete Perren und drehte sich im Sattel halb zu Tanred um während er erklärte. "Die Probleme haben schon vor einiger Zeit begonnen - etwas vor Fasted haben wir die ersten Gerüchte gehört daß Gaukler auf der Straße angegriffen wurden und ihre Wagen verbrannt sind. Ganz zufällig eine Truppe die auch wie wir drei Wagen hat. Ich habe Ketran mit den anderen in Richtung Hasted geschickt - aus der Reichweite der Garde heraus - und bin mit Wulfgar zurück um zu kundschaften. Was eine gute Entscheidung war - eine ganze Hundertschaft war uns auf den Fersen. Warum weiß Ädon alleine, wie sie die Spur aufnehmen konnten ist mir ein Rätsel. Aber die Kerrinsmänner haben viel Unterstützung in diesem Landstrich. Und wir haben Waffen für jeden Kerrinsmann hier - nach ein paar Hinterhalten wurde die Garde vorsichtiger, und unsere Wagen sind gut nach Hasted gekommen."

    "Ein Verräter?", faßte Tanred das unausgesprochene in Worte. "Oder woher sonst könnten die Schwarzen wissen daß die Truppe hier war?''

    "Ja, ich denke...", bestätigte Perren grimmig. "Aber ganz so einfach ist es eben nicht - die Garde wirkt auf eine Weise seltsam... uninformiert. Wieso gehen sie auf die falschen Gaukler los? Wieso weiß bei den Straßensperren niemand etwas von der Mission dieser Hundertschaft? Das passt alles noch nicht zusammen. Aber es wird noch rätselhafter."

    "Wieso?"

    "Du verstehst jetzt vermutlich warum ich nicht nach zwei Monden schon nach Sant Kymran gekommen bin - ich wollte die Wagen erst in Sicherheit wissen. Aber als ich dann losgeritten bin - da hat mir ein Trupp auf dem Weg zum Kloster aufgelauert! Einem einzelnen Reisenden zu Pferde! Einigen bunten Wagen folgen - das ist nicht weiter schwer. Aber einem Reiter der sich aunauffällig bewegt?"

    "Als ob sie wüßten daß du kommst...", murmelte Tanred. "Und wann..."

    "Genau."

    "Aber warum ist das so seltsam - wenn es einen Verräter in der Truppe gibt, dann weiß der auch davon daß ich im Kloster war. Wir haben alle darüber gesprochen", erinnerte sich Tanred.

    "Ja, aber nicht in welchem Kloster", entgegnete Perren trocken. "Das habe ich niemandem verraten, und hier in der Gegend gibt es zwei Dutzend Klöster im Umkreis von drei Tagesreisen. Es gibt einige wenige Kerrinsmänner die davon wissen daß der Abt von Sant Kymran uns unterstützt - aber keiner aus meiner Truppe gehört dazu. Im Gegenteil - Sant Kymran ist ein gut gehütetes Geheimnis - über das du im Übrigen völliges Stillschweigen bewahren wirst. Wenn dich jemand fragt warst du in einem anderen Kloster."

    "Mein Wort darauf", erwiderte Tanred entschlossen.

    "Jedenfalls... wir haben eine gute Chance daß sie nicht damit rechnen daß ich dich mitten in der Nacht abgeholt habe. Mit etwas Glück sind wir durch ihre Reihen bevor sie merken was gespielt wird, bei Tagesanbruch irgendwo versteckt und dann können wir Strecke machen. Mit etwas Pech haben wir sie immer noch hinter uns."

    "Und dann müssen wir kämpfen?", fragte Tanred mit wie er hoffte fester Stimme.

    "Genau."

    Tanreds Mund wurde trocken und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus. Aber welche Wahl hatte er schon?

    Die Straße in die Berge

    "Gerberfieber! Er hat das Gerberfieber!"

    Die Stimme dringt nur schwach durch den Nebel der seine Gedanken umgibt. Er blinzelt, die niedrige Decke über seiner Pritsche sieht verschwommen aus, und sein Kopf dröhnt. Ihn fröstelt. Die Zunge liegt wie ein Fremdkörper in seinem Mund und alles um ihn herum ist naß von seinem Schweiß.

    Er fühlt sich elend - elender als je zuvor in seinem Leben.

    Und die Stellen an seinen Händen die gestern noch gerötet gewesen waren brennen schmerzhaft während mit jedem Herzschlag Wellen von Schmerz durch seinen Kopf hallt.

    Gerberfieber... Das hat grade jemand gesagt... Das ist nicht gut, das weiß sogar ein Gehilfe.

    Irgendjemand legt ihm die Hand auf die Stirn, und er schaudert - sie ist eiskalt. Er versucht irgend etwas zu krächzen, um Wasser zu bitten, aber sein Mund ist zu trocken. Die Hand auf seiner Stirn verschwindet wieder, und wer auch immer bei ihm gewesen ist verläßt den Raum. Er dreht sich um, und Schwindel läßt Übelkeit in ihm aufsteigen, er keucht und hustet und ringt nach Luft, sinkt dann wieder erschöpft zurück.

    Gerberfieber... Der Tod sitzt im Fell eines Tieres nachdem es geschlachtet worden ist, aber das Gerben verwandelt das tote Lebewesen in ein Ding, die Haut in Leder. Nur wenn man zu lange wartet, eine zu alte Haut entfleischt in der der Tod sich ausbreiten konnte - dann kann der Tod von der Haut in die Hand übergehen... Nicht wenige der Gerber sterben daran.

    Fühlt sich so sterben an?

    Er weiß es nicht, er findet den Gedanken seltsam daß er den Soldaten entkommen ist, dem Hunger und der Kälte - um dann hier am Fieber zu sterben. Es fühlt sich nicht real an...

    Aber Nachdenken ist zu anstrengend, er läßt sich lieber wieder treiben, schließt die Augen und versucht sich einfach fallen zu lassen.

    Dunkelheit umfängt ihn für eine Weile. Hitze wechselt sich mit Kälte ab, er schwitzt unerträglich unter den Decken und ist doch zu schwach sie zur Seite zu stoßen, und dann friert er wieder und zittert unkontrolliert. Die Übelkeit kommt in Wellen, es würgt ihn, aber er ist zu schwach zu erbrechen.

    Aus weiter Ferne dringt eine Stimme an sein Ohr. "Ädon, a kevasa Tanredatan tenamannuti!", sagt sie feierlich, und dann spürt er einen Finger auf seiner Stirn der ihn sanft berührt. Der Finger ist kühl, und die Welt um ihn versinkt in Dunkelheit, die Stimmen die antworten klingen wie Watte.

    Und dann ist die Übelkeit auf einmal weg, und um ihn herum ist Licht.

    Unendliches, goldenes Licht. Es umgibt ihn, hält ihn und wärmt ihn. Wie es die Ädonsmänner beschrieben hatten. Er hat es nicht geglaubt, nicht wirklich, aber da ist es, überall um ihn herum - golden, warm und wunderschön.

    Ädon hält ihn sicher in seiner Hand, und er hat keine Angst mehr.

    . Ich sehe momentan noch nicht worin denn wohl der Nutzen dieser Ausbildung besteht die Tanred bekommen hat. Fremdsprachen und Kartenlesen und moralische Grundsätze (hab ich was übersehen?) sind sicher nicht schlecht.

    Chaos Rising hatte das eigentlich schon auf den Punkt gebracht - Tanred bekommt im Kloster die Ausbildung eines jungen Adeligen (warum genau Perren das macht? Da koennt ihr spekulieren...)

    Aber er dürfte wohl doch etwas eingerostet sein wenn er nun monatelang nicht trainiert hat. Untrainiert in einen lebensgefährlichen Kampf geschickt werden ist ... suboptimal.

    Nicht dass Perren in der Situation eine Wahl hat...:D

    Gefällt mir, dieser abrupte Cut in Tanreds Leben, der zwar erwartet war, aber trotzdem in dem Moment unerwartet kam

    Freut mich wenn das Kloster auch die Leser so allmaehlich entspannt und in seinen Bann gezogen hat so dass die Aussenwelt jetzt ploetzlich anklopft.:)

    "`Tanredan, a turesa linannaha!"'

    Die Stimme riß ihn aus einem Traum an den er schon ihm nächsten Moment nicht mehr erinnern konnte, und Tanred blinzelte verschlafen. Seine Zelle war nur vom Schein einer flackernden Kerze erhellt die Bruder Grenas in der Hand hielt.

    Aus irgend einem Grund stand der Mönch neben seinem Lager...

    Wieso war Grenas hier? Dann drang die Bedeutung des arianischen Satzes in sein Bewußtsein. Wieso sollte er schnell kommen? Hatte der das Primasgebet verschlafen? Unmöglich die Zeit zu schätzen, es war einfach dunkel...

    "`Was ist los?"', fragte er wirr, goß sich etwas Wasser aus seinem Krug in die Hand und rieb es sich ins Gesicht. Die Kälte stach auf seinen Wangen.

    "`Graf Sigwulf ist hier"', antwortete Grenas ernst. "`Um dich abzuholen."'

    Tanred blickte einen Moment wie vom Donner gerührt. Jeder Gedanke an Schlaf war plötzlich vergessen. Perren war hier - mitten in der Nacht. Bei schneefall. Viel später als er beabsichtigt hatte. Das war nicht gut, das war alles andere als gut...

    Schweigend legte er die Robe zur Seite die er schon in der Hand hielt, holte dann seine alte Kleidung aus der Truhe und schlüpfte schnell in die dünnen Sachen. Er war im Sommer angekommen, ihm fehlte ein Mantel oder eine Felljacke, aber der Wollumhang den er über die Robe grtragen hatte würde fürs Erste warm genug sein.

    "`Wo ist Perren? Also - Graf Sigwulf?"', fragte er, als er fertig war.

    "`Unten in der Besucherkammer"', antwortete Grenas. "`Er... ist wohl in einem Kampf gewesen."'

    Tanred nickte schweigend. Zusammen hasteten die beiden durch die dunklen, leeren Korridore des Klosters. Huschende Schatten flohen vor dem Schein der Laterne, und genauso rasch huschten Gedankenfetzen durch Tanreds Kopf bevor sie wieder verschwanden. Was konnte mit den Gauklern geschehen sein? Wieso war Perren in einen Kampf verwickelt gewesen? Hatte jemand aus der Truppe die Kerrinsmänner verraten?

    Perren erhob sich von einem Stuhl als Tanred die Kammer betrat. Sein Gesicht sah im Schein einer Laterne grau und müde aus, und ein kaum verheilter Schnitt zog sich in zornigem Rot über seine Stirn. Seine Kleidung war naß, schlammig und an manchen Stellen mit Blut verkrustet.

    "`Tanred..."', sagte Perren knapp und nickte ihm zur Begrüßung zu. Tanred sah ihn fragend an. Perren reichte ihm wortlos einen gepolsterten Waffenrock, lederne Armschienen und einen Waffengurt in dem ein Dolch zu finden war, dann ein Langschwert.

    "`Zieh' das an"', befahl der Prinzipal knapp. "`Wir haben nicht viel Zeit, auch wenn ich das Pferd gerne länger ausruhen würde. Aber bis morgen kann es zu spät sein."'

    "`Was...?"', begann Tanred, aber Perren schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab.

    "`Eile jetzt, Erklärungen später"', meinte er grimmig. "`Und ich hoffe bei Ädon, du hast nicht alles vergessen was Wulfgar und ich dir über den Schwertkampf beigebracht haben."'

    Ein ungutes Gefühl machte sich in Tanred breit als er in den Waffenrock schlüpfte.

    „Ring?“, krächzte Ares und riss die Augen auf. „Daktyl heißt Ring?“

    Aha, das meinst Du also damit... Ich hatte mich gefragt warum es Dir der Name angetan hat ('Finger' heisst daktyl(os)' eigentlich) - ich hatte die Idee dass Du einfach nach griechisch klingenden Namen gesucht hattest, aber auf die Verbindung bin ich jetzt nicht gekommen.

    Mestor, Elasippion und Atlantis hat natuerlich auch was wenn man den Ring so vor sich sieht...:)

    Hast Du mit Elas noch mehr vor? Ich frage, weil wir hier eine neue Perspektive fuer einen personalen Erzaehler bekommen - recht spaet in der Geschichte - und ich das als unelegant empfinde, aber wenn Elas bleibt und noch eine Rolle hat, dann ist das wohj okay.

    Draußen wehten die ersten vereinzelten Schneeflocken um die Mauern von Sant Kymran. Die Felder und Wiesen lagen mit weißen Reif überzogen unter dem düsteren Himmel, aber drinnen brannte ein warmes Feuer in der Turmstube. Das war mehr als sie in den Zellen hatten - die Nächte waren inzwischen empfindlich kalt, aber den Mönchen war lediglich ein zusätzlicher Umhang über der Robe erlaubt, mehr nicht. Tanred versuchte, ohne Rücksicht auf die Vorschriften zu nehmen, so viel seiner alten Kleidung unter die Robe zu bekommen wie möglich, aber richtig warm wurde er eigentlich nur im Refektorium das von den Küchenfeuern geheizt wurde.

    Und jetzt, bei dem geheimen Treffen der Brüder hier... und was spielte es da für eine Rolle daß alle am Boden saßen? Sie hatten warme Decken aus einem Lagerraum und ein Feuer loderte im Kamin des Turmzimmers.

    Bruder Harmenas entkorkte eine tönerne Weinflasche die er irgendwo aus den Vorratskellern mitgehen hatte lassen und reichte sie zu Tanred. Der nahm einen tiefen Schluck und nickte anerkennend.

    "Eloranischer Roter?", fragte er.

    Der Gehilfe des Cellerars nickte.

    "Das ist der fruchtigste Wein den wir im Keller haben", erklärte er, während er die Flasche an Bruder Machandas weiterreichte der auch aus der Flasche trank.

    "Bei diesem Wetter braucht der Mönch was Warmes im Bauch", verkündete Machandas feierlich. "Freund Harmenas hat ja gut Gelegenheit warm zu bleiben - er schleppt den ganzen Tag Kisten und rollt Fässer, während Tanred und ich in windigen Schreibstuben hocken und zitternd versuchen, gerade Schrift auf das Pergament zu bekommen."

    Tanred schnaubte amüsiert.

    "Ich versuche - dir gelingt es."

    Machandas lachte.

    "Ich hatte schon lange das Gefühl, daß unser Orden zu sehr die stille Einkehr betont", überlegte er laut. "Wie sollen wir denn die Gaben von Ädons Schöpfung - wie etwa diesen herrlichen Wein oder das prasselnde Feuer hier - richtig schätzen wenn wir nur in die Schriften starren oder in Meditation verbringen."

    "Alles in Maßen tue der Mönch", zitierte Tanred. "Also ist ja wohl gegen ein gewisses Maß Wein nichts einzuwenden!"

    Machandas und Harmenas blickten sich einen Moment lang verblüfft an, dann lachten sie beide los.

    "Gut argumentiert! Das ist das erste Mal daß du uns die Regeln zitierst, weißt du das?", meinte Machandas.

    Tanred zuckte mit den Schultern, aber er spürte eine Wärme in sich aufsteigen die nichts mit dem Feuer oder dem Wein zu tun hatte. Er fühlte sich... zu Hause. Die beiden Mönche waren wie seine Familie geworden, er arbeitete an ihrer Seite, sie lachten mit ihm, sie fanden Lücken im strengen Klosteralltag und wenn es eine Gelegenheit gab, dann übertraten sie auch die eine oder andere Regel - um danach wieder ernsthaft ins Ädonshaus zu gehen und die Messe zu feiern.

    Und er gehörte dazu...

    Wie lange war er schon hier? Tanred war sich nicht sicher, aber er wußte daß es länger als die zwei Monde war, von denen Perren damals gesprochen hatte. Heute war der erste Schnee - wie lange noch bis er nicht nur in einigen wenigen Flocken fiel, sondern sich hoch türmte und die Straßen unpassierbar machte? Irgend etwas war passiert und hatte Perren zu lange aufgehalten - wenn er noch irgendwann kam, würde er im nächsten Frühjahr kommen.

    Und irgendwie störte der Gedanke Tanred gar nicht so sehr wie er es noch vor ein paar Wochen getan hätte...

    Er griff wieder nach der Flasche die Machandas ihm reichte und nahm noch einen guten Schluck.

    Hier war er einfach ein Mönch wie jeder andere - nicht seinen Gelübden nach, aber danach wie er behandelt wurde. Und das an sich war erstaunlich, denn wie er selbst war Machandas als Leibeigener geboren, Harmenas war der Sohn eines Tuchmachers aus Terred und Grenas aus dem niederen Adel - aber nichts davon spielte unter der Robe eine Rolle, und was das Klosterleben anging hatte Machandas als Gehilfe des Bibliothekars viel mehr Verantwortung als Grenas der lediglich Novizen unterweis...

    Sant Kymran war eine seltsame Welt in der ganz andere Regeln galten als außerhalb der Mauern. Aber wenn sie hier, im Kloster, ein Leben führte das gut in Ädons Augen war - wie konnten Ädonsmänner dann verkünden daß es Ädons Wille sei, daß in Gondred jeder, ob adelig oder leibeigen, an seinem Platz war und blieb? Wieso galt Ädons Wille im Kloster anders?

    Während er mit einem Ohr Machanas' Geschichte über einen Streich mit vertauschter Tinte zuhörte, faßte er den Entschluß, Grenas über diesen Punkt zu befragen. Vermutlich hatte irgend ein arianischer Philosoph schon vor einem Jahrtausend eine erschöpfende Antwort gefunden...

    Bei diesem Gedanken mußte Tanred lächeln.

    Aber gut. Vielleicht stumpft man auch ab in dieser Welt. :pardon:

    Das war irgendwie die Idee dahinter, ja. Er hat kurz vorher den Tod seiner Familie gesehen, ist von der Burg verjagt worden, hat (das wird kurz angerissen) gesehen wie Banden die zusammenhalten und aus Hunger stehlen aufgehaengt werden - praktisch jede Bezugsperson die er auch nur kurz im Kopf hatte ist entweder tot oder hat ihn abgewiesen - er hat ein starkes Bewusstsein dafuer dass er alleine zurecht kommen muss, und irgendwie ueberrascht ihn Maras Tod auch nicht, der fuegt sich nahtlos in die bisherigen Geschehnisse ein.

    Auf echte Beziehungen einlassen kann er sich da eigentlich gar nicht...

    Kommt ihm vielleicht noch eine besondere Bedeutung zu, von der er bislang nichts ahnt?

    Das ist der erste deutliche Hinweis drauf...