Beiträge von Feron

    Danke Jufington

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    Während dem Spiel kommt mir Layafette nicht wie ein Anfänger vor, er scheint aber einer zu sein? Das könnte natürlich auch in seiner Natur liegen, sich gross aufzuspielen. Ist mir einfach aufgefallen.

    Er kann das Pferd selber bandagieren. Er manipuliert Oliver und füttert dessen Ego damit er ihm die Arbeit abnimmt.

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    Ich finde die Art, einen neuen Charakter einzuführen nicht so gut. Das gibt mir das Gefühl, etwas verpasst zu haben.:hmm: Vielleicht könntest du Mathis als "den Mann" bezeichnen, bis er sich vorstellt?

    Ausserdem hat mir seine Bekanntmachung noch etwas wenig Fleisch am Knochen. Es wirkt, als wäre er nur da, um das Spiel vorzustellen. Vielleicht könntest du da noch mehr Fragen aufwerfen? Z.B. könnte er auch einige Worte mit Layafette wechseln und ihn auf sehr fragwürdige Weise aufmuntern? Oder er könnte gefragt werden, ob er auch Polo spielt und der Antwort ausweichen.

    Ja. Stimmt schon. Ich werde da wohl noch eine kleine Szene davor setzen die Mathis während seines „Arbeitsalltags“ zeigt, damit es sich auch lohnt ihn so früh schon vor zu stellen.

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    War Oliver nicht der Polo-Captain? Ich dachte, Layafette möchte seiner Mannschaft aus dem Weg gehen?

    Seine Gedanken darüber wie er es theoretisch. Logistisch hinbekommt nie wieder mit der Niederlange konfrontiert zu werden, sind übertrieben gemeint. Es ist ein extrem schlechter Verlierer und leidet mehr darunter als er sollte. Außerdem ist der Heiratsantrag für seine Schwester wichtiger.

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    Renee ist weiblich, korrekt wäre René.

    Ich wusste das es irgendeine Schreibweise von den Namen gab die männlich sein muss. Danke übernehme ich wahrscheinlich so.

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    Mathis sitzt auf dem Kutschbock, ihre Bewegung wird er wahrscheinlich nicht sehen können.

    Ja. Ist schon mehreren Leuten aufgefallen. Da war ich kurz in der falschen Perspektive. Wird geändert.

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    Hiess der Waffenmeister beim Arzt nicht Cédric?

    Das ist nicht dieselbe Fraktion. Cedric ist Waffenmeister von Haus Malperdry und Hector Waffenmeister von Haus Sures.

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    „Er ist nicht einmal hier gewesen, um es mir ins Gesicht zu sagen“, weinte sie laut. „Er hat nur einen Brief bringen lassen, einen einzelnen zerknitterten Brief mit vier Zeilen.“ Ihre Stimme war so schwach und heiser, dass er den brennenden Schmerz hören konnte, den ihr jedes einzelne Wort bereitete. Das Schriftstück, von dem sie sprach, lag auf dem Tisch neben ihnen, vollgesogen mit ihren Tränen. Die Handschrift war zugleich schmucklos und schlampig, mit Buchstaben in stark variierenden Größen, achtlos verwichter Tinte und Schreibfehlern, für die sich jeder ehrenwerte Mann in Grund und Boden geschämt hätte. Vier hastig auf das Papier geworfene Zeilen – mehr war sie ihm plötzlich nicht mehr wert.

    „Natürlich nicht. Er ist ein Feigling“, flüsterte er in ihr Ohr und streichelte durch ihr langes Haar. „Ich bring ihn für dich um! Besser noch: Ich hole mein Rapier und ritze deinen Namen in seine Brust, damit die nächste Frau, die er trifft, genau weiß, worauf sie sich einlässt. Niemand der meine Schwester zum Weinen bringt, kommt ungestraft davon.“

    Aurelie stützte sich auf die Kante des Esstisches, als ob ihre Beine durch den Stress nachzugeben drohten. Ihr Atem keuchte. Schließlich griff sie an ihren Rücken und lockerte die Schnüre an der Korsage, die sie zu ersticken drohte.

    „Das ist alles meine Schuld“, sprach sie bestimmt, während ihr leerer Blick an dem verhängnisvollen Brief haften blieb. „Ich hätte wieder heiraten sollen, als ich es noch konnte. Dann hättest du einen Vater in deinem Leben gehabt und all das wäre nie passiert.“

    Lafayett ließ Priscille los und richtete sich auf. Wenn er jemals Geduld oder Verständnis in sich gehabt hatte, dann war in genau diesem Moment der allerletzte Tropfen von beidem verbraucht.

    „Oh, bitte rede weiter, Mutter! Ich liebe es, von Frauen erklärt zu bekommen, dass ich nicht männlich genug bin. Heirate zwanzig Kerle auf einmal, wenn es dir beliebt, aber ich werde nicht…“

    Weiter kam er nicht. Eine schmetternde Ohrfeige beendete den Satz für ihn. Die getroffene Wange brannte wie Feuer.

    „Ich verstehe es nicht“, sprach Aurelie und schüttelte resignierend den Kopf. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, bis sich ihre langen Fingernägel in ihre Handflächen bohrten. „All diese wunderschönen Mädchen, fast jede Woche. Ist Lafayett zuhause? Geht Lafayett zum Winterball? Mag Lafayett Schokolade? Es muss doch eine gegeben haben, die dir gefallen hat.“

    „Ich mochte sie alle. Aber ich liebe nur Phillipe.“

    „Du hättest lügen können!“ Ihr Blick glitt hinüber zu ihrer Tochter, deren Tränen mittlerweile ein zweites und ein drittes Taschentuch durchnässt hatten. „Du bist gut darin, dich zu verstellen.“

    Eine von tausend Worthülsen lag auf seiner Zunge: Typische Sätze, die man sagte, um typische Dinge auszudrücken. Aber seine Gefühle waren nicht typisch und verlangten nach einer Beschreibung, die nur er geben konnte. Er griff ihre Hände und schaute tief in ihre Augen. Da war unbestreitbarer Zorn, aber auch Ratlosigkeit. Sie zitterte und wirkte müder und älter als jemals zuvor.

    „Ja. Ich hätte Lügen müssen. Aber ich wollte auch, dass du eines Tages verstehst, dass Philippe mehr als ein enger Freund ist und dass du dich so sehr für mich freust, wie du es für Priscille getan hast. Mein Partner sollte zur Familie gehören dürfen, damit die Menschen, die mir wichtig sind, ein Teil meines Lebens bleiben können. Genauso wie du Teil von Vaters Familie geworden bist, nachdem ihr euch ineinander verliebt habt. Ich weiß, dass es ungewöhnlich ist, aber es ist echt. Bitte mach mich nicht zu einem Fremden in meinem eigenen Haus.“

    Sie ließ seine Hände los, griff stattdessen seine Schultern und zog ihn zu sich. Ihre Arme legten sich zärtlich um ihn und ihre Finger fuhren durch sein blondes Haar. Er fühlte ihre Tränen durch sein Hemd sickern.

    „Braut oder nicht…“ flüsterte sie. „Enkelkinder oder nicht… Eine Mutter hält zu ihren Kindern. Aber wir müssen das irgendwie in Ordnung bringen, Lafayett. Die Dupont sind mächtige Leute und sie werden dir die Schuld geben. Außerdem hat deine Schwester jetzt niemanden mehr, der für sie sorgt.“

    „Sie hat uns“, stellte Lafayett fest.

    „Ja.“ Aurelie winkte Priscille heran. „Ich habe eine enge Freundin, die nach Lyon gezogen ist. Sie hat dort eine eigene Schneiderei. Lass mich dich dahin bringen, mein Schatz. Du kannst eine Ausbildung anfangen. Dann bist du abgelenkt und hast später dein eigenes Einkommen.“

    Priscille unterdrückte ihr Schlurzen und versuchte verzweifelt, ihr geschwollenes Gesicht zu trocknen, damit sie sich an der Unterhaltung beteiligen konnte. „Aber ich will nicht wegziehen.“

    Lafayett ergriff das Wort. „Tu, es trotzdem. Die Ausbildung dauert nur drei Jahre und danach bist du frei. Dann kannst du auf einen würdigen Ehemann warten, solange du willst, oder überhaupt nicht mehr heiraten. Und du musst Clairval erstmal nicht wiedersehen.“

    „Hab keine Angst“, stimmte Aurelie mit ein. „Geh jetzt erst einmal auf dein Zimmer und versuche dich auszuruhen. Wir besprechen das sobald es dir besser geht.“


    Pricille nickte gehorsam. „Ja, Mutter. Danke.“

    Die Treppe quietschte unter ihren Schritten, als sie ins Obergeschoss verschwand. Sie ließ den Brief auf dem Tisch liegen und würdigte das Schriftstück keines Blickes mehr. Als sie fort war, schnappte sich Lafayett das Papier, zerknüllte es und warf es aus dem Fenster in den Garten, der ohne Madame Perrin bereits völlig verwildert war.

    Bei der Erwähnung der Duponts hatten sich ihm finstere Gedanken aufgedrängt. Phillipes Familie hatte ihn schon einmal in seinem Kummer im Stich gelassen. Bilder und Geräusche aus einer Irrenanstalt spielten sich vor seinem geistigen Auge ab. Schmucklose, kalte Räume mit vergitterten Fenstern und die unaufhörlichen Schreie verzweifelter Seelen ohne Ausweg. So nah an der Hölle wie man nur sein konnte, ohne zu sterben.

    „Mutter, ich muss los“, sprach er knapp, rannte die Treppe hoch und holte den grauen Anorak aus seinem Zimmer.

    „Wo denkst du, dass du hingehst!“

    Er hörte die Frage nur noch gefiltert durch das alles übertönende Rauschen in seinem Kopf und machte sich nicht die Mühe, eine Antwort zu geben. Jede verschwendete Sekunde war eine zu viel.

    Der kalte Tag im Spätherbst brachte einen tristen, grauen Himmel und das tote Laub türmte sich hoch an den Rändern der Straßen auf. Die Menschen, die er passierte, blieben stehen, um nach einer Erklärung für seine verheulten Augen zu fragen, eventuell Hilfe anzubieten, aber er ignorierte sie alle, schob sie zur Seite, wie Gestrüpp das im Weg war. Er erreichte das Depond-Anwesen, das hoch über dem Marktplatz thronte. Der Putz war noch weiß, nicht so verdreckt von Ruß wie die älteren Gebäude. Es rief ihn, zog ihn an wie das Licht eines Leuchtturms.

    Lafayett ahnte, dass er nicht eingeladen war, und fand sich tatsächlich vor einem fest vergitterten Tor wieder. Er ging davor auf und ab, fand aber keinen Pförtner. Er drückte frustriert die Zähne aufeinander, und trat eine zusammengerollte Zeitung weg. Was hätte er auch sagen können, um sich Zutritt zu verschaffen?

    Der Lärm der Schwalben-Kolonie lenkte seine Aufmerksamkeit zum Rathaus. Die dunkelblaue Regenrinne war alt und die Bleifarbe blätterte unter seinen Fingern, als er testweise darüberstrich, aber sie führte bis unter das Dach, hoch genug, um die Hecke zu Phillipes Haus zu überwinden. Sie konnte brechen oder nicht brechen, Lafayett begann trotzdem zu klettern. Er drückte seine Finger zwischen das Metallrohr und den rauen Putz, der seine Knöchel zerkratzte. Die Klammern, welche die Konstruktion mit der Mauer verankerten, boten gerade genug Halt für die Spitzen seiner Stiefel, aber mehr brauchte er nicht. Der Garten der prächtigen Villa erstreckte sich vor ihm. Auf dem Grundstück wuchsen mehrere Eichen, aber der Rasen war trotzdem aufgeräumt und grün. Ein Hausmeister musste sich der gefallenen Blätter angenommen haben und tatsächlich türmte sich unter ihm ein Laubhaufen auf. Das Schicksal schuldete ihm etwas Glück, fand er.

    Die toten Blätter waren nass und stark verdichtet, ganz anders als er erhofft hatte. Nach einem Aufprall, der ihm die Luft aus den Lungen presste, kullerte er seitlich ins Gras. Er schlich sich auf die Rückseite des Gebäudes, wo der Hausherr ein Gerüst für Kletterrosen angebracht hatte. Die dornigen Büsche in den losen Beten waren noch zu klein, um ihre erwünschte Rolle zu erfüllen, aber er konnte sich lebhaft vorstellen, wie hübsch die Fassade sein würde, wenn die Rosen wuchsen und sie ganz ausfüllten. So viele Schmetterlinge, dachte er bei sich und schmunzelte. Phillipe hatte sich oft wohlwollend darüber geäußert, dass er ein Zimmer auf der Seite des Hauses hatte, die dem Marktplatz abgewandt war, aber Lafayett hatte keine Ahnung, bis zu welcher Etage er zu klettern hatte.

    Er erreichte den ersten Stock und hörte die schrille Stimme einer Frau, die er nicht kannte. „Wenn das Militär für etwas gut ist, dann Querulanten zurechtzustutzen.“ Er stockte. Das Fenster war nur angelehnt, sodass er sie viel deutlicher hörte, als ihm lieb war. Sie war aller Wahrscheinlichkeit nach Phillipes Mutter, obwohl sie sich anhörte wie eine Furie, die darauf wartete, seine Augen auszukratzen.

    Ein heiser klingender Gentleman stellte sich gegen sie. „Dann teilt er sich Monate lang ein Quartier mit den anderen Nichtsnutzen, welche ihre Väter enttäuscht haben. Wir sollten es nochmal mit Therapie versuchen. Wir können den Doktor herkommen lassen, damit wir alles im Blick haben und ihn von dem Lurrand-Jungen fernhalten können.“

    Seine Augenbrauen fühlten sich schwer an und er begann die Erschöpfung in seinen Armen, seinen Beinen und seinem Kopf zu spüren. Er war so blind und taub für Phillips Warnungen gewesen, nur um viel zu spät zu bemerken, dass sie auf der Schneide eines Messers getanzt hatten. Er riss sich von dem Fenster los. Er hatte mehr gehört, als er wissen wollte. Die weiße Fensterbank unter Phillipes Zimmer gelangte in Reichweite. Er streckte den Arm danach aus.

    Ein scharfer Knall ertönte über ihm. Seine Ohren begannen schmerzhaft zu pfeifen und die Ränder seines Sichtfeldes wurden unscharf. Er packte den Fensterrahmen und zog sich nach oben, drückte seine Hände gegen das Glas und sah hindurch.

    Und dort lag er. Die Liebe seines Lebens, seine Hände immer noch fest um die alte Schrotflinte geklammert, mit Bernsteinaugen, die nun ins Leere starrten, ihr konstantes Leuchten für immer erloschen. Um seinen Kopf herum bildete sich ein roter See, dessen Ufer sich langsam in alle Richtungen ausstreckten. Phillipe war tot. Für Lafayett war es, als beobachtete er von weitem, wie ein Fremder die Hausfassade hinunterkletterte und sich durch die Buxbaumhecke nach draußen drückte, zurück auf die Straße. Die Gassen um ihn herum waren so lebhaft. Die Cafés waren geöffnet, schöne Frauen in langen Pelzmänteln drückten ihre Nasen gegen die Schaufenster der Boutiquen und Männer standen mit Zigaretten auf den Gehwegen und redeten über ihre Arbeit.

    Nur wenige Menschen waren überhaupt stehen geblieben, um sich nach der Ursache des Schusses um zu sehen. Er hörte einen langen, hohen Schrei und merkte erst langsam, dass er aus seiner eigenen Kehle kam. Unter dem Gewicht der Zukunft, die nicht mehr sein würde, gaben seine Beine nach.

    „Geht es Ihnen gut?“

    „Sind Sie verletzt?“

    „Sollen wir einen Arzt rufen?“

    Die Stimmen von Passanten, die sich zu ihm herunterbeugten, um ihm zu helfen, erreichten ihn nur gedämpft, als wäre er längst begraben, während seine Retter ihm ihre Fragen von oben aus zuriefen. Er strauchelte zurück auf seine Beine und kämpfte sich, halb blind vor Tränen durch ein Dickicht aus wohlwollend ausgestreckten Händen.

    „Lafayett?“ Er erkannte die Stimme seines Onkels irgendwo zu seiner Rechten, blieb aber nicht stehen. Stattdessen rannte er schneller und schneller. Der aufgebrachte Marktplatz blieb hinter ihm zurück und der ganze Weg zurück zu seinem Zimmer verging, als wären es nur Sekunden gewesen. Ein bedachter Schritt durch den Türrahmen und er blieb stehen.

    Sein Rapier hing in einer Halterung an der Wand. Er hatte die Schraube, die das Kreidestück an der Spitze befestigte, niemals wieder festgezogen und stattdessen die Schneide geschärft. Der Stahl warf das Spiegelbild einer zerstörten, hoffnungslosen Hülle zu ihm zurück. Ein einfältiger Idiot, der alles hätte haben können, aber seine Chance vertan hatte. Er hob die Waffe auf und schwang sie ein paar Mal, prüfend, wie er es bei seiner ersten Fechtstunde getan hatte. Die Erinnerung an bessere Tage, linderte seinen Schmerz nicht lange und die Gegenwart kam zurück, schwerer und bedrohlicher als zuvor. Ein Gedanke dominierte alle anderen. Er konnte nicht weitermachen. Alle Pfade, die übrig waren, führten in die Dunkelheit.

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    Aber warum Lafayett sich dann so doof verhält und Phillipe eigentlich noch darin bestätigt, dass er quasi auf deren Abmachung gepfiffen hat aus reinem Leichtsinn oder weil er insgeheim schon Pläne am Start hat, wie sie ihr Zusammenleben in finanzieller Hinsicht gestalten können, das passte für mich nicht ganz. Ich hätte ihm an der Stelle etwas mehr Sensibilität zugetraut und erwartet, dass er vielleicht auch einen leichten Schreck bekommt. Auch verstehe ich nicht, warum er keinen Versuch startet, hinter Phillipe herzugehen und ihn aufzuhalten. :hmm: Irgendwie sammelt er hierdurch nicht gerade Sympathiepunkte. Muss auch nicht sein. Aber mir fehlte hier irgendwie die Überleitung zu seinem Verhalten, weil ich ihm anfangs. wie gesagt, gar keine böse Absicht unterstellt habe.

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    Lafayett hat hier nicht die geringste Befürchtung dass der Mann irgendeine "Gefahr" sein könnte oder das Geheimnis verraten könnte. Seine einzige Angst ist dass Philippe ihn bemerkt. Das heißt Lafayett hält das Entdecktwerden nicht für eine echte Gefahr. Er hat also nicht wirklich ernstgenommen wovor Philippe ihn gewarnt hat.

    Es war so angedacht das Lafayett es gewohnt ist von seiner Familie, seinen Freunden und der Stadt im allgemein geliebt und respektiert zu werden und nicht versteht warum sich das ändern sollte. Aber ihr habt beide Recht. Das kommt wohl zu unsensibel rüber. Ich arbeite nochmal dran und schreibe es so das er sich auch sorgt, wenn auch nicht ganz auf dem Level von Phillipe.

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    Man fragt sich außerdem natürlich, wie der gute alte Roux es geschafft haben kann, die Neuigkeit in der halben Stadt rumzuerzählen.

    Ja. Das geht vielleicht ein wenig schnell. Ich denke das kann ich lösen indem ich eine Szene dazwischen schiebe in dem er das Vorstellungsgespräch bei der Bank hat. Dann können die beiden zwei oder drei Tage später auffliegen.

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    Dass Lafayett am Ende seine Schwester umarmt um sie zu trösten ist eine liebevolle Geste. Aber möchte Priscille jetzt von ihm in den Arm genommen werden? Wie steht sie zu der Entwicklung? Ist sie wütend auf ihren Verlobten weil er ihren Bruder nicht akzeptiert oder ist sie wütend auf Lafayett weil er Schuld am Scheitern ihrer Hochzeit ist?

    Priscille ist die Verkörperung von „Bros before hoes“. Die hätte sich so oder so getrennt, wenn ihr Ehemann grausam zu Lafayett gewesen wäre. Seine Mutter ist schwieriger. Es ist Kanon das sie ihre Kinder liebt und dabei auch deren seelische Gesundheit nicht ausklammern würde. Es hieß ja vorher schon das Lafayett sich nicht annähernd vorstellen kann das Aurelie ihn in eine Anstalt schicken würde, nicht einmal, wenn er darum bitten würde. Aber auf der anderen Seite hat die Dame niemals Kontakt mit jemandem gehabt der offen schwul ist und würde vermutlich nicht sofort 100% perfekt reagieren. Ich denke ich verfasse es so dass sie ihm bestätigt das er immer noch geliebt wird, aber gleichzeitig darauf besteht das die Beziehung zu Phillipe aufhört, weil das aus dutzenden Gründen schlecht für ihn ist. Ich habs natürlich schon geschrieben aber ich bin mir mit dem Dialog sehr unsicher. Das kommt dann im nächsten Teil.

    Ich poste einfach mal ein Stück weiter. Ich weiß eure Hilfe sehr zu schätzen, aber mir ist auch bewusst das Dark/Fantasy/Drama eine eher kleine Nische ist die nicht jedem liegt. Wenn euch das Weiterlesen aus welchem Grund auch immer keine Freude mehr macht, dann verstehe ich 100% wenn ihr einfach aufhört.

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    „Es bringt nichts zu warten. Wir werden in Kauf nehmen müssen, dass wir nass werden“, entschied Phillipe mit einem kritischen Blick zum Dach, wo man noch immer die Blitze zucken hörte. Mit ein paar geliehenen Regenschirmen kehrten sie zu ihrer offenen Kutsche zurück und der Regen durchnässte binnen Minuten ihre feinen Anzüge. Lafayett lud alle Gäste der Reihe nach bei ihren Villen ab und entschuldigte sich jedes Mal erneut dafür, dass er das schlechte Wetter nicht mit eingeplant hatte. Als sich am Horizont ein erster heller Streifen Morgensonne durch die finsteren Wolken schob, war er mit Phillipe allein. Sein Gefährte hielt ihm den Schirm fest, sodass Lafayett bequem mit beiden Händen lenken konnte.

    „Hast du gesehen, wie ich den Bettler unter den Docks überzeugt habe, uns von der Figurine zu erzählen?“

    Er schaute Phillipe verliebt über seine Schulter hinweg an. „Du warst wundervoll. Ich bin froh, dass du da warst.“ Es war kalt. Für einen Moment dachte er darüber nach, seinem Freund seinen langen Herrenmantel anzubieten, aber der Stoff war so klamm, dass er ihn wahrscheinlich kaum gewärmt hätte.

    „Hier, Blondie.“ Phillipe zog seinen dunkelgrauen Anorak über seinen Kopf und hielt ihn Lafayett hin. „Doktor Renees Rechnungen bringen dich um Haus und Hof, wenn du dir eine Lungenentzündung zuziehst.“

    Er legte die Zügel locker auf seinen Schoss und schlüpfte in die angebotene Kleidung. Die Außenseite war zwar nass, aber auf der daunengestopften Innenseite fühlte er noch die Wärme von Phillipes Haut und für einen kurzen Moment war er überzeugt davon, dass er niemals wieder Kälte spüren würde.

    Er manövrierte die geliehenen Pferde dicht an das Schaufenster eines Blumenladens, unter dessen Vordach sie Schutz vor dem prasselnden Regen fanden. Es waren nur noch ein paar Straßen zurück zu Phillipes Haus, aber jede Ausrede, um stehen zu bleiben, war gut genug.

    Der beschauliche Laden hatte seine Tür schon lange geschlossen. Alle Blumen des Tages waren verkauft oder entsorgt worden, aber der Geruch ihrer gefallenen, nun nassen Blätter erfüllte die Luft. Oleander, Lavendel und das Aroma einer Pflanze mit zarten weißen Blüten, die Lafayett oft in Gärten gesehen hatte, deren Namen er aber nicht kannte.

    Phillipe saß still neben ihm und spähte in den dunklen Himmel, aber es gab noch immer keine Zeichen für ein Ende des Gewitters. Lafayett hegte nur noch den einen Wunsch, sich an seine Schulter zu lehnen, aber sie waren hier nicht sicher. Die Regeln, die sie vereinbart hatten, verboten es, so entsetzlich sein Herz auch unter der Einschränkung litt.

    Seine silberblauen Augen huschten über das nasse Kopfsteinpflaster und folgten den kleinen Rinnsalen, die sich in den Fahrrinnen bildeten. Die Häuser um sie herum waren gesäumt mit Reihen von fest verschlossenen Fensterläden. Die Burgherren liebten das Licht, die Wärme und den Duft der Alebäume, aber wenn die Natur eines ihrer hässlichen Gesichter zeigte, konnte keine Mauer dick genug sein, um sie von ihr zu trennen. Niemand war hier und niemand außer Ihnen trotzte diesem Sturm.

    Er ließ seine Finger auf dem Kutschbock entlang rutschen, bis sie gegen Phillipes nasse Haut stießen. Als die Berührung den großen Kerl aus seinen Gedanken riss und er seinen Blick senkte, um nachzusehen, schob sich Lafayett nach rechts und küsste ihn. Seine Geste schien willkommen zu sein. Phillipe grinste und biss ihm verspielt in die Unterlippe, während seine Hände sich in sein langes blondes Haar gruben und ihn festhielten. Die Welt um sie herum trat weit in den Hintergrund. Sie hatten jetzt ihr eigenes Universum, eine Welt mit nur zwei lebenden Wesen, in welchem ihre Liebe nicht geheim war, nicht geduldet war, sondern notwendig; Ein Naturgesetz wie die Schwerkraft oder der Verlauf der Jahreszeiten.

    Eine weiße Form bewegte sich links in Lafayetts Augenwinkel. Ein Hund? Ehe er reagieren konnte, folgten dem Tier eine Leine und ein Mensch, der sie hielt. Es war Roux, der einen Regenschirm hielt und seinen Pudel in den Gassen spazieren führte. Phillipe hatte seine Augen noch geschlossen und bemerkte nichts. Roux blieb nicht stehen, nahm aber kurz Blickkontakt auf, um ihnen grüßend zu zu nicken – nicht die geringste Gefühlsregung in seinem Gesicht.

    In Lafayetts Kopf türmten sich Berge von wüsten Beschimpfungen gegen den alten Fechtlehrer auf. Warum musste er gerade jetzt stören!? Warum konnte dieser sture alte Kotzbrocken nicht wie alle anderen warten, bis der Regen vorbei war!? Er hatte die Hoffnung, dass der alte Mann und sein Hund hinter der nächsten Ecke verschwinden würden, ehe sein Liebster merkte, dass sie da waren, und für einen Augenblick sah es so aus, als wäre das Glück an seiner Seite. Aber Phillipe musste auch bei einem noch so beherzten Kuss früher oder später wieder hinsehen, und als er Herrn Roux hinter dem Krämerladen abbiegen und verschwinden sah, floss alle Farbe aus seiner Mine. Seine Lippen und Augenbrauen kräuselten sich und er sprang vom Kutschbock herunter auf das nasse Pflaster. Regen durchweichte sein dunkles Haar und floss an seiner Stirn und seinen Wangen herunter. Wie ein aufgeschrecktes Tier bewegte er sich hin und her, zuerst dort entlang, wohin der einäugige Fechtlehrer verschwunden war, dann in die entgegengesetzte Richtung. Sein Mund bewegte sich, aber seine Lippen formten keine Worte.

    Lafayett schluckte, aber gab sich selbst einen Ruck. Sie hatten nichts Unrechtes getan.

    „Was hast du denn?“, fragte er und streckte seine Hand nach seinem Partner aus, um ihn wieder unter das schützende Dach zurück zu locken. Phillipe raufte sich das nasse Haar und fuhr sich mit den Fingern durch das Gesicht. Seine Füße bewegten sich keinen Zentimeter.

    „Warum hast du mich nicht gewarnt? Wolltest du, dass er uns sieht!?“ Seine Stimme und sein Akzent waren scharf, vorwurfsvoll, fast erschüttert.

    „Phillipe, ich glaube nicht, dass es ihn kümmert. Sonst hätte er was gesagt.“

    Phillipe ballte die Hände zu Fäusten. Er wollte sich einreden, dass es nur der Regen war, aber auf seinen Augenliedern bildeten sich Tränen, so deutlich zu lesen wie schwarze Tinte auf weißem Papier.

    „Er hat nichts gesagt, weil er Angst hat, dass ich ihn verdresche! Spätestens morgen früh werden es alle wissen.“

    „Na und? Wir können uns unabhängig machen, wenn wir müssen. Mein Onkel hat mir Arbeit bei der Bank angeboten. Ich sorge für Dich. Vergiss das Erbe, oder womit auch immer deine Familie dich sonst noch erpresst hat.“

    Phillipe kam ein Stück näher und trat mit solch einer Gewalt gegen das Vorderrad der Kutsche, dass die Wucht Lafayett fast aus seinem Sitz schleuderte.

    „Du hattest es versprochen!“, brüllte er. „Das war die eine Sache, die ich von dir wollte, du Mistkerl! Wie konntest du!?“

    „Es tut mir leid.“ Er war sich unsicher, ob Phillipe ihn noch gehört hatte oder nicht. Dieser wandte sich ab und ließ ihn und die Kutsche allein zurück, ungeachtet des Gewitters. Lafayett schaute ihm nach, aber der Vorhang aus Regentropfen zwischen ihnen wurde dichter, je weiter sich sein Gefährte von ihm entfernte, bis er dessen Konturen aus den Augen verlor. „Es tut mir leid“, flüsterte er erneut, als ob er hoffte, dass er seine Gedanken lesen und verstehen würde.

    Das Lurrand-Haus war warm und trocken. Aurelie hatte ihrem Sohn trockene Kleidung und eine Suppe zum Aufwärmen auf dem Tisch hinterlassen. Lafayett rührte für eine Weile lustlos mit dem Löffel in der Gemüse-Einlage herum, entschied aber dann, dass er satt war, und stand auf.

    Er stellte sich den Arbeits-Alltag bei der Bank vor und erschauderte dabei so sehr wie eh und je. Aber Freiheit kostete Geld und es war an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Er würde sich gleich morgen einen Anzug zurechtmachen und ein Vorstellungsgespräch in die Wege leiten, auch dann, wenn Roux das, was er gesehen hatte, für sich behielt. Phillipe würde nicht länger in Angst leben müssen und die Geheimnistuerei fand so auch ein Ende. Es würde alles gut werden, sobald er seinen Stolz herunterschluckte und das Richtige tat. Der graue Anorak trocknete über einer Stuhllehne neben ihm. Er konnte Phillipe unter dem Vorwand, ihn zurückzubringen, besuchen, sobald er soweit war, und sich mit ihm versöhnen. Lafayett schleppte sich in sein Bett, zog die Decke bis zu seinem Kinn hoch und driftete in einen tiefen Schlaf.

    Der Morgen kam, aber er erwachte erst am späten Nachmittag durch Priscilles Stimme aus dem Untergeschoss. Er richtete sich auf und lauschte. Seine große Schwester weinte, während ihre Mutter tröstend auf sie einredete. „Du solltest froh sein, dass er sein wahres Gesicht früh genug gezeigt hat, meine arme, kleine Prinzessin.“

    Er zog sich an und kam die Treppe herunter zu den beiden Frauen. Ging es um ihn? Er trat mit Absicht auf jene Stufen, die nachgaben und quietschten, damit er sich nicht ankündigen musste. Seine Schwester saß am Esstisch, ganz am Rand von ihrem Stuhl, und hielt ein weißes Taschentuch vor ihr Gesicht, das ihr Schlurzen dämpfte. Aurelie rieb ihr beruhigend über die linke Schulter. Als sie ihren Sohn sah, verengten sich ihre Augen zu kleinen Schlitzen. Also doch. Sie redeten über ihn.

    „Mama, ich kann das erklären“, stammelte er. „Wir lieben uns. Ich wollte es dir sagen, aber ich wusste einfach nicht wie.“ Er hob abwehrend die Hände und schaute sie flehend an, inständig hoffend, dass sie ihn zu Ende sprechen lassen würde, aber sie unterbrach ihn harsch. Aggressiver Sarkasmus tränkte jedes Ihrer Worte.

    „Ich freue mich ja so sehr für dich! War es schön? Hattest du Spaß mit deinem neuen Freund?“

    Lafayett fühlte sich klein. Seine Pupillen weiteten sich und huschten unruhig hin und her, anstatt ihrem Blick Stand zu halten. Sein Mund hing offen. Dann biss er sich auf die Unterlippe und spannte seine Schultern an. Sie mochte ihn verurteilen, so viel sie wollte, und ja, es tat weh, aber es war nicht ihr Leben und nicht ihre Zukunft, die auf dem Spiel standen. Seine Brust dehnte sich in einem tiefen, trotzigen Atemzug. „Mama, Ich will das so. Du wirst mich nicht umstimmen.“

    Sie blickte ihn entgeistert an und sprach mit einer nie dagewesenen Kälte weiter. „Clairval hat die Hochzeit abgesagt. Er meinte, dass eigene Kinder ihm wichtig seien und dass ihm das Risiko zu groß sei, dass seine Söhne dieselbe Störung haben könnten wie du.“

    Etwas in ihm zerbrach. Es war das unzeremonielle Ende einer langen Freundschaft. Er war nicht genug und war es nie gewesen. Clairvals Zuneigung war immer an die Bedingung geknüpft gewesen, dass sie gleich waren. Jetzt, wo sein Makel zum Vorschein gekommen war, dachte er sich nichts weiter dabei, ihm und seiner Familie vor den Kopf zu stoßen. Trauer und Wut nisteten sich wie nagende Parasiten in seinem Magen ein. Alles, was er wollte, war schreien, den Tisch umwerfen, Löcher in die Wände schlagen und der kaputten Welt um ihn herum den Rest geben. Aber er trat vor und schloss Precilla schweigend in die Arme. Er drückte sie an sich, unfähig, Worte zu formen.

    Das was jetzt kommt ist der letzte romantische Teil, ehe es richtig hässlich wird. Das hier ist jetzt etwas abstrakt. Clairval und seine Freunde gehen zum Junggesellenabschied ins Theater und spielen ein interaktives H.P. Manon (Fantasy Lovecraft) -Stück. Es ist also teilweise eine Geschichte in einer Geschichte. Es wäre toll, wenn ihr mir sagen könntet ob man dem Plot noch gut folgen kann.

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    Lafayett saß auf dem Kutschbock eines prächtigen Pferdewagens und tippte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf den Sitz neben sich. Seine Augen verdrehten sich genervt. Clairval stand seit einer Ewigkeit wie ein Idiot mit einem Fuß auf dem Trittbrett und dem anderen auf der Straße. Seine Hände hielten jene von Priscille, die immer wieder hilfesuchend über ihre Schulter blickte und der Gruppe ihrer wartenden Brautjungfern zum zehnten Mal versicherte, dass sie sich gleich auf den Weg machen konnten.

    „Ich kann dich nicht loslassen“ ,scherzte Clairval, aber sie schob ihn weg. Es war der Tag seines Junggesellenabschieds. Oliver, Phillipe und ein paar andere Freunde des werdenden Bräutigams hatten sich in ihren feinsten Anzügen eingefunden und warteten auf den hinteren Sitzplätzen.

    Der Himmel war mit Wolken verhangen, aber Regen würde sie bei dem, was sie geplant hatten, kaum stören, ganz im Gegenteil, Lafayett hoffe einen kleinen Wenig auf einen Sturm.

    „Mein süßer Clairval…“, mahnte Priscille. „Mein Bruder hat sich etwas Wundervolles für dich ausgedacht, das du ausschließlich heute haben kannst. Ich aber nach der Hochzeit nie mehr von deiner Seite weichen. Wähle weiße!“

    Clairval stieg vom Trittbrett herunter, ganz zurück auf die Straße. „Und wenn du mitkommen würdest? Zwing mich doch nicht zu wählen!“

    „Achtung! Entführung im Gange!“, rief Oliver laut und deutete mit einer Handgeste zu dem widerwilligen Ehrengast. Lafayett und Phillipe packten Clairval unter den Armen und zerrten ihn in die Passagierkabine. Dann wandte sich Oliver an Priscille und deute eine Verbeugung an.

    „Ihr habt mein Ehrenwort, dass wir gut auf ihn aufpassen, verehrte Dame.“

    „Ja, aber behütet ihn auch nicht zu sehr. Es ist mir wichtiger, dass er Spaß hat und sich später gerne an heute erinnert.“

    Lafayett trieb die beiden Pferde an und die Gruppe machte sich auf den Weg. Er konnte nicht verhindern, dass Clairval nach einer Weile erriet, dass ihr Weg zu dem kleinen Theater ein Stück flussabwärts führte. Man konnte seinem Gesicht die Enttäuschung ansehen. Der werdende Bräutigam versuchte höflich zu lächeln, aber er war nicht gut darin.

    „Was sehen wir uns an?“, fragte er vorsichtig. „Nichts Unsittliches hoffe ich.“

    „Kamerad, deine Braut hat geholfen, das hier zu planen. Und auch wenn ich gekonnt hätte, würde es mir im Traum nicht einfallen, deine zweifellos unerschütterliche Treue zu testen.“

    Das kleine Theater von Rankental hatte einen großzügigen Parkplatz für Kutschen und Automobile, aber heute waren alle Stellplätze leer. Mehr noch: Die Türen waren geschlossen. Clairval sprang ab, während Lafayett das Gefährt noch in die Markierungen am Boden rangierte, und lugte durch das staubige Glas nach innen.

    „Hast du dich im Datum vertan?“ Er wischte mit einem Taschentuch ein Guckloch in den Schmutz und spähte erneut hinein, nichts.

    „Kommt bitte alle mit.“ Lafayett ging Richtung Hintereingang und deutete ihnen allen zu folgen. Hinter dem Backsteingebäude stand eine kleine grüne Seitentür offen und an dieser Tür lehnte eine Frau in einem hochgeschlossenen, cremefarbenen Rüschenkleid. Ihr dunkles Haar war in sorgsame Zöpfe gebunden und dann hochgesteckt. Sie hielt ihren geschmückten Hut an ihre Brust gedrückt und schlunzte verzweifelt. Als sie die verdutzten Männer kommen hörte, sah sie auf und kam auf Clairval zu.

    „Sie sind es! Ich habe gebetet und gebetet, dass Sie unseren Fall übernehmen würden. Sie sind unsere letzte Hoffnung.“ Die Fremde sprach mit einem falschen deutschen Akzent, und die Verwirrung von Clairval wandelte sich mit jedem Wort, das er hörte, mehr und mehr zu begeisterter, kindlicher Neugier.

    „Bitte hier entlang! Ich lasse für sie und ihre Angestellten Gästezimmer herrichten.“ Die Schauspielerin führte die Gruppe hinter die Bühne und blieb dabei so gekonnt in ihrer Rolle, dass jeder der Gäste nacheinander mitzuspielen begann.

    Auf einem langen Tisch hinter dem Vorhang waren verschiedene Kostüme ausgebreitet. Ein klassischer deutscher Trenchcoat, ein Arztkittel mit nach links versetzten Knöpfen, eine authentische Polizeiuniform und viele kleine Requisiten wie Notizblöcke, Vergrößerungsgläser und Granitpulver für Fingerabdrücke.

    Lafayett stieß Clairvals Schulter an, der den Tisch zuerst gar nicht bemerkt hatte. „Du darfst dir zuerst eins aussuchen. Aber Vorsicht: Das ist nicht nur rein ästhetisch. Unterschiedliche Figuren können und wissen unterschiedliche Dinge.“ Er drehte sich um und adressierte nun auch den Rest der Gruppe.

    „Ihr dürft die Schauspieler nicht anfassen, aber Fragen wie `Was sehe ich, wenn ich ihre Fingernägel untersuche?` oder `was finde ich, wenn ich in ihre Tasche greife? ‘ sind erlaubt. Die Damen und Herren geben euch dann relevante Gegenstände oder der Narrative entsprechende Antworten.“

    „Der Narrative entsprechend?“, fragte Oliver, während er das Kostüm eines Priesters anprobierte.

    „Figuren können Lügen oder selber an Falschinformationen glauben“, erklärte Lafayett geduldig. „Es liegt an euch, den Fall zu lösen. Wenn der Mörder bis Mitternacht gestellt ist, habt ihr das Spiel gewonnen.“

    Clairval legte seinen Hut ab und hob jedes der Kostüme nacheinander auf, um im Spiegel einen Eindruck davon zu gewinnen, wie es an ihm aussehen würde. Nichts erschien ihm reizvoller als der dunkle Trenchcoat. Der blasse Gentleman strahlte von einem Ohr zum anderen. Oliver wählte schließlich den Arztkittel aus und Phillipe wartete höflich, bis alle anderen ihre Wahl getroffen hatten, um sich die Polizeiuniform überzustreifen, die zurückgeblieben war.

    Das Oberteil hatte einen steifen Kragen, verzierte Schulterklappen, und weite Umschläge am Ende der Ärmel. Es gab seiner Physik den letzten Schliff. Lafayett wusste, dass er nicht hinstarren sollte, aber er schmiedete bereits heimlich Pläne, dem Theater das Kleidungstück heimlich abzukaufen, vielleicht als Andenken an den schönen Abend.

    „Sind alle bereit?“ Er stellte sich vor die versammelten Gäste, die noch hastig Mützen aufsetzten und sicher gingen, dass ihre Bleistifte angespitzt waren. Dann zog er an dem Seil, das dazu diente, den großen roten Vorhang zu öffnen. Auf der anderen Seite lag das Bühnenbild einer deutschen Kleinstadt, aus den typischen Fachwerkhäusern. Eine authentisch gekleidete Menschenmenge hatte sich um den Brunnen in der Mitte versammelt, wo eine junge Schauspielerin in einer Pfütze aus Kunstblut am Boden lag. Sie hielt den Griff eines stumpfen Messers auf ihrer Brust fest. Während die Gruppe sich begeistert auf die Mordszene stürzte, blieb Phillipe noch kurz stehen und wandte sich zu seinem Gefährten um.

    „Was ist mit dir?“

    Lafayett winkte ab. „Ich habe geholfen, das Stück zu organisieren, daher weiß ich leider, was genau sich zugetragen hat, und kann selbst nicht mitspielen. Aber ich sehe dir von der ersten Reihe aus zu.“

    „Aber Ich lese doch gar keine Detektivromane. Und ich kann auch nicht schauspielern. Ich hoffe, meine Rolle ist nicht wichtig.“

    „Nun geh schon! Du wolltest neue Freunde, und hier sind Sie. Ich gebe dir Tipps, wann immer du stecken bleibst. Das muss niemand wissen.“ Er schob den breitschultrigen Mann näher zur Mitte der Bühne und zog sich dann mit einer Flasche Himbeer-Limonade zu den Sitzen in der ersten Reihe zurück.

    Clairval übernahm sofort die Führung. Er befall zuerst Phillipe dafür zu sorgen, dass niemand den Tatort verließ, und wies die anderen an Zeugen zu befragen, bevor er selbst sich zu dem Opfer des Mordes herunterbeugte und sie begutachtete.

    Die Schauspielerin hatte hellbraunes, welliges Haar, betonte Wangenknochen und eine kleine, blasse Stubsnase. Sie blieb geduldig liegen und regte nicht einen Muskel, als Detektiv Clairval versuchte, den Eintrittswinkel der fiktiven Klinge zu ermitteln, die in ihrer Brust steckte.

    „Vielen Dank für das alles hier!“ , flüsterte er in ihr Ohr. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln, aber ihre Augen blieben geschlossen. Das Kostüm und ihre Locken saugten sich mit dem Kunstblut voll, aber sie schien sich nicht daran zu stören.

    „Wie viel bezahlt er Ihnen dafür?“, fragte er leise.

    „Werte Herr, es ist in den Straßen von Hamburg allgemein bekannt, dass die Toten nicht reden können.“ Auch sie sprach mit einem glaubhaften, norddeutschen Akzent. Denselben, den fast alle Protagonisten in P. H. Manon Romanen hatten.

    „Ich will nur sicher gehen, dass eure Mühe gewürdigt wird“, beschwichtigte er.

    „Das wird sie. Herr Lurad ist ein guter Freund, und wir haben uns alle in die Idee von einem interaktiven Stück verliebt.“ Ihre Aussprache änderte sich zurück ins Französische, da sie für sich selbst sprach und nicht für ihre Figur.

    „Hat er Ihnen geholfen, hier eine Stelle zu bekommen? Ich ziehe im Übrigen das Messer raus.“ Er nahm den Messergriff, den sie fest hielt, aus ihren Händen und legte ihn in eines der weißen Baumwolltücher, die zur Beweissicherung dienten.

    „Er hat mir geholfen, einen Termin für ein Vorsprechen zu bekommen. Die Stelle gehört mir, weil ich singen kann wie eine Walküre.“

    Clairval nickte verstehend. „Wie lange sind Sie schon tot?“

    „Das würde nur ein Arzt wissen.“

    Er sah sich nach dem weißen Arztkittel um, aber Oliver war damit beschäftigt, Notizen zu den Aussagen eines Krabbenfischers zu machen, der offenbar ihren Schrei gehört hatte. Er öffnete den Mund, um ihn herüberzurufen, überlegte es sich dann aber anders.

    „Was fühle ich, wenn ich ihre Taille abtaste?“

    Sie öffnete kurz die Augen und blinzelte nachdenklich. „Ein gut verarbeitetes Wahlknochen-Korsett, schätze ich.“

    „Und die Beine?“

    „Werter Herr, ihr untersucht eine Leiche. Und die Angehörigen werden es nicht wertschätzen, wenn ihr zu `gründlich` seid.“

    „Verzeihen Sie. Ich wollte nur scherzen.“ Er stand auf und machte dann doch Doktor Oliver auf sich aufmerksam.

    Während sich die Geschichte um den Mord in der malerischen Hafenstadt über mehrere Stunden und Kapitel entfaltete, verschlechterte sich draußen in der echten Welt das Wetter. Regen schmetterte auf die Dachschräge und die ohnehin dramatischen Dialoge wurden vom Grollen des Donners untermalt. In Lafayetts Kopf hätte es nicht besser zusammenpassen können.

    Im Finale des dritten Aktes stand die Gruppe einem alten Fischer gegenüber. Der gebrechliche alte Mann war wahnsinnig, besessen und verdreht von der Macht finsterer, alter Götter, die in den Tiefen des Meeres schliefen. Die Insignie einer der Wesenheiten war mit Kunstblut auf seine Stirn gezeichnet. Er richtete zitternd eine Pistole auf Cliarval und streckte gleichzeitig die andere Hand nach der Lehmfigur in dessen Händen aus.

    „Gib sie mir!“, brüllte der Schauspieler. „Sie muss zurück in die Tiefe!“ Der Schurke war verzweifelt, weil das Zeitfenster, den Meister zu wecken, sich um Mitternacht schloss.

    Phillipe ergriff das Wort. „Clairval, er hat Angst, dass du sie kaputt machst!“ Es war das erste Mal, dass er von sich aus Einfluss auf die Handlung nahm. Lafayett lächelte entzückt, trank seinen letzten Rest Limonade und setzte sich gerade hin, um kein Detail des Finales zu verpassen.

    „Dann zerstör sie!“, rief Oliver und deutete auf den Boden vor ihnen.

    „Aber was ist, wenn er Recht hat!?“ Clairval drückte den Gegenstand eng an seine Brust und schaute Hilfe suchend zu den anderen. Wieder war es Phillipe der vortrat. Er hatte die meiste Zeit über nur schüchtern mitgespielt, sich dafür aber gewissenhafte Notizen gemacht und viel Zeit darauf verwendet, jeder Figur, die ihn anhörte, Fragen zu stellen. Er schien sich sicher zu sein, was zu tun war.

    „Die Figur ist der Anker in unserer Welt. Zerstör sie und wir sind frei. Wen interessiert, ob der Eigentümer sauer auf uns ist oder nicht!? Das ist unser Planet und nicht seiner."

    Detektiv Clairval nahm einen tiefen Atemzug und hob den Gegenstand daraufhin hoch über seinen Kopf. „Ähm. Meine Figur wirft das Götzenbild auf den Boden.“ Er stellte das Requisit daraufhin vorsichtig auf dem Parkett ab, unwillig tatsächlich irgendetwas kaputt zu schlagen. Der Schauspieler in der Rolle des Fischers ließ sie auf die Knie sinken und schrie seine Frustration in den künstlichen Sternenhimmel hinauf. „Meister! Nein!“ Er legte sich langsam auf die Bretter nieder, so als würde seine Gestalt in sich zusammenfallen, und blieb dann reglos liegen. Phillipe rannte sofort zu ihm hin und trat die Handfeuerwaffe außer Reichweite.

    „Ich trete gegen seinen Kopf, bis ich sicher bin, dass er tot ist!“, verkündete er eifrig, woraufhin der Fischer ein kurzes Kichern nicht unterdrücken konnte. Nach einem Moment des Schweigens stimmten auch die übrigen Spieler in das Gelächter ein. „Du kennst keine Gnade, was!?“; kommentierte Clairval, klopfte Philipe aber dann anerkennend auf die Schulter.

    „Ich finde das so angemessen“, erwiderte der Hüne ruhig. Dann drehte er sich zu den Sitzreihen um.

    „Haben wir gewonnen?“

    Lafayett und die Angestellten des Theaters applaudierten und der zukünftige Bräutigam verneigte sich wie ein Opernsänger am Ende eines Stücks. „Das war großartig! Können wir das nächste Jahr nochmal machen?“

    Die Gruppe blieb noch und half den Angestellten, die Kostüme zusammenzufalten und das Bühnenbild abzubauen. Der Sturm draußen tobte noch immer und ihre Hoffnung, dass der Regen nachlassen würde, erfüllte sich nicht.

    Vielen Dank für euer Feedback Kirisha , Rainbow und LittleOwlbear. <3<3<3

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    Ich will jetzt nicht prüde rüberkommen, aber irgendwie finde ich es cooler, wenn bestimmte Dinge unausgesprochen bleiben :hmm: Irgendwie knistert es dann mehr. Der aufmerksame Leser wird schon checken, was Lafayett meint. Und Phillipe auch. Da muss er es nicht zwangsläufig derart auf den Punkt bringen.

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    Dass er explizit "Sex" erwähnt würde ich auch nicht machen. Es ist zu explizit (was mich stört) und unnötig. Ich denke die Geste ist gut genug verständlich.

    Das war in der vorherigen Version eigentlich noch direkter. Ich wollte rüber bringen das es an sich eine gesunde Beziehung ist und dass die beiden miteinander kommunizieren können was sie wollen und brauchen. Ich hatte das Gefühl das könnte in zu vielen Metaphern und Andeutungen vielleicht unter gehen. Ich denk nochmal drüber nach.

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    Eau de Cologne liest sich für mich etwas sperrig. Vielleicht lieber Aftershave, oder sowas?

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    Das Eau de Cologne fand ich dagegen gut weil es was Französisches ist.

    Ja. Das ist halt die französische Variante von dem Wort. Das Problem mit der sperrigen Aussprache habe ich öfter, aber wenn ich zu wenig auf Frankreich hindeute könnten sich Leser fragen warum es überhaupt da spielt und nicht in Deutschland. Ist eine schwierige Balance.

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    Das "jammerte" gefällt mir hier nicht so gut, weil das Lafayett sehr kindisch wirken lässt. Vielleicht "seufzte" er oder sowas? Eine gewisse Niedergeschlagenheit würde mir hier besser gefallen, als ein Jammern.

    Ich ersetze es wohl durch „wimmern“ das ist niedergeschlagen und leise.

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    mit einem "Schnippen" des Handgelenks schubst er ihn in den Wäschehaufen? Das kann ich mir nicht gut vorstellen :hmm:

    Seine Hand ruht schon auf Lafayetts Brust. Er bewegt nicht den Arm selbst, sondern nur das Handgelenk um ihm einen kleinen Schubs zu geben. Eventuell kann ich das noch deutlicher machen. Es war mir nur wichtig das es nicht zu grob rüber kommt.

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    Das alles hier ist ja schon ziemlich intim. Ich finde es einerseits ganz süß dabei zuzusehen, wie die beiden ihr erstes Mal haben, andererseits brauche ich es nicht unbedingt. Die Frage ist ja, was der Sinn dahinter ist. Willst du die Beziehung der beiden beleuchten? Willst du ein bisschen Erotik einbauen? Passt das überhaupt zum Rest?

    Es ist Hauptsächlich Charakter-Arbeit. Lafayett hat wieder einen toxische-Männlichkeits-Aufhänger und kann nicht genießen das sich sein Freund „um ihn kümmert“ weil Kerle im Bett nicht passiv sein dürfen und Phillipe gewöhnt ihm das ab. Ich dachte mir das Phillipe auf die Weise mehr beiträgt und nicht nur sexy Eye-Candy für seinen Partner ist. Du hast Recht. Ich kann später entscheiden ob ich es rausnehme oder nicht. Der Cut ist ja schon eingearbeitet.

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    1. Wann hatte Phillipe erwähnt, dass sein Freund ihm keine Briefe geschrieben hatte? Könnte man das vielleicht in die Abendessen-Szene einbauen? Dann hätte man hier an der Stelle einen Aha-Effekt?

    Ich dachte das hätte ich. Ich bin dann aber nochmal zurück und habs nicht gefunden. Ich gehe sicher, dass es beim Abendessen erwähnt wird wie es geplant war. Ich hoffe die Sache ist nicht zu kitschig. Lafayett hört aufmerksam zu, wenn jemand mit ihm redet (meistens) und das wollte ich so weiterführen.

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    Aber die Szene ist süß und das Gespräch davor zeigt, dass Philippe nicht nur über sein eigenes Leben bestimmen möchte, sondern auch die ihm versprochene Verlobte nicht anlügen möchte.

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    Philippes Argumentation zum Thema Colette fand ich sehr rührend und auch sehr gut.

    Danke. Ich habe das Ziel dazustellen das Homophobie nicht nur direkt den Betroffenen schadet, sondern indirekt auch allen anderen. Da passiert Plot-technisch später noch einiges mehr.

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    Hier fiel mir spontan ein dass meine Mutter in meiner Kindheit (ist sehr lange her) unsere Wäsche in eine Mangelei gegeben hat. Es wurde damals ja wirklich alles gebügelt sogar Unterhosen und Socken. Und natürlich die Bettwäsche. Die kam dann in großen Körben gestärkt und gemangelt und war hart und glatt wie Beton. Google sagt dass es zuerst nur Mangeln gab und das Bügeleisen erst später kam. Wir haben auch Bettwäsche zuhause gebügelt und das konnte man nicht alleine machen. Da musste immer jemand an den Enden ziehen damit es nicht die Form verliert.

    Es war ursprünglich ein Bügeleisen. Ehe ich das erste Mal für historische Korrektheit korrigiert habe. In meinem Kopf ist es so ein antikes Flacheisen das auf dem Herd heiß gemacht werden muss, also extrem mühsam. Das ist von der Technologie her wahrscheinlich etwas altmodisch aber ich denke es ist im Ramen des Möglichen.

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    Ich habe auch ein wenig darüber geschmunzelt dass Lafayett sich so eifrig auf die Hausarbeit stürzt während er gleichzeitig für das was damals Männerarbeit war (Geld verdienen) nur Verachtung übrig hat.

    Ja. Es soll zum einen Ablenkung sein. Es ist ja aber auch ausdrücklich seine Schuld das keine neue Haushälterin kommt, weil er seine Mutter sabotiert. Es wäre dann irgendwie fies gewesen es die Frauen machen zu lassen. Ähm ja wegen dem Geld verdienen… Das hat keinen tieferen Grund. Er ist einfach nur faul. ;)

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    Du machst hier deutlich dass seine Schwester jederzeit in das Zimmer hereinkommen kann. Vor dem Hintergrund ist die folgende Liebesszene etwas leichtsinnig. Da sollten sie sich doch etwas besser verschanzen? (Außerdem bringt man Wäsche in der Regel nicht einzeln heran. Die liegt gestapelt in Körben ... oder?)

    Phillipe versperrt die Tür ja relativ früh. Ich werde es so ändern das sie einen Korb rein tragen könnte statt einzelnen Wäschestücken.

    Kirisha a Rainbow nbow LittleOwlbear owlbear

    Ich danke euch allen. Ich überarbeite am Wochenende den Teil mit dem Einbrecher nochmal. Kampf-Szenen sind schwierig und alles was passiert nachdem der Protagonist Ko geht war wohl zu unübersichtlich. Ich denke ich werde es so schreiben das seine Mutter und Schwester bei ihm sind, wenn er aufwacht und ihm dann einfällt das Madame Perrin fehlt. Und Phillipe sollte wohl später auftauchen und vielleicht sagen das er den Lärm gehört hat den die Polizei gemacht hat oder so. Ich wollte einfach das er in der Szene ist um das Gaslighting zu verhindern das man Lafayett antun will. Ich fand das ganz cool weil der Leser ja genau weiß das Rene für die Vampire arbeitet und den tatsächlichen Tathergang vertuschen muss.

    Ich nehme gerne Vorschläge an wie Precilla und Dr. Renee heißen könnten, sodass es authentischeres Französisch ist. Ich komme so langsam in die Phase in denen ich die Platzhalter durch endgültige Namen ersetzen muss die dann auch alle gleich geschrieben sind.

    Ähm… in der nächsten Szene wird über Sex geredet und es gibt eine sehr harmlose Sex-Szene. Ich bin noch 50/50 ob ich sie überhaupt drin lassen soll, weil es die einzige im ganzen Roman ist und das vielleicht eher stört.

    Ich wüsste auch gerne ob das Geschenk das Lafayett am Ende macht vielleicht übertrieben ist oder zu sehr aus dem Nichts kommt. Ich bin der Meinung das es In-charakter für ihn ist aber ich hätte da gerne noch unabhängige Meinungen zu.

    ---

    Lafayett stand über das Bügelbrett gebeugt im Nähzimmer und versuchte mit aller Kraft das Glätteisen über den Stoff eines zerknitterten Herrenhemdes zu schieben, aber die Falten blieben, wo sie waren.

    Er war umgeben von Bergen aus weißer Wolle, die ihn inzwischen wie ein verschneites Gebirge überragten. Staubpartikel schwebten durch die Luft und sein Zeitgefühl war ihm schon vor einer Weile abhandengekommen. Die monotone Arbeit gab ihm zu viel Zeit, um über Dinge nachzudenken, die er lieber vergessen hätte.

    Der Türknauf bewegte sich. Er erwartete, dass es Pricilla sein würde, mit einem weiteren Bettlacken, einer Tischdecke oder einer weiteren zerknautschten Bluse. Er war zunehmend erstaunt, wie viel Mühe die Wäsche für nur drei Personen machen konnte, und fragte sich insgeheim, ob Frauen instinktiv wussten, was zu tun war, sowie eine Spinne von selber wusste, wie man Netze webt, oder ob sie Mentorinnen hatten, die ihnen beibrachten, wie man ein Haus darin hindert, zu einem Stall zu verfallen. Er hatte davon keine Ahnung. Gestand er sich ein.

    „Du musst das machen, wenn es noch nass ist, Blondie.“ Als er Phillipes Stimme hörte, stellte er das Glätteisen beiseite und schmunzelte, ohne sich um zu drehen. Dann verschwand sein Lächeln wieder, genauso schnell wie es gekommen war. Die Zurückweisung, die er vor zwei Monaten erlitten hatte, saß wie ein Stachel in seinem Fleisch. Wenn er hier ist, um mich zu seiner Hochzeit einzuladen, werfe ich mich aus dem Fenster, dachte er bei sich. Er setzte einen neutralen Gesichtsausdruck auf und drehte sich um.

    „Bitte entschuldige. Es ist gerade ungünstig.“

    „Das kann ich sehen.“ Er schaute sich erstaunt um. „Habt ihr noch keine neue Haushälterin gefunden?“

    Lafayett schüttelte den Kopf. „Mutter hat vor zwei Wochen schon eine Stellenbeschreibung zu der Agentur geschickt, die uns damals Madame Perrin vermittelt hat.“

    „Und?“

    „Ich habe mir das Papier heimlich geschnappt, ehe sie es einreichen konnte, und die Zimmeranzahl, die wir angeblich haben, verdoppelt. Außerdem haben wir jetzt wohl wieder einen Pferdestall. Zu dem Preis wird sich da niemand melden.“

    „Lafayett, willst du denn ernsthaft für den Rest deines Lebens selber den Haushalt machen?“

    „Ich bin der Mann in diesem Haus. Wir sind fertig mit Trauern, wenn ich es sage“, knurrte er und schaute für einen Moment aus dem Fenster auf die Straße. Die Blütezeit für die meisten Bäume und Sträucher war jetzt vorbei. Der Winter stand kurz vor der Tür. Die Klingeln von Fahrrädern, der Lärm spielender Kinder und die Stimmen von Marktschreiern drangen nur gedämpft durch das dicke, staubige Glas zu ihm durch.

    „Du ersetzt eine Haushälterin, nicht die Freundin, die sie dir war.“

    „Ich weiß“, schnaubte Lafayett und trat verärgert eine Waschschüssel beiseite.

    „Können wir reden? Es ist wegen Colette.“ Ehe er eine Antwort bekam, schob Phillipe die Lehne eines Stuhls unter den Türknauf. Lafayett drehte sich schlagartig zu ihm um. Sein Körper war angespannt. Er wollte den Namen dieser Frau nie wieder hören, obwohl sein Freund sie nur ein einziges Mal erwähnt hatte. Er konnte unmöglich wissentlich so grausam zu ihm sein. War er nur hier, um mit seiner ach so schönen Braut anzugeben?

    „Ich werde die Verlobung absagen.“ Phillipe massierte seine Finger und vermied Augenkontakt.

    „Was hat sich verändert?“ Lafayett lehnte sich an das Fensterbrett hinter sich und entspannte seine Haltung ein wenig. Er wollte sich freuen, aber Phillipe wirkte hin und her gerissen, wie ein scheues Reh, das nicht entscheiden kann, in welche Richtung es flüchten soll.

    „Ich habe Sie kennengelernt.“

    „Und sie ist eine nervige Kratzbürste?“

    „Nein. Das Gegenteil davon. Sie ist lebhaft, aufmerksam und sie freut sich darauf, mit mir ein neues Leben anzufangen.“

    Lafayett hob das Hemd auf, an dem er vergebens gearbeitet hatte, und warf es Phillipe so fest er konnte gegen den Kopf. Sein Gesicht fühlte sich warm an und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Unverständnis und Wut brodelten unter der Oberfläche.

    „Warum dann!?“, schrie er und trat das Bügelbrett um, sodass es scheppernd zu Boden ging. „Macht es dir, solchen Spaß Leuten weh zu tun!? Warum bist du überhaupt noch hier?!“

    Phillipe zuckte zusammen und bis sich auf die Unterlippe. „Dieses Mädchen zu treffen hat mir klargemacht, was ich im Begriff war, ihr anzutun. Wenn sie meine Frau wird, dann wird sie niemals mit jemandem zusammen sein, der ihre Liebe erwidert. Ich zerstöre ihr Leben und den Traum von einer großen, glücklichen Familie, den sie hat, nur um mich zu verstecken. Sie verdient etwas Besseres, und das tust du auch. Wenn jemand, der so klein und zerbrechlich ist wie du, den Mut hat, das durchzuziehen, dann sind mir offiziell die Entschuldigungen ausgegangen.“

    Er hob das Hemd, das Bügelbrett und das Glätteisen vom Boden auf und öffnete die noch geschlossenen Knöpfe, damit der Stoff glatt lag. Er schaute nicht auf, drängte nicht nach einer Antwort und drückte das heiße Eisen geschickt auf die schlimmsten Falten.

    „Ich habe Bedingungen.“ Lafayett nahm ihm nach einer Weile das geglättete Kleidungsstück ab, faltete es und reichte ihm das Nächste.

    „Sprich, Blondie! Ich höre zu.“

    „Ich will dich für mich allein. Keine Alibifrauen und erst recht keine anderen Männer. Du bleibst für immer unverheiratet und sagst deinen Eltern, dass sie dir den Buckel runterrutschen können, wenn sie das stört.“

    Phillipe grinste. „Würdest du so mit deiner Mutter sprechen? Ich hoffe nicht. Aber ich kann sicher den ein oder anderen Grund finden, warum diese oder jene Dame nicht die Richtige ist. Was noch?“

    Lafayett stützte sich mit den Armen auf das Bügelbrett und lehnte sich so weit vor, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten. Er ließ seine Augen halb zufallen und schmunzelte verliebt.

    „Ich will das hier.“ Er deutete vage an dem hübschen Jäger auf und ab.

    Phillipe lachte, vielleicht etwas lauter als er wollte. Seine Augen funkelten.

    „Sex?“ Er nickte enthusiastisch. „Ja! Nur zu gerne. Ich brauche aber auch ein paar Dinge von dir.“

    „Bitte. Nur zu“, lud Lafayett ein.

    „Das hier…“ Er deutete langsam zwischen sich und seinem Partner hin und her. „Das muss um jeden Preis geheim bleiben. Kein Flirten, kein Händehalten, keine Umarmungen und kein Küssen, außer in Zimmern, die hinter uns abgeschlossen sind. Du musst immer geduldig mit mir sein und es akzeptieren, wenn ich eine Woche oder länger nicht vorbeikommen kann. Und wenn ich gemeine Dinge sage oder dich ignoriere, dann sei ganz sicher, dass ich es nicht so meine. Es darf nach außen nicht aussehen, als ob wir uns zu sehr mögen.“

    Lafayett seufzte. Diese Einschränkungen dämpften seine glühende Begeisterung ein wenig, aber er wusste, dass für sie beide zu viel auf dem Spiel stand, um unvorsichtig zu sein. Und selbst ein paar Stunden jede Woche waren mehr, als er sich noch vor ein paar Minuten erträumt hatte.

    „Abgemacht.“ Er versuchte, Phillipe die Hand zu reichen, aber dieser griff stattdessen über das Bügelbrett hinweg, packte seinen Kragen und zog ihn zu sich. Seine rauen Finger fuhren sanft über Lafayetts gerötete Wange und strichen die langen blonden Strähnen liebevoll beiseite. Seine Augenlieder wurden schwer und er atmete den Duft von Phillipes Eau de Cologne tief ein. Die sonnenverwöhnte Haut roch nach Zitrusöl, Bergamotte und Waldkräutern. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, erinnerte er sich daran, dass seine Ohren nicht verdeckt waren.

    „Stopp! Nicht!“ Er wich zurück und bedeckte seine Ohren, diesen verhassten Makel, hastig mit beiden Handflächen.

    „Was hast du?“ Phillipe ging um das Bügelbrett herum und musterte ihn, seine Augen voller Sorge. „Bin ich dir zu stürmisch?“

    „Es sind meine Ohren“, jammerte Lafayett. „Die stehen ungleichmäßig vom Kopf ab. Ich habe mein Haar lang wachsen lassen, damit man es nicht mehr sieht.“

    „Zeig her!“ Er packte Lafayetts Hände und drückte sie auseinander. Nach einem kurzen Moment bestätigte er dann den Defekt, die Unvollkommenheit, die Abnormalität, die bis dahin sein halbes Leben bestimmt hatte.

    „Ja. Ich sehe es auch“, flüsterte Phillipe. Er hatte es immer gewusst, aber es mit der Stimme seines Liebsten zu hören, fühlte sich an, als würde er in Treibsand versinken und langsam die Fähigkeit zu atmen verlieren.

    „Es tut mir leid. Ich kann daran nichts ändern“, stammelte Lafayett und schaute weg, nicht länger fähig, den hingebungsvollen Blick des Jägers zu erwidern.

    „Blondie, das stört mich kein Bisschen. Du bist eine Neuneinhalb von zehn, absolute Perfektion.“

    Der große Mann mit seinen breiten Schultern hielt seine Hände fest, beugte sich zu ihm herunter und ihre Lippen fanden einander zum allerersten Mal. Ein wohliger Schauer ging durch Lafayetts Körper. Als sich Philippe schließlich von ihm losriss, trafen sich ihre Blicke erneut, und zwischen ihnen schwebte das stille Einverständnis, dass sie beide mehr wollten.

    „Ich liebe dich“ sprach Lafayett. Sein Herz machte einen Sprung, weil er sich nun absolut sicher war, dass es stimmte.

    „Ich dich auch“, bestätigte Phillipe. „Wirst du heute noch irgendwo erwartet?“

    Lafayett schaute neugierig zu ihm auf. „Was wäre denn, wenn nicht?“

    Sein Partner machte einen Schritt auf ihn zu, legte ihm die Hand auf die Brust und schubste ihn mit einem Schnippen seines Handgelenks rückwärts in einen der Wäschehaufen. Der hochgewachsene Kerl aus Paris zog sein Hemd aus, warf es achtlos zur Seite und schaute lasziv auf ihn herab.

    „Es erscheint mir, als hätte ich vertragliche Verpflichtungen, denen ich nachkommen sollte.“ Er grinste beim Sprechen mit einem amüsierten Funkeln in seinen Bernsteinaugen.

    Laffayet setzte sich auf und stützte sein Kinn nachdenklich auf den Ballen seiner rechten Hand. „Ich bin ein wenig nervös“, gestand er.

    „Ich bin ganz zärtlich, versprochen!“

    Lafayett schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme. „Wer sagt, dass ich unten liegen will?“

    Phillipe ließ sich vor ihm auf den Boden nieder. „Zieh das aus!“, säuselte er und zerrte dabei mit jedem Wort verspielt an Lafayetts Gürtelschnalle. „Das woran du denkst, sind nicht die einzigen Optionen. Vertrau mir! Ich mache dir eine schöne Zeit.“

    Ein wenig später lag Lafayett auf dem Rücken und starrte verliebt auf seinen Gefährten herunter, während dieser seinen Nacken und sein Schlüsselbein mit Küssen liebkoste. Gänsehaut kroch seine Arme entlang. Phillipe arbeitete sich langsam nach unten vor. Lafayett versuchte sich aufzurichten, aber sein Jäger legte ihm eine Hand auf den Bauch und die andere auf den Oberschenkel, sodass er allein durch das Gewicht des muskulösen Oberkörpers fest auf den Boden gepinnt wurde.

    Es erschien ihm richtig und falsch zur selben Zeit. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Am liebsten hätte er einfach seinen Rücken durchgestreckt und bedingungslos genossen, was mit ihm passierte, aber er konnte nicht ertragen, dass sein Partner ihn für passiv oder unentschlossen hielt. Er war schließlich kein Mädchen. Er streichelte mit seinen Fingern über Phillipes Kopf und griff dann energisch in das kurze, dunkle Haar. Er versuchte ein anderes Tempo zu erzwingen, ein Schnelleres. Seine Fingernägel bohrten sich in die Kopfhaut unter den weichen Strähnen, bis Phillipe nach einer Weile stoppte. Er atmete schnell und verengte vorwurfsvoll die Augen.

    „Hey! Hör auf mich zu kratzen! Und lass mich ab und zu mal Luft holen, meine Güte!“

    „Tut mir leid.“ Er griff Phillipes Wangen, zog ihn zu sich zurück und küsste ihn entschuldigend auf die Lippen, um sicher zu gehen, dass er den Moment nicht verdorben hatte. Er hatte es nicht. Fehler machen zu dürfen war das Erotischste, was er sich vorstellen konnte. Die Freiheit, sich selbst kennenzulernen und auszuprobieren, was ihm gefiel. Um alles bitten zu können und dem älteren Mann jede noch so dumme Frage stellen zu können, die ihm durch den Kopf ging. Es war großartig.

    Es wurde dunkler und die Abendröte überflutete die Welt. Die Geräusche der Stadt wurden immer leiser. Der Staub in dem Zimmer hatte sich gelegt und die beiden lagen noch immer nebeneinander in ihrem provisorischen Bett. Phillipe hatte sich auf den Bauch gerollt, um die Kratzer auf seinem Rücken zu schonen, die Lafayetts Fingernägel dort hinterlassen hatten, während dieser auf der Seite lag und sich an seinen Oberarm klammerte. Beide waren wach, hatten sich aber bislang nicht gerührt, weil sie überzeugt waren, der jeweils andere würde noch schlafen.

    Phillipe stupste schließlich mit der Fingerspitze gegen Lafayetts Nase, der seine Stirn kräuselte und anfing sich zu strecken.

    „Monsieur Lurad, ich muss Ihnen sagen, dass Ihr sexueller Appetit wirklich unangemessen groß ist für einen Mann ihrer Statur“ ,scherzte er.

    Lafayett wischte sich die Augen und gähnte. „Also wirklich!? Ich möchte Sie wissen lassen, Monsieur Dupont, dass alle jungen Männer in diesem Haushalt gute, enthaltsame Christen waren, ehe Sie Ihre unschuldigen Seelen verführt haben mit Ihren steinharten Bauchmuskeln und Ihrer ausdauernden Zunge.“ Er ließ sich wieder neben seinem Liebsten nieder und küsste ihn, diesmal mit mehr Feingefühl, wie jemand, der wusste, was er tat. „Du kannst nicht bleiben, oder?“ fragte er schüchtern.

    „Sei nicht so pessimistisch, Blondie. Sicher kann ich. Meine Eltern denken, ich lasse für einen neuen Zylinder Maß nehmen.“

    „Aber?“

    „Ich habe meinen hübschen Kopf schon vor zwei Wochen ausmessen lassen und dem Hutmacher gesagt, dass die Bestellung keine Eile hat. Damit ich Zeit mit dir verbringen kann, wenn es sich ergibt.“

    „Du planst lange voraus.“ Lafayett richtete sich auf. Sein Mund war trocken, aber wenn er runter in die Küche wollte, um sich Wasser zu holen, musste er sich erst anziehen. Phillipe stand zuerst auf und bot ihm seinen Arm an, um ihm auf die Beine zu helfen.

    „Ich sagte ja ich war schon einmal mit jemandem zusammen, Blondie. Man wird mit der Zeit ein guter Lügner, und irgendwann sind dein wahres Ich und der Teil, den du anderen Leuten zeigst, einander so fremd, dass du selbst nicht mehr weißt, wer du bist.“

    Es dauerte einige Minuten, ihre verstreute Kleidung wiederzufinden. Lafayett hätte ihm gerne Abendessen angeboten, aber es wäre zu schwierig gewesen, seiner Mutter den spontanen Gast zu erklären. Er führte ihn in sein Zimmer und zog eine Strickleiter unter dem Bett heraus.

    „Ich kann auch planen, siehst du?“

    Phillipe nickte anerkennend und beobachtete, wie er die Leiter am Fensterbrett einhackte und prüfte, dass sie festsaß. „Ich fange an zu glauben, dass diese Sache funktionieren könnte.“

    „Natürlich wird es das. Seih vorsichtig, damit dich unten niemand sieht, in Ordnung?“

    „Warte noch!“ Phillipe nahm seine Hand, drehte sie sachte mit der Handfläche nach oben und platzierte einen imaginären Gegenstand darin.

    Lafayett legte den Kopf schief. „Nichts für ungut, aber ich hätte von jemandem von deinem Stand… substanziellere Geschenke erwartet.

    „Es ist zu unhandlich, um es dir direkt zu geben. Ich habe Tourbillion gekauft. Er steht auf der Koppel hinter der alten Mühle. Du kannst ihn jederzeit dort abholen, wenn du ausreiten willst. Mein Stallbursche weiß Bescheid.“

    Lafayett ließ sich vorwärtsfallen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine Arme um Philippes Hals zu schlingen. Er unterdrückte eine Freudenträhne. „Das hättest du nicht machen sollen!“

    „Ich mache von jetzt an, was ich will. Und ich will, dass du den Hengst hast, den du auf dem Polofeld geritten bist. Ihr beide gehört zusammen.“

    „Ich habe auch was für dich.“ Phillipe schaute verblüfft und beobachtete ihn, während er zwei lockere Bodendielen zwischen seinem Schreibtisch und dem Bett ausmachte. Lafayett zog die Bretter beiseite und enthüllte einen Hohlraum unter dem Fußboden, in welchem zwei Leinensäcke verstaut waren. Er packte sie beide und drückte sie gegen Phillipes Brust.

    „Weißt du noch, wie du erwähnt hast, dein Freund hätte dir aus der Anstalt keine Briefe geschickt? Das war nicht wahr. Die Krankenschwestern haben sie in einem Archiv gelagert und niemals abgeschickt.“

    „Ich erinnere mich. Aber ich erinnere mich nicht, dir jemals seinen Namen gesagt zu haben.“

    „Das war nicht nötig. Ich habe alle Briefe geklaut. Such einfach in den Säcken, bis du seine gefunden hast, und verbrenn den Rest. Es wäre mir, ehrlich gesagt, sogar ganz lieb, wenn du die Beweise loswerden würdest.“

    Phillipe schloss eine Arme eng um die beiden Säcke mit Briefen, als wären sie das Kostbarste, was er jemals in den Händen gehalten hatte.

    „Du bist verrückt!“

    Lafayett sah ihn an und zuckte mit den Schultern. „Ich bin verliebt, das ist fast dasselbe.“

    Ein letzter flüchtiger Kuss. Dann beobachtete er, wie Phillipe die Säcke ins Gras fallen ließ und dann anmutig die Leiter hinabkletterte und zwischen den Bäumen im Vorgarten verschwand. Sobald er außer Sicht war, drifteten seine Gedanken wie ein Schiff ohne Anker. Er musste jetzt erklären, warum er mit dem Bügeln nicht vorangekommen war. Eventuell war es doch besser, ein ernsthaftes Stellengesuch an die Agentur zu schicken und den Rest des Herbstes zu genießen. Er zog die Strickleiter zurück, verstaute sie unter dem Bett und schloss lächelnd das Fenster.

    Kirisha a, Rainbow bow LittleOwlbear tleOwlbear

    Ich war heute Morgen wegen der Frühschicht unter Zeitdruck und bin nicht richtig auf eure Kommentare eingegangen. Ich arbeite jeden Abend ca. eine Stunde an dem Dokument, editiere und schreibe ein paar Absätze weiter. Ich wollte euch nur wissen lassen wie wertvoll euer Input für mich ist. Ich kenne als Autorin alle Motivationen, Hintergründe Plot-Twists ect. und würde alleine schlichtweg nicht merken, wenn eine Stelle unklar oder sonst irgendwie schlecht beschrieben ist.

    Ich muss mir für die Rechtschreibung was einfallen lassen. Ich benutze 2 gratis Programme die viel abdecken, aber die erwischen leider falsch geschriebene Wörter auch nicht, wenn sie wie andere korrekte Wörter geschrieben sind. Und irgendwie machen die meine wörtliche Rede schlimmer… Es ärgert mich auch wenn ich später einen offensichtlichen Fehler sehen der die Lese-Erfahrung vermutlich stark verschlechtert hat. Das Manuskript geht am Ende zu einem professionellen Editor, damit ich ruhig schlafen kann und die Aussicht auf Veröffentlichung mich nicht komplett wahnsinnig macht - .-

    Zwischenfrage: Wer denkt ihr hat Raphael gekillt?

    Danke Kirisha , Rainbow und LittleOwlbear . Ich bin ab Dienstag eventuell wegen einem kaputten Zahn außer Gefecht je nachdem was das Röntgenbild sagt. Ich abreite dann nochmal an der Liebeserklärung und schreibe es so um das sie sich im Schrank verstecken, statt hinter der Tür. Das ist ein bisschen Klitsche, aber wohl aus gutem Grund. Entschuldigt die Länge von dem nächsten Teil. Ich habe keine gute Stelle zum Aufteilen gefunden.

    ---

    „Junger Herr? Können Sie aufstehen? “ Der Arm, der an ihm rüttelte, trug einen dunkelblauen Ärmel mit goldenen Knöpfen. Als er die Farbe sah, raste sein Herz erneut, ehe er erkannte, dass es ein Polizist war. Er drückte sich hoch und setzte sich auf. Schwindlig und kalt bis auf die Knochen betrachtete er den zerstörten Esstisch. Die Leiche schien schon abtransportiert worden zu sein. Wie lange hatte man ihn schlafen lassen?

    „Seih vorsichtig! Der Arzt ist gleich hier.“ Precilla eilte an seine Seite und versuchte, ihn zu stützen. Aber Lafayett wollte nicht ruhen. Nichts jetzt. Er schob seine Schwester von sich weg und wandte sich dem Polizeibeamten zu.

    „Es war Selbstverteidigung.“ Erklärte er hastig. „Er hat versucht, mich im Schlaf zu töten, aber meine Schwester hat mich…“

    Er stoppte. Er erinnerte sich wieder an seine Mutter und den abgebrochenen Türknauf an ihrem Zimmer. Die Treppenstufen knirschten, als er sie mit wenigen hohen Sprüngen überwand. Er seufzte erleichtert, als er oben ankam. Die Tür war zwar eingebrochen, aber das große Fenster über dem Bett war offen und ein improvisiertes Seil aus Bettlacken baumelte von der Fensterbank. Sie hatte sich selbst befreit, während er bewusstlos war.

    „Mama!?“ Rief er, als er ein Wimmern hinter sich hörte. Er drehte sich um. Die Tür zu Madame Perrins Zimmer stand offen. Mehrere uniformierte Ordnungshüter versperrten ihm die Sicht.

    „Darf ich bitte?“ Er schob sich an ihnen vorbei und wünschte für den Rest seines Lebens, dass er es nicht getan hätte. Für die ersten paar Sekunden war er sich nicht einmal bewusst, dass er auf Perrins Leichnam schaute. Ein Mensch bestand aus einem Torso, einem Kopf, Armen und Beinen, aber alles, was von der alten Haushälterin übrigblieb, war Blut, Knochen und Organe, wild im Raum verstreut, als hätte ein Tier sie zerrissen. Er hörte einen grellen, langgezogenen Schrei und merkte erst nach und nach, dass der schreckliche Klagelaut von ihm selbst kam.

    Seine Mutter hockte am Boden und weinte bitter, während Monsieur Mellrie ihre Hand hielt. Der alte Mann erwiderte kurz Lafayetts Blick, ehe er den Kopf senkte und den Raum verließ und die Familie mit dem Schock alleine ließ. „Tut mir so leid.“ Flüsterte er noch auf dem Weg nach draußen.

    Als der rüstige Pensionär außer Sicht war, packte Lafayett sich einen Polizisten am Kragen und schüttelte ihn. Die Kollegen des Mannes legten sofort die Hände drohend über ihre Schlagstöcke.

    „Wie ist das passiert!?“, schrie er dem Mann ins Gesicht. „Ich habe ihn getötet! Ich habe gesehen, wie er gestorben ist!“

    „Wie wer gestorben ist, Herr Lurand?“

    Nutzloses Pack! Dachte er sich, sprach es aber nicht aus. Er ließ los, ehe sich jemand berechtigt fühlte, Gewalt anzuwenden, und deutete über das zerstörte Geländer auf die blutigen Trümmer in der Küche.

    „Der Einbrecher! Wir haben gekämpft. Ich habe ihm mein Rapier in die Kehle gerammt. Sehen Sie das Blut nicht?“

    „Wir haben die Blutlache notiert, aber Sie waren die einzige Person in der Küche, als wir eingetroffen sind. Könnte es sein, dass Sie den Eindringling nur verwundet haben?“

    Er rief widerwillig das Bild von jenem Moment wach, in dem er den verheerenden Stich gesetzt hatte. Er war sich ganz sicher, dass niemand das überleben konnte. Seine Augen brannten. Er wollte sich zusammenkauern und weinen, aber das durfte er nicht.

    „Ich habe ihn getötet!“, schrie er die Beamten aus vollem Hals an, die tatsächlich ein wenig vor ihm zurückschreckten. Er schlug seine Faust gegen den Türrahmen und das Holz zerkratzte ihm die Knöchel. Plötzlich riss ihn eine vertraute Stimme aus seiner Trance.

    „Blondie? Geht es dir gut?“. Phillipe stand am oberen Ende der Treppe.

    Er wollte stark sein. Männer durften nicht weinen. Wer war sonst übrig, um den Frauen Halt zu geben? Ein überwältigendes Gefühl von Hilflosigkeit überkam ihn. Er hatte von Anfang an versagt, aber Madame Perrin war nicht mehr hier, um zu behaupten, es wäre nicht so. Ihr Verlust trieb ihn über den Rand einer Klippe und er hatte nichts, um den Fall zu bremsen.

    Phillipe sah ihn an und breitete etwas zögerlich seine muskulösen Arme aus. Er hatte sein Hemd verkehrtherum angezogen, und man konnte deutlich sehen, dass die Nähte nach außen zeigten. Das kurze braune Haar war noch platt gedrückt von dem friedlichen Schlaf, aus dem ihn der Aufruhr geweckt hatte und sein Atem ging schnell. Er musste den ganzen Weg gerannt sein. Seine hellbraunen Augen, mit dem konstanten Feuer darin sprachen wortlos zu ihm, ein Versprechen: Bei mir darfst du sein, wer du wirklich bist.

    Er kam zu ihm und legte seine Stirn an die breite Schulter. Phillipes Arme schlossen sich sanft um ihn und seine Hände strichen rhythmisch über seinen Rücken. Lafayett, weinte laut, schluchzte und ließ seinem Kummer endlich frei.

    „Ich konnte sie nicht retten“, wimmerte er kaum hörbar, mehr zu sich selbst als zu Phillipe, aber sein Freund hörte ihm besser zu, als ihm lieb war.

    „Wen? Es tut mir leid. Ich bin gekommen so schnell ich konnte.“

    „Madam Perrin. Sie ist unsere Haushälterin. Sie hat Mama geholfen, uns aufzuziehen, nachdem Vater gestorben ist. Sie war wie eine Großmutter für mich.“

    Während er weitersprach, kam ihr Name ihm Stück für Stück einfacher über die Lippen und er stotterte ein bisschen weniger, bis alles, was er von sich gab, Geschichten über die alte Dame waren, an die er sich noch erinnerte.

    Er erzählte davon, wie sie ihm im Museum das Bild mit dem eingeschlossenen Grashüpfer gezeigt hatte, den Tag, an dem sie ihn ohne Abendessen ins Bett geschickt hatte, weil er einen Bettler geärgert hatte, und wie sie ihm damals Schreiben beigebracht hatte, indem sie ihm erklärte, ein großes `B` sehe wie der Vorbau einer Bardame aus. Es fühlte sich an, als könne er sie noch etwas länger bei sich behalten und als könne der wichtigste Mann in seinem Leben sie trotz allem noch kennenlernen. Aber die wirkliche Welt holte ihn unweigerlich wieder ein.

    Die Haustür öffnete sich. Es war Doktor Renee. Der ergraute Mediziner hing seinen Hut an den Kleiderhacken und trat ein. Das Gewicht seines Arztkoffers verlieh seinem Gang ein unregelmäßiges Humpeln.

    Er schüttelte einem der Polizisten die Hand. „Guten Abend, Wachtmeister. Wie geht es Ihrem Vater?“ Der Polizist lächelte schüchtern und erwiderte den Handschlag. „Seid Sie den verdammten Zahn gezogen haben, ist er nicht mehr zu bremsen. Er ist wieder ganz er selbst.“

    „Freut mich, dass ich helfen konnte.“

    Renee nickte und sah sich um. Phillipe gab Lafayett einen leichten Schubs, um ihn darauf hinzuweisen, dass er loslassen musste. „Der Arzt ist da“, flüsterte er sanft. „Wenn du irgendwo Schmerzen hast, dann sag es ihm. Sei nicht tapfer, wenn es nicht nötig ist.“

    Renee schleppte sich und sein Gepäck die Treppe hinauf. Lafayett kam ihm entgegen und streckte seine Hand nach dem Griff des Koffers aus. „Darf ich Ihnen das abnehmen?“

    Sein Gast nickte, aber sobald sich das Gewicht auf Lafayett verlagerte, spürte er einen Stich in seiner Schulter, genau dort, wo die alte Sportverletzung war. Die Schulter meldete sich wieder, vermutlich wegen des Sturzes in der Küche. Er bis die Zähne zusammen und folgte dem Arzt, als er an den Beamten vorbeiging, um die Frauen zu begrüßen.

    „Madame Lurad.“ Renee wartete, bis Aurelie aufstand, und verneigte sich huldvoll vor ihr.

    „Vielen Dank, dass Sie so schnell hier waren, Doktor. Mir fehlt nichts, aber Pricilla hört nicht auf zu Zittern und Lafayett war bis eben bewusstlos.“ Sie zeigte auf ihren Sohn, aber dieser winkte ab und deutete stattdessen auf seine Schwester, die blass und zitternd neben ihm stand. Der dreckige Kragen ihres Nachthemdes war nass von ihren Tränen, und ihr Blick erschien so glasig, als wäre sie Meilen entfernt.

    Doktor Renee machte seinen Rücken gerade und schaute von einem zum anderen. „Es ist lieblich an zu sehen, wie Sie allen anderen Familienmitgliedern den Vorrang lassen wollen, aber hin und wieder ist ein wenig Selbstsucht notwendig, um gesund zu werden.“

    „Fangen sie mit Lafayett an“, beharrte Aurelie, während Phillipe ein Stück entfernt von ihnen im Flur stehen blieb und so tat, als würde er sich die Schäden am Haus ansehen, bemüht, nicht im Weg zu stehen, aber gleichzeitig unwillig zu gehen.

    „Folgen Sie meinem Finger.“ Der Doktor bewegte den Zeigefinger vor Lafayetts Gesicht hin und her und beobachtete die Bewegung seiner blauen Augen.

    „Gut. Sagen Sie mir, wenn etwas weh tut.“ Er packte ihn am Kinn, drehte seinen Kopf und spannte seinen Nacken soweit, wie es ging. Lafayett ließ die Prozedur über sich ergehen. Es war unangenehm, aber nicht schmerzhaft, und selbst wenn. Er hätte nichts getan oder gesagt, dass die Behandlung seiner Schwester hinausgezögert hätte.

    „Was genau ist denn passiert?“, fragte der Arzt und musterte ihn aufmerksam, während er sein Stethoskop an Lafayetts Brust legte. Lafayett erstarrte vor Schreck, als er das kalte Instrument auf seiner Haut spürte.

    „Jemand war im Haus. Pricilla und ich haben uns hinter der Tür versteckt. Ich habe Kissen unter meine Decke gelegt, weil ich dachte, dass er nichts stehlen würde, wenn er Angst haben muss, entdeckt zu werden, aber…“

    „Aber?“ Der respektierte Arzt schaute ihn vorwurfsvoll an. Zuerst war ihm nicht klar, warum, aber dann fiel ihm ein, wie viel Wein er getrunken hatte. Er bedeckte seinen Mund mit seiner Hand. Er konnte es sicher an seinem Atem riechen.

    „Er hat mit einem Dolch auf mein Bett eingestochen“, fuhr er fort. „Es war ein großer Mann in einem dunkelblauen Kapuzenumhang. Wir haben gekämpft, aber er hat sich vor meinen Augen in Nebel verwandelt und ist ausgewichen.“

    „In Nebel verwandelt? So…so…“

    Phillipe verengte die Augen zu kleinen Schlitzen, und sein Blick schien sich durch den Mediziner hindurchbrennen zu wollen wie ein Laser.

    „Und wie ist die Blutlache in der Küche entstanden?“ Renee deutete mit dem Stethoskop nach unten. Der dunkelrote Fleck war an den Rändern schon getrocknet und hatte begonnen, ins Holz zu sickern. Es war unwahrscheinlich, dass die Spuren des Kampfes jemals ganz verschwinden würden.

    „Ich habe ihn getötet“, wiederholte Lafayett fest. „Ich habe es geschafft, ihm mein Rapier in den Hals zu rammen. Es kam im Nacken wieder raus.“

    Einer der Polizisten machte Notizen auf einem Block. Phillipe trat näher und versuchte einen Blick darauf zu erhaschen, wurde aber mit einem: „Verzeihung!?“ Wieder weggescheucht. Doktor Renee richtete den Kragen seines Kittels gerade und trat näher zu Lafayett um leiser sprechen zu können.

    „Sie werden für eine Weile blaue Flecken und vielleicht Gelenkschmerzen haben, ansonsten scheint alles in Ordnung zu sein. Ich verschreibe Ihrer Mutter und Ihrer Schwester Opium-Tropfen, um mit dem Schock zu helfen. Eventuell schaden Ihnen ein paar davon auch nicht. Sie helfen, ein zu schlafen.“

    Lafayett nickte nur geistesabwesend, während er zuhörte.

    „Wissen sie?“ Sprach Renee weiter. „Die menschliche Psyche versucht in solchen Situationen oft die Kontrolle zurückzugewinnen, indem sie eine konkrete Ursache oder einen Schuldigen manifestiert. Meiner Meinung nach war es nur ein Dieb auf der Suche nach Wertgegenständen. Vermutlich wurde er von ihrer Haushälterin überrascht, und die Wunde, die sie ihm zugefügt haben, war weniger tief als sie denken.“

    „Nein! Lafayett schüttelte den Kopf. „Ich habe klar und deutlich gesehen, dass er auf mein Bett eingestochen hat. Das war kein gewöhnlicher Einbrecher, sondern ein Attentäter!“

    „Viele Menschen verstecken ihr Erspartes unter Matratzen, nicht wahr? Sie waren in Panik und unter Alkoholeinfluss. Sie wollen vielleicht, dass es ein Attentäter war, damit der Verlust ihrer Freundin ihnen weniger sinnlos vorkommt, aber das hilft weder den Ermittlungen noch ihrem Heilungsprozess.“

    Ein tiefes, entnervtes Brummen war zu hören. Phillipe schob einen der Beamten aus dem Weg und baute sich drohend vor dem alten Doktor auf.

    „Er hatte vielleicht zweieinhalb Gläser Wein! Und selbst wenn nicht: „Niemand ist so betrunken oder verängstigt, dass er nicht merkt, wenn jemand versucht ihn zu töten!“

    Renee trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor seiner schmalen Brust.

    „Ich befürchte, wir wurden uns noch nicht vorgestellt? Habe ich sie nicht beim letzten Seminar gesehen?“ Er ließ eine lange, hörbare Pause.

    „Das kann nicht sein. Ich bin kein Arzt“, gestand Phillipe blieb aber schützend vor Lafayett stehen.

    „Oh, keine Sorge. Niemand würde sie mit einem verwechseln“, schnaufte der alte Mann mit dem Koffer. Er hatte sein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht und jeder Familie mindestens einmal in der Stunde größter Not geholfen. Er konnte sich anhand seines Rufes erlauben, eine große Klappe zu haben. Mit einem Bleistift und einem Block mit Rezeptvorlagen füllte er ein Rezept für Opium aus.

    „Wir können natürlich noch den Gärtner nach seiner Meinung fragen.“ Er nahm das ausgefüllte Rezept und streckte sich um Phillipe herum, um es Lafayett zu reichen, welcher zögerlich die Finger danach ausstreckte. Die Möglichkeit, einfach in einen tiefen, friedlichen Schlaf zu fallen und die nächsten paar Stunden Kummer einfach überspringen zu können, war so verlockend. Es erschien ihm, wie alles was er brauchte. Phillipe drückte Laffayetts Hand jedoch energisch nach unten. Weg von dem Papier.

    „Was machst du da!? Er glaubt dir nicht! Hol eine zweite Meinung ein.“

    Alle Augen richteten sich plötzlich auf Phillipe, aber er blieb standhaft.

    Lafayetts Stimme war noch immer schwach, aber er zog seine Finger von dem Opium Rezept weg, als er sprach. „Er hat Recht. Ich bin mir sicher, dass ich gezielt angegriffen worden bin und will, dass es so im Bericht festgehalten wird.“ Der Polizist, welcher seine Aussagen mitschrieb, zögerte und sah hilfesuchend zu Renee, aber Phillipe ging sofort dazwischen. „Sie haben ihn gehört!“, blaffte er.

    Der Arzt hob nur resignierend die Hände und blieb danach nicht mehr lange. Die Polizisten sicherten, was auch immer sie an Beweisen finden konnten, und kümmerten sich darum, Madame Perrins verbliebene Verwandte zu informieren. Aurelie entschied, dass es besser war, den Schauplatz des Verbrechens ebenfalls für eine Weile zu verlassen. „Packt eure Sachen!“, wies sie ihre Kinder an. „Wir werden ein paar Tage bei eurem Onkel unterkommen.“

    Phillipe wandte sich zum Gehen um. Lafayett sah ihm nach, bis er die Tür hinter sich schloss. Er hätte ihn gerne aufgehalten, aber er fand keinen Vorwand dafür. Sie waren schließlich nur Freunde und seine trauernde Familie brauchte ihn jetzt.

    Zitat

    Aber diese Ansage von Philippe (dass er sowas nicht nochmal durchsteht) hat mir sofort eingeleuchtet und ich denke Lafayett hat da keine wirkliche Wahl wenn er echte Gefühle hat. Da hängt eine Tragik über den beiden - ich interpretiere es halt so dass sie eigentlich beide gern zusammen sein wollen aber beide einsehen dass es aus gesellschaftlichen Gründen unmöglich ist bzw. der Preis zu hoch wäre.

    Phillipe weiß wie es laufen würde, weil er schonmal erwischt worden ist. Lafayett ist in der Hinsicht aber eher naiv und versteht nicht so richtig wie tief Phillips Narben sind. Seine Arroganz spielt da auch ein bisschen mit rein. Warum sollte -ihm- irgendjemand was Böses wollen? Warum sollte -er- nicht einfach machen können was er will?

    Zitat

    Sehr spannend. Lafayett schlägt sich sehr gut. Wer ist dieser Kerl der Lafayett töten wollte? Die Vampire hatten doch gesagt dass sie es erstmal aufschieben? Ich bin sehr gespannt.

    Jop. Jemand hat gelogen. :whistling:

    Zitat

    Er würde nicht folgen ... wer würde wohin nicht folgen? Lafayett ins Zimmer? Der Einbrecher würde Lafayett nicht folgen? Aber Lafayett steht ja noch da und rennt nicht. Der Satz bringt mich ins Grübeln und reißt mich aus dem Fluss. Vielleicht kannst du es deutlicher schreiben.

    Das bezieht sich daraus das Lafayett ihn gerne raus auf die Straße gelockt hätte wo es (wie er annimmt) für einen Mord zu viele Zeugen geben würde. Ich schaue es mir morgen nochmal an. Da kann man sicher etwas machen. Es war mir nur wichtig das er nicht wie ein grober Klotz kämpft, sondern die Umgebung zu seinem Vorteil nutzt wo auch immer er kann.

    Zu der Rechtschreibung habe ich nicht viel zu sagen. Du hast natürlich Recht. Ich muss besser checken.

    Vielen Dank nochmal. ^^

    Kirisha

    Zitat

    Entschuldige dich doch nicht ... es gibt hier auch Leser die gerne sowas lesen.

    Ich wundere mich nur ein bisschen. Ich war überzeug das die Romanze halt „gut genug“ ist. Wenn Lafayett nichts zu verlieren hätte, wäre es kein gutes Drama. Aber eigentlich macht mir das Schreiben über den intriganten, persönlichen, politischen Horror, der von einer Gesellschaft von Vampiren ausgehen würde viel mehr Spaß. *schulterzuck* Ist aber schön zu hören dass das was ich für die Schwäche in der Geschichte gehalten habe wohl doch lesenswert ist.

    Zitat

    Wie können die Augen weit aufgerissen (schockiert/erregt) und die Augenbrauen gleichzeitig entspannt sein? Funktioniert für mich nicht so richtig.

    Und hier würde ich alles in den Konjunktiv setzen: "Was wäre dein Plan gewesen, wenn ich nicht schwul gewesen wäre?"

    Ja. Funktioniert so wahrscheinlich besser. Sorry die Schreibfehler sind passiert, weil ich nach der Rechtschreibprüfung noch was verändert habe und zu faul war sie nochmal durchlaufen zu lassen. Ich passe besser auf.

    LittleOwlbear

    Zitat

    Ich finde, dass dieser Teil etwas zu viel ist, ein bisschen "kitschig" vielleicht, aber allgemein finde ich die Szene, vor allem den Dialog der beiden, wunderbar gelungen und berührend.

    Die Story hat als „Vampire die Maskerade“ Fan-Fiction angefangen und da ist Kanon das Vampire keine anderen Flüssigkeiten im Körper haben als Blut. Daher die blutigen Tränen. Ich finde das ist ein tolles Detail, aber ich brauche das nicht unbedingt für den Plot. Eventuell trenne ich mich ganz davon damit nicht jede Szene in welcher ein Vampir weint übermäßig dramatisch rüber kommt. Mal sehen.

    Zitat

    Hab auch gesehen, dass du hier wieder beim Namen zwischen Jessika und Jessica wechselst. Weiß nicht, was davon die französische Variante ist? Ich glaube mit c ist die Amerikanische.

    Jessica mit „C“ wäre richtig glaube ich.

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    Ich will die beiden umarmen und du hast das Kapitel so toll beschrieben und es ist toll, dass Lafayette ihn hier nicht weiter bedrängt.

    Wenn man den Respekt vor jemandem verliert, nur weil er nicht einem zusammen sein will, dann war es kein Respekt. Ich habe auch eine große Vorliebe in Geschichten über einseitige Liebe, bei der die versetzte Person anschließend nicht zu einem eifersüchtigen Stalker wird. Ich mag das Konzept von Liebe die so wahrhaftig ist, dass „Du bist sicher und glücklich“ genug ist und die „Friendzone“ als die Form von Beziehung wertgeschätzt wird, die sie ist. Das ist natürlich hier noch nicht das letzte Wort dazu. :whistling:

    Vielen Dank. Ich weiß eure Hilfe sehr zu schätzen. Hier geht es weiter:

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    Lafayett überzeugte sich auf dem Heimweg selbst davon, dass ihm die Verabredung mit Phillipe nichts bedeutet hatte. Er hatte nur ein paar Wochen gebraucht, um sich zu verlieben, und er würde in ein paar Tagen darüber hinwegkommen. Der Wein würde zumindest ein bisschen helfen.

    Die Öllampen in den Straßenlaternen brannten schon, als er seine eigene Haustür erreichte. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn ihm unterwegs ein Suchtrupp entgegengekommen wäre. Seine Muskeln beklagten den langen Tag. Er wollte sich in sein Bett werfen und erst wiederaufwachen, wenn Flechten an ihm wuchsen, aber wenn er Lärm machte, konnte er einer langen Diskussion mit seiner Mutter nicht entgehen und würde sich wahrscheinlich eine Sperrstunde einhandeln, wie ein kleines Kind oder der Insasse in einem Gefängnis. Das würde so nicht gehen.

    Seine Solen knirschten im Rindenmulch, als er stattdessen den Weg durch den Garten einschlug. Die Küchentür quietschte zwar auch, aber Madame Perrin hatte erwähnt, dass sie Rapsöl besorgen wollte, um die Blattläuse an ihrer Bohnenkresse zu ersticken. Er fand die kleine Porzellan-Kanne unter der Schubkarre und ließ ein paar Tropfen auf die Türscharniere fallen. Er wartete, bis das Schmiermittel durch die Schicht aus Staub und Rost gesickert war, und drehte erst dann seinen Schlüssel. Ein gedämpftes Klicken hallte durch die Küche. Er lauschte, schien aber niemanden geweckt zu haben.

    Er stellte seine Stiefel am Rand der Fußmatte ab und übersprang alle Treppenstufen, von denen er wusste, dass sie locker saßen. Hoffentlich würde er niemals umziehen müssen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie andere Leute es schafften, sich an neue Räume zu gewöhnen. Als er merkte, dass er wieder an Phillipe gedacht hatte, fuhr er sich mit den Fingern durch das Gesicht, als könnte er diesen unwillkommenen Gedanken damit wegwischen.

    In seinem Zimmer angekommen, stellte er den Wein auf seinem Schreibtisch ab, ließ sich so, wie er war, auf seine Matratze fallen und versank in einen unruhigen Schlaf.

    In seinen Träumen war er ein Vogel. Ein ungewöhnlich kleines Rotkehlchen, das am Rand einer Wiese auf einem Eschenzweig saß. Er suchte sich eine hohe Stelle aus, an der er gut zu sehen war, und sang aus vollem Hals, um andere anzulocken, aber der Himmel und die Baumwipfel blieben stumm. Wolken zogen auf und bald zog das Regenwasser schwer an seinen durchgeweichten Flügeln.

    Etwas raschelte in den Blättern unter ihm. Vielleicht der Gefährte, nach dem er gesucht hatte? Er hüpfte auf einen tieferen Ast, um nachzusehen, aber aus den Schatten unter ihm sprang kein Rotkehlchen, sondern eine getigerte Katze. Die spitzen Zähne packten seinen Flügel, ehe er reagieren konnte, und zerrten ihn in die Tiefe.

    Er schreckte hoch und fühlte, dass in der echten Welt jemand an seinem Arm rüttelte. Pricilla trieb ihre Fingernägel in seinen Unterarm und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Sie trug nichts als ein Nachthemd und ihr blondes Haar stand zerzaust in alle Richtungen ab.

    „Wach auf! Es ist jemand im Haus.“ Flüsterte sie. Er blinzelte schlaftrunken und versuchte sich zu orientieren. Seine Tür stand offen, aber im Flur brannte keine Lampe. Die einzige Lichtquelle war eine weit entfernte Straßenlaterne, die durch das Fenster schien.

    „Steh auf!“ Flehte sie und schüttelte ihn so heftig, dass er glaubte, sie würde ihm den Arm ausreißen. Schwere Schritte hallten durch den Flur und sie näherten sich seinem Zimmer: Ein Einbrecher. Er sprang auf und rückte hastig seine Kissen und Decken zurecht, sodass es aussah, als würde er noch schlafen.

    Seine Hand schloss sich fest um Pricillas Handgelenk und zog sie mit. Es war zu spät, den Raum zu verlassen, aber seine Tür ging nach Innen auf. Vielleicht genügte das als Versteck. Dann beugte er sich vor und sah durch das Schlüsselloch. Für eine ganze Weile tat sich nichts und in ihm keimte die Hoffnung, der Eindringling wäre an ihnen vorbeigegangen.

    Eine vermummte Gestalt schob sich durch den Türrahmen. Er legte seine Hand sachte über Pricillas Mund, um sie Notfalls am Schrein zu hindern, und wich zurück, bis er die Wand in seinem Rücken fühlte.

    Der Fremde trug einen zerschlissenen Mantel aus dunkelblauer Wolle und eine Kapuze, die ihren Schatten über sein Gesicht warf. Dennoch konnte er die Augen sehen, rostrot und schimmernd wie jene einer Katze. Es lag eine unheimliche Bestimmtheit und Präzession in seinen Bewegungen; ein Mann auf einer Mission. Von Eile oder der Furcht, entdeckt zu werden, fehlte jede Spur.

    Die Gestalt schritt an seinen Regalen vorbei, betrachtete kurz die Bücher und Polotrophäen und streckte sogar eine Hand aus, um mit dem Zeigefinger über die Klinge von Lafayetts Übungsrapier zu streifen. Die Waffe hatte ihren Platz in einer Halterung über dem Schreibtisch, auf Augenhöhe für ihn und Schulterhöhe für den Eindringling. Dann wendete der Fremde langsam seinen Kopf zum Bett. Ein schattiger Dolch blitzte auf und die Klinge sauste nach unten, immer und immer wieder, so schnell, dass die Ränder der Waffe zu verschwimmen schienen. Zerfledderte Federn flogen umher. Der Mann in dem blauen Mantel zog mit einem Ruck die Daunendecke zurück und fixierte die durchlöcherte Matratze. Ein gedämpftes, frustriertes Brummen war zu vernehmen.

    Das Blut in Lafayetts Ohren rauschte wie ein Dampfkessel, und seine Beine drohten nachzugeben, als stünde er auf einer glatten Eisfläche. Seine Schwester, die nicht gesehen hatte, was sich hinter den weißen Brettern zutrug, drückte seine Hand von ihrem Gesicht weg und sah ihn verwirrt an. Sie bewegte ihre Lippen, ohne einen Laut zu machen. Was will er hier? Ohne darüber nachzudenken, zog er die Schultern hoch. Panik würde keinen von ihnen retten. Er musste ruhig bleiben und auch dafür sorgen, dass sie ruhig blieb.

    Er konzentrierte sich auf Dinge, die er sicher wusste. Die Polizeiwache auf der anderen Seite des Parks war zehn Minuten entfernt. Nein, zwölf! Sie mussten barfuß laufen. Aber Ihr Nachbar, Monsieur Mellrie hatte ein Gewehr. Die Reichweite seines Rapiers war größer als das alte Messer. Wenn es in dem engen Flur zu einem Kampf kam, konnte er vielleicht gewinnen. Sein Atem wurde langsamer. Er schaffte das, redete er sich ein.

    Durch das Schlüsselloch beobachtete er wie die Gestalt die Spitze ihre Waffe an der Wand entlang zog und auf dem Weg nach draußen die Tapete aufschlitzte.

    Er deutete Pricilla mit einer Geste noch zu warten. Sie durften nicht bemerkt werden, aber er brauchte auch noch genügend Zeit, den Eindringling abzufangen, ehe dieser die anderen beiden Frauen erreichte.

    „Jetzt“, flüsterte er und eilte, so schnell er konnte, zum Fenster. Precilla sah sein zerstörtes Bett und den langen Riss in der Wand, stellte aber keine Fragen, sondern griff seine Hand noch fester. Ihre Schlafzimmer befanden sich im zweiten Stock, einige Meter über dem Rasen im Vorgarten. „Du musst springen, Pricilla.“

    Sie sah ihn entgeistert an, ihr Gesicht so bleich wie der Mond.

    „Das ist viel zu hoch.“ Jammerte sie, während sie sich immer wieder vergewisserte, dass niemand im Türrahmen stand.

    „Ich helfe dir. Halte meine Hand.“ Er half ihr, über das Fensterbrett zu klettern, und ließ sie an seinem Arm herunterhängen, soweit er konnte. Das würde Ihren Fall zumindest etwas verkürzen. „Du musst deine Beine lockerlassen, dann passiert dir nichts. Der Boden ist weich. Lass dich einfach fallen, als wärst du ein Sack Kartoffeln.“

    Der Anblick ihrer vor Furch geweiteten blauen Augen brach ihm das Herz. Dieser räudige Hund würde dafür bezahlen, was er ihr angetan hatte.

    „Bereit?“ fragte er.

    Sie nickte, aber ihre verschwitzten Finger rutschten ohnehin bereits ab. Er konnte sie jetzt nicht wieder hochziehen.

    „Ja. Du kannst loslassen.“

    Für einen Moment erwartete er das Krachen eines gebrochenen Knochens, aber seine Schwester machte keinen Laut und rappelte sich stattdessen langsam auf. Er hasste es, sie so zerzaust und freizügig bekleidet in die Nacht hinauszuschicken, aber sie war jetzt in Sicherheit.

    „Lauf nicht zur Polizei! Das dauert zu lange. Weck zuerst Monsieur Mellrie auf. Ich verlasse mich auf dich.“

    Sie schaute für einen Moment zu ihm hoch, zitternd und mit Grasflecken auf ihren Beinen und Schultern. „Was ist mit dir?“

    „Ich hole Mama und Madame Perrin dann komme ich nach.“

    Er entfernte sich von dem offenen Fenster, nahm sein Rapier von der Wand und drehte die kleine Schraube an der Spitze heraus, die das Kreidestück festhielt und die Klinge sicher zum Üben machte.

    Er setzte wie ferngesteuert einen Schritt vor den anderen und trat nach draußen in den Flur. Die Tür zu Madame Perrins Nähzimmer stand offen. Hier hatte er zuerst nachgesehen. Der cremefarbene Teppich war mit schlammigen Fußabdrücken bedeckt, und als sein Blick der Spur folgte sah er den vermummten Fremden, der gerade seine Hand nach dem Türgriff zu Aurelies Zimmer ausstreckte. Lafayett atmete tief ein.

    „Hey! Glotzbock!“ Schrie er. Laut genug, um das ganze Haus zu wecken. Der Kopf der Gestalt drehte sich zu ihm, und als sich die schimmernden roten Augen auf ihn richteten, fühlten sich seine Füße plötzlich an, als wären sie aus Blei. Er zwang sich, einen Schritt rückwärts zu machen. Der Mann wollte sein Leben, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht konnte er ihn hinaus auf die Straße locken, wo es zu viele Zeugen gab.

    Die Stimme seiner Mutter ertönte hinter der Tür, verwirrt und erschrocken. „Lafayett!? Was soll das!?“

    „Geh von der Tür weg, Mama!“ Er setzte einen Fuß auf die erste Treppenstufe, um loszurennen, aber sein Gegner kam nicht näher, ganz im Gegenteil. Er fasste an den Türgriff und brach ihn scheinbar mühelos ab. Staub, abgeblätterte Bleifarbe und alte Nägel rieselten zu Boden. Aurelie konnte nicht mehr entkommen.

    Der Einbrecher zog seinen Dolch und deutete mit der Klinge auf das Zimmer, während seine Mutter vergebens an der Tür rüttelte. Er würde nicht folgen. Es war ein stilles Ultimatum. Kämpf oder ich töte sie.


    Lafayett nahm die Kampfhaltung ein, die er bei Roux gelernt hatte, und streckte sein Rapier noch vorne aus. Durch zusammengebissene Zähne fauchte er nur noch zwei Wörter als Antwort: „En garde!“

    Er machte einen Schritt vorwärts. Seine Muskeln erinnerten sich an die Bewegung und nicht nur an seine eigenen. Sein Gegner würde fast sicher zurückspringen, aber nicht weiter als nötig, damit er in Reichweite für einen Konter blieb. Er täuschte einen Stich an, hielt seinen Arm aber zurück und machte einen weiteren Schritt vor, um die Berechnung seines Feindes über den Haufen zu werfen. Er legte all seine Kraft in den Hieb. Er traf den Unterleib, aber die Klinge stieß nicht auf Widerstand. Von einem Wimpernschlag zum nächsten zerfiel die dunkle Gestalt in eine Wolke grauen Nebel und fügte sich am Ende des Flurs wieder zu einer humanoiden Form zusammen. Unversehrt.

    „Was für ein fauler Trick ist das!?“ Lafayett schnellte auf sein Ziel zu und machte sich bereit für den nächsten Stich. Diesmal drehte sich der Fremde zur Seite und drückte seinen Rücken an die Wand, um auszuweichen. Der alte, schattige Dolch schnellte vor für einen verheerenden Gegenangriff. Lafayett senkte seine eigene Klinge, um den Stich in seinen Bauch zu parieren. Er war gerade schnell genug dafür, aber die Wucht, mit der die beiden Klingen aufeinandertrafen, erschütterte ihn wie ein Erdbeben. Fast hätte er den Griff losgelassen. Sein Handgelenk begann zu pochen.

    Sein Gegner warf seine eigene Waffe von seiner rechten Hand in seine linke, aber seine Präzession ließ dabei nicht nach. Lafayett duckte sich. Der Dolch zischte so knapp über ihn hinweg, dass er den Lufthauch auf seiner Stirn spürte. Eine Reihe blitzschneller Angriffe trieb ihn rückwärts auf die Treppe zu. Er versuchte erneut die kürzere Klinge abzublocken, um nicht noch mehr Raum einzubüßen, aber jeder Versuch, sich mit der Kraft des Angreifers zu messen, trieb erneut einen stechenden Schmerz in seine Arme und Schultern. Er war nicht stark genug, nicht einmal annähernd.

    Als er es am wenigsten erwartete, winkelte die Gestalt ihren Fuß an und fegte mit einem Tritt seine Beine weg. Lafayett fiel und fühlte, wie das Treppengeländer unter ihm nachgab. Er stürzte auf den Esstisch und die Tischbeine zersprangen unter der Wucht des Aufpralls.

    Er bewegte seine Beine, voller Angst, sein Rückrad könnte gebrochen sein. Die Vorstellung, hilflos da zu liegen, bis dieses Monster entschied, dass es mit ihm fertig war, war schlimmer als der Tod. Aber seine Glieder gehorchtem ihm. Seine Gedanken drifteten ab und für eine Sekunde war er zurück im Wald unter der gespaltenen Eiche und sah hinauf in den klaren, blauen Himmel. Er blinzelte zweimal und zog Luft durch die Nase ein. Vielleicht wäre es besser, wenn der Aufprall ihn tatsächlich verkrüppelt hätte.

    Die Treppenstufe Knirschte. Es war die Dritte von oben. Lafayett blieb ausgestreckt auf dem zerstörten Esstisch liegen. Tränen rannen an seinen Wangen herunter. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Decke und schnappte hastig nach Luft. Das Rapier lag neben ihm auf den Bodenfliesen. Es war in Reichweite, aber er hielt seine Finger still.

    Sein Gegner schmunzelte. Er schritt gemütlich die Treppe hinunter und umrundete die Trümmer. Jeder Instinkt in Lafayett befahl ihm, aufzuspringen und zu flüchten, solange er es noch konnte, aber er setzte das Schauspiel fort. Der Einbrecher ging links an ihm vorbei. Lafayett wollte den Kopf drehen und ihn um jeden Preis in seinem Sichtfeld behalten, aber dann verspielte er vielleicht die einzige Chance, die er hatte. Eine Hand packte seinen Haaransatz und zog seinen Kopf nach hinten. Die Klinge berührte seinen Hals. Er konnte die Kälte spüren, die von dem Stahl ausging. Sein Gegner hatte sich über ihn gebeugt. Lafayetts tastete neben sich nach dem Griff seiner Waffe, schloss die Finger so feste um den Griff, dass das Weiß seiner Fingerknochen durch seine Haut schien, und stach zu.

    Das Rapier hatte sich in den Hals des Fremden gebohrt und war in dessen Nacken wieder ausgetreten. Die hasserfüllten, rostroten Augen waren weit aufgerissen und starrten auf ihn herunter. Dunkles, kaltes Blut tropfte an der Klinge herunter auf seine zitternden Hände. Langsam und vorsichtig schob er den Dolch von seiner Kehle weg und drehte sich zur Seite. Tödlich getroffen sackte die Gestalt in dem blauen Mantel auf dem zerbrochenen Tisch zusammen. Die dunkle Pfütze unter ihm wuchs. Lafayett fühlte, wie seine Kleidung sich vollzog, aber er war zu erschöpft, um aufzustehen. Er schloss kurz die Augen, aber aus dem kurzen Moment wurden, ohne dass er es wollte, mehrere Minuten.

    Zitat

    Der Part hat sich für mich gut lesen lassen, wenn mich auch ein ganz klitzekleines Bisschen stört, dass die Perspektive hier hin-und herschwenkt. Erst sind wir bei Mathis, dann nach seinem Todeskampf sind wir bei Jessika und Hector, um dann wieder in Mathis einzutauchen. Mir ist schon klar, dass das erzähltechnisch vielleicht nicht anders geht.

    Rainbow Ich hätte dem Leser einfach gerne bestätigt das der Zauberspruch auf dem Stein im Wald von Averndorn tatsächlich der real Deal ist. Außerdem bin ich Ketchup-Fan. :dead: Aber der plötzliche Perspektivenwechsel hat schon zwei andere Beta-Leser gestört und man kann halt auch nicht alles auf „Geschmacksache“ schieben.

    Ich kann es leider nicht später in einem Alptraum aufgreifen. Vampire schlafen bei mir kanonisch nicht. Deren Gehirne machen das ganze „Speichern und Sortieren“-Zeug das bei Menschen sonst im Schlaf passiert, während sie wach sind. Die haben deswegen, wenn sie seelisch angeschlagen sind manchmal fiese Halluzinationen. Eventuell geht es so, Mathis kennt den Spruch ja. Ich lasse mir etwas einfallen wie ich in seiner Perspektive bleiben kann. *tut es auf die Liste*

    Zitat

    das Erschaffen von Neuliegen

    Ich hoffe er liegt gut darauf :rofl:

    Ich das sollte "Neulinge" heißen. Findet die Rechtschreibprüfung natürlich nicht. Das ist inhaltlich nur eine kleine Stichelei. Hector ist ranghöher, aber Jessika hat ihn erschaffen und ist ein wenig älter. Ich weiß noch nicht ob ich das drin behalte. Jessika hat nicht viele Kapitel daher ist es wahrscheinlich unnötig das zu vertiefen. *schnipp, schnapp*

    Vielen Dank euch beiden. Ich trage es meine Notizen ein und bearbeite den Text um alles leserlicher zu machen. Im nächsten Teil teilt Lafayett Phillipe seine Gefühle mit… das muss drin sein, weil sonst der Plot nicht vorwärts geht. Ich hoffe es ist trotzdem unterhaltsam.

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    Lafayett betrat das Dupont-Anwesen und eine Briese angenehme, beheizte Luft kam ihm entgegen. Das Haus war noch zu neu für die typischen Zeichen von Leben. Keine Flecken an den Tapeten, keine durch Zigarettenrauch vergilbten Decken und keine liebgewonnenen Möbelstücke, die behalten werden mussten, obwohl sie nicht mehr zum Rest der Einrichtung passten.

    Phillipe führte ihn durch ein ausschweifendes Esszimmer mit einem Kronleuchter aus Rothirschgeweihen. Ausgestopfte Enten, Fasane und Auerhahne zierten die Wände. Der Esstisch stand über einem brandneuen roten Berberteppich und vor einem der Fenster war ein schwarz lackierter Klavierflügel platziert. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Lafayett sich unwürdig.

    Spielst du?“ frage Lafayett?

    Phillipe schüttelte den Kopf. „Der gehört meiner Mutter. Komm hier entlang!“ forderte er, während er einen von den gepolsterten Stühlen an der Lehne packte und hinter sich her in die Küche schleppte. Lafayett folgte ihm und lugte vorsichtig um die Ecke. Die Wände der Küche waren mit ockerfarbenen Kacheln bedeckt und es gab eine freistehende Kochzeile in der Mitte. Brun hob währenddessen einen alten Knochen vom Fußboden auf und trug ihn zu einem Hundekorb in einer ruhigen Ecke. Phillipe platzierte den Stuhl mitten im Raum und deutete Lafayett, sich zu setzen, ehe er die Tauben und die Tasche mit den Steinpilzen sachte neben ein Schneidbrett legte.

    „Sind deine Eltern nicht zuhause?“ Fragte er. Er hoffte das es so war, aber er gab seiner Stimme einen unschuldigen, neugierigen Klang. Phillipe schüttelte den Kopf und band sich eine Schürze um. Lafayett bildete sich kurz ein, dass er einen Funken Trauer in den kantigen Gesichtszügen ausgemacht hatte. Es war in der Tat ein sehr großes Haus, wenn man es für sich allein hatte.

    „Es ist Ihr Hochzeitstag. Dieses Jahr sind sie nach Marseille gefahren, um die Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Mein Vater verträgt fremdes Essen nicht gut, deswegen nehmen Sie Josephine, unsere Köchin, überall hin mit.“ Er setzte einen Topf mit Wasser auf und zündete den Herd an.

    „Unser Butler Fabien lebt auch noch hier, aber er hat einen verstauchten Knöchel und muss Bettruhe halten, so gut es geht. Ich muss noch nach ihm sehen, sobald du weg bist.“

    „Weißt du deswegen, wie man kocht?“ Lafayett überschlug die Beine und schaute schelmisch zu seinem Freund hoch. „Haben die Damen nicht eine eigene Liga in der du mitmachen kannst?“

    Phillipe streckte ihm den Arm entgegen und schnippte ein paar Taubenfedern in sein Gesicht, während er mit der anderen Hand eine Pfanne schwenkte.

    „Ich bin mir in meiner Männlichkeit sicher. Ich habe es eben nicht nötig, Müll zu fressen, nur weil zufällig mal keine Frau da ist die für mich am Herd steht. Abgesehen davon ist es gut für die Seele, sich von Anfang bis Ende selber darum zu kümmern, was auf den Teller kommt.“

    Er nahm eine der toten Tauben, zeigte sie ihm und strich über das graue Gefieder. Er drehte sie um und man konnte die Wunde sehen, an der sie gestorben war. Geronnenes Blut verklebte ihre Daunen. „Ich habe sie aufgespürt, Ich habe sie erschossen. Ich bereite sie zu und ich esse sie. Keine Komplikationen.“

    Wie verzaubert beobachtete er Phillipe als dieser die Tiere mit dem Messer zerlegte. Es lag eine Aufmerksamkeit und Sensibilität in jedem seiner Handgriffe, die schwer in Worte zu fassen war. Selbst jetzt noch, wo er das Fleisch der Vögel zerschnitt, respektierte er sie doch auf seine Art. Das Gewürzregal war üppig gefüllt, mit Pulvern, Körnern und getrockneten Blättern aus jedem Winkel der Welt, aber der schöne Jäger holte lediglich Pfeffer und Salz daraus hervor.

    „Wenn ich den Geschmack sowieso übertünchen wollte, könnten wir auch Huhn essen.“ Lautete die simple Erklärung und er hätte nicht noch mehr zustimmen können.

    „Kann ich helfen?“, fragte Lafayett nach einer Weile, aber sein Gastgeber schüttelte nur den Kopf und wendete das Fleisch.

    „Der Hauptgang ist Chefsache. Aber du kannst die Pilze putzen“. Er schob das zarte, rosa Fleisch an den Rand der Pfanne und ließ daneben ein Stück Butter schmelzen. Als das Fett sich verflüssigt hatte und zu blubbert begann, schöpfte er es mit einem Löffel über die Taubenbrust, bis er mit der goldbraunen Farbe der Kruste zufrieden war. Lafayett krempelte die Ärmel hoch und fegte mit einer weichen Bürste gewissenhaft die sandige Erde aus den Lamellen der Steinpilze.

    „Willst du die Teller aussuchen?“ Der Gastgeber deutete auf eine niedrige Kommode neben dem Eisschrank. Lafayett zuckte mit den Schultern. „Ich kenne mich mit sowas nicht aus.“

    Phillipe rollte mit den Augen, ging an ihm vorbei und hob eine kleine Auswahl an Tellern auf die Arbeitsfläche. „Ich doch auch nicht. Ich wollte wissen welcher dir gefällt“, murmelte er und inspizierte jeden Einzelnen. Das Service, das er schließlich aussuchte, war aus weißem Porzellan gefertigt und hatte goldene Ränder an seinen Tellern und Tassen, mit Verzierungen von blühenden Wildrosen unter dem Lack.

    Phillipe deckte den Tisch allein und zu Lafayetts haltloser Begeisterung kehrte er aus dem Weinkeller mit einer staubigen Flasche Rotwein zurück. Sie nahmen gemeinsam am Esstisch Platz. Es war zu viel Aufwand, den Kronleuchter anzuzünden, aber stattdessen spendeten ihnen zwei weiße Kerzen Licht.

    Das Essen ruhte harmonisch auf dem feinen Geschirr, genauso angerichtet, dass das Auge immer von selbst von einem Bestandteil zum Nächsten streifte. Lafayett schluckte und bemerkte erst jetzt, wie ausgehungert er war. Er deutete eine Verneigung an. „Danke für den Ausflug und das Essen. Ein Sternekoch hätte das nicht besser machen können als du.“

    „Lass es vor lauter Lobeshymnen nicht kalt werden, Blondie.“ Phillipe manipulierte mit dem Messer einen Bissen auf seine Gabel und fing an zu kauen.

    Lafayett zögerte zunächst, das kleine Kunstwerk zu zerstören, aber sein Freund hatte Recht. So eine kleine Portion würde nicht lange warm bleiben. Er hatte das deftige, sättigende Essen von Madame Perrin immer gemocht und sich gelegentlich sogar geweigert, feinere Zutaten wie Wild oder Meeresfrüchte zu versuchen, weil sie ihm zu fremd waren. In seinem Kopf hätte das Filet kräftig schmecken sollen, fleischiger und schärfer als Huhn oder Ente, aber das Aroma war delikat, nussig und süß. Davon zu essen war für seinen Gaumen das gleiche wie Musik für seine Ohren: aufregend neu und so komplex, dass er es ihm niemals alltäglich erscheinen würde.

    „Gut?“ vergewisserte sich Phillipe. Er klang selbstbewusst, als ob er längst wusste, dass es gelungen war und es nur noch einmal von ihm hören wollte. Fein. Er hatte Komplimente verdient.

    „Ist besser als ich erwartet habe“, verkündete er großzügig.

    Der Füllstand der Weinflasche sank. Er versuchte langsam zu essen, um seinen Gastgeber nicht unter Druck zu setzen, und auch noch seine Speisekammer zu plündern. Es wurde spät und das Zeitfenster, um heraus zu finden ob Phillipe seine Gefühle erwiderte, schloss sich. Die Möglichkeit einer Zurückweisung hing über ihm wie eine dunkle Wolke. Wenn er den Wunsch äußerte, mehr Zeit miteinander zu verbringen, würden junge Kerl mit den breiten Schultern ihn auslachen und darauf verweisen, dass sie bereits auf demselben Polofeld und im selben Fechtkurs waren. Er fühlte sich dumm, frustriert, dass die Worte, die er brauchte, sich nicht so leicht finden ließen wie sonst.

    „Das hier ist alles, was ich im Leben wollte.“ Es war seine Stimme, die sprach, aber die Worte waren seinem Kopf entkommen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Er legte sein Besteck beiseite und starrte auf seine zitternden, verschwitzten Hände. Eine unsichtbare Kraft in seinem Inneren schubste ihn, zwang ihn weiter zu sprechen mit weniger als hunderttausend Wörtern und einer kurzen Liste von Gesten, die alles beschreiben konnten und doch nicht ausreichten. Seine Atemzüge wurden kurz und flach.

    „Ich kann nicht aufhören an dich zu denken, wenn du nicht in meiner Nähe bist. Ich wünschte ich könnte die Zeit anhalten damit…“.

    Phillipe hatte sich vorgebeugt und den Zeigefinger auf seine Lippen gelegt, um ihn zu stoppen. Das Kerzenlicht schimmerte in seinen goldenen Augen, die weit aufgerissen zurückstarrten. Seine Augenbrauen waren entspannt und er biss sich auf seine Unterlippe.

    „Entschuldige aber, ich muss eine Sache unbedingt wissen.“ Begann er mit bebender Stimme. „Ich meine: Ich wusste das du…“ Er zögerte. „Aber was wäre dein Plan gewesen, wenn ich nicht schwul bin? Du hättest dich verraten.“

    Lafayett zog sein Gesicht zurück und befreite sich von dem unfreiwilligen Knebel. Falls? Sein Körper fühlte sich auf einmal federleicht an. „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Gedanken daran verschwenden, was ich sage oder tue, wenn es nicht klappt. Ich habe nur an all die Dinge gedacht, die ich haben könnte, wenn du ja sagst.“

    „Ich habe nicht `ja` gesagt.“ Phillips Stirn lag in Falten und er presste unbehaglich die Lippen zusammen. Lafayett senkte den Blick. Er ist dabei abzulehnen, dachte er sich.

    „Ich bin geschmeichelt und unendlich froh, dass ich dich gefunden habe, aber ich bin im Augenblick nicht in der Position das hier weiter zu verfolgen.“

    „Warum nicht?“ Lafayetts Stimme klang wie ein heiseres Flehen. Es gab vermutlich hunderte gute Gründe, von denen er nicht einen einzigen hören wollte. Gab es keinen Weg, dass dieser Abend so ausging, wie er es gehofft hatte?

    „Ich habe einmal einen Mann geliebt. Aber ich bin jetzt, wie du unschwer erkennen kannst, allein. Es ist weniger als ein Jahr her und die Wunde ist noch zu frisch, um von Neuem anzufangen.“

    Phillipe sank in seinem Stuhl zusammen und legte den Kopf in den Nacken, scheinbar hypnotisiert von dem prunkvollen Kronleuchter über ihm.

    „Was ist passiert?“ Lafayett schreckte hoch und entschloss sich feinfühliger zu sein. „Vergiss es. Das scheint was Persönliches zu sein. Ich muss es nicht unbedingt wissen.“

    „Lügner!“ Phillipe grinste.

    „Ich würde es gerne wissen. Aber ich akzeptiere Schweigen als Antwort.“

    Phillipe schüttelte, sachte den Kopf. „Wir sind erwischt worden. Meine Eltern haben mir nach einer Weile verziehen, aber seine nicht. Die Anstalt von Doktor Montmorency hat ihn `geheilt` und er wollte mich danach nicht mehr sehen.“

    Der große Kerl schnappte sich den Wein und nahm einen kräftigen Schuck direkt aus dem Flaschenhals. Lafayett hörte in seinen Gedanken die Stimme seiner Mutter, wie sie ihn rügte, wann immer er sich danebenbenommen hatte. Aber seine Vorstellungskraft reichte nicht aus, eine Version von ihr zu sehen, die erlaubte, dass man ihn in ein Irrenhaus brachte, nicht einmal dann, wenn er selbst derjenige gewesen wäre der es wünschte.

    „Blondie, es tut mir so leid, aber ich kann das nicht nochmal durchmachen. Ich weiß, ich sehe stark aus, aber anders zu sein, zermürbt dich. Wenn es einmal öffentlich wird, was in dir vorgeht, wird dir nach und nach alles weggenommen, bis du im Inneren so leer bist wie eine Buchenhülse.“

    „Und der Umzug nach Rankental?“, stammelte er, als sich das Mosaik in seinem Kopf langsam vervollständigte.

    „Die politische Karriere meines Vaters hat schweren Schaden genommen. Wir mussten umziehen. Zu dem Zeitpunkt war ich dankbar, Paris hinter mir lassen zu können. Du wärst am Boden zerstört, wenn du die Namen hören würdest, die sie mir gegeben haben. Ich lasse nicht zu, dass dir das auch passiert.“

    Schande war ein grausames Ding, ein trügerischer Schleier über der Seele. Der Menschen zwang, Masken zu tragen, die nicht passen wollten. Lafayett begann sich zu fragen, wie vielen schwulen Männern oder lesbischen Frauen er im Laufe seines Lebens auf der Straße begegnet war, ohne es zu ahnen.

    „Und deine Familie ist einverstanden damit, dass du Junggeselle bleiben willst?“ Sein Ton war gespielt albern. Sein Jäger brauchte das viel mehr als Beileidsbekundungen. Er griff über den Tisch, nahm den Wein aus Phillipes Hand und schenkte sich selbst noch einmal ein. Sein Blick war verschwommen und er hatte große Mühe, das Glas nicht aus Versehen zu überfüllen. Phillipe sprach immer noch mit einer großen Distanz in seiner Stimme. Fast so, als wären diese schrecklichen Dinge einer anderen Person passiert.

    „Nein. Natürlich sind sie das nicht. Ich heirate nächsten Frühling Colette Moreau. Ich bin auch geheilt, weißt du?“, kommentierte er mit einem erzwungenen Lächeln. Halb trotzig und halb verzweifelt. „So kann ich Kinder haben und eine schöne große Hochzeitfeier. Und mein Vater baut mir das kleine Haus am Waldrand das ich mir wünsche.“

    „Es tut mir leid.“ Wisperte Lafayett in sein Weinglas und er meinte es von ganzem Herzen. „Es ist nicht unsere Schuld, weißt du? Ich glaube die Natur ist einfach so.“

    „Na und? Menschen widersetzen sich ständig ihrer Natur. Und ich kann das auch.“

    „Danke dass du ehrlich mit mir warst, Phillipe. Jetzt weiß ich zumindest, dass ich nicht allein bin.“

    „Warte noch, Blondie! Ich gebe dir noch eine Flasche von dem Wein mit. Als Wiedergutmachung dafür, dass ich deine erste Verabredung ruiniert habe.“

    „Du hast überhaupt nichts ruiniert“, log er, zu stolz, um sich seiner Enttäuschung hinzugeben. Er stand auf, rekte sein Kinn hoch und suchte sich seinen Weg zurück zur Tür. Ehe er seine Hand nach dem Türgriff ausstrecken konnte, drückte ihm Phillipe noch die Weinflasche in die Hand. Er konnte sehen, dass er darüber nachdachte, ihm eine Umarmung an zu bieten, aber das hätte das alles noch bitterer gemacht.

    „Sehen wir uns Dienstag in der Fechtstunde?“, fragte Lafayett noch, im Türrahmen stehend.

    „Ich werde da sein.“

    „Gut. Adieu.“

    „Adieu,Blondie.“

    Zitat

    Keine Ahnung warum. Aber irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, dass Philppe schon tiefer da drin steckt, als man auf den ersten Blick glaubt. Vielleicht bin ich auch komplett auf dem Holzweg, aber irgendein Geheimnis trägt er ja mit sich herum. Und er kennt diese sonderbare Höhle… obwohl er ja eigentlich ganz woanders herkommt

    Das ist in diesem Fall gewollt. 😉 Vielen Dank euch beiden Rainbow und Kirisha

    Das nächste Stück ist wieder ein Mathis Teil. Warnung vorweg es könnte etwas eklig sein. Ich habe den Grund warum Jessika ihn zuerst nicht verwandeln will etliche Male umgeschrieben. Die beiden waren im ersten Entwurf ein Paar, aber ich fand das zu repetitiv, da die Szene kurz nach dem Spaziergang von Lafayett und Phillip kommt. Außerdem war die Macht-Differenz für eine gesunde Beziehung viel zu groß. Letzteres ist nun ein Plot-Punkt. Ich hoffe es macht einigermaßen Sinn. Ich bin wie gesagt eher Horror und Drama zugeneigt und weniger ein Fan von Romanzen.


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    Regentropfen trommelten gegen das Dachfenster, wie eine feindliche Armee, die versuchte, sich Zutritt zu verschaffen, und Blitze zuckten viel zu nahe durch den wolkenverhangenen Himmel. Mathis schreckte hoch, bleich wie Elfenbein, seine Kleidung triefend nass vor kaltem Schweiß. Er schaffte es gerade noch, sich über die Kante seines Bettes zu ziehen, und übergab sich. Mit verätztem Rachen und verstopfter Nase rang er keuchend um Luft, ehe er sich in sein Kissen zurücksinken ließ. Der kleine Raum um ihn herum drehte sich im Kreis. Er blickte an sich herab, auf seinen Bauch, seine Hüfte und dann den Verband, den gottverdammten Verband. Die Wollstreifen selbst waren sauber – dafür hatte Albert gesorgt. Aber der süßliche, beißende Geruch, der davon ausging, ließ keinen Zweifel, dass sich Fäulnis darunter ausbreitete. Er streckte für einen Moment seine Finger danach aus, hatte aber weder die Kraft noch den Mut, sich Gewissheit zu verschaffen.

    Ein kurzer Lichtblitz drängte die Dunkelheit zurück. Eine Gestalt mit einem grauen Mantel stand am Ende des Bettes und sah auf ihn herab, offensichtlich unbeeindruckt von der Tür, die er am Vortag verschlossen hatte.

    „Du kannst es Dir nicht leisten, länger zu warten.“ Es war die Stimme von Jessika drängend und ungewöhnlich streng. „Albert sagt, dein Bein ist nicht mehr zu retten."

    „Nein.“ Mathis riss sich vor ihren schimmernden Augen los und drehte den Kopf weg. „Ich brauche beide Beine, wenn ich in einer Burg voller Treppen leben soll.“

    „Niemand sagt, dass du es sollst, Mathis. Dein Dienst hier ist vorbei. Du gehst nach Hause zu deiner Familie. Deine Eltern werden glücklich sein, dich zurück zu haben, Krüppel oder nicht.“

    „Nein.“ Wiederholte er schwach und schloss die Augen. Jessika bewegte sich geräuschlos um sein Bett herum, ihre Umrisse immer nur für einen Donnerschlag sichtbar.

    Sie umging die Pfütze am Boden und ihre haarigen, krallenbewehrten Finger strichen sachte durch sein verfilztes Haar. Ein Teil von ihm wollte einschlafen, alles andere zurücklassen und nur diese eine Erinnerung mit auf die andere Seite nehmen. Die Vampirin war bucklig mit weit auseinander stehenden Augen und einer fürchterlichen Narbe quer über ihre Kehle, aber es gab keine andere Frau wie sie. Ihre Makel machten sie vertraut, wie ein altes Paar Handschuhe mit einzigartigen Flicken, das über die Jahre Teil seines Lebens geworden war.

    „Ich weiß, dass du Angst hast.“

    „Es ist nicht der Fall, den ich fürchte, sondern der Aufprall“, blaffte der Kutscher. „Ich bin hergekommen, um meinem Ende zu entgehen, aber dein Streunerfreund hat alles ruiniert.“

    Jessika schob die löchrige Decke, unter der er ruhte, etwas zurück und nahm auf der Bettkante Platz.

    „Ich weiß, du hast gehofft, dich uns anschließen zu können, aber das geht nicht“, flüsterte sie.

    Mathis blinzelte zweimal, aber seine Augenlieder blieben kalt und schwer. Sein Körper bettelte um Schlaf. „Warum?“ Die Frage rollte von seinen zitternden Lippen, und er wusste bereits jetzt, dass keine Antwort die Scherben seines gebrochenen Herzens jemals wieder zusammenfügen konnte.

    Der Seufzer, der von ihren rauen Lippen fiel, verriet Schande und ein widerwillig bewahrtes Geheimnis, im Begriff gelüftet zu werden. „Ich bin in deinem Kopf, seit wir uns das erste Mal getroffen haben.“ Ich habe dich dazu gebracht, dich in mich zu verlieben. Es wäre nicht…“

    Mathis hob seine Hand und stoppte sie. Ihr Gesicht nahm einen pikierten Ausdruck an, mit gekräuselter Stirn und angezogener Oberlippe. Sie schien es nicht zu mögen, dass er die Kontrolle über die Unterhaltung hatte. „Ich will es so. Ich liebe dich, Jessika.“

    Jessika knurrte. „Das ist, was unsere Kräfte tun, du Idiot! Du liebst mich, weil ich es dir aufgezwungen habe. Ich könnte es mir niemals vergeben, wenn du eines Tages wieder zu dir kommst und merkst, dass du dich für alle Ewigkeit zu dieser armseligen Existenz verdammt hast für eine Frau die so abstoßend ist wie ich.“

    Mathis studierte Sie gründlich. Die Flecken auf ihrer fahlen Haut, das lichte Haar und die tief eingesunkenen Augen mit den dunklen Ringen darunter, aber er konnte keine Makel sehen.

    „Du bist das Beste, was mir je passiert ist“, versicherte er ihr.

    Jessika grinste, aber es hielt nur kurz an. „Ich bin ein egoistisches Schwein. Ich habe dich versklavt, weil mir die Berührung von Männerhänden auf meiner Haut so sehr gefehlt hat. Ich bin hässlich auf eine Art und Weise, die keine Magie jemals aufheben könnte, ein ekliges, gieriges, selbstsüchtiges Monster, das einen guten und treuen Mann zerstört hat.“ Ihre Stirn legte sich in Falten und sie begann, blutige Tränen zu weinen.

    Er streckte seine Hand in die Finsternis, geleitet nur vom Klang ihrer Stimme. Er wollte ihre Wange berühren, aber ihre langen, dürren Finger griffen nach seinen, ehe er ihr entstelltes Gesicht erreichen konnte.

    Mathis holte tief Luft. „Ich will noch immer, dass du einen Rattling aus mir machst. Wenn deine Magie schwindet und ich dich nicht mehr lieben sollte, finde ich einen anderen Grund, zu leben, auch wenn ich mir jetzt noch nicht vorstellen kann, was das ist. Ich werde mein Glück finden, egal was passiert.“

    „Die Verwandlung ist sehr schmerzhaft.“ Jessika täuschte für gewöhnlich vor, zu atmen und zu blinzeln, wenn sie mit ihm sprach, aber nicht dieses Mal. Wollte sie, dass er sie als Monster wahrnahm? „Ich weiß. Ich kann die Schreie von hieraus hören.“

    „Es ist endgültig, du kannst niemals wieder Mensch sein.“

    Mathis drückte seine Zähne so fest aufeinander, dass sie knirschten, und blickte sie verurteilend an. „Ich bin fertig mit diesem Leben. Der Waffenmeister kann es haben, bringt mich nur als Vampir zurück. Das ist das, was ich als Lohn für meine Dienste will. Das ist, was du mir schuldest.“

    Sie starrte nachdenklich auf ihre deformierten, grauen Hände und schwieg. Blitze erhellten den Raum, aber ihre Mine veränderte sich nicht. Schließlich flüsterte sie. „In Ordnung.“

    Er zwang sich noch ein letztes Mal, seine trockenen Augen offen zu halten. Die Dunkelheit verwehrte ihm jetzt, ihr Gesicht zu sehen, aber ihre Präsenz im Raum war so stark, dass er sich sicher war, dass sie noch bei ihm war. Schließlich verlagerte sich ihr Gewicht auf der Matratze. Er sah sie vor seinem geistigen Auge, wie sie mit beiden Händen auf ihr Gesicht deutete, die Asymmetrie, die Narben und das wenige, verfilzte Haar. In dem Moment, in dem er sich ihrer Traurigkeit bewusst wurde, wollte sich jede Faser in ihm aufraffen, egal wie. Er musste ihr helfen, musste für sie da sein, musste seine letzten paar Atemzüge aufbrauchen, um ihr zu helfen, aber er war zu krank, um auf seinen eigenen Beinen zu stehen.

    Jessica streckte ihre Arme unter seine Beine und Schultern. Sie hob ihn auf und trug ihn durch den strömenden Regen die Treppe herunter in den Hof. Das kalte Wasser sog sich langsam in seine Kleidung und kühlte seinen fiebrigen Körper. Dann wurde alles still um sie herum. Sie hatten die Türschwelle zum alten Weinkeller überschritten. Das Aroma von verrotteten alten Fässern hüllte ihn ein. Der Boden war mit Strohmatten und Kissen bedeckt. Dies war der Schlafsaal für die rangniederen Vampire, sein neues Zuhause. Sie legte ihn neben einer der Säulen ab und entfernte sich dann von ihm. Er fühlte sich ausgeliefert, ohne sie. Am liebsten hätte er laut geschrien.

    „Warte kurz.“ Beschwichtigte sie. Er versuchte, seine Augen offen zu halten und sie an die Umgebung zu gewöhnen. Nach einer Weile konnte er die Konturen der Steintreppe und einen Teil der Wände sehen, Das obere Drittel war mit Spinnenweben bedeckt, weil sich niemand die Mühe machte, zum Staubwischen eine Leiter zu holen. Das war das Erste was er tun würde, nahm er sich vor. Er würde jeden Raum, den er betrat, sicherer und besser machen. Eine Ratte quietschte auf, irgendwo in einer Ecke weit rechts von ihm. Jessika brauchte das winzige Herz für das Ritual - sein Herz.

    Eine scharfe, männliche Stimme richtete sich an ihn. Er kannte auch Sie. Sie hatte einen herrischen, aristokratischen Klang mit einem harten, südlichen Akzent, der jedem Wort einen Hauch von Bedrohung verlieh. Selbst wenn Hector leise sprach, konnte man wenig tun, als gebannt zu lauschen. „Jessika spricht gut von dir.“ Kam es trocken aus den Schatten hervor.

    Er versuchte zu antworten, aber ein eisiger Wind traf seine Lungen wie eine gnadenlose Peitsche und zwang ihn in einen weiteren Hustenanfall. Wieder drehte sich die Welt. Verzweifelt schnappte er nach Luft, aber jedes Mal, wenn sich seine Brust erneut zusammenzog, verzögerte sich der Atemzug, den er so dringend brauchte. Es war zu spät, er war zu krank. Ein letztes Aufbäumen, ein letztes flaches Keuchen, ein letztes Kratzen seiner Fingernägel über den harten Boden – dann lag er still da, seinen leeren Blick auf die Decke gerichtet.

    Jessika schritt um den ausgestreckten Körper herum. Sie stieß mit dem Griff eines Messers gegen seine Wange, um sich zu vergewissern, dass er nicht mehr aufwachte, während Hektor sie über ihre Schulter hinweg beobachtete. Sie hob ihre Klinge über die Brust des Toten, ließ sie niedersausen und zog den Stahl kraftvoll durch Mathis Brustbein. Frisches Blut sprenkelte die Weinfässer und die Spinnennetze. Mit ihren Klauen griff sie rechts und links nach den Rippenknochen, die ihr im Weg waren, zerbrach sie wie dürre Zweige und riss sie auseinander. Das glänzende Herz, das eine Minute zuvor noch wild geschlagen hatte, lag nun ungeschützt vor ihr.

    „Mach weiter! Die Uhr tickt.“ Drängte Hector und nickte auf den Körper der toten Ratte neben ihr.

    „Du hast Recht!“ Blaffte sie sarkastisch und deutete an ihm auf und ab. „Bleib am besten hier stehen und kontrolliere jeden meiner Handgriffe! Man sieht ja, was passiert, wenn man mir das Erschaffen von Neuliegen überlässt.“

    Ihre Finger schlossen sich um das Herz und sie zog es mit einem kräftigen Ruck heraus. Die Blutgefäße zogen sich lang, dehnten sich und rissen schließlich. Erneut flutete der Duft von frischem Blut die Ruine. Jessika führte das tote Nagetier, das sie in der anderen Hand hielt, an ihren Mund, griff das graue Bauchfell mit ihren Eckzähnen und biss ein Loch hinein. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie das winzige Rattenherz und legte es in Mathis leeren Brustkorb. Sie beugte sich vor, dicht über Mathis Gesicht, und hauchte den Atem ihrer toten Lungen auf seine Lippen, ehe sie flüsterte:

    „Mit dem Herz des unreinen Tieres verwehre ich dir deinen Frieden, mit meiner Stimme, schwach vor Trauer, verkünde ich dein neues Schicksal. Verfeindet mit der Welt entsende ich meine Rache und meinen Fluch. Erhebe dich und diene meinem Willen, Rattling!“

    Dünne, rote Fäden streckten sich von dem Organ weg, wanden sich und tasteten gierig ihre Umgebung ab, wie hunderte kleinen Tentakeln. Das glitzernde Gewebe breitete sich aus. Es verband sich mit den verwaisten Blutgefäßen und wob einen schützenden Käfig um das fremde Herz. Es sog das noch warme Blut auf und begann langsam die Ränder der Wunde zusammenzuziehen, bis nichts verblieb als eine fahle Narbe.

    Für den besseren Teil einer Minute gab es den Kutscher nicht mehr. Doch dann zuckte einer seiner Finger. Er schrie und riss seine Augen auf. Die wenigen Strahlen Mondlicht, die seine Netzhaut trafen, brannten wie Säure. Er rollte sich zusammen und vergrub sein Gesicht schützend in den Handflächen. Doch sobald der Schmerz unter seinen geschlossenen Liedern nachließ, begann sein ganzer Körper zu zittern. Seine Muskeln verhärteten sich wie ein Krampf, der keine Faser in ihm verschonte.

    Jessika wandte sich von ihm ab. Sie konnte nichts tun, um zu helfen. „Es ist gleich vorbei“ versprach sie, aber seine Schmerzensschreie übertönten ihre Worte. Er hörte sie nicht, konnte keinen Trost für seine Lage empfangen.

    Eine stinkende, rötliche Mischung aus Wasser, Schweiß, Galle und allen anderen Körperflüssigkeiten, die er nicht mehr brauchte, triefte aus seinen Poren. Seine Fingernägel fielen aus, hochgedrückt von Nadelspitzen-Krallen, die sich langsam aus seinen Nagelbetten schoben. Die Nervenstränge und Wurzeln, die seine oberen Eckzähne im Kiefer verankert hielten, verdorrten und lösten sich auf, um Raum für die neuen, totbringenden Fänge zu schaffen. Er spuckte sie aus, um sich nicht daran zu verschlucken.

    Der Schmerz durchzog ihn in langen Wellen, aber dazwischen waren Momente von Klarheit. Seine Haut, besonders jene an den Fingerspitzen, veränderte sich. Sie begann sich dünner anzufühlen, aber Mathis wusste, dass es nicht stimmte. Die Flederlinge hatten ihr feines Gehör und die Wölflinge ihren unfehlbaren Geruchssinn. Rattlinge aber nahmen die Welt am meisten durch ihren Tastsinn wahr.

    Er zog seine Hand langsam über eine zerbrochene Bodenfliese. Er fühlte die Risse darin so deutlich, als wären sie tiefe Gräben. Die Oberfläche war glasiert, um die Unebenheiten zu kaschieren, aber er fühlte jeden eingeschlossenen Kiesel darin. Mehr noch: Der schwindende Rest seiner Körperwärme erfüllte diese Stelle, vielleicht ein halber Grad wärmer als die Luft, aber er spürte es trotzdem.

    „Vorsichtig.“ Warnte Jessika. „Deine Sinne sind jetzt viel schärfer. Erschrick nicht!“ Sie trat zurück, angelte nach Mathis Hand und zog ihn, sachte auf die Füße.

    Er blinzelte und ließ ganz vorsichtig etwas Licht an seine Augen. Die Welt um ihn herum begann zu leuchten. Er verfolgte, wie jeder einzelne Lichtstrahl tausendfach an allen Oberflächen abprallte, und plötzlich konnte er in dem düsteren Keller sehen, als wäre es helllichter Tag. Farben taten sich auf, deren Namen er nicht kannte. Verwirrung hielt ihn wie versteinert fest. Er wusste, dass er noch immer in der Burgruine sein musste, aber seine Umgebung war ihm jetzt so fremd, als wäre sie nicht einmal mehr derselbe Planet.

    Der Atem seiner Pferde im Stall über ihm, das Scharren von Rattenpfoten zwischen den Mauern, das Heulen des Sturms und alle anderen Geräusche der Nacht verbanden sich zu einem anhaltenden Chor. Aber die Quellen und Positionen all dieser Laute waren ihm jetzt so klar, dass sie ihm Sicherheitschenkten, anstatt ihn zu ängstigen. - Er- war jetzt das gefährlichste Wesen hier. Er beugte sich vor und zog den Verband von seinem Bein. Die Wunde, die ihn fast das Leben gekostet hätte, war nichts weiter als eine hässliche Narbe.

    Jessika stieß ihm in die Seite und nickte in Hectors Richtung. Mathis ließ sich langsam auf das verletzte Knie sinken, noch immer unsicher, ob es ihn tragen würde. Er senkte seinen Kopf.

    „Jessika möchte deine Mentorin sein.“ Hallte die Stimme des Waffenmeisters über ihm. „Ich erlaube es, aber mach nicht den Fehler, zu glauben, du hättest deswegen Privilegien über deine Brüder und Schwestern. Kein Haus braucht Schwächlinge. Wenn du dein Gewicht nicht trägst oder den Schleier brichst, beseitigen wir dich. Hast Du das verstanden? “

    Zitat

    Hier hab ich einen verschwindet kurzen Moment gedacht, er hätte jetzt den Hund ausgestopft in seinem Schlafzimmer hängen :rofl:

    Weißt du was? Ich lasse das Lafayett tatsächlich als Scherz fragen!

    ★klaut den Witz und rennt damit weg★

    Zitat

    Das empfinde ich kein bisschen so. Ganz im Gegenteil. Nach dem letzten Part, wo wir viele Infos bekommen haben und an den bösartigen Intrirgen der Vampire teilhaben durften, ist dieser "Wald-Jagd-Spaziergang" ein schöner Kontrast.

    Ich finde, die Nähe zur Natur hast du wunderbar eingefangen. Auch Lafayetts Wahrnehmung und seine Gedanken gefallen mir hier sehr gut. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen. Teils herausfordernd, teils auch ein bisschen verspielt...das ergibt eine schöne Mischung.

    Zitat

    Also ich bin ohnehin der Meinung, dass recht viele moderne Bücher wie Marvel-Filme gepaced sind - und ich mag Marvel nicht so sonderlich - und die Leute immer mehr an Aufmerksamkeitsspanne verlieren, bei manchen macht es mich lowkey wahnsinnig. xD

    Finde solche Szenen und Kapitel daher sehr angenehm.

    Vielen Dank! Rainbow und LittleOwlbear Ich war kurz davor die Hälfte zu löschen, weil ich sie nicht interessant genug fand.

    Zitat

    „Ich hatte als Kind immer Angst, mich zu weit vom Waldrand zu entfernen.“ Gab er zu. „Unsere Mutter hat meiner Schwester und mir immer Geschichten davon erzählt, dass im Wald von Arvendorn Hexenzirkel leben, die kleine Kinder verschleppen.“

    Die nächsten Worte, die er hörte, zogen die Farbe aus seinem Gesicht und gaben seinen Alpträumen neue Munition.

    „Sie hat nicht völlig Unrecht.“

    Ooh, das find ich sehr interessant.

    Erinnerst du dich wie ich im Woldbuilding beschrieben habe das Vampire wissen das sie von Hexen erschaffen worden sind, weil der Ritualkreis noch erhalten ist? Da geht es als nächstes hin.

    Ich hatte Probleme das System mit den 3 Kasten zu erklären, weil Vampire das maximal einem Neuling erzählen würden. Ich hatte einen kompletten Charakter in Haus Sures der neu ist, nur damit man ihm das erzählen kann, aber dann hätte er den Rest des Buches nichts zu tun gehabt. Da ist mir die Idee gekommen das die Sterblichen das dem Leser vermitteln können, auch wenn die in-universe nicht verstehen was sie sehen.

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    „Bewegt dich nicht.“ Flüsterte Phillipe und nahm langsam und routiniert die Waffe von seinem Rücken. Sie war noch nicht geladen, also beobachtete Lafayett ihn für die längsten zehn Sekunden seines Lebens, wie er die Patronen in den Lauf legte. Er erwartete, dass sein Freund die dummen Tiere einfach vom Baum schießen würde. Stattdessen gab er Brun ein Zeichen und der Jagdhund rannte los, um die Beute aufzuscheuchen.

    Rindenstücke und kleine Federn wirbelten auf, als die erschrockenen Vögel mit den Flügeln schlugen, um an Höhe zu gewinnen. Als ihre Form über den Baumwipfel auftauchte, verfolgte Phillipe sie mit dem Lauf seiner Flinte so ruhig, als könnten sie niemals seine Reichweite verlassen.

    Zwei Schüsse hallten durch das sonnengeflutete Gehölz, und als ihr Echo verklungen war, herrschte nur noch gespenstische Stille.

    „Hol sie!“

    Brun verschwand mit raumgreifenden Sprüngen in einer Hecke aus Farnen und Brombeeren.

    „Sieht so aus, als bleibt die Küche heute doch nicht kalt“ verkündete Phillipe triumphierend. Lafayett sah zu wie die letzten grauen Daunen herunterrieselten. Er hatte definitiv beide Ziele getroffen.

    „Was wenn sie noch leben? Schüttelt Brun sie dann tot?“

    „Ach, Unsinn, Apportierhunde sollen die Beute nicht beschädigen. Stell dir vor, du triffst den Fasan des Jahrhunderts mit einem sauberen Schuss, mitten auf dem Acker, und ein übermäßig aufgeregter Hund bricht die Schwanzfeder ab.“

    Lafayett grinste schadenfroh. „Ist dir das passiert?“

    „Ja. Er hängt an der Wand in meinem Schlafzimmer. Der Taxidermist hat den Schweif mit Draht repariert, aber man sieht, dass er nicht perfekt ist, und das wurmt mich bis heute.“ Schnaubte er.

    Die Vegetation rasselte und der gefleckte Bourbonaiser mit seinen Schlappohren kam zurück. Der Kadaver der ersten Taube hing locker in seinem Maul. Phillipe nahm das Tier an sich, aber Brun drehte sofort wieder um und trabte zurück durch die niedergetrampelten Farne.

    „Mir müssen ihm folgen, Blondie. Manchmal bleiben geschossene Vögel zu weit oben in den Zweigen hängen. Da kommt er dann nicht dran.“

    Die Bäume in diesem Teil des Waldes standen dichter zusammen als die Übrigen. Das Licht war schwächer und der Boden war übersäht mit Dornen. Seit dem Schuss waren alle Tiere verstummt. Lafayett fühlte zum ersten Mal, wie erschöpft ihn das lange Umherwandern gemacht hatte. „Lass sie!“ Keuchte er. „Eine ist mehr als genug. Wir können teilen.“

    Sein Begleiter schüttelte betroffen den Kopf. „Das geht nicht. Wenn Krähen oder Falken das Aas fressen, verschlucken sie die Bleikugeln mit und krepieren daran. Wir müssen alles mitnehmen, was wir getroffen haben.“

    Bevor er ein Gegenargument aufbringen konnte, setzte sich sein Freund in Bewegung.

    Seine Optionen waren begrenzt: Er konnte folgen oder alleine und unbewaffnet zurückbleiben. „Hey, warte auf mich!“

    Er nahm einen tiefen Atemzug und drückte sich durch die Hecke. Lange, hölzerne Wiederhacken zerrten an seinem Haar und den Stoffen seiner Kleidung. Seine Stiefel blieben immer wieder in den verflochtenen Ranken hängen, aber er überzeugte sich selbst, dass die andere Seite näher war als sein Ausgangspunkt, und kämpfte sich vorwärts.

    „Phillipe?“ Er hatte ihn aus den Augen verloren und wagte nicht weiterzugehen, ehe er sich vergewissert hatte, dass er noch auf dem richtigen Weg war.

    „Folge einfach meiner Stimme!“ Schallte es vor ihm, und nach ein paar Schritten verlor sich das Dickicht und gab stattdessen eine kleine versteckte Lichtung frei. Eine Eiche mit einem gespaltenen Stamm thronte hoch über ihrem Köpfen. Die linke Hälfte trug noch Blätter, während die andere tot und ausgedörrt dastand. Getrennt von ihrem vitalen Zwilling durch eine Trennlinie aus verbrannter Rinde. Ein Blitz-Schaden.

    Brun legte seinen Kopf in den Nacken und bellte. Über ihm, an einem der grünen Zweige knapp unter der Spitze, hing eine graue, fedrige Form, verkeilt in einer Astgabel.

    „Hui, das ist hoch“ stellte Phillipe fest und lehnte seine Flinte an die tote Seite des Baumes.

    Lafayett legte eine Hand an seine Schulter und stützte sich an ihm ab. Sein Atem ging kurz und flach.


    „Lass mich das machen. Du kannst mich auffangen, wenn ich falle. Wenn wir es andersherum versuchen, breche ich mir im Ernstfall nur das Kreuz.“

    „Ich kann nichts dafür, dass du so ein Hungerhacken bist. Iss vielleicht mal was anderes als Käse und Wein!“ Dann zögerte er. „Aber du hast Recht, Blondie. Klettere mit Händen und Füßen und sei vorsichtig. Prüfe erst ob…“

    „Ich weiß, wie man klettert!“ Er nahm Anlauf, stieß sich mit einem kraftvollen Sprung an der Rinde ab und bekam einen tiefhängenden Ast zu fassen. Das vertrocknete Moos auf der Oberseite fühlte sich zunächst wie ein Tierpelz an. Es irritierte ihn für einen Moment, aber es war jetzt ohnehin zu spät, um loszulassen.

    Er zog sich dicht am Stamm hoch und suchte nach der nächsten Stelle, die aussah, als ob sie Halt bot, immer und immer wieder.

    „Der Efeu zu deiner Linken.“ Schrie Phillipe. „Teste mal, ob der hält!“

    Er hatte die Kletterpflanze ebenfalls gesehen, aber nicht in Erwägung gezogen, den dünnen Trieben sein Leben an zu vertrauen. Er griff zwischen die satten, grünen Blätter und zog prüfend daran. Jede einzelne Ranke hätte unter seinem Gewicht nachgegeben, aber in Bündeln schienen sie zu halten. Asseln und Schnurfüßler krabbelten mit ihren kleinen Hackenfüßen über seinen Handrücken, und er musste den Impuls, sie abzuschütteln, bewusst unterdrücken.

    „Danke!“ rief er und beging dabei einen schweren Fehler: Er sah nach unten. Der Waldboden war schon zu weit entfernt, um individuelle Blätter zu erkennen. Mit der Gefahr des Sturzes präsent in seinen Gedanken verlangsamten sich seine Bewegungen. Er griff nicht einfach nur zu und kletterte weiter, sondern betrachtete, wie sehr sich das Holz bog und wiegte, wenn er daran zerrte, schätzte jeden Schritt neu ab. Die leblose Taube hing weit außen am Ende eines kerzengeraden Astes, nicht viel dicker als sein Unterarm. Er hielt inne, konzentrierte sich ganz auf sein Ziel und schob all die Dinge, die schiefgehen konnten, zurück in die hintersten Ecken seines Verstands.

    „Komm wieder runter! Ist schon gut. Wir lassen sie hängen.“ Er hörte die Worte, aber sie waren nur ein Hintergrundrauschen in seinem Kopf. Phillipe war nicht ehrlich. Er wollte die Taube noch immer. Um zu drehen und sie hier verrotten zu lassen, hätte an seiner Ehre gekratzt, sie beschädigt wie ein Bild mit einem Knick in der Mitte, das nie wieder perfekt sein konnte.

    Er stellte sich wackelig auf, ließ dabei seine Knie aber gebeugt, damit er sich notfalls zurück auf den Ast fallen lassen konnte. Das Holz selbst war gerade, aber die Rinde hatte viele kleine Buckel, die ihm nicht erlaubten, seine Stiefel gerade aufzusetzen. Nach fünf unsicheren Schritten streckte er seine rechte Hand aus. Der geschwächte Baum ächzte, als er begann sein Gewicht nach vorne zu verlagern. Seine ausgestreckten Fingerspitzen berührten eine der Schwungfedern, aber die feinen grauen Fasern entglitten ihm jedes Mal, ehe er sie zu sich ziehen konnte. Der einzige Weg, um die wenigen Zentimeter zu gewinnen, die ihm fehlten, war es den festen Griff den er mit seiner linken Hand hatte zu lockern.

    Es gab für ihn weder den Boden noch den sonnengetupften Wald, keine Schwerkraft, keine Angst und kein Versagen. Nur ein toter Vogel und das Privileg derjenige zu sein, der ihn dem schönen Jäger aus Paris überreichte. Sein Geist war vernebelt und gleichzeitig klar. Er liebte ihn und er weigerte sich, irgendetwas anderes zu fühlen als das.

    Knack.

    Der Ast gab nach und er stürzte. Er streckte seine Arme nach außen, in der Hoffnung, etwas greifen zu können, aber sein Fall wurde erst nach mehreren Metern gebremst, als, er mit dem Bauch voran auf eine tiefer hängende Verzweigung aufschlug. Seine Zähne schlugen durch die Wucht aufeinander und erwischten die Seite seiner Zunge. Sein Mund begann nach Eisen zu schmecken. Er versuchte sich hochzuziehen und in eine sichere Position zu bringen, aber die trockenen Moose und Flechten boten ihm keinen Halt.

    „Lass los! Ich fange dich!“

    Das Fleisch unter seinen Fingernägeln brannte. Er konnte sich nicht länger festkrallen, aber er sah den Boden nicht und wusste nicht, wie lang der Weg nach unten war. Dennoch fand er den Mut, seinen Griff zu lockern und seine Finger langsam abrutschen zu lassen.

    Eichenblätter streiften sein Gesicht und vertrocknete Eicheln taumelten mit ihm nach unten, aber Phillipe fing ihn auf. Der Jäger mit den breiten Schultern wankte und musste seinen Stand nachbessern, um das Gewicht zu tragen, aber er blieb stehen. Sein Freund legte ihn an einer Stelle ab, die besonders dick mit toten Blättern gepolstert war.

    „Du Idiot! Hast du dir was gebrochen?“ Seine Bernstein-Augen waren weit aufgerissen und suchten ihn panisch nach Verletzungen ab. Für einen Augenblick war er selbst unsicher, ob er die Kletterpartie unbeschadet überstanden hatte. Er zog seine Beine an, zuerst das Rechte, dann das Linke, bewegte seine Arme und alle Finger. Als sich nirgendwo Schmerz einstellte, stand er auf und klopfte das Laub von sich.

    „Ich bin nicht aus Porzellan gemacht.“ Stellte er klar und übergab Phillipe die Hohltaube. „Ist noch genug Zeit, um Pilze zu sammeln?“

    Phillipe starrte ungläubig auf den toten Vogel und schüttelte den Kopf. „Ich hätte dich fallenlassen sollen.“ Er rief Brun zurück und sie machten sich auf den Rückweg. Sie sprachen nicht viel, obwohl Lafayett beharrlich versuchte, ihm eine Unterhaltung über Polo abzuringen. Sie ließen die Lichtung und die gespaltene Eiche hinter sich, aber der erfahrene Jäger drängte dieses Mal viel weiter nach Westen, sodass sie nicht zur Hauptstraße zurückkehren würden.

    Der trockene Untergrund spie mehr und mehr Felsen aus. Dichte Weißdornsträucher versperrten die Sicht, sodass sie die gigantische Höhle erst sahen, als sie kurz davor zum Stehen kamen. Ein Loch klaffte im Hügel vor ihnen, wie das Maul eines Fisches, dutzende Meter breit und hoch genug, um eine Kutsche hindurchzufahren. Lange Tropfsteine schmückten die Decke, unanfechtbare Zeichen ihres Alters. Lafayetts Mund stand offen.

    „Warte ab, bis du die Statuen drinnen siehst.“ Kühle, feuchte Luft aus dem Inneren wehte über sie hinweg. Phillipe packte sein Handgelenk und zog ihn über die Schwelle des dunklen Schlunds. Das schwindende Tageslicht erreichte gerade noch so die Konturen einer runden Steinplatte. Ein Altar, aus einem Stück aus dem Felsen gehauen, hatte seinen Platz in der Mitte, umringt von drei steinernen Tierbildnissen.

    Das erste hatte eine lange Schnauze und fletschte seine scharfen Zähne. Unter seinen vier Pfoten lagen stilisierte Darstellungen von Bäumen, Weidevieh und Menschen, die mit verdrehten Körpern da lagen, niedergedrückt von seinen Klauen. Ein Wolf-Geist oder eine andere zerstörerische Wesenheit in dieser Form, die im Begriff war, die Welt zu fressen. Lafayett fegte über das Relief und wischte Staub, beiseite, um mehr Details offen zu legen. Knapp über dem Sockel kniete eine weibliche Figur neben ihrem zerborstenen Speer und betete, unfähig, das Monster zu zähmen oder gar zu stoppen. Die Ehrfurcht, oder vielmehr Furcht des Künstlers war spürbar. Sie erfüllte diesen Ort und verweilte in der Finsternis wie ein eingefrorener Gedanke.

    Die zweite Statue bestand zu fast einem Drittel aus spitzen Ohren und hatte einen Körper der von ledernen Schwingen umschlungen war; eine riesige Fledermaus, die auf ein Dorf mit Rieddächern herabsah. Speichel tropfte aus ihrem Schlund. Nein, es war kein Speichel und die Flüssigkeit tropfte nicht, die Art und Weise, wie der Strom gestaltet war, machte das klar. Die eingemeißelten Fontänen flossen aufwärts, von der Stadt aus nach oben und vereinten sich auf der Zunge des Monsters.

    „Was ist das!?“ Murmelte er und verengte die Augen. Er wendete sich hastig um und fand sich gegenüber dem dritten Stein. Eine monströse Ratte stützte ihre Vorderbeine auf einem Knochenhaufen ab. Sie hielt einen Schädel zwischen ihren Nagerzähnen. Die Kreatur, was auch immer sie war, fraß die Toten in einem Massengrab.

    „Pricilla würde das lieben!“ stellte Lafayett fest und zog sich dennoch langsam vom Höhleneingang zurück. Das Tageslicht schwand. Sie mussten umkehren oder sie riskierten, sich hoffnungslos zu verirren. Phillipe ging um den runden Altar herum und deutete ihm zu folgen. Der große Mann mit dem nordfranzösischen Akzent kniete sich hin und befreite eine polierte Tafel von Tannennadeln und Blättern. Auf dem dunklen Stein waren Worte eingraviert. Lafayett konnte sie als Latein erkennen, aber nicht übersetzen. Aber sein Freund half ihm aus.

    „Mit dem Herz des unreinen Tieres verwehre ich dir deinen Frieden, mit meiner Stimme, schwach vor Trauer, verkünde ich dein neues Schicksal. Verfeindet mit der Welt entsende ich meine Rache und meinen Fluch. Erhebe dich und diene meinem Willen.“

    Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich glaube zumindest, dass es sich so liest.“

    „Weiß die Kirche, dass das hier ist?“ fragte Lafayett mit wachsendem Entsetzen. Die verwitterten Worte auf der Steintafel in Verbindung mit dem runden Altar in der Mitte des Kreises machten das alles zu echt für ihn. Kultisten und dunkle Rituale in Büchern waren eine Sache, der Schauplatz von tatsächlichen Menschenopfern eine andere.

    „Warum fragst du? Willst du petzen gehen? Dann machen die, dass alles hier kaputt, obwohl es schon lange verlassen ist.

    Lafayett rieb sich über seine inzwischen kalten Oberarme und begann sich bewusst deutlich nach dem Rückweg umzusehen. Du hast vermutlich Recht.“ Murrte er. Sollte die Wildnis das alles doch selbst beseitigen und die Relikte dunklerer Zeiten unter Bärlauch und Brombeerranken begraben.

    Ich poste mal weiter. Ruft einfach stopp, wenn es euch zu schnell geht, ja? Das nächste Stück handelt von Laffayett und Phillipe. Es ist nicht so als ob ich Romanzen und Flirt-Dialoge überhaupt nicht schreiben kann, aber sowas fällt mir besonders schwer, weil es mir weniger Spaß macht als Horror.

    Ich habe den Verdacht, dass hier das Pacing zu langsam sein könnte oder dass es vielleicht zu kitschig ist. Eventuell habe ich mich ich diesem und dem Teil der danach kommt auch ein bisschen mit dem Foreshadowing hinreißen lassen. Dazu wären eure Meinungen besonders nützlich.

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    „Schau! Ist der nicht schön?“

    In Phillipes Hand kreiste ein Rosenkäfer, dessen grüner Panzer in der Sonne funkelte wie ein Edelstein. Das Insekt hatte stachelige Beine und einen grauen Pelz auf seiner Unterseite. Die Fühler und Mandibeln zuckten erratisch, als er versuchte höher zu klettern, aber er drehte und wendete seine Finger immer so, dass es ihm nicht gelang, einen hoch gelegenen Abflugpunkt zu erreichen. Zu Lafayetts Entsetzen nahm er den Käfer zwischen Daumen und Zeigefinger auf und versuchte, das grässliche Ding auf seinen Handrücken zu setzen.

    „Vergiss es! Ich fass das nicht an.“ Er zog seine Hand weg, als hätte sein Arm bis eben unter dem Fallbeil einer Guillotine gelegen.

    „Du Weichei! Hast du Angst, dass er dich beißt?“ Phillipe kniete sich hin und entließ das Geschöpf zurück in den moosbedeckten Baum, auf dem er es erspäht hatte.

    Die Mittagssonne sickerte durch das Blätterdach und tupfte den Waldboden mit hellen Flecken. Das Gelände im Wald von Arvendorn war außerhalb von ein paar wenigen befestigten Wegen zu uneben zum Reiten, und seine Eschen und Eichen, verdreht und ungleichmäßig wie sie waren, eigneten sich nicht mehr für die automatisierten Sägewerke in der Umgebung. Dieser Wald war älter als auch nur das Konzept einer Siedlung, grundlegend abnormal, chaotisch und wild. Und Lafayett hasste ihn dafür.

    Er folgte Philipe und dieser behauptete, wiederum einem Trampelpfad zu folgen, der für ihn aber nur wie mehr stacheliges Unterholz aussah. Kein Schritt war verlässlich. Mal trat er auf einen Ast und musste seine Balance wiederfinden, ein andermal knirschten trockene Tannenzapfen und ständig scheuchte er Mäuse und Eidechsen auf, die zwischen den Farnen verschwanden und durch den Schreck jedes Mal einen kleinen Teil seiner Lebenserwartung mitnahmen.

    Bärlauch-Pflanzen entfalteten ihre sternenförmigen, weißen Blüten soweit man sehen konnte, und er war sich ziemlich sicher, dass er auch eine ganze Weile nichts anderes riechen würde als das. Als die Hitze kurz darauf ihren Höhepunkt erreicht hatte, erhoben sich zwischen den verschlungenen Wurzeln und Sträuchern Millionen von geflügelten Ameisen für ihren Hochzeitsflug, wie ein korrumpierter Schneesturm, dessen Flocken aufwärts drifteten, anstatt zur Erde zu fallen.


    In stiller Gelassenheit schritt Phillipe voran, eine Schrotflinte ruhte auf seiner breiten Schulter. Brun, ein weißer Boubonaiser-Hund mit nussbraunen Tupfen, wich ihm nicht von der Seite; Buchstäblich geboren, um bei der Jagd zu helfen.

    „Was jagen wir, eigentlich?“ fragte Lafayett nach einer Weile. „Sag es mir, dann kann ich auch Ausschau danach halten.“ Sein Begleiter verlangsamte sein Tempo und drehte sich zu ihm. Seine Mine und Körpersprache wirkten dabei unendlich friedvoll, der Waffe und ihrem Anliegen zum Trotz.

    Er zog ein Päckchen Patronen aus seiner Brusttasche und hielt es hoch, zweieinhalb Millimeter. Konnte man anhand der Munition erraten, was er schießen wollte? Panik stieg langsam in ihm auf. Er hatte ihm an diesem Morgen erzählt, wie gerne er einmal wieder einen Jagdausflug machen würde. Das er aber Clairval und Oliver weder mit Betteln noch Bestechung dazu bringen könne. Die wenigen Fachbegriffe wie „Trittsiegel“ und „Kirrung“ die er aus einem Buch aufgeschnappt hatte, waren bis hierher ausreichend gewesen, um einen Freizeitjäger vorzutäuschen, aber nun geriet er zum ersten Mal ins Stocken.

    „Tauben?“ riet er mutig. Sein Freund nickte und er musste sich zusammenreißen, den Atemzug, den er übersprungen hatte, nicht nachzuholen. Er machte ein paar größere Schritte, um die Distanz zwischen ihnen zu schließen und wieder knirschten diverse Nüsse und Schalen unter dem Gewicht seiner Stifel.

    „Wenn wir eine kriegen, mache ich uns Pigeonneaux au Vin Rouge“ verkündete Phillipe. „Wenn du die probiert hast, wie ich sie mache, wirst du nie wieder in einem Restaurant essen wollen, Blondie“

    „Hör auf, mich so zu nennen!“ Eine Ameisendrohne landete auf seinem Nasenrücken, als er gerade Luft holen wollte, wodurch der Satz hoch, kindisch und weinerlich klang. Er schnippte das Insekt weg.

    „Ich zweifle außerdem an der Existenz von Menschen, die Bärlauch mögen. Wie wäre es mit Pilzen? Steinpilze haben Saison, oder?“ Er wusste sehr genau, dass es so war. Das Lexikon, das er überflogen hatte, nannte sogar die häufigsten Fundorte. Er klopfte seitlich auf seine Umhängetasche. „Wir holen Sie auf dem Rückweg. Dann müssen wir uns keine Sorgen machen, das sie unterwegs kaputt gehen.“

    „Klingt nach einem guten Plan.“ Phillipes Stimme klang enthusiastisch, aber Lafayett erkannte allmählich die Schwächen in seiner Strategie. Es war unwahrscheinlich, dass er eines Morgens aufwachte und Ausflüge wie diesen tatsächlich mochte, aber wenn er zugab, dass er nicht hier sein wollte, würde sein wunderschöner, galanter Jägersmann sicher nach einem anderen Partner suchen und er würde nie wissen, worüber sie sprachen, wenn er nicht dabei war. Es musste einen Grund geben, warum Leute all die Unannehmlichkeiten der Natur hinnahmen: Irgendetwas, das die Mühe wert war.

    Phillipe und Brun blieben plötzlich stehen. Er selbst war so konzentriert darauf gewesen, nicht zu stolpern, dass er die ganze Zeit kaum aufgesehen hatte. Er folgte dem Blick seines Begleiters über eine Lichtung und hinunter in einen ausgetrockneten Bachlauf. Für eine Weile war dort Nichts. Dann bewegte sich plötzlich etwas und eine schwarz-weiße Form löste sich vom Hintergrund.

    Ein majestätischer Graureiher schritt langsam durch den Schlamm und pickte Stichlinge und Molche aus den verbliebenen Pfützen. Aber diese Aura der Eleganz hielt nicht an. Ein Fisch schlüpfte aus seinem Schnabel und purzelte seinen Rücken herunter, während er wieder und wieder danach schnappte. Seine Beute landete auf der Moosdecke neben ihm und machte kleine Hüpfer Richtung Wasser, während der Vogel ihn wieder und wieder knapp verfehlte. Schließlich entkam ihm der schuppige Gegner mit einem Platschen zurück in seine Pfütze. Es war so anders als der Reiher in dem Ölgemälde, lustig und nachvollziehbar, wie ein Kind das zum ersten Mal mit Besteck isst.

    „Ardea cinerea“, erklärte Philippe. Ein Graureiher. Die Dinger sind stinkend faul. Die fischen immer da, wo es am einfachsten ist. Deswegen hatten wir in unserem alten Garten einen Teich, aber nie einen Fischteich.“ Er lächelte so sehr, dass er fürchtete, sein Gesicht könnte dauerhaft so bleiben.

    Sie blieben noch viele Male stehen. Phillipe stellte ihm mit einer Fülle von Anekdoten noch dutzende Vögel und Kriechtiere vor, so wie man einer Gruppe Arbeitskollegen, die man seit Jahren kannte, einen Neuzugang vorstellte. Da waren `Salamandra salamandra` der Feuersalamander, der Erzfeind von Brun, an dem er sich als Welpe das Maul verätzt hatte, und „Andricus coriarius“ eine Gallwespenart, welche die preisgekrönten Rosen seiner Mutter zu ihrer Kinderstube gemacht hatten. Aber die De`Pont Familie hatte nicht nur Niederlagen hinnehmen müssen. Da waren vererbte Rezepte für Hagebutten-Marmelade, buttermilchgebeizten Rehrücken und Taubenbrust, Phillips ganzer Stolz. Es erstaunte ihn, wie eloquent und redselig der große Kerl sein konnte, sobald er über etwas sprach, das er liebte. Das Angebot einer selbstgekochten Mahlzeit erschien ihm plötzlich viel persönlicher und bedeutsamer, weil Phillipe so viel von sich selbst in den Akt des Jagens und Kochens steckte. Sein Herz machte einen tollpatschigen Hüpfer, als er darüber nachdachte. Vielleicht war das hier alles nicht so hoffnungslos, wie er dachte.

    „Hey, Phillipe. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, das du aus Paris kommst. Ist das wahr?“

    Eben noch lächelnd und unendlich gesprächig, blieb er abrupt stehen und anders als zuvor drehte er sich nicht um. Sein Jagdhund spürte die Anspannung und blieb mit steifem Rücken und erhobener Rute neben seinem Herren stehen. Der nordfranzösische Akzent wurde stärker und all die Freude und Freundlichkeit in seiner Stimme erstarben von einem Atemzug zum nächsten.

    „Sag deinem Vögelchen, es soll den Schnabel halten! Das ist weder sein Belang noch deiner.“


    Die harschen Worte trafen ihn wie eine Kugel und trieben einen kalten Schauer seinen Rücken hinunter. War er zu weit gegangen? Phillipe war stehen geblieben, bewegte keinen Muskel und sprach nicht weiter.

    „Du hast Recht. Es tut mir leid“ sagte er, aber meinte keines von beidem. Wie hätte er denn ahnen sollen, dass das Thema derart tabu war? Eigentlich sollte er eine Entschuldigung erwarten, so grundlos angebrüllt zu werden.

    Seine Neugier flammte auf wie Zunder, der nur auf einen Funken gewartet hatte, um in Flammen aufzugehen. Vielleicht waren seine Lungen zu schwach für die verschmutzte Luft in der Großstadt. Nein. Das konnte es nicht sein. Es gab designierte Luftkurorte in der Nähe und ein Tuberkulose-Kranker konnte sich sportlich nicht auf diesem Niveau betätigen. Hatte er jemanden umgebracht? Vielleicht war während eines Duells etwas schiefgelaufen.

    Phillipes Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Du kommst doch von hier, oder? Kennst du eine Stelle, an der es Tauben oder Fasane gibt? Wenn es zu dunkel wird, müssen wir mit leeren Händen zurück.“

    Er entschied, das großzügige Friedensangebot zu akzeptieren und ihn das Thema wechseln zu lassen.

    „Ein Stück von hier ist eine abgebrannte Papiermühle. Da sitzen fast immer welche.“ Er hatte keine Ahnung, ob es stimmte oder nicht, aber im schlimmsten Fall würden sie eben keine Beute machen und er würde nicht mit ansehen müssen, wie die zarten Vögel niedergeschossen wurden.

    „Ich hatte als Kind immer Angst, mich zu weit vom Waldrand zu entfernen.“ Gab er zu. „Unsere Mutter hat meiner Schwester und mir immer Geschichten davon erzählt, dass im Wald von Arvendorn Hexenzirkel leben, die kleine Kinder verschleppen.“

    Die nächsten Worte, die er hörte, zogen die Farbe aus seinem Gesicht und gaben seinen Alpträumen neue Munition.

    „Sie hat nicht völlig Unrecht.“

    Phillipe hielt einen niedrig hängenden Buchen-Ast aus dem Weg, sodass Lafayett darunter hindurch schlüpfen konnte, weigerte sich aber zunächst, seiner Aussage eine Erklärung hinzuzufügen.

    „Weißt du was, dass ich nicht weiß?“

    „So einiges, Blondie, zum Beispiel dass es hier einen druidischen Steinkreis gibt. Brun hat ihn entdeckt, als wir einen Rehbock verfolgt haben. Er ist natürlich schon lange verlassen, aber wenn du dich traust, zeige ich ihn dir.“

    „Natürlich traue ich mich. Aber opfern kannst du mich nicht. Ich bin getauft“, scherzte er, mehr, um sein angekratztes Ego zu beruhigen, als Phillipe zu unterhalten.

    „Ach ja?“ Das wunderschöne Wesen begann verspielt, in engen Kreisen um ihn herum zu schleichen. „Das ist doch wirklich kein Hindernis für einen entschlossenen Kultisten wie mich. Ich könnte dich einfach fesseln und dich hungern lassen, bis du dich von deinem Gott lossagst.“ Lafayett konnte hören, wie er versuchte, mit Ersthaftigkeit zu sprechen, es sich aber nicht eine Sekunde verkneifen konnte, breit zu grinsen.

    „Ist das so? Und was bekämst du vom Teufel für meine verdammte Seele?“

    „Ich weiß nicht. Reichtum? Macht? Unsterblichkeit? Eine fette Taube vielleicht?“

    Brun blieb wie versteinert stehen und streckte Kopf, Rücken und Schweif zu einer Linie. Sie folgten der Nase des Hundes zu einer jungen Fichte und dort auf einem Ast, vielleicht drei Meter über ihren Köpfen, hockten zwei graue Vögel, ein Hohltauben-Pärchen.

    Rainbow

    Zitat

    So ganz verstanden habe ich das nicht. Meint er damit, weil dort Vampire ein und ausgehen? Weil es dort einen verbotenen hinteren Teil gibt? Der vordere Teil ist ja, soweit ich das sehe schon eine normale Bar.

    Ich weiß auch nicht mehr was ich mir dabei gedacht habe. Bars sind legal zu der Zeit. Ich nehme das wohl einfach ersatzlos raus. Danke sehr.

    Zitat

    Das allerdings zerstört für mich ein bisschen dieses herrlich verruchte Bild, das du zuvor gezeichnet hast. Er soll tatsächlich einen "Witz vortragen"?

    Es sollte ein Witz sein um zu zeigen das Cedrik von dem „fröhlichen Zusammensein“ anderer Vampire ausgeschlossen ist, weil er den Ruf hat kalt und grausam zu sein. Er wollte den wirklich gerne hören und redet sich selbst ein es wäre nicht so. Ich arbeite nochmal dran.

    Zitat

    einer Frau, die erwartete, dass andere die Waffen trugen, die für sie bestimmt waren.

    was meinst du damit? Verstehe ich nicht so ganz.

    Cedriks Aufgabe als Meister der Waffen ist die Verteidigung der Stadt, unter anderem das Kampftraining der Neulinge. Es nervt ihn das sie hübsch ist und nicht nützlich.

    Zitat

    Ich weiß nicht warum. Natürlich ist schon klar, dass Vampire Fangzähne haben, von denen für gewöhnlich ja auch eine gewisse Faszination ausgehen. Aber derartige Beschreibungen, bei denen ich mir vorstellen soll, wie eine Vampirin mit ausgefahrenen Zähnen spricht...also undeutlich usw., die entzaubern für mich irgendwie das Ganze. Ich hätte jetzt irgendwie die Erwartung, dass die Zähne nicht ein derartiges handicap beim Sprechen sein sollten...das wirkt auf mich irgendwie unsexy :rofl:Aber auch das ist wahrscheinlich wieder ein bisschen Geschzmacksache.

    Zitat

    Ich denke nur ein Problem mit der Zunge oder dem Gaumen könnte zu einer undeutlichen Aussprache führen. Die Zähne ... kann ich mir nicht vorstellen?

    Ich habe früher oft bei „Vampire die Maskerade“ Larps (Live Aktion Rollplay) mitgespielt. Die meisten Leute konnten schon mit 1cm Plastik-Zähnchen nicht mehr richtig sprechen und haben die irgendwann einfach rausgenommen, wenn nicht gerade gekämpft wurde. Die Zähne von Rankental-Vampiren sind kanonisch so lang wie eine Fingerkuppe. Die würden garantiert nicht mehr deutlich sprechen. Das kann ich natürlich wegerklären und zum Beispiel erklären das die daran gewöhnt sind, aber ich fand die symbolische Wirkung, die das während den Larps hatte toll. Wenn die Zähne draußen sind, dann ist die Verhandlung vorbei und das Gemetzel geht los. Das mag vielleicht ein wenig „unsexy“ sein, aber Vampirismus ist ein Fluch kein Segen. Die Zähne sollen eine Last sein.

    Kirisha

    Zitat

    Die Diskussion mit Andrea leuchtet mir noch nicht richtig ein. Cedric will sie zwingen zu gehen und droht damit die Leute im Saal umzubringen. Aber: Andrea gehorcht nicht. Und er macht seine Drohung auch nicht wahr. Stattdessen wird er von dem Flederling abgelenkt und diskutiert dann über das Haus Sures weiter und Andrea ist vergessen. Habe ich da etwas nicht richtig verstanden oder ist die Diskussion mit Andrea wirklich einfach versandet? Das würde ich anders lösen.

    Ja. Ich verstehe was du meinst. Ich hatte das vorher so das er dem Typen mit dem gebleichten Haar den Hals bricht, aber das hätte Anna herzlos wirken lassen, wenn sie anschließend freundlich mit ihm redet. Die Drohung das er die Brut von Anna umbringt ist derzeit als ein Bluff vorgesehen. Er kann das physisch tun, aber das würde ihn das Bündnis mit Anna kosten, und Andrea durschaut das. Ich arbeite nochmal dran. Danke.

    Rainbow

    Zitat

    Zitat von Feron

    Spielten seine Augen ihm Streiche? Er studierte sein Gesicht, während der Knabe sich nach Kräften wehrte und schrie.

    Der Bezug ist hier beim zweiten "sich" nicht ganz klar. Du meinst logischerweise den Jungen. Das könntest du an der Stelle dann auch nochmal schreiben.

    Du hast wahrscheinlich Recht. Mir war das nicht so klar, weil ich ja automatisch immer weiß wer redet. Das kann man sicher deutlicher ausdrücken. Es kommt auf die Liste.

    Zitat

    Hier habe ich mich kurz gefragt, ob Lafayett so weich ist, dass er zittert und Tränen in den Augen hat. (Okay, vielleicht ist das auch nur die krasse Raubtierwahrnehmung von Cedrik, der sein Opfer ja eingehend studiert)

    Die Szene war ursprünglich aus Lafayetts Sicht, aber ich wollte seine Kapitel besser gegen die von Cedrik balancieren. Das mit dem Zittern ist noch aus dem ersten Entwurf übrig. Ich werde das subtiler machen.

    Kirisha

    Zitat

    Ich schätze die heile Welt von Lafayett wird in Kürze zerbrechen und er kann froh sein wenn er sein Leben rettet.

    Ein paar Seiten kommen schon noch aber das ist zumindest der Anfang vom Ende.

    LittleOwlbear

    Zitat

    Andererseits zeigt sie ein paar mitfühlende, nonverbale Gesten, doch sie verbirgt etwas vor ihm und will das Gespräch wohl schnellstmöglichst abschließen? Zuerst will sie Details erfahren, dann wird's recht schnell abgehakt?

    Das sie hier verdächtig rüber kommt ist eigentlich keine Absicht. Mir fällt es bei langen Dialogen immer schwer den leeren Raum zwischen der wörtlichen Rede zu füllen und ich wollte schneller zum Ende kommen. Vielleicht füge ich noch ein paar Sätze an in denen sie Desinfektionsmittel auf die Wunde tupft oder sowas.

    Vielen Dank. Hier geht es weiter, da ihr alle so schnell lest:

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    Cedric zog sich langsam zurück. Dies würde Anna und Leander sicher brennend interessieren. Er übersprang den Zaun an einer anderen Stelle, um dem Knoblauchbeet nicht zu nahe zu kommen, und nahm den gleichen Weg zurück, den er gekommen war, nur dass er am Marktplatz nach rechts abbog und nicht nach links.

    Das Stadtzentrum war enger geworden. Im vergangenen Jahrhundert hatten mehr und mehr Menschen Rankental zu ihrem Zuhause gemacht. Viele waren hier geboren, andere hatten die freien Arbeitsplätze in den Fabriken angelockt, aber alle brauchten Raum für sich und ihre Familien. Die steigenden Grundstückspreise hatten die ehemals prächtigen Gärten nacheinander weggefressen. Effizienz war wichtiger als Schönheit und vermietbarer Wohnraum brachte viel Geld.

    Cédric kehrte zu seiner menschlichen Gestalt zurück und verschwand in den Schatten unter einer Straßenunterführung. An einem Ort, der nur als `Rue Courte`, die kurze Gasse bekannt war, lag eine Bar, die keine sein durfte. Tanzmusik dröhnte lauter, je näher er der schäbigen Holztür kam, mit harschen Noten aus den Saiten einer viel zu zwanglosen Violine. Er klopfte an und wartete, bis jemand von innen das kleine Holzfenster aufschob. Das Augenpaar, das ihn ansah, war blutunterlaufen und bereits jetzt genervt von dem Aufwand, sich mit dem ungeladenen Gast beschäftigen zu müssen.

    „Hier für die Musik?“, verlangte die grimmige Stimme des Türstehers zu wissen.

    Er seufzte und hoffte, dass Anna das Passwort seit seinem letzten Besuch nicht geändert hatte. Die Diener anderer Vampire zu verletzen wäre unhöflich gewesen. „Sie muss nicht perfekt sein. Sie muss nur sein.“ Murmelte er und das Schloss klickte. „Vorsicht auf den Stufen. Das Geländer ist kaputt.“ Fügte Annas Wächter an und hielt Cedric die Tür in den umgebauten Weinkeller auf. Er blieb am oberen Ende der Treppe stehen und ließ seinen Blick über den Gastraum streifen.

    Fünf riesige Bögen aus Backstein hielten die Decke und die beiden sanft schimmernden Kristall-Kronleuchter. Auf den verzierten Messingarmen saßen so viele Kerzen, dass es über eine halbe Stunde dauerte, sie alle anzuzünden, aber er stimmte zu, dass es den Anblick mehr als wert war. Annas gutbetuchte Gäste tummelten sich an der Bar, den runden Tafeln mit ihren ikonischen violetten Tischdecken und den Kartenspieltischen. Männer und Frauen in verschiedenen Stadien von Trunkenheit saßen zusammen, als wäre es das Normalste auf der Welt. An einem der Ecktische saß der Polizeipräsident mit einer Dame in einem schwarzen Kleid, die nicht seine Frau war, an einem anderen ein Arzt, dessen Opium-Rezepte besonders locker saßen.

    Auf der großen Bühne gegenüber dem Eingang spielte ein Violinist in einem mit Pailletten bestickten, schwarzen Anzug. Einige der Passagen seines Liedes waren sanft und leise wie ein Flüstern, während andere voller Wildheit und Leidenschaft von den Saiten sprangen. Er erwischte sich selbst dabei, wie er für den besseren Teil einer Minute zugehört hatte, anstatt sich weiter nach Anna umzusehen. Der Gedanke allein nervte ihn. Er teilte ihr Interesse an Kunst, aber im Vergleich zu ihr hatte er seine Prioritäten geordnet, oder wollte zumindest, dass es so war. Niemals hätte er Sterbliche in seine Zuflucht gelockt und niemals hätte er auch nur einen Fuß auf eine Bühne gesetzt. Verborgenheit bedeutete Überleben. Man konnte Künstler fördern, die einem gefielen, und ihnen heimlich Geld zukommen lassen, aber seinesgleichen konnte niemals selbst ein Musiker, Sänger oder Tänzer sein. Zu viel Licht, zu viele Augen und zu vielen Zungen, die still gehalten werden mussten.

    Sein Geruchssinn war noch immer betäubt von dem stechenden Knoblauch, aber das Aroma der alten Eichenfässer vergangener Jahrzehnte hing hartnäckig zwischen den alten Steinen, überdeckt von künstlichem Lavendel und Zitrusnoten von einer parfümierten Kerze auf dem Tresen, ihrer Lieblingssorte.

    Die eigentliche Zuflucht lag verborgen hinter dem überfüllten Schankraum. Cedric wich dem Schankwirt mit der violetten Schürze aus und öffnete die Tür auf der Rückseite der Bar. Der dickliche, tätowierte Mann öffnete den Mund, um ihn nach Waffen zu fragen, aber er war nicht schnell genug. Der alte Vampir verschwand im Flur, ohne sich durchsuchen zu lassen.

    Hinter einer Doppeltür auf der rechten Seite erstreckte sich ein fensterloser Aufenthaltsraum mit dicken, olivgrünen Teppichen und Möbeln aus Walnussholz, mit klarem Lack, der die natürliche Holzmaserung durchscheinen ließ. Impressionistische Gemälde von Balletttänzerinnen und Anglern an friedlichen Seen zierten jeden Quadratmeter der hohen Wände.

    Eine Gruppe junger Vampire rekelte sich auf der geschmackvollen Sofagarnitur oder auf Kissen am Boden, Männer und Frauen zusammen. Duftender Qualm stieg aus mehreren Wasserpfeifen auf und sammelte sich unter der Decke. Viele von ihnen nagten auf Knochen herum. Das Mark im Inneren dämpfte das Verlangen nach Blut und machte die Zeit zwischen einem Biss und dem nächsten angenehmer. Es war Annas Brut, die sich hier über die Jahre angesammelt hatte. Kaum einer von ihnen erschien älter als zwanzig Jahre. Ihre Herrin war wählerisch, wenn auch nach völlig falschen Maßstäben. Sie alle besaßen atemberaubende, jugendliche Schönheit oder ein Talent für Kunst und Musik, das sie einfach nicht sterben lassen konnte. Sie musste sie besitzen. Wie die Bilder und Violinen, auf denen sie spielte.

    Einer der Knaben stand auf und trug offenbar einen Witz vor. Der Rest von ihnen lauschte aufmerksam, aber Cedrik würde die Pointe niemals hören. In dem Moment, als der Wölfling einen Fuß über die Schwelle setzte, verstummten diese Hallen und Lachen und Frohsinn würden nicht zurückkehren, bis er dieser Zuflucht den Rücken kehrte. Der Witz war wahrscheinlich sowieso geschmacklos gewesen. Seine Augen streiften über die am Boden hockenden Neulinge und blieben auf Andrea, haften, die zunächst nur mit verengten Augen zu ihm aufsah.

    „Andrea, Ich verstehe, dass du wütend auf mich bist“ begann Cedrik. „Aber du wirst ab jetzt wieder zuhause wütend sein. Kehre unverzüglich zur Zuflucht zurück und warte dort auf mich.“

    Andrea raffte den Saum eines brandneuen roten und goldenen Abendkleides zusammen und stand auf. Sie trug ihr dunkles, gelocktes Haar nicht nur offen, sondern verziert mit Seidenblumen und noch mehr Gold, die Garderobe einer Frau, die erwartete, dass andere die Waffen trugen, die für sie bestimmt waren. Ihre dunklen Lippen kräuselten sich und sie zeigte ihm ihre blitzenden, weißen Fänge.

    „Fahr zur Hölle, Cedrik!“ Brüllte sie aus vollem Hals. Ihre neuen Freunde eilten schützend an ihre Seite, knurrten und ließen ihre Krallen spielen. Er wusste, dass sie versuchten, ihn einzuschüchtern, aber er lachte innerlich über den Versuch. Der alte Wolfling wandte seinen Blick kurz von Andrea ab und ließ ihn gelassen über die Menge schweifen. „Bitte verstehen Sie, dass Sie zu Schaden kommen werden, wenn Sie Hand an mich anlegen.“ Stellte er klar.

    Der Flederling, dessen Vortrag er unterbrochen hatte, trat vor und drängte sich zwischen ihn und seine Schülerin. Der Knabe hatte kurzes, gebleichtes Haar und trug einen Kragen aus silbernem Fuchsfell. Seine Dekadenz ließ Cedrik wünschen, er könnte sich noch immer übergeben.

    „Waffenmeister, die Herrin besteht darauf, dass Mademoiselle Andrea hier bleibt, bis es ihr beliebt zu gehen. Wir werden sie verteidigen.“ Cedrik ignorierte ihn und machte einen Schritt zur Seite, um wieder Blickkontakt zu Andrea zu haben.

    „Andrea, Liebes. Deine Gastgeberin legt sehr großen Wert auf ihre Einrichtung und ich würde sehr ungerne die Eingeweide ihrer Haustiere auf dem Parkett verteilen. Könnte es dir also jetzt bitte `belieben zu gehen` ?

    Sie machte einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. Er verdrehte die Augen. „Du kennst die Regeln, Andrea! Deine Eltern hätten überlebt, wenn du getan hättest, was dir befohlen wurde.“

    „Nein!“ fauchte sie. Ihre Augen schienen zu funkeln. „Du hättest sie zu deinen Dienern machen können, hättest sie bestechen oder bedrohen können unser Geheimnis zu bewahren. Es gab hunderte Wege, sie zu verschonen. Du bist einfach nur zu grausam, sie zu sehen.“

    „Wir werden diese Diskussion nicht nochmal führen.“ Cedrik fasste an seine linke Schulter. Er trug dort eine Narbe, nicht auf seiner Haut, aber in seiner Erinnerung. Für einen Moment versuchte seine Nase wieder, ihn davon zu überzeugen, dass er brennendes Fleisch roch. „Der Schleier muss um jeden Preis geschützt werden! Die Menschen konnten es schon nicht ertragen, alle paar Monate ein Kalb oder ein Schaf an Wölfe zu verlieren. Was denkst du, würde passieren, wenn sie von uns erfahren?“

    Der Flederling mit dem gebleichten Haar mischte sich ein. „Euch kümmern weder Vampire, noch Menschen, geschweige denn die wilden Tiere. Wir könnten Frieden mit Haus Sures haben, wenn ihr nicht wärt!“

    „Ja. Ich schätze, Rankental wäre sehr friedlich, wenn wir alle Staub sind.“ Sprach er und bog nach rechts ab. Er folgte dem roten Teppich, dorthin, wo die Hausherrin ihr Arbeitszimmer hatte. An Stelle von Tapete bedeckten tausende lebensechte Blumen die Wände, gemalt mit Sensibilität, Präzession und ihrem einzigarten Hauch von Wahnsinn. Sie hatte das beste Gehör unter allen Federlingen und Ohren, so sensibel, dass sie mühelos erkennen konnte, welche Ziegeln locker saßen, allein vom Prasseln der Regentropfen auf den Dächern. Es war nicht nötig, sich anzukündigen. Er näherte sich der Tür und sie öffnete ohne Verzögerung.

    „Bitte komm herein. Verzeih die Unordnung.“ Sie deutete mit einer Handgeste in ihr weitläufiges Büro. Cèdric roch Ruß und Schellack an ihren Händen, aber auch an ihrer Stirn. Sie kauerte schon so lange über ihren Notenblättern, dass sich die aufsteigenden Dämpfe der Tinte in ihren Augenbrauen festgesetzt hatten. Er war sich fast sicher, dass sie heute Nacht noch nicht auf der Jagd gewesen war. Ihre Musik war wichtiger. Sie war eingehüllt in ein türkisfarbenes, hochgeschlossenes Kleid, aus ihrer eigenen Zeit, zwei Jahrhunderte bevor das Fundament dieses Hauses gelegt worden war. Ihr Haar wirkte dunkelbraun, aber wenn sie sich einer Kerze zuwandte und alle Schatten für einen Moment hinter sie fielen, konnte man sehen, dass es zugleich einen dezenten Rotstich hatte. Ihre Locken, tanzten bei jeder Bewegung verlockend an ihrem Hals und ihrem Schlüsselbein entlang. Er mochte und fürchtete sie, war eifersüchtig und hatte Mitleid, alles auf einmal.

    „Ich störe, nicht wahr?“ Fragte er vorsichtig, obwohl er die Antwort kannte. Selbst wenn sie sich zu einem festen Termin überreden ließ, konnte man ihr immer ansehen, dass sie die Nacht, die sie dafür hergegeben hatte, lieber damit verbracht hätte, an ihren Sonaten zu schreiben.

    Eine große Sammlung von Glasvitrinen nahm beide Seiten des Zimmers ein. Im Inneren hatten Geigen ihre letzte Ruhestätte. Ihre Instrumente waren wie enge Freunde für sie, und sie brachte es nicht übers Herz, sie zu verkaufen oder zu verschenken, wenn sie ein besseres Model gefunden hatte. Ihr Schreibtisch war eine teure Spezialanfertigung nur für sie, fast doppelt so groß wie gewöhnliche Stücke. Im linken, oberen Viertel hatte ein Modell von Rankental seinen Platz. Sie hielt es so aktuell sie konnte, und fügte regelmäßig neue Häuser hinzu, mit der Detailverliebtheit einer unsterblichen Architektin.

    „Ich bin hier, um gestört zu werden. Beschränk dich auf das Wesentliche und ich räume dir so viel Zeit ein, wie du brauchst. Ich weiß im Übrigen zu schätzen, dass du meine Schüler nicht wie Sontags Wäsche zusammenfaltest, wenn sie dich provozieren.“

    Er winkte ab. „Ich habe heute den Sohn von Raphael getroffen. Er ist im Museum herumgeschlichen.“

    Zuerst spiegelte sich Verwirrung in ihren grünen Augen, dann Trauer und schließlich kamen ihre Fangzähne zum Vorschein. Die Spitzen stachen in ihre vor Wut gekräuselte Unterlippe bis sie blutete. Ihre feinen, dunklen Augenbrauen begannen erratisch zu zucken.

    „Er hat mir nicht vertraut!“ Sie ließ ein tiefes Knurren hören, irgendwo ganz tief aus ihrem Inneren. Er trat einen Schritt zurück, um ihr Raum zu geben, und sie zog ihre Fingernägel neben dem Modell über den Tisch, wo sie tiefe Risse im polierten Holz hinterließen. Ihre sonst kristallklare Stimme wurde undeutlich, weil ihre langen Zähne den Worten, die sie sagen wollte, im Weg waren.

    „Weist du, wie viel Beute übrigbleibt, wenn ich die sterblichen Nachfahren all meiner Verbündeten verschone? Nicht viel. Trotzdem habe ich es immer geschafft, habe keinen einzigen Sterblichen geopfert, um es mir einfacher zu machen. Und er hat mir dennoch nicht vertraut. Vielleicht hat er uns schon immer im Stich lassen wollen und hat sich das so ermöglicht.“

    „Es gibt eine Ehefrau“ fügte Cédric an. „Und anscheinend auch eine Tochter. Wir können sie heute noch aufsuchen, wenn du willst, und unsere Rache frisch und warm haben.“

    Ihre Lippen teilten sich, um etwas zu sagen, aber sie erstarrte, scheinbar ohne äußeren Einfluss und ihr Blick richtete sich auf die Tür.

    „Leander ist hier. Ich höre seine Schritte auf der Treppe. Können wir kurz warten?“ Der Meister der Waffen neigte zustimmend den Kopf und sie standen für eine gewisse Zeit schweigend nebeneinander, bis sie die Tür erneut öffnete.

    Die Gestalt auf der anderen Seite hatte gerade die Hand erhoben, um anzuklopfen. Ein Mann von ungefähr dreißig Jahren mit glattrasiertem Gesicht trat ein, Leander. Auch seine Haut war leblos und fahl, aber durch den Kontrast zu seinem dunklen Haar fiel die Blässe mehr auf als bei anderen ihrer Art. Sein Anzug war maßgeschneidert und ließ die athletische Statur darunter gut erahnen. Er nickte Anna knapp zu, schloss die Tür und schob sich an ihr vorbei zu Cedric. Der Windstoß trug dem Wolfling die Witterung von Ruß zu, allerdings fehlten die Bindemittel, die daraus Tinte gemacht hätten. Was er roch, war der Rauch aus den Schornsteinen im Industrieviertel, Gift das wie Schnee auf die Straßen rieselte, genau an der Grenze zu jenem Gebiet, das sie zuletzt an Haus Sures verloren hatten. Der Meister der Stille patrouillierte dort besonders oft, daher kam ihm die Erkenntnis nicht überraschend.

    Leander lehnte sich schließlich doch zur Gastgeberin hinüber. „Die kurze Version, wie üblich?“ Seine Stimme war monoton in Höhe und Lautstärke, fast schon hypnotisierend, wenn man seine Sinne nicht beisammenhatte. Aber Anna ergriff zuerst das Wort.

    „Später, bitte. Cedric hat Neuigkeiten. Raphael hat uns eine Familie verheimlicht. Eine Frau und zwei Kinder. Wir gehen gleich zusammen los und tilgen diesen Schandfleck. Möchtest du mit uns kommen?“ Cèdric achtete genau auf Leanders Gesicht. Seine Augen weiteten sich kurz vor Überraschung. Ein kleiner Riss in seiner Fassung für das winzigste Bruchstück einer Sekunde, mehr nicht. Hatte er dem Verräter so schnell vergeben können oder waren seine Nerven tatsächlich die Drahtseile, für die man sie hielt.

    Der Vampir mit dem dunklen Haar machte eine beschwichtigende Handgeste. „Wenn ihr sie tötet, beweist ihr nur, dass er Recht hatte, euch nichts von ihnen zu sagen. Außerdem sind offensichtliche Morde schlecht für den Schleier. Euer Doktor Freund kann nicht immer alles unter den Tisch kehren.“

    Anna fletschte die Zähne, bis ihre Kiefer unter dem Druck zu knirschen begannen.

    „Ich verlange Vergeltung.“ Cèdric stellte sich neben sie, um seine Zustimmung auszudrücken, beinahe furchtsam, dass sie ihre Meinung ändern könnte und er seinen Standpunkt alleine verteidigen musste.

    „Rache an wem?“ fuhr der Meister der Stille fort, frei von Sarkasmus oder jeder anderen Gefühlsregung. „Rache an der Frau, die er belogen und verlassen hat, genau wie uns? Rache an den Kindern, die er nicht großgezogen hat? Ihr beide seid noch immer hungrig. Stillt euren Durst und überdenkt, was genau ihr da vorhabt.“

    „Willst du andeuten, ich sei so schwach, dass ich nicht klar denken kann, nur weil sich meine Mahlzeit ein paar Stunden verzögert!?“ Anna holte mit ihren Krallen aus, schnellte vor und schlug direkt nach Leanders Augen. Dieser riss seinen linken Arm hoch und packte ihr Handgelenk mit solcher Kraft, dass ihre Klauen wie eingefroren an genau der Stelle verblieben an der sie sich getroffen hatten.

    „Als Meister der Stille verbiete ich es. Das Risiko, den Schleier zu brechen, ist zu groß. Keine Morde, außer um Zeugen zu beseitigen. Das ist mein letztes Wort dazu.“ Er ließ Anna los.

    Sie drehte sich trotzig von ihm weg und ging auf ein freies Stück Mauer zwischen den Glasvitrinen zu. Als sie ihr Ziel erreicht hatte, zog sie ein Knie an und setzte ihren Fuß auf die senkrechte Fläche. Die Schwerkraft selbst gab nach und sie schritt die Wand empor, als wäre es der Boden. An der Decke angekommen, verschränkte sie die Arme und ging hin und her wie ein Tier in einem zu kleinen Käfig.

    „Es ist aber nicht mein Letztes!“ knurrte Cedrik.

    „Diese Regeln waren auch deine Idee. Oder bekomme ich ein Veto-Recht für militärische Belange und das Kampftraining der Neulinge? Ich hätte da in der Tat mehrere Anmerkungen.“

    Cedriks Füße rutschten von selbst in eine stabile Kampfhaltung. Wut flackerte in seinen Augen wie glühende Kohle. Leander hatte seine Grenzen einmal zu oft getestet. Wenn er damit fertig war, ihm die Rippen und Glieder zu zertrümmern, würde er vielleicht aufhören und seinen Schädel intakt lassen, damit das Amt des Meisters der Stille nicht neu besetzt werden musste, aber diese Entscheidung war erst in ein paar Minuten fällig. Bis dahin würde er einfach nur Spaß haben.

    „Übrigens…“ äußerte sich sein neuer Stressball, ehe er ihn anspringen konnte. „Chicks war kurz in der Stadt. Er hat mich gewarnt, dass unsere alten Bekannten von Haus Ravilett wohl auf dem Heimweg sind. Man beachte dabei: `Heim` ist für sie der Boden, auf dem du stehst.“

    Nun war es Cèdric dessen Kehle ein wildes Knurren entfuhr. Er ballte seine Finger zu Fäusten, so fest, dass seine Fingerknöchel weiß unter der Haut hervortraten. Leander stand noch immer entspannt da, lächelnd, vollkommen sicher, dass ihm nichts zustoßen würde. „Das ist nicht mehr ihr Zuhause“ brüllte der alte Vampir, so laut, dass Anna ihre spitzen Ohren mit den Handflächen bedecken musste.

    „Dann weißt du, was zu tun ist, Meister der Waffen.“ Antwortete sein Rivale. „Vergiss Raphaels Brut und rekrutiere stattdessen mehr Kanonenfutter. Die Ravilett Veteranen werden niemals akzeptieren, dass sie sich woanders ansiedeln müssen. Entweder wir vertreiben Haus Sures aus Rankental und Arvendorn, ehe sie ankommen, oder wir sind gezwungen, gegen zwei Feinde auf einmal zu kämpfen.“

    Anna protestierte, während sie ihr Gehör noch immer mit den Händen schützte. „Das Nest drüben in Arvendorn hat doch genau dasselbe Problem. Deren Jagdgebiete sind ebenfalls von Haus Ravilett gestohlen. Warum bieten wir Ihnen kein Bündnis an und verteidigen uns gemeinsam?“

    Cedrik verdrehte die Augen. Warum liebten es Frauen nur so sehr über Frieden zu reden? Ja! Natürlich war Kooperation besser als Konflikt. Aber warum konnte sie nicht sehen das manche Widersacher Krieg brachten, egal was sie oder irgendjemand anders bevorzugte? Er schüttelte resignierend den Kopf.

    „Nein, Anna. Rattenherzen machen feige. Sie würden sich im Kampf zurückhalten, entweder aus Berechnung oder aus Instinkt. Selbst wenn wir gewinnen, sind unsere Verluste die Schwersten. Sie werden die Chance nutzen und uns am Ende in den Rücken fallen.“

    „Wir haben selbst Rattlinge in unseren Reihen, einschließlich jenem, der dein Schwert geschmiedet hat. Einen Instinkt zu haben, heißt noch lange nicht, dass man ihm auch nachgibt. Andernfalls würde ich niemals wagen, auch nur einem von euch beiden meine Tür zu öffnen.“

    Leander drehte sich Cedrik zu und ignorierte Anna, wie man Möbel ignoriert, die man gerade nicht nutzt. „Sie sind uns zahlenmäßig überlegen.“

    Cedrik ließ seine Knöchel knacksen und sein Blick streifte nachdenklich über die kleine Modell-Stadt auf dem Tisch, ehe er antwortete. „Ich schlage eine Belagerung vor.“ Verkündete er durch gefletschte Zähne. „Sie mögen viele sein, aber wir haben viel mehr in Ausbildung und Waffen investiert. Die Burgruine ist weit genug vom Dorf entfernt. Alles, was wir tun müssen, ist, sie lange genug von ihrer Beute zu trennen.“

    Leander protestierte zurückhaltend, in seiner üblichen monotonen Stimme. „Nein. Da ist eine erschöpfte Salzmine unter dem Gemäuer. Es gibt unzählige Tunnel, durch die wir umgangen oder überrascht werden können. Sie kennen das Gebiet wie ihre eigenen Handflächen, wir aber würden im Dunkeln tappen.“

    „Das kann ich ändern.“ Cedriks Behauptung blieb im Raum stehen, als ob die anderen beiden hofften, der jeweils andere würde sie zuerst herausfordern. Dann weiteten sich Annas Augen und ihre zarten Finger legten sich auf ihre Brust, als müsse sie ihr Herz daran hindern, herauszufallen. Sie stieß sich von der Decke ab, drehte sich im Fall und landete anmutig genau vor ihm.

    „Tu das nicht! Versprich es mir!“ Flehte sie entsetzt. „Nicht sie! Das ist ehrlos und falsch.“

    Leander zuckte gleichgültig mit den Schultern und schaute zu Cedrik, um mehr zu hören. Zum ersten Mal mit erkennbarer Neugier in seiner Mine. „Möchtet ihr mich einweihen, Meister der Waffen?“

    „Ja. Das will ich. Komm näher!“