Erstmal danke für eure Meinungen Tariq, Sensenbach und Alopex Lagopus Genau die Kritik hatte ich natürlich schon "befürchtet", das Problem ist, ich brauche dieses Treffen relativ zu Anfang wegen der aufkeimenden Probleme danach Deswegen gibt es jetzt relativ schnell den Rest des Kapitels. Die Art und Weise, wie sie miteinander sprechen, sollte im besten Falle auch gekünstelt und hochgestochen wirken. Es ist im übrigen auch das einzige, wo sie alle zusammenkommen (und eines meiner "kompliziertesten" Kapitel), also hoffe ich, ihr haltet noch durch
Edit: ich habe im ersten Teil nun einige Ortsnamen, Nachnamen und Namen von Personen rausgenommen, die nicht direkt vorkommen. Ich hoffe es ist jetzt schon etwas lesbarer
Kapitel 2.2
Domenkja
Die Schneekönigin traf – wie immer – zuletzt ein. Xaviera von Bryann war – wie immer – in voller Rüstung gekleidet und erregte damit mächtig Aufmerksamkeit.
„Gehst du so etwa zu Bett?“, herrschte Valeeja ihre jüngere Halbschwester an. Diese streckte ihr in einer kindlichen Geste die Zunge heraus. Die Schwestern, die beide auf ihre eigene Art das Element des Wassers bedienen konnten, eine das Meer, die andere das Eis, hatten eine gänzlich andere Beziehung zueinander als die Herrscherinnen des Waldes. Vielleicht mochten sie sich, Domenkja konnte es nicht sagen. Beide waren von keiner Natur, die dies zugeben würde.
„Meine Damen“, versuchte Kaiserin Mirabella die Situation erneut zu deeskalieren, „ich würde nun wirklich gerne wissen, was Königin Catalina uns zu erzählen hat.“
Catalina warf Domenkja einen verheißungsvollen Blick zu. Diese wies die Damen mit einer Handgeste an, ihr in die Kapelle zu folgen.
Von innen wirkte die Kapelle um ein vielfaches größer. Ihre Mauern waren auch von innen aus grauem Backstein, lediglich der Boden war mit goldenen Ornamenten verziert. In der Mitte des Saals stand ein Stuhlkreis aus sieben thronähnlichen Stühlen. Jedes der Sitzpolster war von einer anderen Farbe.
Domenkja konnte Zufriedenheit vernehmen. Die Kaiserin mochte geordnete Dinge.
„Bitte, meine Damen, ich denke Ihr wisst, für wen welcher Stuhl bestimmt ist“, deutete Domenkja nun auf die Sitzgelegenheiten. Als Mentalistin fiel es ihr zu Zeiten schwer, den Fokus nicht zu verlieren. Und je enger die Bindung zu einer Person war, desto weniger konnte diese ihre Innenwelt von Domenkja abschirmen. Obwohl Mirabella eine mächtige Magierin war, hatte sie diesbezüglich gegen ihre alte Freundin keine Chance.
Orietta, die Herzogin des Kargi und Leonora, Herrscherin der dicht bewaldeten Flusslande nahmen auf den Polstern mit verschiedenen Grüntönen Platz. Valeeja aus dem Küstenstaat Raedvir drappierte sich auf dem marineblauen Polster, während Xaviera, die Schneekönigin aus Cantariken, den Stuhl mit weißem Polster wählte. Die Königin aus den Bergen selbst, Domenkja, wählte den Stuhl mit grauem Muster und hellblauen Stickereien. Mirabella nahm Platz auf einem sonnengelben Polster. Lediglich Catalina, die Feuerkönigin, stützte sich von hinten an die Lehne des für sie bestimmten Sitzes. Das Polster war von einem flammenden rot und traf damit genau den Ton ihres Haares, welches sie gerne – so auch heute – zu einem hohen Zopf zusammenband.
„Ich danke Euch für euer Kommen, meine lieben Herrscherinnen der vereinten Reiche. Edle Kaiserin Mirabella, Eure Anwesenheit als unser Oberhaupt und Herrscherin über das herrlichste aller Reiche, Nemarien, schätze ich gnädigst. Ich entschuldige mich bereits im Vorfeld für die fehlende Bewirtschaftung, die Örtlichkeiten lassen dies leider nicht zu. Damit möchte ich natürlich keineswegs die herausragenden Fähigkeiten unser träumenden Bergkönigin schmälern; ich erinnere lediglich an die Grenzen des Möglichen.“ Catalina atmete sichtbar ein und schwer wieder aus. Sie hatte nichts von ihrem grausamen Vater, dem alten Feuerkönig. Domenkja hasste diesen ständig widerwärtig grinsenden Argen Tombstorn, der immer etwas im Schilde führte.
„Keiner will etwas essen oder trinken. Nun sagt schon Catalina, warum sind wir hier?“, schnaubte Valeeja.
Xaviera schaltete sich ebenfalls in die Schimpftirade mit ein: „Richtig, lasst uns die Höflichkeitsfloskeln sparen. Ich würde gerne wieder meinem traumlosen Nachtschlaf nachkommen. Falls ich denn dazu komme, denn auch mich beschäftigen Dinge von äußerster Wichtigkeit.“
„Bitte, meine Damen. So lasst sie doch in aller Ruhe sprechen“, versuchte die Kaiserin erneut, die Lage zu entschärfen und ignorierte Xaviera. Die nach wie vor als einzige stehende Feuerkönigin war sichtlich nervös geworden. Domenkja wusste, nervöse Pyromagierinnen waren selten angenehm im Umgang, mochten sie noch so kontrolliert wirken.
„Danke, edle Kaiserin.“, bemühte sich diese, mit fester Stimme zu sprechen. Sie presste ihre Fäuste zusammen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
„Gut. Ich möchte Euch von einem Ereignis berichten, meine lieben Herrscherinnen. Es trug sich vor etwa zwei Mondphasen zu, um die Jahreswende...“
„Und du rufst uns jetzt erst zusammen?“, zischte Xaviera von Bryann, die Königin der Eislande, ohne überhaupt zu wissen, was genau sich denn zugetragen hatte.
Catalina warf ihr einen bösen Blick durch die tief liegenden Augen zu. „Nun gut, Xaviera, dann scheinen diese Informationen nicht mehr vonnöten zu sein. Ich werde meine Erzählungen wohl hier beenden können“, erwiderte sie trocken.
Alle Frauen verneinten lautstark und einstimmig. Catalina lächelte dünn.
„Also. Es war des Nachts, der Mond stand fast voll am Himmel. Noch tiefster Winter wird es auch in der Wüste kalt, sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. Also ging ich hinaus auf die an meinen Schlafgemächern anliegende Terrasse, um die kühle Nachtluft zu genießen“, begann sie schließlich ihre Erzählung.
„Bitte, komm endlich zur Sache“, drängelte Valeeja erneut. Dabei verdrehte die Königin der Küste demonstrativ die Augen, zwirbelte gelangweilt eine ihrer hellbraunen Haarsträhnen und ließ sich immer weiter in ihrem Stuhl zusammensacken.
Die Kaiserin missbilligte solch unmanierliches Verhalten, verzichtete aber darauf, sich erneut einzuschalten. Auch Catalina ignorierte die wiederholte Unterbrechung diesmal.
„Mit einem Blick in den Himmel bemerkte ich plötzlich einen Stern, der sich deutlich von den anderen abhob. Durch ein helles, fast blendendes Leuchten. Dann sah ich, dass sich der Stern bewegte. Mit deutlich wachsender Geschwindigkeit. Versteht mich nicht falsch, meine Damen, wir haben alle bereits das ein oder andere Mal eine Sternschnuppe gesehen. Doch dieses Mal war es anders. Sternschnuppen werfen einen hübschen, kleinen Schweif und verglühen. Dieser Stern jedoch bewegte sich direkt auf die Erde zu, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass es fast schon zielgerichtet wirkte. Und wenn ich mich nicht täusche, meine Damen, dann hat dieser Stern sein Ziel erreicht. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, muss dieser Stern in Hochcantariken gelandet sein.“ Ihre Augen gingen die Plätze ab und ruhten anschließend auf Xaviera.
Ein Raunen ging durch die Königinnen. Bloß die Schneekönigin grinste überheblich. Mirabella und Domenkja verhielten sich ruhig.
„Was gibt es da zu lachen, Schwester? Der Stern ist in deinem Hoheitsgebiet gelandet. Cantariken könnte in großer Gefahr schweben.“ Der Gedanke schien Valeeja zu gefallen, denn auch sie sprach mit einem arroganten Lächeln, wobei sich ihr sommersprossiges Gesicht zu einer boshaften Mine verzog.
Xaviera wirkte von dem Seitenhieb recht unbeeindruckt. „Fallende Sterne sind nichts als Gesteinsbrocken. Ich denke, ich habe nichts zu befürchten. Nun, außer ein zerstörtes Bergwerk und ein paar Tote. Aber ich bin mir sicher, ich werde Reparationen dafür bekommen, nicht, Kaiserin?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Zumal es für mich gerade Dinge von mehr Belang gibt, auf die ich gern zu sprechen kommen würde-“
„Da könntet Ihr gefährlich falsch liegen“, unterbrach Catalina die beiden Streithennen und gab Xaviera keine Möglichkeit, auszusprechen, „Elfenteufel sagt man auch über diese fallenden Sterne. Doch nie ist jemals einer auf diesem Kontinent gelandet. Den Erzählungen nach heißt es, sie bringen große Zerstörung über die Welt.“
„Märchen“, schnaubte Xaviera. „Märchen der Elfen, um uns falsche Überlegenheit zu demonstrieren.“
„Du schlägst also vor, die Gegebenheiten nicht weiter zu beachten, verstehe ich das richtig, liebe Xaviera?“, fragte die Kaiserin ruhig. Sie konnte die Verachtung, die sie Königin Xaviera entgegenbrachte, wohl verbergen. Auch Domenkja trat der launischen Eismagierin kritisch gegenüber. Die Mitschuld Mirabellas an dieser schwierigen Beziehung konnte sie allerdings nicht leugnen.
„Ich sage nur, dass wir daraus keine große Sache machen sollten“, zischte die Schneekönigin nun in deutlich lauterem Ton. „Kaiserin, wenn ich nun bitte -“
- „Und ich“, mischte sich Catalina wieder ein, „ich sage, wir sollten eben doch eine große Sache daraus machen. Dies ist eine Angelegenheit, die das gesamte Kaiserreich betrifft. Elfen leben hier seit gut hundertfünfzig Jahren nicht mehr, und wenn nun ein böser Vertreter ihrer Art, ein Dämon, in Margora gelandet ist, dann sind wir auf uns allein gestellt. Es gibt niemanden mit Erfahrung, den wir zum Schutz vor diesem Unhold zurate ziehen können.“
„Es ist verdammt noch mal nur ein Stern. Wir wissen alle, was Sterne sind. Ihr macht einen solchen Aufstand für einen, naja, zumindest seltenen Stein?“ Trotzig lehnte sich Xaviera in ihrem Stuhl zurück und presste die Lippen zusammen.
Die Kaiserin überging die Ignoranz der Schneekönigin im Bezug auf den Stern. Sie dachte nach, und wenn sie nachdachte, machte sie das so deutlich sichtbar, dass keiner wagte, etwas zu sagen. Für gewöhnlich war ihr Bauchgefühl alles, wonach sie entschied und an diese Intuition hielt sie sich, seit sie ein junges Mädchen war. Domenkja erschauderte.
„Ich werde mich in einigen Wochen auf den Weg nach Cantariken machen. Ich habe noch wichtige Dinge im Palast zu klären. Danach, meine liebe Schneekönigin, werden wir uns dieses Naturspektakel gemeinsam anschauen. Bis dahin erbitte ich keine weitere Veranlassung zu diesem Thema“, entschied die Kaiserin schließlich.
„Und wenn wir uns schützen müssen?“, entgegnete Xaviera scheinheilig, „Wird mir die Nutzung von Magie erlaubt sein?“
„Darüber sprechen wir, wenn es soweit ist. Bisher sieht es nicht so aus, als eile die Bedrohung auf uns zu. Vielleicht ist es wirklich nur ein Gesteinsbrocken, meine Damen, wir werden es sehen. Doch zunächst bitte ich, sich an die Verträge von Margora zu halten.“
Die Schneekönigin wusste, was dies bedeutete. Mirabella hätte einen Teufel getan, dem jähzornigen Mädchen höhere Magie zu erlauben.
„Gut“, zischte Xaviera, sichtlich unzufrieden mit der Antwort Mirabellas, „Ich erwarte Euch also in Bryann, Kaiserin. Das trifft sich im übrigen hervorragend, dann könnt Ihr mir bei der Suche nach meinem Bruder helfen“, sagte sie beiläufig, als hätte sie es nicht von Beginn an kaum erwarten können, davon zu berichten, „er ist nämlich verschwunden. Seine Zelle in Alpinum ist leer. So, das wäre es von mir. Domenkja, bitte bringt mich hier raus. Ich sehne mich nun wirklich nach einem ruhigen, traumlosen Schlaf. Meine Belange scheinen hier sowieso nicht zu zählen.“ Xaviera stand erwartungsvoll auf.
Donnernd erhob sich auch die Kaiserin. „Ich bestimme, wann wir fertig sind.“
Mit einem überheblichen Grinsen nahm die Schneekönigin wieder Platz. Die anderen Damen hielten gespannt den Atem an.
Ich hätte die verdammten Bryanns vollständig auslöschen sollen. Diese Familie ist dem Wahnsinn verfallen. Und die Krönung des Wahnsinns ist Xaviera. Ich hätte auf dich hören sollen, dachte die Kaiserin an Domenkja gerichtet. Dabei blickte sie langsam in die Runde.
Du hattest keine Wahl. Du brauchtest das Mädchen damals, ließ Domenkja sie vernehmen.
Mirabella straffte sich. „Theodor Joris Taler von Bryann ist also fort. Wie konnte das passieren? Selbst wenn er aus seiner Zelle entkommen konnte, so hätte er es nie ohne Hilfe aus den Schneebergen geschafft. Ohne Waffen, Proviant, Pferd. Es tut mir Leid, dir das zu sagen, liebe Xaviera, aber dein Bruder ist vermutlich tot.“ Damit war das Thema für sie beendet. „Die Damen, ich denke wir können unsere Zusammenkunft für heute schließen.“
Ein erleichtertes Raunen ging durch die Reihen der Königinnen. Valeeja seufzte tief, während Leonora und Catalina sich unablässig anschauten. Möglich, dass sie Domenkja nach der Besprechung baten, die Sequenz noch aufrecht zu erhalten. Sie konnte es ihnen nicht verdenken. Die Königin der Flusslande und die Feuerkönigin hatten selten die Gelegenheit, sich in Persona zu treffen. Xaviera sagte nichts mehr. Sie schmollte auf ihrem Stuhl und Wellen der Wut schwappten zu Domenkja hinüber.
Vielleicht war es unklug, Mirabella. Du solltest sie nicht noch mehr verärgern, dachte Domenkja, jedoch entschied sie sich diesmal, die Kaiserin nicht an ihren Gedanken teilhaben zu lassen.
„Also?“ Mirabella erhob sich und bedeutete den Damen, es ihr gleichzutun.
Unwillig beendeten Catalina und Leonora ihren intensiven Blickkontakt.
Domenkja kam ein unheilvoller Gedanke. Sie musste einen Moment alleine mit der Kaiserin sprechen. Zunächst öffnete sie die Türe der Kapelle. Von dem Pavillon war nichts mehr zu sehen. Ein gleißendes Licht trat in den Raum und eine nach der anderen erhoben sich die Damen von ihren Stühlen, um in einen ruhigen Schlaf zu gleiten.
Die Kaiserin war gerade im Begriff, die Kapelle zu verlassen, da hielt Domenkja sie am Arm zurück. „Kaiserin, auf ein Wort?“
„Sicher, meine liebe Freundin.“
„Was ist, wenn Catalina Recht hat?“, merkte Domenkja an „Wenn es nicht bloß ein Stein ist, der dort vom Himmel fiel... Dann ist es zu spät, um nach Cantariken zu reisen.“
„Und was soll dort vom Himmel gefallen sein, wenn nicht ein Gesteinsbrocken?“, fragte Mirabella kritisch.
„Du weißt es, Mira.“ Plötzlich entschied sich die Königin der Usken auf alle Höflichkeit zu verzichten. Und die Kaiserin wusste, warum. „Es könnte das zweite Mädchen sein. Vielleicht wurde der Fluch aufgehoben.“
„Es ist nicht möglich, Dom. Es ist einfach nicht möglich. Wir haben damals alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die man treffen konnte. Wir haben alles in unserer Macht stehende getan.“
Domenkja ließ sich nicht von der gelassenen Ausstrahlung der Kaiserin täuschen. Ein Blick in die bernsteinfarbenen Augen ihrer Freundin genügte. Dort funkelte sie, die nackte Angst.