Beiträge von liliancd

    Jetzt habe ich auch aufgeholt :)

    Ich liebe Karls unerschütterliche Art einfach. Verbunden mit seinem Humor ist er wie gemacht für den Beruf des Pflegers :)

    „Waren wir heute Nacht auf dem Ball, Aschenputtel?“, fragt er und mustert sie streng.

    Ich gluckse leise. Frau Herzel ist das, was man im Allgemeinen als korpulent bezeichnet und die Vorstellung, dass sie nach durchtanzter Nacht elfenhaft in flatterndem Gewand eine Treppe hinab flüchtet, um dem Prinzen zu entkommen, und dabei einen Schuh verliert, ist einfach zu grotesk.

    hier musste ich herzlich lachen :D konnte mir Frau Herzel gut vorstellen, zwar mit flatterndem Gewand, aber ebenso mit grimmigem Gesichtsausdruck :D

    Liebe Tariq, danke für die Nachfrage :love: Ich habe tatsächlich schon zwei weitere Kapitel vorbereitet, bin aber momentan beruflich so eingespannt, dass ich kaum an den Laptop komme || (Ich renke Pferde ein und die Weidezeit hat begonnen - die sind alle etwas übermütig bei dem Wetter :D ) Und heute möchte ich erstmal mit Lesen hier im Forum aufholen, hab gesehen Sensenbach und du wart fleißiger als ich :D

    Erstmal danke für eure Meinungen Tariq, Sensenbach und Alopex Lagopus :) Genau die Kritik hatte ich natürlich schon "befürchtet", das Problem ist, ich brauche dieses Treffen relativ zu Anfang wegen der aufkeimenden Probleme danach :D Deswegen gibt es jetzt relativ schnell den Rest des Kapitels. Die Art und Weise, wie sie miteinander sprechen, sollte im besten Falle auch gekünstelt und hochgestochen wirken. Es ist im übrigen auch das einzige, wo sie alle zusammenkommen (und eines meiner "kompliziertesten" Kapitel), also hoffe ich, ihr haltet noch durch :D

    Edit: ich habe im ersten Teil nun einige Ortsnamen, Nachnamen und Namen von Personen rausgenommen, die nicht direkt vorkommen. Ich hoffe es ist jetzt schon etwas lesbarer :D


    Kapitel 2.2

    Domenkja


    Die Schneekönigin traf – wie immer – zuletzt ein. Xaviera von Bryann war – wie immer – in voller Rüstung gekleidet und erregte damit mächtig Aufmerksamkeit.

    „Gehst du so etwa zu Bett?“, herrschte Valeeja ihre jüngere Halbschwester an. Diese streckte ihr in einer kindlichen Geste die Zunge heraus. Die Schwestern, die beide auf ihre eigene Art das Element des Wassers bedienen konnten, eine das Meer, die andere das Eis, hatten eine gänzlich andere Beziehung zueinander als die Herrscherinnen des Waldes. Vielleicht mochten sie sich, Domenkja konnte es nicht sagen. Beide waren von keiner Natur, die dies zugeben würde.

    „Meine Damen“, versuchte Kaiserin Mirabella die Situation erneut zu deeskalieren, „ich würde nun wirklich gerne wissen, was Königin Catalina uns zu erzählen hat.“

    Catalina warf Domenkja einen verheißungsvollen Blick zu. Diese wies die Damen mit einer Handgeste an, ihr in die Kapelle zu folgen.

    Von innen wirkte die Kapelle um ein vielfaches größer. Ihre Mauern waren auch von innen aus grauem Backstein, lediglich der Boden war mit goldenen Ornamenten verziert. In der Mitte des Saals stand ein Stuhlkreis aus sieben thronähnlichen Stühlen. Jedes der Sitzpolster war von einer anderen Farbe.

    Domenkja konnte Zufriedenheit vernehmen. Die Kaiserin mochte geordnete Dinge.

    „Bitte, meine Damen, ich denke Ihr wisst, für wen welcher Stuhl bestimmt ist“, deutete Domenkja nun auf die Sitzgelegenheiten. Als Mentalistin fiel es ihr zu Zeiten schwer, den Fokus nicht zu verlieren. Und je enger die Bindung zu einer Person war, desto weniger konnte diese ihre Innenwelt von Domenkja abschirmen. Obwohl Mirabella eine mächtige Magierin war, hatte sie diesbezüglich gegen ihre alte Freundin keine Chance.

    Orietta, die Herzogin des Kargi und Leonora, Herrscherin der dicht bewaldeten Flusslande nahmen auf den Polstern mit verschiedenen Grüntönen Platz. Valeeja aus dem Küstenstaat Raedvir drappierte sich auf dem marineblauen Polster, während Xaviera, die Schneekönigin aus Cantariken, den Stuhl mit weißem Polster wählte. Die Königin aus den Bergen selbst, Domenkja, wählte den Stuhl mit grauem Muster und hellblauen Stickereien. Mirabella nahm Platz auf einem sonnengelben Polster. Lediglich Catalina, die Feuerkönigin, stützte sich von hinten an die Lehne des für sie bestimmten Sitzes. Das Polster war von einem flammenden rot und traf damit genau den Ton ihres Haares, welches sie gerne – so auch heute – zu einem hohen Zopf zusammenband.

    „Ich danke Euch für euer Kommen, meine lieben Herrscherinnen der vereinten Reiche. Edle Kaiserin Mirabella, Eure Anwesenheit als unser Oberhaupt und Herrscherin über das herrlichste aller Reiche, Nemarien, schätze ich gnädigst. Ich entschuldige mich bereits im Vorfeld für die fehlende Bewirtschaftung, die Örtlichkeiten lassen dies leider nicht zu. Damit möchte ich natürlich keineswegs die herausragenden Fähigkeiten unser träumenden Bergkönigin schmälern; ich erinnere lediglich an die Grenzen des Möglichen.“ Catalina atmete sichtbar ein und schwer wieder aus. Sie hatte nichts von ihrem grausamen Vater, dem alten Feuerkönig. Domenkja hasste diesen ständig widerwärtig grinsenden Argen Tombstorn, der immer etwas im Schilde führte.

    „Keiner will etwas essen oder trinken. Nun sagt schon Catalina, warum sind wir hier?“, schnaubte Valeeja.

    Xaviera schaltete sich ebenfalls in die Schimpftirade mit ein: „Richtig, lasst uns die Höflichkeitsfloskeln sparen. Ich würde gerne wieder meinem traumlosen Nachtschlaf nachkommen. Falls ich denn dazu komme, denn auch mich beschäftigen Dinge von äußerster Wichtigkeit.“

    „Bitte, meine Damen. So lasst sie doch in aller Ruhe sprechen“, versuchte die Kaiserin erneut, die Lage zu entschärfen und ignorierte Xaviera. Die nach wie vor als einzige stehende Feuerkönigin war sichtlich nervös geworden. Domenkja wusste, nervöse Pyromagierinnen waren selten angenehm im Umgang, mochten sie noch so kontrolliert wirken.

    „Danke, edle Kaiserin.“, bemühte sich diese, mit fester Stimme zu sprechen. Sie presste ihre Fäuste zusammen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

    „Gut. Ich möchte Euch von einem Ereignis berichten, meine lieben Herrscherinnen. Es trug sich vor etwa zwei Mondphasen zu, um die Jahreswende...“

    „Und du rufst uns jetzt erst zusammen?“, zischte Xaviera von Bryann, die Königin der Eislande, ohne überhaupt zu wissen, was genau sich denn zugetragen hatte.

    Catalina warf ihr einen bösen Blick durch die tief liegenden Augen zu. „Nun gut, Xaviera, dann scheinen diese Informationen nicht mehr vonnöten zu sein. Ich werde meine Erzählungen wohl hier beenden können“, erwiderte sie trocken.

    Alle Frauen verneinten lautstark und einstimmig. Catalina lächelte dünn.

    „Also. Es war des Nachts, der Mond stand fast voll am Himmel. Noch tiefster Winter wird es auch in der Wüste kalt, sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. Also ging ich hinaus auf die an meinen Schlafgemächern anliegende Terrasse, um die kühle Nachtluft zu genießen“, begann sie schließlich ihre Erzählung.

    „Bitte, komm endlich zur Sache“, drängelte Valeeja erneut. Dabei verdrehte die Königin der Küste demonstrativ die Augen, zwirbelte gelangweilt eine ihrer hellbraunen Haarsträhnen und ließ sich immer weiter in ihrem Stuhl zusammensacken.

    Die Kaiserin missbilligte solch unmanierliches Verhalten, verzichtete aber darauf, sich erneut einzuschalten. Auch Catalina ignorierte die wiederholte Unterbrechung diesmal.

    „Mit einem Blick in den Himmel bemerkte ich plötzlich einen Stern, der sich deutlich von den anderen abhob. Durch ein helles, fast blendendes Leuchten. Dann sah ich, dass sich der Stern bewegte. Mit deutlich wachsender Geschwindigkeit. Versteht mich nicht falsch, meine Damen, wir haben alle bereits das ein oder andere Mal eine Sternschnuppe gesehen. Doch dieses Mal war es anders. Sternschnuppen werfen einen hübschen, kleinen Schweif und verglühen. Dieser Stern jedoch bewegte sich direkt auf die Erde zu, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass es fast schon zielgerichtet wirkte. Und wenn ich mich nicht täusche, meine Damen, dann hat dieser Stern sein Ziel erreicht. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, muss dieser Stern in Hochcantariken gelandet sein.“ Ihre Augen gingen die Plätze ab und ruhten anschließend auf Xaviera.

    Ein Raunen ging durch die Königinnen. Bloß die Schneekönigin grinste überheblich. Mirabella und Domenkja verhielten sich ruhig.

    „Was gibt es da zu lachen, Schwester? Der Stern ist in deinem Hoheitsgebiet gelandet. Cantariken könnte in großer Gefahr schweben.“ Der Gedanke schien Valeeja zu gefallen, denn auch sie sprach mit einem arroganten Lächeln, wobei sich ihr sommersprossiges Gesicht zu einer boshaften Mine verzog.

    Xaviera wirkte von dem Seitenhieb recht unbeeindruckt. „Fallende Sterne sind nichts als Gesteinsbrocken. Ich denke, ich habe nichts zu befürchten. Nun, außer ein zerstörtes Bergwerk und ein paar Tote. Aber ich bin mir sicher, ich werde Reparationen dafür bekommen, nicht, Kaiserin?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Zumal es für mich gerade Dinge von mehr Belang gibt, auf die ich gern zu sprechen kommen würde-“

    „Da könntet Ihr gefährlich falsch liegen“, unterbrach Catalina die beiden Streithennen und gab Xaviera keine Möglichkeit, auszusprechen, „Elfenteufel sagt man auch über diese fallenden Sterne. Doch nie ist jemals einer auf diesem Kontinent gelandet. Den Erzählungen nach heißt es, sie bringen große Zerstörung über die Welt.“

    „Märchen“, schnaubte Xaviera. „Märchen der Elfen, um uns falsche Überlegenheit zu demonstrieren.“

    „Du schlägst also vor, die Gegebenheiten nicht weiter zu beachten, verstehe ich das richtig, liebe Xaviera?“, fragte die Kaiserin ruhig. Sie konnte die Verachtung, die sie Königin Xaviera entgegenbrachte, wohl verbergen. Auch Domenkja trat der launischen Eismagierin kritisch gegenüber. Die Mitschuld Mirabellas an dieser schwierigen Beziehung konnte sie allerdings nicht leugnen.

    „Ich sage nur, dass wir daraus keine große Sache machen sollten“, zischte die Schneekönigin nun in deutlich lauterem Ton. „Kaiserin, wenn ich nun bitte -“

    - „Und ich“, mischte sich Catalina wieder ein, „ich sage, wir sollten eben doch eine große Sache daraus machen. Dies ist eine Angelegenheit, die das gesamte Kaiserreich betrifft. Elfen leben hier seit gut hundertfünfzig Jahren nicht mehr, und wenn nun ein böser Vertreter ihrer Art, ein Dämon, in Margora gelandet ist, dann sind wir auf uns allein gestellt. Es gibt niemanden mit Erfahrung, den wir zum Schutz vor diesem Unhold zurate ziehen können.“

    „Es ist verdammt noch mal nur ein Stern. Wir wissen alle, was Sterne sind. Ihr macht einen solchen Aufstand für einen, naja, zumindest seltenen Stein?“ Trotzig lehnte sich Xaviera in ihrem Stuhl zurück und presste die Lippen zusammen.

    Die Kaiserin überging die Ignoranz der Schneekönigin im Bezug auf den Stern. Sie dachte nach, und wenn sie nachdachte, machte sie das so deutlich sichtbar, dass keiner wagte, etwas zu sagen. Für gewöhnlich war ihr Bauchgefühl alles, wonach sie entschied und an diese Intuition hielt sie sich, seit sie ein junges Mädchen war. Domenkja erschauderte.

    „Ich werde mich in einigen Wochen auf den Weg nach Cantariken machen. Ich habe noch wichtige Dinge im Palast zu klären. Danach, meine liebe Schneekönigin, werden wir uns dieses Naturspektakel gemeinsam anschauen. Bis dahin erbitte ich keine weitere Veranlassung zu diesem Thema“, entschied die Kaiserin schließlich.

    „Und wenn wir uns schützen müssen?“, entgegnete Xaviera scheinheilig, „Wird mir die Nutzung von Magie erlaubt sein?“

    „Darüber sprechen wir, wenn es soweit ist. Bisher sieht es nicht so aus, als eile die Bedrohung auf uns zu. Vielleicht ist es wirklich nur ein Gesteinsbrocken, meine Damen, wir werden es sehen. Doch zunächst bitte ich, sich an die Verträge von Margora zu halten.“

    Die Schneekönigin wusste, was dies bedeutete. Mirabella hätte einen Teufel getan, dem jähzornigen Mädchen höhere Magie zu erlauben.

    „Gut“, zischte Xaviera, sichtlich unzufrieden mit der Antwort Mirabellas, „Ich erwarte Euch also in Bryann, Kaiserin. Das trifft sich im übrigen hervorragend, dann könnt Ihr mir bei der Suche nach meinem Bruder helfen“, sagte sie beiläufig, als hätte sie es nicht von Beginn an kaum erwarten können, davon zu berichten, „er ist nämlich verschwunden. Seine Zelle in Alpinum ist leer. So, das wäre es von mir. Domenkja, bitte bringt mich hier raus. Ich sehne mich nun wirklich nach einem ruhigen, traumlosen Schlaf. Meine Belange scheinen hier sowieso nicht zu zählen.“ Xaviera stand erwartungsvoll auf.

    Donnernd erhob sich auch die Kaiserin. „Ich bestimme, wann wir fertig sind.“

    Mit einem überheblichen Grinsen nahm die Schneekönigin wieder Platz. Die anderen Damen hielten gespannt den Atem an.

    Ich hätte die verdammten Bryanns vollständig auslöschen sollen. Diese Familie ist dem Wahnsinn verfallen. Und die Krönung des Wahnsinns ist Xaviera. Ich hätte auf dich hören sollen, dachte die Kaiserin an Domenkja gerichtet. Dabei blickte sie langsam in die Runde.

    Du hattest keine Wahl. Du brauchtest das Mädchen damals, ließ Domenkja sie vernehmen.

    Mirabella straffte sich. „Theodor Joris Taler von Bryann ist also fort. Wie konnte das passieren? Selbst wenn er aus seiner Zelle entkommen konnte, so hätte er es nie ohne Hilfe aus den Schneebergen geschafft. Ohne Waffen, Proviant, Pferd. Es tut mir Leid, dir das zu sagen, liebe Xaviera, aber dein Bruder ist vermutlich tot.“ Damit war das Thema für sie beendet. „Die Damen, ich denke wir können unsere Zusammenkunft für heute schließen.“

    Ein erleichtertes Raunen ging durch die Reihen der Königinnen. Valeeja seufzte tief, während Leonora und Catalina sich unablässig anschauten. Möglich, dass sie Domenkja nach der Besprechung baten, die Sequenz noch aufrecht zu erhalten. Sie konnte es ihnen nicht verdenken. Die Königin der Flusslande und die Feuerkönigin hatten selten die Gelegenheit, sich in Persona zu treffen. Xaviera sagte nichts mehr. Sie schmollte auf ihrem Stuhl und Wellen der Wut schwappten zu Domenkja hinüber.

    Vielleicht war es unklug, Mirabella. Du solltest sie nicht noch mehr verärgern, dachte Domenkja, jedoch entschied sie sich diesmal, die Kaiserin nicht an ihren Gedanken teilhaben zu lassen.

    „Also?“ Mirabella erhob sich und bedeutete den Damen, es ihr gleichzutun.

    Unwillig beendeten Catalina und Leonora ihren intensiven Blickkontakt.

    Domenkja kam ein unheilvoller Gedanke. Sie musste einen Moment alleine mit der Kaiserin sprechen. Zunächst öffnete sie die Türe der Kapelle. Von dem Pavillon war nichts mehr zu sehen. Ein gleißendes Licht trat in den Raum und eine nach der anderen erhoben sich die Damen von ihren Stühlen, um in einen ruhigen Schlaf zu gleiten.

    Die Kaiserin war gerade im Begriff, die Kapelle zu verlassen, da hielt Domenkja sie am Arm zurück. „Kaiserin, auf ein Wort?“

    „Sicher, meine liebe Freundin.“

    „Was ist, wenn Catalina Recht hat?“, merkte Domenkja an „Wenn es nicht bloß ein Stein ist, der dort vom Himmel fiel... Dann ist es zu spät, um nach Cantariken zu reisen.“

    „Und was soll dort vom Himmel gefallen sein, wenn nicht ein Gesteinsbrocken?“, fragte Mirabella kritisch.

    „Du weißt es, Mira.“ Plötzlich entschied sich die Königin der Usken auf alle Höflichkeit zu verzichten. Und die Kaiserin wusste, warum. „Es könnte das zweite Mädchen sein. Vielleicht wurde der Fluch aufgehoben.“

    „Es ist nicht möglich, Dom. Es ist einfach nicht möglich. Wir haben damals alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die man treffen konnte. Wir haben alles in unserer Macht stehende getan.“

    Domenkja ließ sich nicht von der gelassenen Ausstrahlung der Kaiserin täuschen. Ein Blick in die bernsteinfarbenen Augen ihrer Freundin genügte. Dort funkelte sie, die nackte Angst.

    Ich packe meine Antworten mal in den Spoiler ehe es weitergeht :)

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    So, jetzt kam ich endlich dazu, meine Überarbeitung hochzuladen :D  Tariq vielen Dank für deine ausführliche Antwort, ich habe alle Anmerkungen verwenden können :) Nur mit der ein oder anderen inhaltlichen Sache bin ich noch unsicher, ich halte mir da offen noch den ein oder anderen Satz zu löschen (zB das mit der Schneeblindheit - hier will ich eigentlich nur die Überlegenheit der Elfe Menschen gegenüber darstellen. Ich glaube aber, das wird auch in den nächsten Kapiteln deutlich :)

    Sensenbach bei dem "war" kam wohl meine Verbfaulheit durch :D habs abgeändert :)


    Kapitel 2.1

    Domenkja


    Zufrieden betrachtete die Königin der Usken den von ihr für die spontane Versammlung erträumten Ort. Ein blühender Rosengarten, wie er im Buche stand, mit Blumen, die in den sattesten Farben erstrahlten. Sie korrigierte den Pavillon noch ein wenig, besserte hier und dort die Beschaffenheit des Holzes aus und zauberte noch ein paar mehr Rosen an die Sträucher, einige noch Knospen. Es sollte einen möglichst authentischen Eindruck machen.

    Dann wurde sie in ihrer Perfektionsarbeit von der Ankunft der Kaiserin unterbrochen. Ein leises Klopfen in ihrem Kopf ließ Domenkja vernehmen, dass auch Mirabella ins Reich der Träume gekehrt war, bereit, von ihr abgeholt und ihrem eigenen Traum hinzugefügt zu werden.

    Die Kaiserin, wie immer einige Minuten vor vereinbarter Zeit, nickte anerkennend und begrüßte ihre alte Freundin herzlich. „Liebste Domenkja, ich interessiere mich brennend für den Grund Eurer Einberufung. Ich habe bis zu dem heutigen Tage kein Auge zugemacht. Kommt, lasst uns ein Stück laufen und betrachten, was Ihr uns heute erträumt habt.“ Sie legte eine ihrer knöchernen Hände auf Domenkjas Unterarm.

    Diese musste ihre Freundin enttäuschen. „Edle Kaiserin Mirabella, es war die Feuerkönigin, die mich bat, diese Versammlung einzuberufen. Mir sind die Gründe selbst unbekannt.“

    Sie gingen ein paar Schritte unter einen Pavillon hinweg, den Efeu überwucherte und kamen zu einer kleinen Kapelle. Kaiserin Mirabella hakte sich bei der Bergkönigin unter, sodass Domenkja ihr fast mühelos auf den Scheitel schauen konnte. Auf dem steinernen Vorplatz der Kapelle blieben sie stehen.

    „Nun gut, vertreiben wir uns die Zeit ein wenig, bis die anderen eintreffen. Also, meine liebste Domenkja, wie ist es Euch ergangen? Da ich nichts Gegenteiliges hörte, hoffe ich doch, gut?“

    „Es könnte nicht besser sein, Kaiserin. Mein Bergvolk wächst und gedeiht. Man mag kaum glauben, wie ertragreich der Steinbruch von Trottersbruch ist. Und Uskenfort ist in einem besseren Zustand denn je“, berichtete Domenkja wahrheitsgemäß. Den Zustand ihres Nachbarlandes Cantariken, welcher ihr seit geraumer Zeit Sorgen bereitete, ließ sie aus. Sie wusste, die Eislande waren ein rotes Tuch für die Kaiserin.

    Mirabella seufzte zufrieden. „Ach, ach, das genügsame Königreich der Usken. Liebste Domenkja, Ihr habt mir von allen Königinnen immer am wenigsten Sorge bereitet. Ich wusste, mit Euch habe ich damals die richtige Wahl getroffen.“

    Domenkja von Tourse lächelte ein bescheidenes Lächeln und schwieg.

    „Catalina war es also, die uns heute hier einberufen hat? Das ist seltsam. Ich empfand die Feuerkönigin immer als sehr zögerlich, sehr zurückhaltend, so erfrischend anders als ihr unheimlicher Vater.“ Mirabella schüttelte sich.

    Domenkja erinnerte sich selbst an den letzten Tag, an welchem sie vor dem alten Feuerkönig gestanden hatte, der sein Ende durch einen Fluch fand. Er war vollständig in Gold eingeschlossen und leblos gewesen, dennoch hatte er die überhebliche Ausstrahlung eines Schelmes behalten, der unerwartet an zu viel Macht gelangt war.

    „Sie klang besorgt, edle Kaiserin.“ Domenkja schritt weiter voran ohne der untergehakten Kaiserin den Blick zuzuwenden. Das musste sie nicht. Als fähige Mentalistin konnte die Bergkönigin die Gedanken der Kaiserin selbst im Traum mit Leichtigkeit hören. Diese war gerade eigehend damit beschäftigt, ihr eigenes Aussehen mit den Äußerlichkeiten Domenkjas zu vergleichen.

    Die Bergkönigin spürte den intensiven Blick der bernsteinfarbenen Augen, die ihr Profil betrachteten. Mirabella bewunderte Domenkjas streng zu einem Dutt im Nacken frisiertes Haar ohne jegliche Anzeichen des Alters. Keine einzige Strähne wagte es, sich zu lösen und ihr in das Gesicht zu fallen, in welchem alles etwas zu groß war. Runde Augen, eine lange, gebogene Nase und ein voller Mund, dessen pralle Ober- und Unterlippe meist friedlich aufeinander lagen, ohne sich zu einer Mine zu verziehen. Auch die nächsten Gedanken waren für Domenkja sehr deutlich zu vernehmen; die Kaiserin beneidete die Bergkönigin einen kurzen Moment für ihre außergewöhnliche Schönheit. Solch ein Gesicht mochte es in ganz Margora kein zweites Mal geben, hörte sie Mirabella denken, sie hatte bei der Verteilung der Schönheit im Vergleich zu ihren Schwestern klar gewonnen.

    „Edle Kaiserin, ich fühle mich geschmeichelt. Doch Schönheit ist ein sehr subjektiver Wert. Einer, den wir nicht teilen mögen“, merkte die Bergkönigin an und erinnerte Mirabella so daran, dass diese selbst im Traum ein offenes Buch für sie war.

    Mirabella errötete in Anbetracht ihrer mitgehörten Gedanken.

    „Entschuldigt, Kaiserin“, murmelte Domenkja, nun selbst beschämt. Sie wollte ihrer Freundin kein Gefühl des Unwohlseins vermitteln. „Ihr wart sehr...Laut. Ihr wisst, wie schwierig es für mich ist, solche Dinge zu überhören.“

    „Es ist in Ordnung, meine Schöne. Soll mein schmeichelhafter Gedanke Euch mit Freude erfüllen, nicht mich mit Scham. Seid Ihr mit Freude erfüllt, so bin ich es auch, liebe Freundin.“

    Domenkja nickte ihr kurz zu und wusste, es würde reichen, um die Kaiserin zufriedenzustellen. Mirabella hatte bereits vor vielen Jahren gelernt, ihre karge Mimik einzuschätzen. Die Bergkönigin konnte nicht leugnen, dass sie oftmals froh war, die Kaiserin am längsten von allen zu kennen. Dies verschaffte ihr einige Privilegien, über welche die anderen Königinnen nicht verfügten.

    „Oh“, merkte Domenkja plötzlich an, die von einer Welle der Energie erfasst und aus ihren Gedanken gerissen wurde, „eine weitere Königin hat sich ins Reich der Träume begeben. Ich werde ihr Geleit geben, gebt mir einen kurzen Moment.“

    Domenkja schloss die Augen und machte sich daran, die Königin der Traumsequenz hinzuzufügen. Langsam materialisierte sich eine fast gänzlich nackte und äußerst kurvenreiche Frau vor ihnen. Um ihre langen Beine hatte sie ein Leinentuch geschlungen, welches nur knapp ihre Scham bedeckte. Ihr Oberkörper war unbekleidet und die glatten, kastanienbraunen Haare ergossen sich voll über ihre Brüste, sodass man ihre Form und Größe nur erahnen konnte.

    „Ah, die Herzogin des Kargahania – Waldes. Willkommen, meine liebe Orietta. Wie schön, wie schön“, begrüßte die Kaiserin sie lächelnd.

    Die Herzogin knickste gespielt untergeben. „Edle Kaiserin Mirabella.“ Sie lächelte verschmitzt und funkelte herausfordernd mit den dunkelgrünen Augen. Die Kaiserin kannte diese Herausforderung. Sie warf sich in ihre Richtung und drückte sie herzlich. Domenkja belächelte die herzliche Begrüßung, tat es Mirabella jedoch nicht gleich.

    „Orietta, liebe Freundin, Euer letzter Besuch im Palast ist viel zu lange her. Ein paar Tagesritte sind es lediglich, und doch lasst Ihr euch kaum am Hofe blicken“, schalt diese ihre alte Freundin künstlich.

    „Ahh, Kaiserin Mirabella, Ihr wisst, ich mag die Hauptstadt nicht. Sie ist mir zu laut, zu voll, überall liegt Pferdemist auf den Straßen. Und die Männer gaffen, wenn Frauen sich so kleiden, wie sie sich wohlfühlen. Und behaupten anschließend, es sei unsere Schuld, wenn sie gaffen. Nein, ich bevorzuge meinen finsteren Wald, mein Völkchen mit dem düsteren Ruf. Meine eigene kleine Stadt in den Bäumen, Kargaha. Edle Kaiserin, jederzeit steht es Euch frei, mich zu besuchen. In meinem hölzernen Palast ist immer Platz für die Herrscherin Nemariens. Kommt vorbei, wenn ihr euch nach einer Auszeit sehnt. Ihr könnt ein wenig auf meinem überaus bequemen Thron verweilen.“

    „Ihr wisst, liebste Orietta, Auszeiten gibt es in unserer Stellung nicht.“

    „Oh doch, die gibt es. Frau muss sie sich nur nehmen.“

    Ein leises Zischen unterbrach die liebevolle und neckische Diskussion der beiden Frauen. Domenkja hatte inzwischen zwei weitere Frauen in die Illusion des Traumes geholt.

    „Leonora, ich bin erfreut Euch zu sehen. Und Valeeja, auch Ihr seid willkommen.“ Diesmal nickte die Kaiserin nur. Die beiden Damen verneigten sich deutlich tiefer als die zuvor eingetroffene Orietta. Auch erdreisteten sie sich nicht, eine Umarmung von ihrer Kaiserin einzufordern.

    Leonora trug kaum mehr Kleidung als ihre Schwester Orietta. Bloß ihre Brüste waren vollständig in Leder gewickelt. Ihr Haar glänzte im selben kastanienbraun, aber sie verfügte über eine gänzlich andere Körperstatur: Sie schien nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen und ihren Körper überzogen unzählige Narben. Die harten Lebensbedingungen in den Flusslanden mussten ihren Tribut fordern, dachte Domenkja mitleidig. Im Vergleich zu einigen der anderen Herrscherinnen ging es ihr wahrlich hervorragend.

    Die Schwestern begrüßten sich mit einigen Küssen auf die Wange, links, rechts, wieder links. Sie genossen eine enge Bindung und besuchten sich regelmäßig in ihren Wäldern, die sich grundlegend voneinander unterschieden, auch wenn sie sich aus demselben alten Volk der Waldmagierinnen begründeten.

    Valeeja, die Küstenkönigin, sah wie immer engelsgleich aus. Hellbraune Locken fielen ihr sanft über die Schultern, ihre kleine Nase zierten Sommersprossen und die vielen Sonnentage in ihrem Reich schenkten ihr tief gebräunte Haut. Einzig der stets nach unten verzogene Mund verriet, dass diese Königin nichts von einem Engel hatte.

    Beide Neuankömmlinge bewunderten die prächtigen Rosen, die den gesamten länglichen Holzpavillon überzogen, welcher bis zu einer hübschen, kleinen Kapelle am Ende des Weges führte. Domenkja war zufrieden. Ihre Arbeit hatte sich gelohnt. Lediglich das diffuse, fast schon pastellfarbene Licht, welches durch das Blätterdach fiel, ließ erahnen, dass es sich um einen Traum handelte. Sie war sehr gut in dem, was sie zu erschaffen vermochte. Bloß die Sonne vermochte sie selbst im Traum nicht zu imitieren.

    „Domenkja, Ihr seid unfassbar talentiert. Meine besten Holzmagierinnen hätten es selbst in der Realität nicht halb so pompös hinbekommen“, merkte Leonora, die Königin der Flusslande, an. „Wir sollten so etwas öfter tun. Alleine der schönen Träume wegen.“

    Valeeja schnaubte leise. Wie immer auf ihre herablassende Art. Sie mochte noch so beeindruckt von Domenkjas Künsten sein, laut zugeben würde sie ihre Ehrfurcht nie. „Nun, warum sind wir hier?“, fragte sie gedehnt und zwirbelte betont gelangweilt eine ihrer Haarsträhnen mit den Fingern.

    „Ihr werdet Euch noch einen Moment gedulden müssen“, wies Mirabella sie sanft zurecht, „die Feuerkönigin hat diese sonderbare Versammlung einberufen. Wir werden warten, bis auch die letzten beiden der Herrscherinnen eingetroffen sind.“

    „Warum Rosen?“, fragte Leonora interessiert. Sie ließ sich nicht von der schlechten Laune der Küstenkönigin anstecken. In den Flusslanden würde wohl keine einzige Rose je wachsen und gedeihen. Dort gab es Lianen, Palmen, mehrere hundert Meter hohe Bäume, Ananassträucher und Bananenstauden, doch keine Rosen. Fasziniert berührte sie eine gelbe Rose an den Blütenblättern. Domenkja wusste, warum sie sich für Rosen, entschieden hatte, die Lieblingsblumen der Kaiserin.

    „Die stechen“, zischte Valeeja und zerstörte prompt den romantischen Moment der Königin der Flusslande, die sich selten verletzlich zeigte. Leonora blitzte sie bitterböse an.

    „Ach, sei leise, Valeeja“, schaltete sich nun auch Orietta ohne jegliche Höflichkeitsformen ein.

    „Bitte, meine Damen“, seufzte Mirabella, die wieder wusste, warum solche Treffen so selten stattfanden. „Keine Diskussionen, bevor wir nicht überhaupt offiziell begonnen haben. Erfreut euch an der Farbenpracht und schweigt am besten dabei.“

    Domenkja konnte vernehmen, dass die Kaiserin sich ärgerte, in Traumsequenzen selbst nicht über ihre Energie zu verfügen. Sie hätte die wilden Damen von vornherein beruhigen können.

    Sie wurden von einer weiteren eintreffenden Person unterbrochen. Alle Damen platzten vor Neugier und keine wagte es, zuerst zu sprechen.

    Die Feuerkönigin war eingehüllt in ein gewickeltes Leinenkleid. Sie blickte mit ihren tief liegenden Augen in die Runde. Bei Leonora, der Königin der Flusslande, verweilte ihr Blick etwas länger – ihre Liebschaft war ein offenes Geheimnis. Geduldet, doch unter Königinnen nicht erwünscht. Königinnen hatten keine Zeit für die Liebe, Domenkja erfreute sich mit ihrem Ehemann an der einzigen Ausnahme, erarbeitet durch nun fast zwei Jahrhunderte, welche die Eheleute ihr gegenseitiges Vertrauen genossen. Bei dem Gedanken an ihren Liebsten, der gerade selig neben ihr schlafen musste, wurde ihr für einen Moment warm ums Herz.

    Dann erhob Catalina als erste die Stimme, leise, aber rau und durchdringend: „Vielen Dank, meine liebe Domenkja, für die Bereitstellung dieser wunderbaren Sequenz. Wie immer habt Ihr Euch selbst übertroffen. Und euch anderen danke ich, dass ihr Königin Domenkjas – und somit meinem - Ruf gefolgt seid. Mein Anliegen ist von allergrößter Wichtigkeit. Doch wie ich sehe, sind wir noch nicht vollzählig.“

    Ein allgemeines Seufzen ging durch die ungeduldige Gruppe.

    Ich habe mich schon sehr auf einen neuen Text von Hannche gefreut und wurde nicht enttäuscht :love: Ich weiß nicht wie du es machst, aber du kannst über einen Schieber schreiben und es ist irgendwie herzerwärmend :D Mir gefällt die liebevolle Gestaltung dieses Threads mit den Fotos (und Lied!) auch sehr. Ich bin ein großer Blumenfan, kenne aber keine Namen. Auf den Fotos kann ich allerdings Blümchen entdecken, die sich gerade auch wieder in den bunten Mischungen auf meinem Balkon entfalten :love:

    Auch die Rückblenden finde ich wieder toll. Lehren mich selbst gerade ein bisschen Achtsamkeit und dass man die Dinge schätzen und genießen muss, solange man die Möglichkeit hat. Durch die Leichtigkeit, mit der du schreibst, passiert das Ganze aber, ohne dass Trauer aufkommt. Ich bleibe auf jeden Fall dran! :)

    Guten Morgen Tariq, wieder zwei sehr schöne und bildhafte Szenen von Hannche :love:

    Wo wohl alle meine Schallplatten hingekommen sind? Ich hatte so viele, war richtig stolz auf meine Sammlung.

    Sie wird mir immer sympathischer - wirkt nostalgisch, aber nicht schwermütig dabei.

    Mir fallen mit Schrecken meine Pflanzen ein. Die Monstera und das Dickblatt sind schon fünfzehn Jahre alt. So viel Mühe habe ich in ihre Pflege gesteckt!

    Auch das mit den Blumen fand ich ganz toll - sie liegt dort und es geht ihr nicht gut, und dennoch sorgt sie sich um ihre Pflanzen - könnte ich in 50 Jahren sein :D Eine uralte Dickblatt habe ich auch zu Hause (von Oma geerbt!) und ich habe mich bis heute gefragt, was das für eine Pflanze ist :D Also danke für die Fotos!

    Ich hab auch endlich aufgeholt und möchte mal kurz meine Begeisterung ausdrücken :D Obwohl ich zwischendurch immer mal dachte "Wow, jetzt wird es kompliziert", hast du mich immer wieder gut abgeholt durch die Kombination aus bereits Bekanntem und neuen Infos. Ich bleibe jetzt auf jeden Fall auch dran :thumbsup:

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    Hab's ja schon im Chat erwähnt, aber Elina ist nach wie vor mein Lieblingscharakter xD Ich glaube aber auch, dass Tjelvar langsam erkennt, wie cool sie ist.

    Und ich bin gespannt, ob Tjelvar jetzt erstmal alles daran setzt, Frod zu finden :schiefguck:

    Erstmal wieder vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren - ihr seid wirklich großartig! Und ich habe endlich das Gefühl, zu wissen, wo ich bei der Überarbeitung ansetzen muss :D Da mein Forum die Tage aber nicht so will wie ich und mich meine Beiträge gerade nicht editieren lässt, gibt es jetzt erstmal den Rest vom ersten Kapitel :)


    Kapitel 1.3

    Taler


    Eine Wolke dichten Nebels erschien auf dem Schiff, die sich binnen Bruchteils einer Sekunde zu einem monströsen Eisbären manifestierte. Dampfend stand das Tier dort, die Muskeln gespannt, das weiße Fell feucht vom Dunst, aus dem es emporgestiegen war. Rote, wulstige Narben durchzogen sein gesamtes Fell und leuchteten in der untergehenden Sonne der Abenddämmerung.

    "Ein magischer Begleiter! Hah, ich wusste es!" Die Elfe, die das Ende des Kampfes mit einem Mal bereits kommen zu sehen meinte, war auf halbem Weg den Mast hinunter. Sie schien keine Angst vor dem Biest zu haben, dass sich schützend neben Taler aufgebaut hatte. Im Gegenteil, sie schien es fast schon freudig erwartet zu haben, so aufgeregt, wie sie das Holz hinunter kraxelte.

    Dann setzte der Bär zum Angriff an und ließ sie innehalten. Mit seinen riesigen Pranken schlug er die Gruppe auseinander. Er brüllte und schnappte wahllos in die Menge. Machte sich über die Seeleute her, als handele es sich um ein paar lästige Insekten im Sommer. Einen von ihnen erwischte er am Arm, zog ihn zu sich heran und riss den Kopf ab, welcher vollständig in seinen Fang passte. Ehe jemand begreifen konnte, was geschah, hatte der Bär ein Blutbad auf Deck angerichtet. Das weiße Fell rot durchtränkt stand er dort zwischen ihren leblosen Körpern. Er schnaubte, nein, er seufzte zufrieden und machte dabei gar einen menschlichen Eindruck.

    Völlig furchtlos ging die Elfe auf das Tier und den noch am Boden liegenden Taler zu. Der Bär knurrte wieder, duckte sich in eine bedrohliche Körperhaltung hinab und starrte die Elfe aus kalten, blauen Augen an. Taler kannte diese Augen. Es waren seine Augen.

    "Na, wen haben wir denn da? Dein kleines Bärchen sieht aber schon sehr mitgenommen aus." Inzwischen war sie bei den beiden angekommen. Sein Eisbär schnappte in die Luft. Eine Warnung.

    „Ist ja gut, ich tue dir nichts“, sprach das Mädchen ruhig und reckte eine Hand seiner Schnauze entgegen.

    Sowohl Taler, als auch sein magisches Begleittier waren zu überrascht, um dem etwas zu entgegnen. Er selbst saß dort wie festgefroren, während sein Bär ihr schwer atmend den enormen Kopf zuwandte. Zunächst zog das Tier unsicher die Lefzen hoch, nur um dann mit neugierigem Ausdruck in den eisigen Augen an ihrer Hand zu schnuppern.

    Taler wischte sich mit dem unverletzten Arm Blut aus seinem Gesicht, welches er nicht genau zuordnen konnte. Ihm war nun wirklich nicht nach sarkastischen Bemerkungen eines übermütigen Elfenkindes zumute. Auch war es nicht die richtige Zeit für seinen Bären, neue Freundschaften zu schließen. Er musste seinen Begleiter loswerden, ehe die Magie Spuren hinterließ.

    "Verschwinde!", zischte er und schaute dabei nicht die Elfe, sondern den Bären an. Dieser grummelte wehleidig und versank augenblicklich in einer Welle von Nebel und Schatten.

    "Das war aber ziemlich unhöflich. Er hat dir gerade den Arsch gerettet." Die Elfe half Taler mit erstaunlicher Kraft auf und stützte ihn. Kaum war er auf den Beinen, kam das Schiff in Bewegung. Es schaukelte unkontrolliert, sodass beide gemeinsam umstürzten.

    "Das ging schneller, als erwartet. Ich hoffe für dich, dass du dich ebenso verdünnisieren kannst wie dein kleines Haustier", kommentierte das Mädchen Talers besorgten Gesichtsausdruck.

    Natürlich konnte er es nicht, und die Elfe, das kluge Ding, musste inzwischen begriffen haben, über welche Fähigkeiten er verfügte.

    "Was zur Hölle ist das?", rief Taler, der verzweifelt versuchte, das Gleichgewicht auf dem schwankenden Schiff zu halten. Er entschied sich nach einigen misslungenen Versuchen, sich aufzurichten, es der Elfe gleichzutun und auf dem Boden sitzen zu bleiben.

    "Die Nixen bringen ihre Überfälle stets zu Ende. Hat man dir als Kind die Märchen nicht erzählt? In wenigen Minuten ist von diesem Schiffchen nichts mehr übrig. Tja, ich dachte, wir hätten etwas mehr Zeit."

    Taler glaubte nicht, dass sie wirklich Ahnung von Seemonstern und Wasserweibern hatte, doch die Elfe behielt recht. Das Schiff begann bereits bedrohlich in das eiskalte Wasser abzusinken.

    „Theodorchen, sei doch vernünftig. Ich kann uns beide hier raus bringen." Sie streckte ihm provokativ ihre gefesselten Hände entgegen.

    Taler hasste es, wenn seine Gefangene ihn beim Vornamen nannte. Und noch mehr hasste er es, wenn sie recht hatte. Das Schiff schwankte heftig zur Seite, eine große Welle schwappte über Bord und durchnässte die beiden vollständig. Nicht mal er, der in den Eislanden aufgewachsen war, konnte sein Zittern ob der durchdringenden Kälte verbergen. Sie kugelten unsanft über die Holzplanken, als das Schiff zurück auf die andere Seite schnellte.

    "Wirklich Elfe, was zur vermaledeiten Hölle ist das?", wiederholte Taler bei dem Versuch, sich wieder aufzurichten. Er scheiterte. Erneut schwankte das Schiff und eine weitere Welle schmerzhaft kalten Wassers überspülte die beiden.

    "Etwas viel, viel größeres als die Nixen. Und glaub mir, es will nicht spielen", höhnte die durchnässte Elfe, welche zwar ebenfalls am ganzen Leib zitterte, sich jedoch nicht zu fürchten schien. Ihr musste die Kälte noch mehr zusetzen als ihm selbst.

    Mit der nächsten Welle begann das Schiff dann, zu zerbersten. Die Planken lösten sich von der Seite, Wasser strömte ein, die Aurelia versank. Ziemlich schnell für die hohen Töne, die der Kapitän gespuckt hatte, fand Taler.

    Beide robbten sich in Richtung Mast, der wie durch ein Wunder noch stand. Die Elfe hatte sich bereits einige Meter das Holz herauf gezogen, doch er konnte mit dem flinken Mädchen nicht mithalten.

    Immer wieder verlor er den Halt, rutschte den nassen Mast hinunter. Er musste zusehen, wie das Schiff unter ihm von schaumigem Meerwasser überspült wurde. Dann sah er die Nixen. Hunderte fingen an, das Schiff endgültig unter Wasser zu drücken, wollten beenden, was ihre Artgenossinnen angefangen hatten. Und auch ihren geheimnisvollen Helfer konnte er sehen. Ein riesiger, dunkler Schatten unter Wasser, der immer wieder verschwand, nur um das Schiff erneut von unten anzugreifen wie ein Hai, der Blut gerochen hat. Bloß war es zu groß für einen Hai. Der Schatten erstreckte sich unter der gesamten Länge des Schiffes.

    "Elfe, hilf mir!", rief er, streckte die Hand nach ihr aus und rutschte erneut einige Zentimeter den Mast herunter. So tief, dass eine grünhaarige Nixe ihre krallenartigen Hände nach ihm ausstrecken konnte und zog, während er sich nun wieder mit beiden Händen verzweifelt festzuklammern versuchte. Sie stieß einen Schrei aus, als Taler sich mit unkontrollierten Tritten zu wehren versuchte. Dabei entblößte sie eine Reihe kleiner, spitzer Zähne, die sie tief in seine Wade rammte.

    Bewegungslos und schon einige Meter höher als Taler starrte die Elfe auf ihn hinab. Er meinte kurz, Hass in ihren dunklen Augen zu erkennen. Die Wut über die Gefangenschaft. Siedend heiß wurde Taler bewusst, dass sie vielleicht mit dem Gedanken spielte, ihn sterben zu lassen, selbst wenn das ihren eigenen Tod bedeuten konnte.

    Doch er hatte das Mädchen falsch eingeschätzt. Sie rutschte ein Stück zu ihm herunter und versuchte, seine Hand zu greifen. Zeitgleich verlor sie mit der anderen Hand den Halt und fiel auf Taler, der sich einhändig nun ebenfalls nicht mehr festhalten konnte.

    Sie platschten gemeinsam ins eiskalte Wasser. Vom Schiff war kaum etwas übrig, an dem sie sich hätten festhalten können. Die Elfe griff nach seinem Arm und zog sich zu ihm heran.

    „Elfe, der Schlüssel“, schrie Taler und verschluckte sich an einem Schwall Wasser. Hustend versuchte er, den Kopf oben zu halten. Die Nixen krallten sich an ihnen fest, rissen die beiden mit ihren schuppigen Fingern in die Tiefe, doch die Elfe ließ ihn nicht los. Beide unter Wasser, blind, verknotet, konnte Taler fühlen, wie sie ihn abtastete. Dann spürte er, wie sie die dünne Silberkette mit ihren Fingern fand, den daran befestigten Schlüssel griff und heftig riss. Durch den Ruck an seinem Hals stoben sie auseinander. Er öffnete die Augen, versuchte sich unter Wasser zu orientieren.

    Das Mädchen kämpfte einige Meter vor ihm deutlich mit dem letzten Rest Luft in ihrer Lunge, wand und krümmte sich. Dabei versuchte sie, die Fesseln zu lösen, die Hände und Füße verbanden und vor ihrer Brust verschlossen waren. Sie wurde von hinten von einer Nixe gepackt und weiter von ihm weggezogen. Taler konnte glitzernde silberne Ketten zum Meeresboden herab sinken sehen. Die Elfe war frei.

    Er hingegen wurde bereits tiefer gezogen und merkte, wie ihm der Sauerstoff ausging, wie er das Bedürfnis verspürte, den Mund zu öffnen und einfach zu atmen. Und sei es Wasser. Seine Brust zog sich zusammen, immer dann, wenn seine Lungen Luft erwarteten und er sich zwingen musste, die Lippen geschlossen zu halten.

    Er sah die kleine Elfe, die alle Kraft sammelte und heftig strampelnd gegen die Nixe trat. Überrascht von der plötzlichen Gegenwehr ließ das Wasserweib sie los.

    Mit einigen heftigen Schwimmbewegungen bahnte sie sich ihren Weg zu Taler, welcher es nicht wagte, unter sich zu schauen, denn er spürte das riesige Biest unter sich und ahnte, dass Nixen keine besonders herzlichen Freunde hatten. Seine Sicht verschwamm, doch er konnte erkennen, dass die Elfe näher kam. Sie war sogar schon fast da, trat beim Schwimmen wild umher, die Hände wegstoßend, die versuchten, nach ihr zu greifen.

    Mit letzter Kraft streckte sie die Hand nach dem sinkenden Taler aus. Und Taler, der sich nicht daran erinnern konnte, je eine helfende Hand angenommen zu haben, reckte ihr den Arm entgegen. Er begriff, was sie vorhatte, wusste um ihre Fähigkeit, sich vollständig aufzulösen und an einem anderen Ort wieder zusammenzusetzen, hatte dieses Spektakel bereits persönlich gesehen, es persönlich verflucht, nachdem sie ihm ein weiteres mal entwischt war, dort oben in Decken aus Schnee und Eis. Er wusste bloß nicht, ob sie ihn mitnehmen konnte. Aber er musste es riskieren, musste dem kleinen Ding vertrauen. Eine andere Wahl hatte er nicht.

    Irgendwie schafften sie es, auch den restlichen Abstand zwischen ihnen zu überbrücken. Ihre Fingerspitzen berührten sich. Das genügte der Elfe. In einer grellen Explosion verschwanden die beiden, ließen die Nixen, das sinkende Schiffswrack der schönen Aurelia und das namenlose Ungeheuer verwundert im Eismeer zurück.

    Guten Morgen Tariq, wieder ein sehr schöner Text über Hannche! Das mit der Privatsphäre am Anfang hat mich etwas stocken lassen, da ich mir genau das in einer solchen Situation wohl wünschen würde - das sieht aber wahrscheinlich anders aus, wenn man ganz hilflos daliegt :/

    Frau Kehrer finde ich großartig - erst hat sie mich zum Lachen gebracht, dann hat mich ihr gutes Herz beeindruckt :)

    Du schreibst weiterhin so einfühlsam, dass sich der Text trotz der Schwere des Themas leicht und unterhaltsam lesen lässt.

    Spoiler anzeigen

    Der Wanderer ich möchte mich trotzdem noch kurz für deinen Kommentar bedanken - mir hat das an dieser Stelle schon geholfen, auch nochmal an die Perspektive pflegender Personen erinnert zu werden. Wie frustrierend das Pflegesystem ist und dass die Politik dass ordentlich vergeigt ist tatsächlich ein Thema, das hier wohl ausarten würde. Ich habe den Ausdruck aber keineswegs persönlich genommen sondern jeden deiner Punkte absolut nachvollziehen können!

    Ich bin auch von den beiden neuen Parts mehr als beeindruckt - über wie unglaublich viel Empathie du verfügst und wie zugänglich du das zu Papier bringst.

    Ich hoffe natürlich, dass es mehr Pfleger gibt, die ähnlich gut ausgebildet wurden wie Der Wanderer im Zivi, ich befürchte aber, dass dem Personal oft gar nicht die Zeit bleibt, auf die einzelnen Menschen einzugehen und würde da niemanden Bösartigkeit oder Ignoranz unterstellen.

    Die Situation mit der Klingel stelle ich mir ganz furchtbar vor und doch sind das für Pflegeheimbewohner vermutlich Alltagssituationen :/

    Hannche regt auf jeden Fall zum Nachdenken an - aber auch die kleinen Rückblicke gefallen mir gut, die bringen irgendwie schon wieder so einen Wohlfühlfaktor in die Geschichte. Habe das wuselige, familiäre Wohnzimmer gut vor Augen gehabt :)

    Erstmal danke fürs Lesen und Kommentieren :love: Ich habe die groben Fehler ausgemerzt, bin aber noch nicht ganz zufrieden :D  Aztiluth tatsächlich tendiere ich sonst immer zu langen Schachtelsätzen und habs für die Überarbeitung stark gekürzt, offenbar kann ich nur das eine oder das andere Extrem xD ich hoffe, ich lerne da jetzt mit eurer Hilfe die Balance :love:

    Hier wechselst du wieder für einen Satz in den allwissenden Erzähler. Du verwendest den gerne als Unheilsvorboten, was? :D

    Alopex Lagopus verdammt, voll erwischt xD ich habs mal traurig gestrichen ;( xD

    Samenbank? Was ist denn damit gemeint? Es ist ja ein eher moderner Begriff, für eine Samenbank braucht man Kühlschränke etc

    Sensenbach ich hoffe, dass wird durchs Worldbuilding in den nächsten Kapiteln noch klarer, vielleicht finde ich aber auch einen besseren Begriff, der nicht ganz so modern klingt :D

    Wie können ihn die Augen der Elfe verraten haben?

    Auch hier hoffe ich, dass sich das im nächsten Part klärt, falls nicht, halte ich das hier trotzdem mal fest und muss den Satz ggf. überarbeiten :)

    Zum Einordnen der Elfe - ich hatte gehofft, dass sie am Anfang etwas geheimnisvoll und unberechenbar wirkt. Ich mache jetzt aber mal weiter und bin sehr gespannt wie ihr das seht :)


    Kapitel 1.2

    Taler


    Der fremdartige Gesang wurde lauter. Sie mussten bereits näher sein, als er vermutet hatte, vielleicht zu nah, um noch intervenieren zu können. Erneut zupfte er an seinem Schwertgürtel, versicherte sich der Anwesenheit seiner Dolche, die er links und rechts am Lederriemen um seine Hüfte befestigt hatte.

    „Verdammt", fluchte er laut, sicher, dass seine Bewaffnung allein nicht ausreichen würde. Die Auseinandersetzung mit dem Kapitän war mit einem Mal unwichtig geworden. „Geht unter Deck Männer, sofort. Und steckt euch euren verfluchten Tabak in die Ohren!", wies er die Matrosen an. Zwar mochte ihm nichts an deren Leben liegen, doch alleine würde er dieses Monstrum von Schiff nicht steuern können.

    „Meine Aurelia ist aus der besten Werft der Eislande. Wir haben nichts zu befürchten“, grummelte Addi, stoisch am Steuerrad stehend. Lediglich seine zitternden Hände verrieten seine Nervosität. Er griff erneut in die Innentasche seines Mantels, schien sich aber rechtzeitig daran zu erinnern, dass er seinen Schnaps bereits ausgetrunken hatte und hielt mitten in der Bewegung inne.

    „Es sind Nixen. Verstehst du? Hungrige, biestige Nixen. Addi, jetzt ruf endlich deine Männer zusammen. Oder muss ich es mit Gewalt tun?“, knurrte Taler, sodass endlich auch die restliche Besatzung der Handelsflotte verstand. Für den Bruchteil einer Sekunde war es still, dann fiel der Groschen und es brach Chaos aus.

    „Scheiße, Nixen!", fing einer der Männer an, und alle stimmten in einen panischen Tenor mit ein. Mit den Händen auf den Ohren versuchten sie vor dem immer lauter werdenden Frauengesang zu fliehen. Dabei warfen sie Fässer um und schubsten sich ohne Rücksicht auf Verluste beiseite. Für einige von ihnen war es bereits zu spät. Taler beobachtete zwei Männer, die in ihrer flüchtenden Bewegung innehielten und sich der Reling zuwandten. Ehe er etwas tun konnte, sprangen sie, gelockt von den verführerischen Stimmen der Meerfrauen, in den Tod.

    „Oh verdammte, verfluchte, verfickte Scheiße!“ Offenbar war der Gesang bis zum Kapitän durchgedrungen. Addi ließ das Steuerrad los und versuchte mit hastigen Schritten, sich unter Deck zu retten. Plötzlich stoppte er. Dann drehte er sich. Blickte sich noch einmal zu Taler um. Zur Elfe hoch, die verwässerten Augen leer. Er schritt rückwärts, bis er den hölzernen Rand des Bugs erreichte.

    „Addi“, sprach Taler langsam und hob beschwichtigend die Hände, „du weißt nicht, was du tust. Bitte, komm von der Reling weg.“ Das Blut in seinen Ohren rauschte und obwohl es bitterkalt war, spürte er, wie ihm kleine Schweißtropfen die Schläfen hinunter liefen. Er ging vorsichtig einige Schritte auf ihn zu.

    Ehe er ihn erreichen konnte, drückte sich Addi, leicht lächelnd, mit den Händen hoch. Kurz saß er dort auf der Holzleiste, den Blick ins Leere gerichtet, dann stieß er sich mit den Beinen ab und fiel rückwärts ins Meer.

    „Verdammt!“, rief Taler wieder aus, während er blitzschnell reagierte, das Steuer übernahm und sich dann seiner letzten Hoffnung zuwandte. „Können wir etwas tun? Elfe, können wir sie retten?“ Inzwischen waren sie die einzigen Personen, die sich noch über Deck befanden. Er hoffte inständig, dass die Männer im Bauch des Schiffes von dem Gesang verschont blieben.

    „Was scheren sie dich?“, fragte sie seelenruhig.

    „Alleine werden wir das Festland nicht erreichen“, knurrte er zurück.

    „Du vielleicht nicht.“ Selbst von unten konnte er sehen, wie sie die schiefen Lippen schürzte.

    Taler blickte die noch immer hoch über ihm platzierte Elfe an und setzte eine flehende Miene auf, „Bitte", rief er ihr nun sanfter zu, „sag ihnen ich will reden." Es war bloß eine Vermutung, eine Hoffnung. Er wusste nicht, ob das Mädchen mit anderen magischen Wesen kommunizieren konnte. Dafür wusste er zu wenig über ihre Art. Und wenn sie es konnte, so war er nicht sicher, ob sie es zu seinen Gunsten tun würde.

    Die Elfe wirkte wenig überrascht von der Tatsache, dass der tödliche Gesang der Nixen ihn nicht einzuwickeln vermochte. Oder sie zeigte ihre Verwunderung nicht.

    Er stand auf eine Reaktion von ihr wartend am Steuer, wischte die schwitzigen Hände an seinem dichten Pelzumhang ab und hob eine Hand an den Schwertgriff. Was auch immer jetzt passierte, er war bereit für den Kampf. Ein paar dunkle Locken wehten ihm störend in die Augen und für den Bruchteil einer Sekunde dachte er daran, dass er sie würde kürzen müssen, sobald er die Gelegenheit dazu hatte.

    "Ich denke nicht, dass sie reden wollen", entgegnete die kleine Elfe frech, als wäre es Taler nicht selbst aufgefallen.

    Die grausigen Wasserweiber begannen, sich um das Schiff herum zu sammeln. Es waren so viele, dass er sie auf die Schnelle nicht zählen konnte. Ihr Gesang glich nun eher einem einstimmigen, vibrierenden Summen. Einer der Männer stürzte wieder unter Deck hervor, stach sich noch im Rennen ein Messer in den Bauch und ließ sich über die Reling fallen. Innerhalb weniger Sekunden war von ihm nicht mehr übrig als ein rot zerlaufender Fleck im Meer.

    Taler atmete in kurzen, flachen Zügen. Das erste Mal seit Beginn ihrer Reise musste er sich seine Furcht eingestehen. Die aufgescheuchten Männer in Schach zu halten war für den ehemaligen Soldaten ein Leichtes. Bei einer Horde Nixen sah dies anders aus. Das Meer war ihr Gefilde, ihr Revier, ihr Jagdgrund. Taler gehörte nicht hierher, er gehörte ins Eis. Er zog sein Schwert, auch wenn er nicht wusste, was er damit ausrichten sollte. Verzweifelt klammerte er sich an den kalten Schwertgriff. Mit einem Mal wog der Stahl ungewöhnlich schwer in seinen Händen.

    "Der hatte wohl die Ohren nicht genug abgedeckt", bemerkte die Elfe spitz, während sie demonstrativ langsam vom Mast kletterte. Unten angekommen blickte sie über Bord auf die im Wasser lauernden Frauen, die er selbst vom Steuerbord aus nur schemenhaft erkennen konnte. Bunte Schöpfe wirren Haars, wie Seetang um Kopf und Brüste geschlungen zierten das Wasser um die Aurelia herum.

    In einer fremden Sprache, die eher aus Zischen als Wörtern bestand, kommunizierte das Mädchen mit den Nixen. Dann drehte sie sich wieder zu Taler um, bis über beide Ohren grinsend, als hätte sie just mit ein paar alten Freundinnen geplaudert.

    "Wenn dir dein Leben lieb ist", begann sie ruhig und ohne den fröhlichen Klang ihrer Stimme zu verlieren, während sie auf ihn zuging, "solltest du mir die Fesseln abnehmen. Du weißt, ich kann uns hier wegbringen. Der Rest dieser Mannschaft ist verloren, glaub mir."

    "Netter Versuch. Das ist keine Option. Eher sterbe ich hier." Taler funkelte die Elfe an und hoffte um die bedrohliche Wirkung eisblauen Augen.

    Diese lächelte angesichts der entgegengebrachten Ehrfurcht noch ein Stück breiter. Ihr kindliches Gesicht bekam einen geradezu diabolischen Ausdruck.

    Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er hatte ihre Stärke demonstriert bekommen, damals, in den eingeschneiten Bergen Cantarikens, in seiner Heimat. Es stimmte, was sie sagten, bevor er den Auftrag annahm. Dieses Mädchen war mächtiger, als alles, was er kannte, gefährlicher, als jeder Magier im Land. Sein einziger Vorteil ergab sich daraus, dass ihr diese Tatsache noch nicht bewusst zu sein schien. Und aus den Fesseln, die ihre Magie zu unterdrücken vermochten.

    „Die Nixen kriegen dich hier nicht runter, das sehe ich. Gemeinsam werden wir also den Rest der Mannschaft sterben sehen. In allerspätestens zwei, drei Tagen, schön gerechnet wohlgemerkt, sitzen wir dann alleine auf diesem Boot fest. Und wenn die Nixen wütend werden, holen sie etwas, das auch uns beide vom Schiff holen kann. Da wird auch unser magisches Blut nichts nützen. Ich hoffe, an diesem Tag nimmst du mir die Fesseln ab, du Dummkopf." Trotzig verschränkte sie die Arme vor dem Körper, soweit es ihr mit den Ketten möglich war. Kurz hätte er sie wirklich für ein argloses Kind halten können.

    Sie wurden von einem Matrosen unterbrochen, der unter Deck hervor an ihnen vorbei hastete und sich mit einem verzweifelten Laut in die Tiefe stürzte. Taler hörte das Klatschen auf Wasser, das Bersten von Knochen, das Reißen von Fleisch, dort, wo die Nixen den Mann unsanft griffen und auseinander rissen wie hungrige Krokodile.

    "Denen geht wohl das Zeug zum Ohren stopfen aus. Bist du sicher, dass Tabak hilft?", bemerkte die Elfe spitz. "Sieht so aus, als würden die einstigen blinden Passagiere bald zu den einzigen beiden Passagieren an Bord werden." Sie kicherte fröhlich. Er hatte sie noch nie ängstlich gesehen, nicht mal nachdem er es geschafft hatte, sie zu bändigen und gefangen zu nehmen, immer hatte sie frohen Mutes den Kopf hochgehalten. Ein seltsames kleines Ding.

    Sein Blick glitt verzweifelt auf die Männer, die über Bord gingen. Er musste handeln. Er schob sein Schwert zurück, rannte vom Steuerbord die schmale Holztreppe hinunter und versuchte, zwei weitere Männer aufzuhalten, die mit glasigem Blick ihrem Tod entgegentreten wollten. Einer der Männer holte schwungvoll aus. Taler duckte sich und sprang auf den anderen, um zumindest ihm das Leben zu retten. Er bekam einen kräftigen Schlag auf den Kopf und verfluchte seine eigene Leichtsinnigkeit.

    "Voll auf die Zwölf!", rief die Elfe, die erneut auf dem Mast Schutz vor den wild gewordenen Männern gesucht hatte.

    Die Nixen hatten ihre Taktik geändert. Anstatt den direkten Weg auf den Speiseplan der Meerfrauen zu nehmen, hatte der erste Mann sich mit einer Holzplanke bewaffnet und starrte Taler kampflustig an. Offenbar wurde er von den Frauen manipuliert. Taler seufzte kurz, schnitt dem Mann unter ihm mit einem der kleinen Dolche sauber die Kehle durch, steckte ihn zurück an den Gürtel und zog sein Schwert erneut aus der Scheide an seinem Rücken. Inzwischen hatten sich gut ein duzend weitere Männer um ihn versammelt, die alle unter dem schändlichen Einfluss der Nixen standen. Er hatte keine Wahl; er musste sie töten. In diesem Zustand würde sie keiner von ihnen aufs Festland bringen. Er wusste auch, er durfte hier, auf dem offenen Meer, keine Zauber wirken. Sie waren zu nah an der Küste Nemariens, zu nah am Reich der Kaiserin, bereits unter ihrem alles beobachtenden Auge. Seine Magie würde ihn augenblicklich verraten. Er konnte sich nur auf sein Schwert verlassen.

    "Du hast wohl noch mehr Gesellschaft bekommen", spottete die Elfe höhnisch von oben.

    Sie griffen ihn gleichzeitig an, ohne Rücksicht auf Verluste. Taler wirbelte herum, teilte aus, doch es waren zu viele, um anzugreifen und zeitgleich die Schläge zu parieren. Während er einem seiner Widersacher mit einem kräftigen Hieb in die Brust das Leben aushauchte, traf ihn von hinten ein heftiger Schlag an der Schulter. Er spürte, wie sich etwas tief in sein Fleisch schnitt und umklammerte mühsam sein Schwert.

    "Der hat gesessen!", kommentierte die Elfe das Geschehen sorglos weiter.

    Mit einem brennenden Stechen erhob Taler seinen Arm, vollführte eine schwungvolle Drehung und schlug dem Mann hinter ihm den Kopf ab. Gleich stürzten sich zwei weitere Männer auf ihn, prügelten auf ihn ein, ohne jegliche Angst vor dem Stück Stahl, dass Taler kaum noch zu halten in der Lage war. Die Schläge, die er einstecken musste, wurden mehr, er konnte sich nur noch verteidigen, kam nicht dazu, selbst anzugreifen. Er ging unter den Männern zu Boden, wurde schwächer, Holzplanken droschen auf ihn ein.

    "Sieht schlecht aus für dich, Kleiner", rief die Elfe vom Mast aus.

    Auch Taler entging die Misslichkeit seiner Lage nicht. Ein Schlag nach dem anderen trafen ihn die Bretter, hielten ihn am Boden, nahmen ihm jede Gelegenheit zur Gegenwehr.

    Hilf mir, dachte er reflexartig und verfluchte sich sogleich dafür. Er wusste, was er mit diesem Wunsch anrichtete. Und er brauchte nicht lange auf die erbetene Hilfe zu warten.

    Guten Morgen Tariq, dieser kurze Part hat mich emotional abgeholt :) Das ist ein Thema, mit dem sich wohl jeder auseinandersetzen sollte, bevor es bei einem selbst soweit ist. Ich habe sehr mit Hannche mitgefühlt und es ist doch erschreckend, dass dieses "abgeschoben" werden tagtäglich Realität für so viele Menschen ist... Habe gerade direkt das Bedürfnis, meinen Opa anzurufen ;(

    So, der Prolog ist stark gekürzt und ich habe direkt mal versucht beim ersten Kapitel mutig weiter zu streichen :D Mir fällt es gerade allerdings sehr schwer zu differenzieren, welche Infos der Leser am Anfang braucht und welche den Text zunächst nur zerren. Ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen :)


    Kapitel 1.1

    Taler

    „Es wird wärmer“, brummte der Kapitän und strich seinen Bart glatt, ein salzverkrustetes Exemplar. Anstelle seine Hand zum Steuerrad zurückzuführen, schob er sie in seine Hose und kratze sich ausgiebig an einer Stelle, welche die Sonne nicht erreichte.

    Theodor Joris Taler atmete ein und versuchte die schlechten Manieren seines Genossen zu übergehen. Dann stimmte er ihm mit einer kleinen Kopfbewegung zu. Die Luft war feucht, salzig, doch etwas in ihr fehlte. Die vertraute Kälte, die sonst in seinen Lungen brannte, war fort. Er hob eine Hand zur Stirn, schirmte seine Augen ab und blickte ein letztes Mal zurück. Sie hatten die mächtigen Eisberge Cantarikens bereits zu weit hinter sich gelassen, als dass die stummen Riesen Talers leise geflüsterte Worte des Abschieds hätten hören können.

    Ich hatte mir geschworen, nie wieder zurückzukehren. Und hier bin ich, dachte er, während er sich wieder nach vorn wandte.Bedrohlich baute sich die graue Steilküste Nemariens vor ihm auf. Es war nicht mehr weit bis zum Ziel seiner Reise.

    „Wärmer? War der Schoß deiner Mutter eine Gletscherspalte?“ Ein fröhliches Trällern riss den Magier aus seinen Gedanken.

    Sein Blick glitt nach oben zu der kleinen Elfe, die sich hoch oben in der Takelage auf einem Mast platziert hatte und kaum den Eindruck einer Gefangenen machte. Selbstzufrieden baumelten ihre dürren Beine in der Luft, sodass die silbernen Ketten um ihre Knöchel eine fröhliche Melodie klimperten. Sie grinste gelassen und sah von oben auf die Männer herab.

    Nicht ihre Fesseln, nicht ihre Gefangenschaft, einzig die Kälte machte ihr zu schaffen, das hatte er in den letzten Wochen über sie gelernt. Trotz mehrerer Lagen Pelz bibberte sie ständig, obwohl er sie mit allen Fellen ausgestattet hatte, die der Winzling tragen konnte. Er hatte immer gedacht, man gewöhne sich an die Kälte. Die Elfe hatte ihn eines Besseren belehrt. Wochenlang war sie vor Soldaten geflohen, mit nichts ausgestattet außer ein paar leichten Gewändern, hatte überlebt, was kein Mädchen in ihrem Alter hätte überleben können und sie saß dort und fror. Dort oben musste der Wind ihr noch eisiger um die Ohren pfeifen als auf Deck ohnehin schon, doch ihre Neugier siegte.

    „Wage es ja nicht, meine Mutter zu beleidigen!“, herrschte Kapitän Addi nun und hob drohend den Zeigefinger in Richtung Himmel.

    „Ich beleidige wen ich will!“, entgegnete sie trotzig. Sie hatte sich inzwischen erhoben und balancierte geschickt auf dem Mast entlang, bis sie das äußerste Ende erreicht hatte, wo sie sich mit einem Satz niederließ. Sie strich sich mit beiden Händen die vom Wind zerzausten Haare aus dem Gesicht, die Beine nun um den Mast geklemmt. Ein stolzes Ziervögelchen auf einem Holzbalken drapiert, bloß, dass es nicht im Käfig saß.

    „Aber recht hast du, Addi. Es ist nicht mehr weit", fügte das Mädchen dann mit einem spöttischem Blick hinzu. Taler wusste nicht viel über Elfen, doch sie hatte gute Augen, die sie vor Schneeblindheit verschont und ihn auf ihrer Hetzjagd durchs Eis oft verraten hatten.

    Dass ich dich noch erleben darf, dachte er unweigerlich. Obwohl er sie seit ihrer Gefangennahme oft und lautstark verfluchte, so konnte er eine gewisse Faszination für dieses wundersame Geschöpf nicht verbergen. Ihr fehlte die gebrochene, angsterfüllte Haltung, die er von anderen Gefangenen kannte. Von sich selbst, noch bis vor wenigen Wochen. Er rieb sich die Handgelenke. Noch immer spürte er die Anwesenheit seiner eigenen Fesseln, die ihm jüngst erst abgenommen worden waren, um diesen Auftrag zu erfüllen. Er löste seine Hände wieder voneinander und strich sich durch das vom Meer verklebte Haar.

    „Wenn das kleine Schandmaul sagt es ist nicht mehr weit, dann muss das wohl so sein. Los, schwimm doch den Rest und berichte uns, wie viele Meilen es noch sind“, murmelte Kapitän Addi nun mit einem verächtlichen Ton in der Stimme, zog die Nase hoch und spuckte aus. Die Elfe schaute ihn kurz an, grinste frech und tat es ihm nach; in hohem Bogen landete ihr Auswurf gezielt vor den abgetretenen Stiefeln des verlebten Mannes.

    „Sei lieber nett zu ihr“, Taler seufzte laut. Würde dieser Widerling nicht das Schiff steuern, auf dem er sich selbst befand, hätte er ihn längst mundtot gemacht. „Sobald wir wieder Land unter den Füßen haben, hat sie die Macht, dich mit einem Fingerschnippen zu töten“, fügte er dann hinzu und richtete sich auf, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Dabei rückte er demonstrativ den Schultergurt seines Schwertes zurecht.

    Dennoch musste er ein Schmunzeln unterdrücken. Es hatte gedauert bis er sich daran gewöhnen konnte, dass sie nichts was geschah, getan oder gesagt wurde unkommentiert ließ. Immer wieder musste er sich zähneknirschend sagen, dass er sie nicht ewig mit sich herumschleppen würde. Es gab Tage, da biss er sich die Lippen blutig, um nicht in dem ein oder anderen Wutanfall zu enden. So etwas schickte sich gegenüber einem Mädchen nicht, selbst wenn sie seine Gefangene und eine Elfe war, ein Geschöpf, welches er kein zweites Mal in seinem Leben gesehen hatte. Nein, Taler hatte vor langer Zeit gelernt, sich zu benehmen. Und er hatte es nicht vergessen.

    "Nicht mit diesen verhexten Fesseln." Addi warf der Elfe einen Blick zu, den Taler bereits einzuordnen wusste.

    Widerling, dachte er und verzog die Mundwinkel. Dann drohte er: "Die werde ich ihr für meine Zwecke irgendwann abnehmen müssen. Und dann findet sie dich. Dann findet sie jeden von euch."

    Das Mädchen auf dem Mast gackerte.

    „Sie sieht nicht so aus“, fügte Taler hinzu, „doch wenn es darum geht, sich zu verteidigen, hat meine Gefangene außergewöhnliche Kräfte. Wenn ich mit ihr fertig bin, schicke ich sie gerne los, um dir eine Kostprobe zu liefern.“

    "Elfen töten nicht", beharrte der Kapitän auf seiner Meinung und säuberte sich beiläufig mit dem kleinen Finger die Nase. "Sie wird dir nichts nützen. Wir sollten uns mit ihr vergnügen und sie ins Meer werfen, ehe sie sonstigen Schaden anrichten kann."

    "Sie hat bereits getötet. Und wir werden sehen, ob sie es wieder tut. Und jetzt solltest du dein Schandmaul halten, deine Arbeit tun und uns auf das Festland bringen." Taler schüttelte den Kopf. "Göttinnen, Addi, das ist noch ein Kind. Da könnte man fast auf die Idee kommen, die Kaiserin liege völlig richtig in der Annahme, Männer taugen lediglich zum gegenseitigen Morden auf dem Schlachtfeld oder für die Samenbank. Wobei ich in deinem Fall hoffe, dass du dich für Letztere nie hergeben musstest", spuckte er angewidert aus. Natürlich war es kaum vorstellbar, schließlich durften sich die Frauen Nemariens die Erzeuger ihrer Kinder frei aussuchen. Nicht nur das, sie durften sogar entscheiden, ob er das Privileg bekam, als Vater für das Balg fungieren zu dürfen. Er mochte gerade so viel vom weiblichen Geschlecht verstehen, um zu erkennen, dass der Kapitän mit keinerlei Vorzügen aufwarten konnte, weder für die Erzeugung, noch für die Erziehung von Kindern.

    „Ich finde auch, ihr habt es euch selbst zuzuschreiben, dass das männliche Geschlecht keinerlei Wert hat“, trällerte das kleine Vögelchen vom Mast herunter.

    Die anderen Männer, die zuvor ihrem regen Treiben auf dem Schiff nachgekommen waren, hielten nun angesichts der erhobenen Stimmen inne. Ein Drittel von ihnen blickte sich bereits nach etwas um, das im Zweifelsfall als Waffe dienen könnte. Es wäre nicht der erste Streit an Bord, der tödlich für einen von ihnen endete. Die bauchige Aurelia hingegen glitt über das Wasser, ahnungslos, was sich auf ihrem Deck abspielte, stoisch, bereit, ihre Aufgabe als Handelsschiff zu erfüllen, ungeachtet was komme. Und der Kapitän, Addi, dieser feige Sack, wandte sich von Taler ab. Wich seinem durchdringenden Blick aus, strich sich noch verlegen durch das spärliche Haar, kratzte sich wieder in der Hose.

    Er sollte die Besuche bei den Lustknaben weglassen, wenn er den Juckreiz je loswerden will, dachte Taler und löste die Hand von seinem Schwertgriff.

    „Da ist wohl jemand nicht besonders scharf auf weitere Kämpfe mit dir, Talerchen“, kommentierte das Mädchen das Geschehen. Er zog die Mundwinkel ein wenig nach oben, links und rechts, zeigte ein paar Zähne. Eine Art Lächeln. Doch er schwieg.

    „Nun“, fuhr sie fort, „das ist verständlich. Wenn man bedenkt, unter welchen Umständen wir uns hier breitgemacht haben. Ich muss sagen, du hast die Fronten gleich geklärt. Oder möchte noch jemand eine kleine Demonstration der Kräfte meines lieben Entführers?“, schwatzte sie weiter. Sie blickte mit feuriger Miene von oben herab auf die erstarrten Matrosen.

    Taler hätte sich über den ihm gezollten Respekt freuen können, doch die Elfe saß auf eine Art dort oben, die ihn beunruhigte. Etwas zu selbstzufrieden für seinen Geschmack, etwas zu siegessicher für die schweren Fesseln, die sie trug. Sie lächelte. Die kleine Elfe lächelte immer.

    „Nun, Talerchen, willst du mir verraten, wie es für uns weitergeht, sobald wir das Festland erreicht haben? Ich kann's kaum erwarten, Nemarien zu sehen... Hey, schauen wir uns die Hauptstadt an? Spazieren wir eine Runde durch den Kargi?“, sagte sie dann, nur zu ihm gewandt und schob mit einer Hand ihren Pelzumhang dichter über der Brust zusammen, soweit es ihr die Ketten zuließen. Sie waren nicht besonders eng, doch sie bestanden aus Silber, ein Edelmetall, welches ihre Kräfte vollständig zu unterdrücken vermochte.

    So ist sie nur ein harmloses Mädchen, dachte der Magier. Er spürte ein deutliches Aufatmen um sich herum, dann hörte er, wie die Männer ihre Arbeit geräuschvoll wieder aufnahmen.

    „Sicher, kleine Elfe“, murmelte er. Inzwischen wusste er, sie könnte ihn dort oben auch hören wenn er flüsterte. „Jeder geht seiner Wege. Die Händler in die eine, wir in die andere Richtung.“ Und dann bin ich dich bald los, fügte er in Gedanken hinzu. Er konnte es kaum erwarten. Sobald er seine Aufgabe erfüllt und die kleine Elfe übergeben hatte, wäre er ein wahrhaft freier Mann. Zumindest, wenn die Übergabe so laufen würde, wie es geplant war. Alles, was danach passierte, würde nicht mehr seiner Verantwortung obliegen.

    Ohne etwas zu erwidern richtete sich die Elfe mit einem Mal auf. Sie legte die Hände wieder an das Segel vor sich und hielt sich am Holz fest. Die Aurelia vor sich, reckte sie den Kopf aufmerksam in die Höhe und ignorierte den Mantel, der sich erneut geöffnet hatte und im Wind flatterte. „Hörst du das?“, fragte sie, an Taler gerichtet.

    „Ich habe keine spitzen Ohren“, entgegnete er zynisch, noch immer mit leiser Stimme.

    „Dann solltest du sehr genau hinhören.“

    Die Aurelia glitt weiter, sanft, eine Einheit mit dem Meer, als hätten beide nie etwas anderes gekannt. Taler verstand nicht, so sehr er auch versuchte, etwas zu hören außer dem Rauschen der Wellen, die der Mannschaft heute friedlich gesinnt waren und nur leise am Bug des Schiffes brachen. Ein paar Möwen kreisten über ihnen und kündigten das kommende Land mit kreischenden Lauten an.

    Die Elfe aber grinste, von einem ihrer langen Ohren bis zum anderen. „Es wird interessant. Es wird gleich sehr spannend, Talerchen. Sehr, sehr spannend. Wirklich, ich kann es kaum erwarten.“

    „Hör auf uns zu verarschen, du dummes Ding.“ Addi hatte seine Sprache wiedergefunden, zog einen Flachmann aus der Innentasche seines Unterwamses, nahm einen großen Schluck, dann noch einen, dann schüttelte er die Flasche kopfüber und fluchte. „Schon wieder leer.“

    „Kannst du jetzt mal die Klappe halten?“ Er versuchte herauszufinden, was die Elfe hörte. Sie pflegte tatsächlich gern zu scherzen, doch irgendetwas in Taler sagte ihm, dass er sie in diesem Moment ernst nehmen sollte. Und sein Gefühl täuschte ihn nicht.

    Zuerst war es nur ein leises Pfeifen im Wind, zu schwach, um von jemandem mit gewöhnlichen Sinnen wahrgenommen zu werden. Blitzschnell kombinierte er alles, was er über das Meer zu wissen glaubte, zusammen mit der Reaktion der Elfe, schlussfolgerte, was es zu schlussfolgern gab, war sich dann sicher.

    Es war nicht der Wind, nicht das Schiff. Es war Gesang.

    Nixen, dachte er, es wird tatsächlich interessant, kleine Elfe.

    Erstmal vielen Dank dafür, wie umfassend ihr euch mit meinem Prolog auseinandergesetzt habt :love: Ich wurschtel schon sehr lange an der Story herum und merke gerade, dass ich genau solche Rückmeldungen brauche :D

    Zusammenfassend ist die Erzählperspektive hier das größte Problem oder? Hier noch kurz die Info, dass nur der Prolog von einem allwissenden Erzähler begleitet wird...

    Ich mochte allerdings den Gedanken, den Tariq aufgeführt hat, diese "Lagerfeuererzählung"... Aber es passt tatsächlich nicht zu den kommenden Perspektiven, da ich im Folgenden rein personal werde :DJetzt stehe ich grade vor der Frage, radikal zu kürzen, dafür würde es sich anbieten, den auktorialen Erzähler rauszunehmen... Tariq und Alopex Lagopus fanden den ja ganz gut, allerdings habe ich drei starke Gegenpositionen :D

    dieses -unser- passt nicht so recht find ich. Es sei denn der Prolog wird von einer Person wie eine Geschichte vorgetragen.

    Den Leser direkt anzusprechen ist Geschmacksache. Hab ich auch schon gemacht, es hat allerdings auch Nachteile.

    Du veranstaltest anfangs ein wenig Tamtam, das das Ganze aber eher verschwurbelt und schwerer zu lesen macht.

    ich glaube Kirisha und Sensenbach führen hier schon zurecht an, dass ich im Auftakt etwas zu hochgestochen bin. Theoretisch ist der letzte Part für den weiteren Verlauf auch der Wichtigste, sodass ich tatsächlich einiges streichen könnte, ohne der Story zu schaden.

    Ich mach mich dann jetzt mal ans Kürzen und Editieren, ehe ich weiter poste :D

    Ich finde die Idee super, weil es ja doch was völlig anderes ist, ein Werk am Stück zu lesen. Könnte mir vorstellen, dass es dem Inhalt dadurch nochmal "an den Kragen" geht..

    Im kleinen Kreis passiert das hier ja auch schon :D Vielleicht könnte man sich über diesen Thread auch zusammenfinden. Sprich, wenn mir eine Geschichte im Forum gefällt, kann ich mich hier als Testleser anbieten?

    So, ich traue mich jetzt auch mal, meine Geschichte zu posten :D ich freue mich auf eure unverblümte Meinung, jedwede Kritik zu Inhalt oder Form ist sehr willkommen :)

    Prolog

    Ein Stern fiel in dieser Nacht. Die meisten Menschen des Kontinents Margora waren zu beschäftigt, um Notiz davon zu nehmen. Es wurde die große Wende gefeiert, das Zeitalter der Frauen brach an.

    Später hieß es, niemand habe die Gefahr kommen sehen. Doch es gab Beobachter, zwei Magier und eine Königin, die den Blick im richtigen Moment gen Himmel hoben und allesamt auf unterschiedlichste Weise überrascht sein sollten.

    Hoch in den Kronen mächtiger Mammutbäume huschte Orleander geschickt über die Äste, als ein ungewöhnliches Funkeln in seinem Augenwinkel ihn plötzlich innehalten ließ. Einer der Sterne am Firmament leuchtete anders als die anderen. Heller. Der Kronenläufer betrachtete den Himmelskörper genauer, als es ihm aufging: Der Stern bewegte sich. In rasender Geschwindigkeit fiel er auf die Erde zu. Inzwischen zog er einen lodernden Feuerschweif mit sich, der den Nachthimmel mit einem roten Streifen markierte.

    Er hatte sowas schon einmal gesehen, vor vielen Jahren, als er noch grün hinter den Ohren gewesen war. Und er erinnerte sich, dass es damals nichts Gutes bedeutet hatte.

    Ein fallender Stern. Der Bote großen Unheils, dachte der Kronenläufer und blickte besorgt in den Himmel. Dann machte er sich auf den langen Weg in die verhasste Heimat, um seine Brüder und Schwestern zu warnen.

    Auch weiter westlich des Flusses, in heißeren Gefilden, wurde der fallende Stern gesehen. Eine Königin mit flammend rotem Haar, die dem Feuerschweif des Sternes gleich kamen, schritt über die Terrasse hinweg und stütze sich auf die Mauern aus hellem Sandstein, verwundert in den Himmel blickend.

    Im Bruchteil einer Sekunde berechnete die Königin den Fallwinkel, den möglichen Ort des Aufpralls und den Zeitpunkt, an dem der fallende Stern auf die Erde treffen würde.

    Wenn sie richtig lag – und als vernünftige Königin zweifelte sie stets daran – dann würde er in wenigen Stunden in den Eisbergen hoch oben im Norden aufschlagen.

    Die Königin wusste, was sie tun musste. Sie sollte die anderen warnen, ihnen von der Gefahr berichten. Und doch zögerte sie.

    Eine dritte und letzte Person konnte den fallenden Gesteinsbrocken sehen, eine Person, der jegliche Feierlichkeiten an diesem Abend verwehrt wurden. Der halb erfrorene, halb verhungerte Mann traute seinen Augen nicht. Er zog sich an den dicken Eisenstäben hoch, die ihn gefangen hielten und blickte hinaus. Er musste sich die Augen reiben, ein zweites Mal hinschauen. Und dann begann er, hysterisch zu lachen, er lachte, bis ihm die Tränen kamen.

    „Ein Stern, ein fallender Stern! Was bist du nur für ein Glückspilz!“ Der verlotterte Mann kriegte sich kaum ein vor Lachen.

    „Halt deine Fresse, oder ich polier' sie dir!“ Ein Wachmann stieß heftig gegen die Tür und unterbrach die Euphorie seines Gefangenen kurzzeitig.

    Der Mann in der Zelle verstummte augenblicklich. Doch keine Sekunde später grinste er, diesmal still, von einem Ohr zum anderen. „Ein Stern“, sagte er erneut, flüsternd, sodass nur er selbst es vernehmen konnte, „Teufel, das ist wahrlich ein Geschenk.“

    Als großer Sapkowski Fan kann ich Eegon2 nur zustimmen - er verpackt das WIE so gut, dass es ganz toll ist, Anspielungen auf Märchen herauszulesen. Ich sehe das eher als "Easter Eggs" in einer guten Storyline. Viel wichtiger als der Spiegel an sich, den man ja ggf. schon mit etwas assoziiert (was für die Geschichte auch hilfreich sein kann!) sind ja die Personen in deiner Story und wie sie sich davon beeinflussen lassen :D

    "Klischees" spielen ja auch mit den Erwartungen des Lesers... diese bewusst zu brechen, kann super interessant sein, wie Rainbow ja auch schon angeführt hat - sei es nun mit Humor oder durch andere Überraschungseffekte.

    Ich würds auch lesen :D