Beiträge von Octopoda

    Man nehme einen Gott, einen toten Raben und eine königliche Intrige

    Sind wir mal ehrlich. Wir stehen auf Intrigen. Je dreckiger, umso besser. Nicht im echten Leben, klar, aber gut gemachter Verrat ist der perfekte Stoff für spannende Lesestunden. Und was wäre ein "klassischer" High-Fantasy-Roman ohne gierige Könige, einen gestohlenen Thron und einen Auserwählten?

    Ann Leckie hat mit Der Rabengott eine schmucke Geschichte erschaffen. Eingefleischte Leser:innen von High-Fantasy werden aber wohl kurz staunen, denn meine Güte. Der Roman ist komplett in der 2. Person geschrieben. Und so eine "Du"-Perspektive lässt einen kurz erst mal zusammenzucken. Zumindest ging es mir so, als ich frisch zu lesen angefangen habe. Ungewohnt, aber reizvoll.

    Der Erzähler, der fröhlich vor sich "hinduzt" ist auch nicht irgendwer, sondern ein Gott, der seit Urzeiten das Königreich Iraden beschützt. So ein Gott lässt sich natürlich nicht lumpen und verlangt für seinen Schutz etwas im Gegenzug; jedes Mal, wenn sein Rabenvogel stirbt, der seinen göttlichen Willen den Sterblichen überbringt, muss auch der menschliche Statthalter sterben. Als der göttliche Rabenvogel ins Gras beißt, verlangt der Gott wie vereinbart den Tod des aktuell herrschenden Statthalter. Nur hält sich nicht jeder an die Spielregeln und eine verhängnissvolle Intrige nimmt ihren Lauf ...

    Ein Gott als Erzähler, ein Auserwählter, den man nur durch die "Du"-Perspektive kennen lernt und ein Roman, der alles andere als langweilig, aber absolut kein Abenteuer ist. Ich habe nach dem ersten Zusammenzucken wegen der Erzählperspektive viel Spaß gehabt an der gut gemachten, dennoch eher ruhigen Gott/König/Familien-Intrige und der spürbaren Detailverliebtheit der Autorin.

    Es war eine erfrischende Erfahrung, aus der Perspektive eines Gottes zu lesen, der mit einer gewissen Arroganz und Distanz über die "sterblichen" Probleme der Menschen erzählt - und der es am Ende nochmal ordentlich knallen lässt :thumbup:

    Vielen Dank an alle. Fand das Thema vom Wettbewerb ja unfassbar spannend und wollte einfach um's Verrecken eine Geschichte schreiben, die von "blinder" Loyalität in Richtung Anti-König-Stimmung kippt :D

    Die Geschichten von Tariq und Kisa haben mir auch unglaublich gut gefallen, da jede für sich ein ganz eigenes und völlig anderes Abenteuer erzählt hat. Kisa hat uns in dunkle Machtkämpfe von Vampirhöfen und Werwölfen entführt, wo Könige so blind wie gierig sind, während Tariq uns mit dem Schicksal des tapferen Virgas wohl alle überrascht hat. Wirklich gelungener Twist am Ende, Tariq :thumbsup:

    Fantastische Grüße aus dem Urlaub in Belgien,

    Octo

    - Only mortals die forever -

    Seit Phoebe, die Göttin des Mondes, von den Anhängern des Sonnengottes Hyperion getötet wurde, versinkt die Welt im Chaos. Ohne die Mondgöttin gelangen die Verstorbenen nicht in die Unterwelt, sondern verharren als schattenartige und blutdurstige Geister in der Welt der Lebenden.

    Während die Paladine des Sonnengottes Stück für Stück an Macht (und religiösen Größenwahn) gewinnen, wird es für Raef, ehemaliges Waisenkind aus dem Tempel der Mondgöttin, immer enger. Als scheinbar letzter Anhänger der gefallenen Phoebe versucht Raef in einer Welt voller Armut zu überleben. Als Dieb und Trickster ist die Nacht sein Revier, trotz der blutdurstigen Toten.

    Als Raef nicht Gold, sondern gleich einen lebenden Menschen aus einem Tempel von Hyperion stiehlt, kreuzt sich sein Weg ungewollt mit dem jungen Paladin Seth, der als "Mädchen für alles" um die Anerkennung seines Sonnengottes kämpft. Von seinen Schwestern und Brüdern geächtet, brennt das Feuer Hyperions in Seth ein wenig heftiger, als es eigentlich sollte. Als wandelnde Feuerkatastrophe richtet er mit Schritt und Tritt ungewollt Schaden an.

    Raef und Seth sind wie Mond und Sonne. Dunkelheit und Licht. Doch nichts schweißt intensiver zusammen als Zweifel an den eigenen Göttern. Wie weit reicht Hingabe, wenn sich alles, was man je geglaubt hat zu wissen, als Lüge offenbart? Wieso kleidet sich die Stimme Hyperions in Gold, während die Welt um ihn herum hungert?

    Und die wichstigste Frage von allen; bleiben getötete Götter für immer tot?

    Der Autor David R. Slayton ist eine ziemlich coole Socke. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil ich sein neustes Buch "Dark Moon, Shallow Sea" fancy signiert von ihm bekommen habe, sondern weil ich die Geschichte begeistert weggeatmet habe. Sie ist ein gelungener Auftakt für eine spannende Reihe voller Götter, Dämonen und eine Welt am Abgrund.

    Einzige "Kritik", die ich habe; Raef ist so krampfhaft der "Gute", dass ich manchmal die Augen verdreht habe. Ist wohl so eine kleine Schwäche von unserem Kumpel David, wie es scheint. Die guten Jungs sind in seinen Büchern immer viel zu gut. Der Autor hat ein klares Problem damit, dass seine Hauptperson aktiv jemanden tötet. Gut, sehe ich ein. Ist sogar mal ganz nett, dass nicht gleich losgeballert und gemessert wird - aber come on! Angreifer, deren klares Ziel es ist die Hauptfigur zu töten, werden höchstens bewusstlos geschlagen. Passt nicht ganz in die gnadenlose, raue Welt, in der sich Raef auf der Straße durchschlagen muss.

    Aber das ist nur meine persönliche Meinung - und wirklich nur ein kleines Wehwehchen, welches man beim Lesen der sonst soliden Story gut ignorieren kann. Zusammengefasst hat der amerikanische Autor mit seinem neusten Werk "Dark Moon, Shallow Sea" ein wirklich schmuckes Abenteuer abgeliefert :D

    *Händereib*

    Habe mir gerade den zweiten Teil einverleibt. Meine Vorredner:innen haben glanzvolles Feedback geleistet, dennoch möchte ich gern auch meinen Groschen dazu geben.

    Aus den hellen Feyaugen sah ihn etwas Listiges an, oder war dies bloß Einbildung?

    Das hat mich kurz verwirrt, da die ganze Zeit von einem "Elf" geredet wurde - und plötzlich wird der Begriff "Fey" verwendet. Nordisch-germanische Elfen sind für mich nicht mit dem Feyvolk zu vergleichen. Natürlich kann in deiner fantastischen Welt das eine ein Synonym für das andere sein. Nur wäre es für Leser:innen hilfreich, wenn der Begriff schon vorher in Verbindung mit dem "Elf" erwähnt werden würde. So hat mich das persönlich etwas verwirrt. Liegt vermutlich aber auch einfach daran, dass ich mir unter einer Elfenperson und einem Feenwesen was komplett anderes vorstelle. Ist also nur mein ganz persönlicher Eindruck :D

    „War dort wohl ein hohes Tier. Hat ‘ne Zauberschule geleitet. Hättest mitansehen müssen, wie der um das Leben seiner Schüler gekämpft hat. Wie er um eins seiner Bälger regelrecht gebettelt hat.“ Dieser schwelgte viel zu gerne in seinen begangenen Taten.

    Ich würde das "Dieser schwelgte viel zu gerne in seinen etc..." weglassen. Der Dialog ist stark genug, dass man versteht, dass die Elfenperson ein harter Gegner war - und sich und die Schützlinge mit Zähnen und Krallen verteidigt hat. Generell hast du echt griffige und gelungene Dialoge, die knackig Dinge auf den Punkt bringen.

    Trau deinen Leser:innen vielleicht etwas mehr zu, dass man den Kontext zwischen den Zeilen versteht. Denn den lieferst du wirklich gut, daher verrate nicht zu viel. So kommt es an Stellen, wo du stark lieferst, durch eben "überflüssige" Ergänzungen zum Verwässern vorangegangener Dialoge oder Gedankengänge von Yakov.

    Du meinst es nur gut - aber eben ZU gut mit deinen Leser:innen ;)

    Vor die Füße will ich ihm kotzen.

    Ist mir tatsächlich einmal gelungen. Nachdem sie mich vergiftet haben, gab der Elf zynisch zurück.

    Meinen Respekt.

    Auch hier. Lass das "gab der Elf zynisch zurück" lieber weg. Der Dialog wäre dann wesentlich knackiger und der Humor kommt noch besser zur Geltung. Der Leserschaft ist durchaus klar, dass es hier zynisch zugeht. Und wie gesagt, deine Dialoge sind stark genug, um solche feinen Nuancen wie Zynismus ohne Erklärung und Ergänzung zu überliefern.

    Grob stieß der Mistkerl eine der Frauen zur Seite und gab die Sicht auf das Kind frei.

    *Applaus*

    Das nenne ich mal Foreshadowing gelungen eingesetzt - und aufgelöst. Bereits im ersten Teil wurde die Gruppe von Frauen erwähnt, die sich zusammen gedrängt hat. Man hat beim Lesen bereits geahnt, dass diese Frauen etwas verstecken. Es hätte aber alles mögliche sein können - und siehe da. Die Hexe wird offenbart. Ein Kind. Ein kleines Mädchen, fernab von zu Hause und umgeben von Söldnern.

    Da steht er also da, unser Yakov. My boy. Der Tiefling, der ahnt, dass die ganze Sache zum Himmel stinkt. In mitten von einem improvisierten Camp von Söldnern, die wenig von Ehre und Erbarmen halten. Die gejagte Hexe ist ein kleines Mädchen - und ein Elf dringt in seine Gedanken ein, wie ein Messer in warme Butter. Es bleibt spannend.

    Ich freu mich auf den Rest.

    Cheers,

    Octo

    Ich liebe es, wenn eine Geschichte aus mehreren Personen und Perspektiven geschickt gewebt wurde. Wenn alles ein großes Netz ergibt und man mit jeder Figur neue Perspektiven, Einsichten und "Aha!"-Momente erlebt. Man wird gelungen eingewickelt und erlebt mit jeder Figur etwas Neues.

    ABER -

    (und hier ist es, das berühmte "ABER" ...)

    - steige ich inzwischen aus, wenn absolut nichtssagende Figuren ohne jeden Grund, die zuvor nur als Namen erwähnt wurden, plötzlich völlig zusammenhanglos über ein ganzes Kapitel ihre eigene kleine One-Man-Show abliefern. Just because.

    Bestes Beispiel hierfür: "A little life" von Hanya Yanagihara. Viele sagen ja, dass dem Buch gut zweihundert Seiten weniger absolut nicht geschadet hätten - und da ziehe ich aus vollem Herzen grölend mit. "Mehr" bedeutet nicht immer "besser".

    Man hat Personenwechsel ohne Takt und (gefühlt) Sinn. Innerhalb dieses Personenwechsel gibt es auch komplette Zeitsprünge und Flashbacks, die aus der Gegenwart in die Vergangenheit und dann plötzlich in eine Art Zukunft reißen. Das verwirrt schon ein wenig. Wenn dann aber Nebenfiguren, so ganz plötzlich nach vierhundert Seiten, auch noch ganze Kapitel lang aus ihrer Perspektive langatmige Flashbacks behandeln, die KEINERLEI Rolle für die Geschichte spielen, sondern den Leser absolut ausbremsen und aus allem rausreißen; dann fühle ich mich wie bestellt und niemals abgeholt.

    Ich mochte "A little life", es hatte ein paar sehr starke Momente, aber ich habe irgendwann wirklich zehn, zwanzig oder dreißig Seiten nur noch genervt überblättert. Was juckt mich die Ehe zweier Nebenfiguren, die plötzlich hundert Seiten lang in Flashbacks geschildert wird? Wieso lese ich über die Studiumzeit und die Hochzeit dieser zwei Nebenfiguren, wenn es eigentlich um völlig andere Figuren, ein völlig anderes Thema in einer eigentlich völlig anderen Zeit geht? Man lernt absolut nichts, was irgendwie relevant ist - oder einen Eindruck hinterlässt. Und ich bin sonst wirklich niemand, der Seiten überspringt. Ein einziger Satz kann eine komplette Handlung oder einen Charakter neu definieren.

    ABER -

    - holy hell, komm mal zum Punkt, Yanagihara!

    Ich bin ein großer Verfechter von Multiperspektive, aber umso frustrierender finde ich es, wenn es zu viele "sinnlose" Charaktere gibt und die Perspektive allein als Bühne für "Personal Favorites" von Nebenfiguren des/der Autor:in ausgenutzt wird, die eigentlich keinerlei Rolle spielen.

    Meiner Meinung nach ist Multiperspektive ein wunderbarer, aber auch sehr wackliger Hochseilakt, der einer Geschichte nach einem unglücklichen Sturz das Genick brechen kann.

    Einen magischen Sonntagabend.

    Ich habe nun ebenfalls die Reise nach Loria angetreten.

    they/them

    Finde ich gut, dass auch nichtbinäre Personen vorkommen. Und ja, die deutsche Sprache lässt einen da etwas im Stich. Das "they" ist inzwischen vielen Leser:innen so vertraut, dass es auch im deutschen Text kaum auffallen sollte. Ich persönlich höre, lese und nutze aber immer mehr dey und hen. Das wäre vielleicht eine Alternative, falls du persönlich doch findest, dass das englische "they" nicht in den nordisch und slawisch angehauchten Stil deiner Story passt. Verlasse dich da ganz auf dein Gefühl und was für dich passt.

    Generell hat mir deine Einleitung in die Welt Loria gefallen. Ich meine, es gibt eine Karte. Eine detaillierte Weltkarte noch dazu. Da schlägt mein Herz als Kartenliebhaber direkt höher. *Handkuss*

    Heute Nacht sollte der Kopf einer Hexe rollen.

    Ich feier es zutiefst, wenn eine Geschichte knackig und direkt anfängt. Keine langatmige Beschreibung des Wetters oder der Landschaft, sondern ein erster Satz, der direkt Interesse weckt. Und damn, dieser Satz gefällt mir. Man bekommt quasi in einem Rutsch die Quest und Misere dargelegt.

    Jedoch ist der erste Satz aber auch ein falsches Versprechen. Es wird von "heute Nacht" geredet, aber Yakov findet die Söldnertruppe erst nach zwei Tagesmärschen. Dieser Umstand hat mich kurz verwirrt, weil ich beim ersten Durchlesen ernsthaft dachte, ich hätte was verpasst. Dieser direkte Einstieg, der einem ein Geschehen im hier und jetzt verspricht, wird durch Erklärungen über Yakovs Beruf als Söldner abgelöst, die dadurch etwas holprig wirken.

    Siehe hier:

    Yakov hatte nie Söldner werden wollen, nie deren schmutzige Arbeit verrichten, und nun, mit sechsundvierzig Wintern, war er auf der Jagd nach einer Hexe. Gäbe eindeutig abstoßendere Aufträge. Eine mordende Hexe zu jagen, ihr den Kopf abzuschlagen und diesen zu seinem Auftraggeber zu bringen, klang sogar nach einer guten Tat, die er für die Menschen in dieser Gegend vollbringen konnte.

    Du gibst quasi erst Vollgas, dann trittst du schlagartig auf die Bremse. Die Erklärungen über Yakovs Leben als Söldner finden vielleicht auch an einer anderen Stelle Platz? Es sind keine unwichtigen Informationen, überhaupt nicht, aber ich persönlich finde, dass ein späterer Zeitpunkt diesen Infos über Yakov gerechter werden könnte.

    Trotz allem erfüllt der erste Satz "Heute Nacht soll eine Hexe sterben" seinen Sinn und Zweck; er macht neugierig und Lust auf mehr. Und ich habe Lust auf mehr :)

    „Wir sind unter denjenigen gestellt, der zahlt“

    Ich liebe gute Dialoge. Dialoge sind der Impuls, der Herzschlag einer jeden Geschichte. Vor allem liebe ich SOLCHE Antworten. Klarer kann man die Aussage "Alter, wir sind nur hier für's Geld, also verpiss dich und stell keine blöden Fragen" nicht in Worte fassen. Herrlich :D

    Quasi ein kleines "Söldner"-Wettpissen unter Arbeitskollegen. Habe ernsthaft laut lachen müssen. Mir gefällt der unterschwellige, aber gelungene Humor.

    zollte man einem solchen dämonischen Kerl mit Hörnern Respekt.

    Yakov ist ein Tiefling? YES, THAT'S MY BOY!

    Gefällt mir, dass er wie die meisten seiner Art misstrauisch veranlagt ist, aber sich nicht einschüchtern lässt. Ganz im Gegenteil, man zollt ihm Respekt. Klar, niemand streut unserem "Teufel" Rosen auf den Weg, aber es wirkt jetzt auch nicht so, als würde Yakov wie viele andere Tieflinge in der DnD Lore direkt aus Prinzip geächtet werden. Der "Teufelsbrut"-Spruch von einem der Männer deutet aber bereits an, dass es durchaus nicht nur Respekt erzeugt, Hörner zu besitzen. Vermutlich ist es für Yakov als Söldner wie für viele seiner Artgenossen, die notgedrungen Schurken werden. Sie sind nicht gerade beliebt, aber unter den Schmugglern, Dieben und Schwarzhändler als loyale Kontaktleute und Partner:innen bekannt, wenn erst einmal ein gewisses Vertrauen existiert.

    Prejk

    Der Name gefällt mir. Generell sind all deine Ortsnamen und Namen der Charaktere zwar auf ihre Art fantastisch, aber folgen einem gewissen Stil, der sie nicht "erfunden", sondern absolut real wirken lässt. Sie werden dadurch einprägsam und für den Leser gut zu merken. Du hast dich sehr intensiv mit deiner Welt beschäftigt, was sich hier absolut auszahlt :thumbsup:

    Ich liebe kreative Eigennamen, aber bei Charakteren mit Namen wie Elywdrian'alshabin und Dragoluviorinaza geht irgendwas in meinem Kopf kaputt - und ich verliere komplett die Übersicht über die Figuren. Du hast da also die perfekte Mitte gefunden. Hut ab.

    Du hast einen flüssigen Schreibstil, auch wenn manche Informationen noch etwas "gezwungen" in den Text "gequetscht" wirken, wie eben die Abhandlung über Yakovs berufliche Laufbahn direkt am Anfang. Aber das gehört dazu - und ist ein "Fluch", den wohl jeder Schreiberling nur zu gut kennt. Wenn man so viel Herzblut wie du in eine so große Welt wie Loria steckt, dann weiß man jedes Detail, dann hat man tausend Seiten gefühlt nur Informationen im Kopf und die rutschen beim Schreiben nun mal immer und immer wieder in der Euphorie in Blöcken raus. Wie formulierte es der wunderbare Terry Pratchett einmal so passend?

    "The first draft is just you telling yourself the story"

    Es hat ja seinen Grund, wieso man nicht einen einzigen Entwurf, sondern zehn überarbeitete Entwürfe von seinem Roman hat xD

    Ich bin mehr als gespannt, wo die Reise von Yakov noch hingeht und lese mit Freuden weiter.

    Ein Tiefling auf der Jagd nach einer Hexe - damn. Das kann ja nur gut werden :D

    Cheers,

    Octo

    Wenn sich also komische Schreibweisen, ein merkwürdiger Satzbau oder nicht existierende Sprichwörter in meine Texte einschleichen kommt das daher.

    Sei gegrüßt, du Weltenbummler.

    Merkwürdiger Satzbau? Verdrehte, halb erfundene Sprichwörter, die so nicht existieren, man aber schwören könnte, sie genau so irgendwo gehört zu haben?

    Jau, kommt mir bekannt vor. Bin immer noch davon überzeugt, dass man "Arsch auf Glatteis" sagt - und nicht "Arsch auf Grundeis". (Ich meine, Grundeis? WTF? :schiefguck: )

    Fühl dich wohl.

    Cheers,

    Octo

    Und ich glaube: Wenn mir ein Buch nicht gefällt gebe ich zwei Sterne oder gar keine Bewertung. Aber 1 Stern zu geben würde mir nicht einfallen da doch kein Buch so schlecht sein kann dass es ein totales Vernichtungsurteil verdient.

    Finde ich schön, dass du so denkst. Ein Zeichen wahrer Größe. Ich finde auch, dass jedes Buch, egal wie wenig es den eigenen Geschmack trifft, dennoch Zeit und Mühe des/der Autor:in gekostet hat. Was ich scheiße finde, lege ich weg und fasse es nicht mehr an. Punkt. Meine Lebenszeit ist mir zu schade, um mich dann wütend an den PC zu setzen und eine Ein-Stern-Bewertung à la "Aaaaaalter, was ist das für'n Scheiß, ey?! Schlechtestes Buch ever!!!" auf die Tastatur zu hämmern.

    Wir haben schon länger den "Trend", dass Autor:innen auf Grund von "BookTok" (intern auch liebevoll "KotzTok" genannt) nahezu aufeinander gehetzt werden. Gerade junge Autor:innen, die medialen Druck erleiden und sich in den sozialen Netzwerken präsentieren müssen, gehen härter aufeinander los wie abgerichtete Pitbulls. Schön ist das nicht - und ein kurzer Blick auf die aktuelle "BookTok"-Liste macht klar, dass wir generell gerade einen ungesunden Trend erleben. Bad Bitch-Vibes liegen ganz hoch im Kurs und je dreckiger und mieser die Charaktere sich verhalten, umso besser. Sex sells - und bitte von Autor:innen mit mindestens 90.000 Followern auf sämtlichen Plattformen.

    Der Druck ist enorm - Eifersucht kommt vor Anerkennung. Talent und Mühe entscheiden (leider) nicht immer über Erfolg. Die richtige Zeit, der richtige Agent und die richtigen Worte am richtigen Platz entscheiden häufig, wer und was ein Bestseller wird; und wer in der Masse untergeht. Ist schade, ja, aber umso wichtiger ist meiner persönlichen Meinung nach, dass man nicht vor Neid so alberne Sachen wie "Hass-Bewertungen" vom Zaun bricht. Karma, und so.

    Es ist nie leicht sich für den Erfolg der "Konkurenz" zu freuen, klar, niemand ist ein verdammter Heiliger, aber ich finde es heftig, wie krass die sozialen Medien ein Kriegsfeld aus dem "Autorenleben" schaffen, wo jeder für sich selbst kämpft und jeder versucht sich immer besser, härter und erfolgreicher zu präsentieren.

    Ich wünsche einfach jeder und jedem Autor:in dieser Welt, dass es einem gelingt, abseits von all diesem Wahnsinn etwas zu erschaffen, auf das man stolz ist. Dann kann man selbst 1-Stern-Bewertungen mit Würde ignorieren und weiß, ganz persönlich für sich selbst, dass man sein Bestes gegeben hat. Selbst, wenn man literarisches Chaos erschaffen hat. It's a mess - but it's YOUR mess :thumbup:

    Wonderbook von Jeff Vandermeer

    - oder -

    Der (kreative) LSD-Trip unter den Schreibratgebern

    Man kennt sie ja, die ollen Schreibratgeber. Manche ermüden mit der ständigen Wiederholung der immer gleichen Regel wie Show, don’t tell und listen seitenweise auf, was man bloß nicht falsch machen darf – oder anders. Manche Ratgeber sind eine echte Achterbahn der Gefühle; Kapitel 3 ist ein echter Augenöffner, Kapitel 7 stürzt einen in tiefe Selbstzweifel und Kapitel 9 ist absoluter Blödsinn. Besonders grausame Ratgeber schaffen es sogar, mit ihrem trockenen Regelwerk jeden noch so kreativen Funken abzutöten.

    Und manchmal, hin und wieder, stolpert man über solche Perlen wie Wonderbook - The Illustrated Guide To Creating Imaginative Fiction von Jeff Vandermeer. Nicht gesucht, aber umso mehr gefunden.

    Ich habe dieses Buch jetzt seit Monaten und lese es immer und immer wieder. Manchmal blättere ich es einfach nur durch, weil es so herrlich schräg aufgemacht ist. "Wonderbook" zerrupft, zerpflückt und analysiert alles, was es bezüglich kreativer Fiktion zu zerrupfen, pflücken und analysieren gibt – aber mit Stil.

    Die Texte sind nie langweilig, sondern stellenweise herrlich amüsant, lehrreich und entführen einen in eine schräge Welt. So schräg, dass es sich mit seinen verrückten Illustrationen wirklich ein wenig wie ein abgefahrener Trip in eine fantastische Parallelwelt anfühlt.

    "Wonderbook" hat mich mit seinen wunderbaren Texten, den skurrilen Illustrationen und den vielschichtigen Autoren-Interviews begeistert. Es gibt jede Menge glorreiche Fakten über das spannende Fantasy-Genre und all seine Abzweigungen, die Erforschung von dem, was eine Geschichte ausmacht und generell allem, was das kreative Schreiben mit all seinen Hürden und Sturzflügen so umfasst.

    Dieses Buch ist ein Augenschmaus, ein Motivator für die eigene Fantasie und ein wenig wie ein zerzauster, etwas schräger Professor aus einem Steampunk-Universum, der zwar nicht ganz richtig tickt, aber verflucht geniale Ideen hat.

    Eine tief aus dem Herzen kommende Empfehlung für alle, die auf der Suche nach einem etwas anderen (Fantasy-)Schreibratgeber sind.

    Diesmal also der erste Band der Romanvorlage zu 'Babylon Berlin' - was ich schon nach Lektuere des vierten Bandes ahnte bewahrheitet sich - die Buecher sind ziemlich solide erzaehlte Krimis mit genretypischen Elementen wie dem Ermittler der auf eigene Faust ohne offizielles okay vorgeht, oder die etwas kriminellen Kollegen, und alles mit viel Lokalkolorit angereichert.

    Und da soll bitte nochmal irgendwer darüber meckern, wenn man sich "Das Buch war soooo viel besser als die Serie/Film" als (meist unerwünschten) Kommentar trotz aller Bemühungen nicht verkneifen kann. Ich bin so jemand, gebe ich offen und ehrlich zu. Hat man das Buch erstmal gelesen, kann der eigenen Erwartungshaltung einfach nichts und niemand das Wasser reichen.

    Frage mich auch, wie der Autor über die ganzen Änderungen denkt. Andererseits muss man mit so etwas rechnen, wenn es um die Filmrechte geht. Der/die zuständige Drehbuchautor:in hat sich sicher etwas bei den Streichungen und Änderungen gedacht. Aber dennoch bin ich immer wieder überrascht, was ARD, Sky, Netflix und Hollywood aus so manch Romanvorlagen zaubern. Die dichten mehr an so manche Geschichten ran, als ich dramatische Schilderungen in meinen besten "Hausaufgaben vom Hund gefressen"-Tagen in der Schule :D

    Super spannend, wie du die Vergleiche aufgeführt hast, Thorsten :thumbup:

    "Alchemie ist die Kunst zu finden, was dem Feuer möglich ist [...]"

    (Paracelsus)

    Ich lese gerade "Wie man mit dem Feuer philosophiert" von Jens Soentgen und bin absolut begeistert.

    Das Buch behandelt "Chemie und Alchemie für Furchtlose" und ist herrlich aufgemacht. Man taucht ein in die Geschichte der Alchemie bis hin zur heutigen Laborchemie. Soentgen schafft es dabei, unterhaltsam und wirklich eindrücklich zu (be-)schreiben, was die Alchemie und Chemie über die Jahrhunderte erreicht haben.

    Wieso ist es (eigentlich) überhaupt nicht verrückt, aus Quecksilber Gold erschaffen zu wollen? Wieso wurden die wenigsten Alchemisten sonderlich alt und was genau hat Alchemie bitte mit Porzellan und Schießpulver am Hut? Wie braut man "Urwaldbier" und wieso vertrauen wir Menschen der heutigen Chemie immer weniger? Was bedeutet es für Mensch, Tier und Umwelt, wenn ein gesamter Forschungszweig immer mehr vom Markt und Gewinn gelenkt wird? Was könnte die heutige Chemie (wieder) von der Alchemie lernen?

    Ein echtes Lesevergnügen für Interessierte. Und das sage ich - als eine Person, die immer im Strahl gekotzt hat, wenn es in der Schule eine Doppelstunde Chemie zu ertragen galt. Was aber fairerweise vor allem an der leidenschaftslosen Lehrperson lag ... *schnarch*

    Das wunderschöne Buch ist mit Zeichnungen von Vitali Konstantinov geschmückt, einem Lesebändchen und vor allem einer Menge Wissen und Fakten. Der Peter Hammer Verlag hat mit der Aufmachung dieses Schmuckstücks bewiesen, dass die Auszeichnung mit dem Deutschen Verlagspreis '23 erneut mehr als verdient war.

    Spannend geschrieben, humorvoll und von Erfahrung her ein tolles Geschenk (nicht nur) für Chemiker :D

    Klappentext

    Zwei jungen Alchemisten gelingt das Unmögliche und sie verwandeln Kupfer in Gold. Doch die Umwandlung ist nicht von Dauer und während der eine besessen davon ist, die Herstellung zu perfektionieren und bis zur Vollendung vor der Welt geheim zu halten, gibt sich der andere der Verschwendung und dem Exzess hin. Doch das falsche Gold lockt schon bald gefährliche Personen auf den Plan und es gibt Dinge, die sind unbezahlbar. Das eigene Leben, zum Beispiel.

    Vorwort: Diese Geschichte verfügt zwar über "Steampunk"-Elemente, jedoch spielt vor allem die fiktive (und dreckige) Welt mit ihren Orten, Völkern und Problemen eine Rolle. Die Weltkarte folgt demnächst, da ich sie aktuell noch etwas "aufhübsche". Und bevor jemand fragt, wieso ich mich für Kupfer entschieden habe und nicht für Blei, den alten Klassiker, kommt hier der epische Grund:

    Ich feier Kupfer einfach und seine Art, sich mit einer Oxidationsschicht vor Feuchtigkeit zu schützen.

    Mensch: *poliert fröhlich pfeifend ein Kupferschild unter freiem Himmel*

    Kuper, welches verzweifelt versucht zu oxidieren: Am I a joke to you?!

    Ich hoffe, die ein oder andere Person hat Spaß beim Lesen und ich freue mich von Herzen über eure Eindrücke und Verbesserungsvorschläge.

    Cheers, my dears!

    Octo :D


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    K A P I T E L

    1

    - Gold -


    In dem Moment, als alchemistische Geschichte geschrieben und das Kupfer zu Gold wurde, war Marcello DiMaggio mit anderen Dingen beschäftigt.

    Sein Füllfederhalter war ausgelaufen und hatte nicht nur seine Notizen, sondern auch sein letztes Hemd, in dem noch keine Brandlöcher zu sehen waren, mit Orelia’s Dauerwort versaut. Ein einziges Fläschen dieser tiefschwarzen Tinte kostete ein kleines Vermögen und der Name kam nicht von ungefähr; die Rezeptur war permanent. Egal ob Papier, Stein oder Stoff, das Zeug sog sich für die Ewigkeit fest.

    Marcello wollte gerade seinen Unmut über dieses Desaster kundtun, da packte ihn Aristides fest am Nacken und zog ihn lachend in eine Umarmung. Dem knochenbrechenden Körperkontakt folgten feste Küsse auf beide Wangen. Zähne kratzten über Haut. Aristides küsste, klammerte und lachte wie ein Wahnsinniger. Seine Hände waren wie die der meisten Alchemisten kräftig und rau und seine Finger krallten sich schmerzhaft in Marcellos sorgsam frisiertes Haar.

    »Bist du verrückt geworden?« Marcello stieß Aristides grob von sich. Dem hysterischen Lachen seines Kommilitonen zu urteilen war dies tatsächlich der Fall. Nicht, dass je einer von ihnen bei klarem Verstand gewesen war.

    Man musste schon mit einem Hauch Wahnsinn geboren worden sein, um sich der Gilde der Alchemisten anzuschließen. Das Leben als Auftragsmörder war vermutlich ruhiger als das eines Studenten der Materialien und Stoffe. Langeweile war eine echte Rarität, wenn man mit Dingen hantierte, die bei falscher Lagerung kompromisslos in die Luft flogen.

    Der Lachanfall von Aristides ebbte ab und er packte Marcello fest an beiden Schultern. Er schüttelte ihn leicht.

    »Gold.« Aristides grinste von einem Ohr zum anderen. »Gold, Marc. Wir haben verdammtes Gold erschaffen!«

    Marcello wurde wie eine Marionette einmal halb im Kreis gedreht. Sein ruiniertes Hemd war schlagartig vergessen, als er sah, was Aristides längst vor ihm gesehen hatte.

    In dem hitzebeständigen Glaskasten war keine Spur mehr von dem Stück Kupferrohr, welches Marcello vor wenigen Tagen hineingelegt hatte. Anstelle des Rohrs lag dort nun etwas Klumpiges. Etwas, das auf den ersten Blick Gold tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sah. Auf den zweiten und dritten Blick ebenfalls.

    Marcello starrte eine der unzähligen Waagen an, die Aristides und er über die letzten Jahre verteilt dem Alchemietisch hinzugefügt hatten. Aus dem einst schmuck verzierten und feuerresistenten Tisch aus dem seltenen Holz einer Feuchtmoorbirke war ein mechanisches Monstrum aus Schrauben, Zahnrädern und Dampfpumpen geworden.

    Merkt euch eins, meine Damen und Herren, betonte der Professor für industrielle Mechanik in regelmäßigen Abständen. Ohne einen anständigen Alchemietisch seid ihr nichts weiter als ein Haufen Irrer. Dieser Tisch ist der einzige Grund, dass man von Alchemie spricht – und nicht von Gefährdung der Allgemeinheit. Kurzgesagt: Dieser Tisch steht zwischen euch und dem Gefängnis.

    Marcello war stolz auf den Tisch, den er zusammen mit Aristides gebaut hatte. Sie hatten viel Schweiß, Zeit und Nerven in die immer weiter wachsende Konstruktion gesteckt. Und der Tisch dankte es ihnen; mit einem Material, bei dem es sich um Gold zu handeln schien.

    Gold.

    »Das Testobjekt hat nachweislich Gewicht verloren.« Marcello hatte Mühe zu sprechen, während er jede einzelne der Waagen überprüfte. Seine Zunge schien plötzlich zu groß für seinen Mund und er bekam kaum Luft. Doch Aristides verstand ihn auch so und begann hektisch, mit einem Bleistift in das kleine Notizbuch zu schreiben, welches er immer bei sich trug. Himmel, Aristides ging damit sogar schlafen. »Der Zustand des noch nicht identifizierten Objekts scheint stabil-«

    Marcello hörte auf zu zitieren und versuchte hektisch den obersten Knopf seines Hemds zu öffnen. Luft. Er brauchte Luft. Wo war nur all der Sauerstoff hin? Jedoch zitterten seine Finger so stark, dass er schließlich mit Gewalt einfach riss. Zur Hölle nochmal, das Hemd war ohnehin hinüber. Der unglückselige Knopf landete irgendwo in einer Zimmerecke.

    Aristides lachte wieder, laut und glücklich. Im Gegensatz zu Marcello hatte er keinerlei Probleme mit dem Atmen.

    »Verstehst du, was das hier heißt?« Aristides breitete grinsend die Arme aus. In der einen Hand das kleine Notizbuch, in der anderen den angekauten Bleistift. »Wir gehen in die Geschichte ein, Marc. Du und ich. Scheiß auf Meister Krasic und all die anderen. Wir sind die Könige der Welt.«

    Marcello war zu geschockt, um die Euphorie seines Studienfreunds zu teilen. Obwohl er sich gerne einbildete, ein durchaus intelligenter und gefasster Mann zu sein, konnte er den kommenden Nervenzusammenbruch bereits schmecken.

    Der »Goldprozess« war nichts weiter als ein Scherz. Ein mieser und uralter Gag, der aus Niederlage und Frustration vor Jahrhunderten entstanden war. Es war ein amüsantes Spiel der Gilde und diente vor allem dazu, den Fokus der Studenten in den ersten, eher wilden Tagen auf eine abenteuerliche Aufgabe zu lenken – und weniger auf explosive oder ätzende Streiche. Es war Tradition, dass der Gildenmeister höchstpersönlich jedem Studenten ein Objekt aushändigte, mit dem Auftrag, es bis zum Semesterende in Gold zu verwandeln.

    Es war ein offenes Geheimnis, dass besonders die Erstsemester aufs Korn genommen wurden. Sie bekamen Schnürsenkel, Socken und sogar Unterhosen feierlich auf einem roten Samtkissen ausgehändigt, nur um dann mit hochrotem Kopf und dem donnernden »So lasse es zu Gold werden!«- Befehl des Gildenmeisters in die Reihen der Alchemiestudenten aufgenommen zu werden.

    Niemand bei klarem Verstand würde dieses Spiel mitspielen, doch in jedem wahren Alchemisten steckte das tiefe Bedürfnis danach, ein Ding zu nehmen, es zu zerlegen und anschließend etwas Neues daraus zu erschaffen. Etwas, das hoffentlich nicht BUMM! machte. Zudem lockte die Gilde damit, dass der Student, der zumindest nah an Gold herankam, sämtliche Studiengebühren erlassen bekam. Mehr Motivation brauchte ein Haufen lebensmüder und überschuldeter Studenten nicht. Dennoch war es nichts weiter als ein Spiel. Es war nicht vorgesehen, dass es tatsächlich funktionierte. Es wurde immer nur von dem Versuch gesprochen, Gold zu erschaffen und niemals von dem Erfolg.

    Marcello war ratlos. Was tat man, wenn man quasi per Zufall etwas erschaffen hatte, das mit jeder Sekunde immer mehr nach Gold aussah? Egal, wie witzig der Gildenmeister den kleinen Scherz zu Semesterbeginn auch hielt, Marcello bezweifelte, dass irgendwer wirklich mit einem noch so kleinen Erfolg rechnete.

    Was würde wohl passieren, wenn sie hier und jetzt mit dem Ding in dem Glaskasten zu Meister Krasic in sein Arbeitszimmer marschierten?

    Marcello wusste es nicht und genau das machte ihm Angst. Meister Krasic war ein Mann, der schwer zu fassen war. Er lachte viel und scherzte gern, jedoch war da etwas an ihm, dass Marcello nicht gefiel. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass der Gildenmeister nicht nur der humorvolle Lehrmeister war, als den er sich gerne verkaufte. Da war etwas gieriges an ihm. Natürlich, hier in Zytrapolis waren alle irgendwie gierig, aber etwas in Marcello sträubte sich dagegen, den goldähnliche Klumpen dem Gildenmeister auszuhändigen.

    Vermutlich liegt es an seinem Bart, dachte Marcello, während er nur halb mitbekam, wie Aristides erneut lachte und an ihm herumzerrte. Männer mit frisierten Bärten kann man nicht trauen.

    Erst als Aristides laut »GOLD! GOLD! GOLD!« in sein Ohr brüllte, erlangte Marcello seine Fassung wieder. Zumindest genug, um Aristides von sich zu drücken.

    »Sei leise, verdammt. Wir wissen doch noch gar nicht, ob es wirklich Gold ist. Wir müssen erst eine Reihe von Versuchen durchführen und-«

    Doch Aristides hörte ihm gar nicht weiter zu.

    »Scheiße, Marc! Weißt du, was so ein Klumpen wert ist? Davon leben wir eine ganze Weile wie die Könige.«

    Marcello starrte den goldartigen Klumpen an, dann sah er zu dem einzigen Fenster des stickigen Zimmers, welches unpraktisch geschnitten direkt unter dem Dach des schäbigen Mietshauses lag. Das ganze Gebäude erinnerte an ein windschiefes Geschwür, welches immer weiter wucherte. Jedes Jahr kamen neue Zimmer, Türme und Mieter dazu.

    Zytrapolis war eine so riesige Stadt, dass sie als unabhängiger Stadtstaat den Puls der Welt zu steuern schien. Als vertraglich neutraler Boden war Zytrapolis eine uneinnehmbare Handelsmacht. Nicht, weil man sich vorbildlich an den Neutralvertrag hielt, sondern weil sich niemand mit einer Stadt anlegen wollte, die ein einziges Pulverfass war.

    Es war ein offenes Geheimnis, dass unter der Handelsstadt unzählige Blaufeuerbomben, Rauchbomben und alle möglichen alchemischen und magischen Waffen lagerten. Offiziell wurden sie dort nur gelagert, freiverfügbar für den weltweiten Handelsmarkt. Inoffiziell waren sie die ultimative Absicherung.

    Man warf nicht mit Steinen auf ein Hornissennest, wenn man gegen die Stiche allergisch war. Eine einzige Bombe würde vermutlich ausreichen, um Zytrapolis den Erdboden gleichzumachen – und den gesamten Kontinent in Asche zu verwandeln. Vielleicht waren die Menschen in dieser Stadt deswegen so süchtig nach Unterhaltung und Spaß. Sie tanzten auf Tonnen von magischem Sprengstoff.

    Ein knallrotes Luftschiff glitt in einiger Entfernung am Fenster vorbei und zog ein Werbebanner für selbstaufziehende Taschenuhren von Turic&Sohn hinter sich her.

    »Wir zerteilen das Gold«, kam es plötzlich aus Marcellos Mund. Er konnte sich nicht daran erinnern, diese Worte zuvor gedacht zu haben. »Sechs kleine Stücke. Fünf Stücke für eine Reihe an Tests und ein Stück für einen praktischen Versuch.«

    Aristides grinste dreckig. Ihm gefiel, was er hörte.

    »Praktischer Versuch, huh?«

    »Ja.« Marcello starrte auf sein ruiniertes Hemd hinab. »Gold ist erst Gold, wenn die Leute daran glauben. Der Glaube macht den Wert aus. Es bringt nur etwas, wenn es von einem Händler akzeptiert wird. Besser noch von einer Bank.«

    »Bravo!« Aristides applaudierte albern. »Welch eine sozialkritische Umschreibung für ’Lass mal testen, ob wir mit diesem Prachtstück hier schneller zu Geld kommen, als ein Sicia-Bordell morgens um vier vor einem Feiertag’

    Ein Muskel zuckte in Marcellos Gesicht.

    »Wieso muss es ausgerechnet ein Sicia-Bordell sein?«

    »Weil ihr Sicianer verflucht schöne Leute seid, deswegen. Scheiße, schau dir mal die restlichen Visagen in dieser Stadt an. Natürlich geht man als Mann mit Klasse in ein Sicia-Bordell.«

    »Du hast keine Klasse, Aristides.«

    »In der Tat.« Besagter klassenloser Mann grinste. »Aber wer braucht schon Klasse, wenn er Gold hat? Also, welche Bank schwebt dir vor?«

    ...


    Aristides Kostras war der einzige Sohn und Erbe des ältesten Händlerimperiums in Zytrapolis. Die Kostras-Sippe war eine sehr alte und ehemals auch sehr reiche Familie. Mit dem Import von Edelsteinen reich geworden, hatten sich die Kostras vor einem Jahrzent einen so spektakulären Ruin geleistet, dass man zehn Blätter Papier seitlich aneinanderkleben musste, um die Gesamtsumme ihrer Schulden ausschreiben zu können.

    Wer glaubte, von Geburt an arm zu sein wäre schlimm, war noch nie reich gewesen - und hatte dann alles verloren. Es war eine Sache, sich nach Dingen zu sehnen und eine ganz andere, genau zu wissen, wie diese Dinge rochen und schmeckten.

    Aristides erinnerte sich an jeden einzelnen Geruch, an jeden einzelnen Geschmack und er war entschlossen, sich all diese wunderbaren Dinge wieder zu holen. Und wie es in Zytrapolis nun einmal zum guten Ton gehörte, wenn man illegal zu einem kleinen Reichtum gekommen war, spazierte er damit völlig selbstverständlich in eine Bank hinein.

    Es gab unzählige Banken in Zytrapolis, jedoch hatte ihn Marcello angewiesen, einer ganz bestimmten einen Besuch abzustatten. Die ausgewählte Bank war im Vergleich zu den anderen Protztempeln recht klein, hatte jedoch hohen Publikumsverkehr und lag nur wenige Straßen und schmale Gassen vom belebten Anhalter-Hafen entfernt. Sie war die erste Anlaufstelle für Touristen und Neuankömmlinge aus aller Welt, die ihr Geld in die hier akzeptierten Währungen umtauschen mussten.

    Per Zufall war es auch genau die Bank, in der Marcello, damals frisch von einem Boot aus Sicia, mächtig übers Ohr gehauen worden war. Da konnte der Kerl noch so viel von »Versuchswerten« und »geringes Risiko« schwafeln, Aristides erkannte den Gestank von Rache. Vermutlich hätte es für diesen Versuch auch jede andere Bank getan, aber die Stadt hatte mit ihrer Gehässigkeit längst auf den einst so braven Marcello abgefärbt.

    Piss deinem Nachbarn heute an die Tür und er ertränkt dich dafür in drei Jahren auf den Tag genau in einem Pissebecken, war eine der wohl wertvollsten zytrapolischen Weisheiten. Vergessen wurde vieles, verziehen jedoch nicht.

    In der Bank herrschte Hochbetrieb. Müde wirkende Touristen aus aller Welt und Flüchtlinge aus Svanske und Warsblag warteten in langen Schlangen vor den Schaltern. Die einen waren hier, um sich zu amüsieren und in riesigen Reisegruppen staunend Fotografien von den majestätischen Gildenhäusern zu machen. Die anderen waren da, um ihr letztes Geld aus der zerbombten Heimat gegen lächerlich wenige Zytra einzutauschen.

    Svanske und Warsblag waren zwei kalte und hügelige Binnenländer, deren einziges Verbrechen darin lag, dass sie die in ihr Land einfallenden Truppen der Burwanier nicht mit Tee und Kuchen empfangen hatten. Sie besaßen viel Land, aber keine Rohstoffe oder Güter, die es wert waren, ihnen gegen das mächtige Burwanien beizustehen. Daher tat der Rest der Welt so, als wären die burwanischen Bomben nichts weiter als buntes Feuerwerk.

    Aristides wusste, dass die Flüchtlinge der Grund waren, wieso Marcello ihn alleine mit dem Gold losgeschickt hatte. Natürlich, er war heute mit den Botengängen für die Gilde dran, aber sein Dienst würde nicht vor Abend beginnen. Marcello hätte somit mehr als genug Zeit, jedoch war sein Problem auch nicht die Zeit, sondern seine Herkunft.

    Sicia war ein Land im Süden, direkt am Meer und bekannt für guten Wein, heiße Sommer und die schnellsten Schiffe der Welt. Doch es waren nicht ihre Schiffe, die die Flüchtlinge aus Svanske und Warsblag brachten, sondern klapprige Kutter von Hilfsorganisationen, die von Suffragetten finanziert wurden. Sicia hatte kurz nach Kriegsbeginn seine kompletten Grenzen dicht gemacht und versperrte somit Millionen den Weg zum Meer.

    Da auch der Luftschiffverkehr über Svanske und Warsblag komplett zum Erliegen gekommen war, war der Weg über das Wasser die einzige Rettung. Doch Sicia war nicht einfach nur ein sich in die Länge ziehendes Land am Meer, das man als Flüchtling durchreisen musste; es war die verdammte Küste. Keine Einreise nach Sicia bedeutete kein Zugang zum südlichen Meer.

    Es war also nicht überraschend, dass die Flüchtlinge, die es doch irgendwie über Umwege bis nach Zytrapolis in die neutrale Zone geschafft hatten, in der Regel dem erstbesten Kerl auf die Fresse hauten, der wie ein Sicianer aussah.

    Olivfarbene Haut und schwarzes Haar reichten momentan aus, um vor allem in Hafennähe und den Ghettos abgestochen zu werden. Der arme Marcello hatte quasi Sicianer in Großbuchstaben auf der Stirn stehen.

    Aristides verstand somit seine Vorsicht, dennoch hätte er ihn gerne bei sich gehabt. Immerhin war das hier ihr gemeinsamer Erfolg. Selbst wenn das Gold den Test nicht bestehen sollte, war das hier ein unglaublicher Durchbruch.

    Die mechanischen Anzeigen über den Bankschaltern klickten und klackten, während sie in schneller Reihenfolge die aktuellen Aktienkurse auflisteten. Die Werte wechselten so schnell, dass man kaum Zeit hatte, sich die Information anzuschauen, geschweige denn zu verstehen oder sich zu merken. Doch Aristides kannte sich mit Aktien aus – und hatte ein verflucht gutes Gedächtnis.

    Der Svas war so gut wie nichts mehr wert und der Gul, die Währung von Warsblag, befand sich ebenfalls im Sturzflug. Die heimische Währung, Zytra und Libre, waren dafür erneut ordentlich gestiegen. Im Gegensatz zu den meisten armen Schweinen, die vor Erschöpfung im Stehen fast einschliefen, war Aristides klar, was die Zahlen bedeuteten. Jeder Flüchtling, der sein Erspartes in Svas und Gul in der Tasche bei sich hatte, würde nach dem Umtausch so gut wie nichts mehr haben.

    Eine Gestalt blockierte Aristides Blick zu den Schaltern. Es war ein mechanischer Homunculus, der wie die Kursanzeigen surrend klickte und klackte. Die knapp zwei Meter große Schöpfung starrte Aristides mit leeren Augenhöhlen an.

    »Beachten Sie die markierten Gänge, Besucher«, erklang es monoton aus der Brust des Homunculus. »Sie befinden sich außerhalb der Wegführung, Besucher. Beachten Sie die markierten Gänge, Besucher. Sie befinden sich außerhalb-«

    »Ja, ja. Schon gut, du magisches Spielzeug. Beruhige dich. Ich steh ja schon auf der Markierung. Siehst du?« Aristides trat demonstrativ auf die roten Mosaikplatten, die den Bereich markierten, wo sich Besucher anzustellen hatten.

    »Sie befinden sich nun innerhalb der Wegführung, Besucher. Die aktuelle Wartezeit beträgt voraussichtlich - sehr lange«, verkündete die emotionslose Stimme des Homunculus. Dann wurde seine Aufmerksamkeit auf eine junge Frau gelenkt, die mit ihrem linken Stiefel den Wartebereich überschritten hatte. »Sie befinden sich außerhalb der Wegführung, Besucher. Beachten Sie die markierten Gänge, Besucher. Sie befinden sich-«

    Und da Zytrapolis nun einmal Zytrapolis war, brüllte irgendwer recht leidenschaftlich:

    »Halt die verdammte Fresse, Blechkasten!«

    Was wiederum einer anderen Person nicht sonderlich gefiel.

    »Halt du lieber deine Scheißfresse, Sackgesicht! Der Homunculus hier macht nur seinen Job!«

    »Hast du ein Problem, Freundchen?«

    »Ja, habe ich! Du bist mein Scheißproblem!«

    Gerangel brach in den Reihen der Wartenden aus. Auffällig gekleidete Touristen, die wohl zum ersten Mal in Zytrapolis waren, machten ernsthaft Anstalten die sich prügelnden Männer zu trennen, wurden jedoch von anderen Bankbesuchern zurückgehalten.

    »Die bringen sich noch um!«, klagte eine Frau in einem geschmacklos bunten Hosenanzug. Ihrem Akzent und den schrecklichen Kleidern nach zu urteilen kam sie aus dem Norden. »Wieso tut denn niemand etwas?«

    »Wieso sollte man?«, fragte ein bärtiger Mann mit Zylinder und dem Abzeichen der Luftschiffgilde. »Hab gerade auf den Kleinen gesetzt. Fünf Zytra. Wäre ja schön blöd, wenn jetzt irgendwer dazwischen gehen würde.«

    Man ließ die Männer gewähren, denn so lange sie sich innerhalb der Markierung prügelten, war es dem als Wärter angestellten Homunculus allerlei. Diese halb mechanischen, halb magischen Kreationen waren nun wirklich nicht die hellsten Kerzen im Kronleuchter. Zum Bedauern des Luftschiffkapitän wischte der größere Mann mit dem Kleineren den Boden. Erst als die Schlägerei blutig wurde und eine der menschlichen Bankangestellten am Schalter einen Alarm auslöste, wurden die sich prügelnden Männer unter lautem Protest der Zuschauer von massiv gebauten Kupfergolems weggeschleift.

    Golems. Noch so eine Spielerei der verfluchten Magier, die ohne die Alchemisten nicht existieren würde. Aber wer kassierte den Lohn und den Applaus? Natürlich diese arroganten Idioten mit Gehstock und Zylinder, die ständig von der Zeitung hochgelobt wurden. Wenn es mal einen Artikel über die Alchemisten gab, dann nur, weil etwas in die Luft geflogen war.

    Aristides Blick folgte den sich überraschend geschmeidig bewegenden Kupfergolems und er ärgerte sich kurz, nicht auf den größeren Mann gesetzt zu haben. Aber was waren schon fünf lausige Zytra, wenn man in seiner linken Manteltasche ein verdammtes Goldstück hatte?

    Sollten die Magier ruhig noch ein wenig die Aufmerksamkeit der Presse und ihren zum Erbrechen glamourösen Ruf genießen. Marcello und er würden nämlich schon bald sämtliche Zeitungen der Stadt aufkaufen. Ach was, sie hätten bald genug Gold, um daraus einen gigantischen Mittelfinger zu gießen und diesen als Statue direkt vor das Gildengebäude der Magier zu stellen.

    Aristides grinste breit, als seine Finger das kleine Wunder in seiner Tasche umschlossen.


    Vor 8 Jahren habe ich hier bereits einen Thread mit dem Namen Solitonia eröffnet. Viel ist seitdem passiert, einige Dinge haben sich geändert, andere sind noch immer gleich. Nichtsdestotrotz möchte ich gerne nochmals ganz von Vorne beginnen und euch diese Welt schrittweise näher bringen.

    Man liest, sieht und fühlt, dass du viel Zeit und vor allem viel Herz in deine Welt gesteckt hast. Du hast einen in sich geschlossenen Kosmos erschaffen, der wie bereits von meinen Vorredner:innen angesprochen starke Einflüsse verschiedener Kulturen hat, die man mal mehr und mal weniger stark bis hin zu fast schon 1:1 aus der realen Welt (er-)kennt.

    Mir persönlich gefällt diese Mischung aus Fantasie und Realität, da gerade die Konflikte, Kriege und Probleme einfach (leider) "typisch Mensch" sind. Wieso sollten also so verschiedene Völker wie in dieser magischen Welt in Frieden leben, wenn sie es in der Realität nicht mal einen Tag aushalten, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen? Außerdem bin ich ein großer Fan davon, wenn reale Probleme in ein fantastisches Gewand gepackt und behandelt werden.

    Ich habe selbst sehr viel Spaß an dem Schreiben genau solcher Geschichten. Denn was ist besser als Satire und Gesellschaftskritik? Genau. MAGISCHE Satire und Gesellschaftskritik :D

    Nicht, dass ich damit andeuten möchte, dass du hier Satire schreibst. Im Gegenteil. Deiner Welt schwingt ein sehr ernster Tonfall mit, von dem, was ich aus deiner Lore so weit herauslesen konnte. Vielleicht täuscht es auch nur, aber ich muss zugeben, dass ich als Leser auf ein wenig humorvolle Elemente hoffe. Humor hilft, und wenn es nur eine amüsante Randbemerkung ist, dass man sich Orte oder Personen besser merken kann.

    Du "haust" durchaus viel Info am Anfang raus, aber ich persönlich finde das gar nicht schlimm, im Gegenteil. Du hast klar geschrieben, dass es sich hier um ein aktualisiertes "Beiwerk" für deine Welt handelt. Quasi die "Anleitung" für die Leserschaft. Da darf man meiner Meinung nach mit Infos um sich werfen. Immerhin ist man ja hier, weil man möglichst viel von deiner Welt wissen möchte. :)

    Und wie sagt man im Verlagswesen so schön? Weltenbau: 80/20. 80 Prozent Hintergrundwissen über seine Welt hat der Autor zusätzlich im Petto, aber nur 20 Prozent von dem ganzen Weltenbau landen im Buch. Nicht mehr, nicht weniger, weil es schlussendlich den Leser masslos überfordern würde. Als Autor:in muss man seine Welt kennen. Der Leser jedoch bekommt am Schluss quasi nur das Best-Of der magischen Welt präsentiert.

    Tatsächlich musste ich mich in deine Welt etwas reinlesen, da es eben am Anfang kaum Karten gibt und man mit Namen und Völkerkunde quasi bombadiert wird. Aber ab der ersten von dir hochgeladenen Karte habe ich die Namen einer geografischen Lage besser zuordnen können und das Chaos hat sich somit gelichtet.

    Deine Karten sind generell WOW.

    (Gib mir einen Moment. Ich wühle mich mal eben kurz im Neid ;))

    Wirklich. Sehr detailliert und sie helfen ungemein. Ach was, die Karten sind ein MUSS, da man sich sonst teilweise wirklich etwas verloren fühlt. Du hast auch sehr kleine Orte eingezeichnet, was mich persönlich im ersten Moment etwas erschlagen hat, da ich mich zuerst an Hand von größeren Orten wie Städten oder Häfen orientiere und mich dann an Flüssen entlanghangel, bis ich ein Gefühl für die Welt bekomme. Mit den vielen Ortsnamen und Gebieten und Länder fällt einem das im ersten Moment recht schwer. Jedoch bin ich sicher, dass das nur eine Frage der Gewöhnung ist.

    Man wandert ja als Leser durch die Lande und lernt immer mehr, Stück für Stück. Da hat man dann auch irgendwann das kleinste Kuhkaff am Ende der Welt auf dem Schirm, einfach weil man es schon mal "besucht" hat.

    Die anderen Punkte bezüglich der Namen haben schon meine Vorredner:innen angemerkt. Wie gesagt, ich mag diese Verbindung aus "fiktiv" und "real" sehr gern. Jedoch stimme ich Sci-Fi-Dave bei folgendem Punkt zu:

    Wenn man aber Römer mit germanisch klingenden Personennamen hat, die Architektur ostasiatisch aussieht und die Landschaft womöglich nach dem Amazonasregenwald, dann wirkt das Ganze zusammengeklaubt.

    Absolut. Natürlich hat man kreative Freiheit, aber gerade weil reale Einflüsse eine Rolle spielen, wäre ich als Leser sehr irritiert, wenn (nur als Beispiel) jemand aus dem Stamm der ehemaligen Germanen plötzlich "Henry McSnufflenuff" heißen würde, um es ganz überspitzt auszudrücken. Wir nehmen, was wir kennen und projizieren es auf gelesene Dinge. Daher wäre ein Ort, der "Heldenheim" heißt, nicht der richtige Ort für südasiatische Küche. Ich mache ja vieles mit, aber DAS würde mich als Leser aus der Fassung bringen XD

    Aber ich denke, auch hier ist es eine Frage des Geschmacks und wie du gewisse Bezüge darstellst und begründest. Kulturen sind schließlich im Wandel. Städte entstehen und zerfallen. Länder werden erobert und besetzt. Da kann man also durchaus spielen, kombinieren und ausprobieren. Jede Eroberung hinterlässt Spuren, sei es in der Sprache, der Kultur oder im Traumata einzelner Generationen.

    Kurzgesagt: Deine Welt gefällt mir und vor allem die Leidenschaft, die du hier reinsteckst. Dieses Projekt ist eine Herzenssache und ich freu mich darauf, mehr davon zu entdecken.

    Ich wünsche dir einen magischen Abend,

    Octo

    "Eine Idee war immer zweimal zu diskutieren. Nüchtern und betrunken. Wenn sie in beiden Zuständen für den Rat gut klang, war es in ihren Augen die richtige Wahl ..."

    Laut unterschiedlichen Quellen nach zu urteilen war dieser Brauch nicht nur bei den Germanen üblich, sondern auch bei vielen Völkern. Habe mich das erste Mal weggelacht, als ich das gelesen habe. Dann länger darüber nachgedacht und für mich entschieden, dass das echt gar nicht so blöd ist. Im Gegenteil.

    Meist ist eine Idee, die man betrunken gut findet, nüchtern für die Katz. Aber wenn sie auch bei gesundem und klaren Verstand gut klingt? Muss ja dann ein kleiner Geniestreich sein.

    Danke für den tollen Tipp. Das Buch klingt mehr als interessant :D

    Dieser Moment, wenn man beim Schreiben seiner mehrteiligen Reihe merkt, dass selbst die kleinsten Nebencharaktere ihr eigenes Leben führen wollen und alle durcheinander schreien und man sich schlussendlich denkt:

    F*** it, tobe ich mich halt aus.

    Und ich habe getobt. Die ganze Sache hier entstand aus reinem Jux, als Atempause von der eigentlichen Hauptgeschichte und ihren Charakteren, sozusagen. Und beim Lüften meines Gehirns hatte ich so viel albernen Spaß, dass sich die ganze Nummer verselbstständigt hat.

    Die Geschichte spielt in meinem »UnterDrunter«-Universum, eine Welt, wo all die verlorenen Dinge wie Murmeln, Kleingeld und auch Menschen landen, wenn sie nicht gefunden werden wollen. Magie? Gibt es ne' Menge und mehr, als man sich eigentlich wünscht.

    Wir reisen mit dieser Geschichte in die Puppenstadt. Eine Stadt, so verdammt groß, dass man selbst als Einheimischer in jedem anderen Viertel als Tourist gilt. Und wie in jeder anständigen Großstadt hat auch hier jeder eine Meinung, niemand eine Ahnung und es ist laut, bunt und irgendwo bekommt irgendwer seine lächerliche Markenjacke in einer Gasse abgezogen.

    Willkommen in der Stadt der Puppen, der magischen Dichter und der Pechvögel, die stets mit dem Schlimmsten rechnen – und niemals enttäuscht werden.

    Cheers darauf, dass ihr beim Lesen (hoffentlich) auch nur halb so viel Spaß habt wie ich beim Herumalbern.

    Octo


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    K A P I T E L

    - 1 -

    Polter, Polter, Polterio


    Smrek, oder auch Händler-Smrek-Auf-Der-Langen-Kupferbrücke-Im-Kobaltviertel genannt, vermisste zwei Dinge in seinem nicht mehr ganz so neuen Leben in der Puppenstadt; die selbstgedrehten Zigaretten seines Bruders und seinen Nachnamen.

    Niemand konnte aus so kleinen Tabakresten solche Prachtstücke bauen wie Branislav und Husár war ein fabelhafter Familienname, verdammt nochmal. So wenig Smrek der alten Heimat und noch weniger seiner Familie abgewinnen konnte, mal vom Zigarettenkünstler abgesehen, hatte sein Nachname stets einen gewissen Edelmut besessen. Ruhm. Stolz. Ohne seinen Nachnamen kam sich Smrek nackt vor, wie ein Junge, den kein Erwachsener für voll nahm und der von allen nur lasch geduzt wurde.

    Doch in der Puppenstadt hieß man schlicht und einfach so, wie der Ort, wo man residierte. Oder wie in Smreks Fall kümmerlich versuchte, sich irgendwie über Wasser zu halten. Wortwörtlich, mit seinem kleinen Laden, der zwischen hundert anderen beide Seiten einer gar nicht mal so langen Brücke säumte. Jedoch musste Smrek zugeben, dass es ihn durchaus hätte schlimmer treffen können.

    »Ohje.«

    Polterio-Dritte-Straße-Nach-Osten-Dann-Zweite-Straße-Links-Drittes-Haus-Von-Rechts-Fünter-Stock-Erste-Tür-Im-Kobaltviertel hatte es schlimmer getroffen. Wobei es Polterio immer irgendwie schaffte, selbst unter den größten Versagern bedauernswert zu wirken. Während andere Verlierer mit gekränktem Stolz ihre Trosturkunden zerknüllten, rutschte Polterio darauf aus und brach sich das Genick. Während er eine Treppe hinunterfiel, die lichterloh in Flammen stand. In einem Gaswerk.

    Würde Smrek jedes Mal einen Schnaps trinken, wenn er von Polterio ein noch so klägliches Ohje hörte, würde sich seine vom Leben müde Leber vermutlich nach nur kurzer Zeit mit Teilen seines Darms versuchen zu erhängen.

    »Ohjeohjeohje ...«

    Es polterte, als Polterio seinem Namen alle Ehre machte. Der Junge war wie immer über seine eigenen Füße gestolpert und ging samt Kisten zu Boden. Besagte Kisten gingen zu Bruch. Polterio ebenfalls.

    »Das-«, sagte Smrek betont gut gelaunt, während er sich rasch zwischen die Trümmer und die anwesende Kundschaft schob, »ist der Grund, wieso ich auf Papierware umgestiegen bin. Weniger Scherben. Sagen Sie, meine Dame, Sie rollen nicht per Zufall Zigaretten?«

    Angesprochene Dame war eine schöne Puppe mit aufwendiger Hochsteckfrisur und mehr Goldketten um den Hals, als Hals vorhanden war. Sie überragte Smrek um gut einen Kopf und war aus dem scheißreichen Purpurviertel, das sah man ihr allein an ihrer goldenen Nasenspitze an. Ihr Sohn, höchstens sieben oder acht Jahre alt, war ein nicht weniger hübsches Ding. Er hatte blonde Löckchen, süße Bäckchen und starrte mit der Ausdruckslosigkeit eines Mittvierzigers nach seinem dritten Kokain-Entzug in die Luft. Puppenkinder waren verstörend frühreif.

    »Nein, wie schrecklich«, sagte die Dame hingerissen und hatte endgültig das Interesse an den Papierfliegern verloren; und Smrek somit seinen ersten Fast-Umsatz des Tages. Polterio jammerte leise, irgendwo unter all den kaputten Kisten und tausend Bögen Papier. Die Dame presste sich dramatisch eine behandschuhte Hand auf den Mund. Puppen liebten Drama. »Dieser arme Junge.«

    Smrek lächelte sein bestes Verkäuferlächeln, eine perfekte Mischung aus Verzweiflung und tiefsitzendem Selbsthass, während er auf die hintere Wand seines kleinen Geschäfts zeigte. Die Wand wurde fast gänzlich von einem Regal eingenommen, welches vermutlich nur deswegen noch stand, weil es schlichtweg zu stolz war, um zusammenzubrechen.

    »Wie wäre es mit einem feinen, aber schnellen Flieger für den jungen Herren? Huh, was sagst du, Sportsfreund? Jeder liebt doch schnelle Flitzer.«

    »Ich bin kein Freund des Sports«, sagte der Junge monoton. Seine blauen Augen wanderten ausdruckslos über die Auswahl kleiner Papierflieger, die Smrek in stundenlanger Arbeit gebastelt und bemalt hatte. »Sport kann zu Rissen oder Brüchen führen. Es ist ein Risiko und Risikos sind nur was für Arme. Können wir endlich gehen, Mutter? Ich will Eiscreme und diese Fleischhaut hier spricht mir zu viel.«

    »Ich kann auch schweigen«, sagte Smrek rasch und klatschte übermotiviert in die Hände. Würde war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. »Und wie ich schweigen kann. Ich sage dir was, Junge. Zwei Papierflieger zum Preis von einem. Extra-Schweige-Angebot. Na, wenn das kein unschlagbarer Deal ist?«

    Doch das Boot namens Verkaufsabschluss war bereits untergegangen, noch ehe es vom Wind angetrieben in See stechen konnte. Der Blick der feinen Puppendame hing immer noch fasziniert auf Polterio, der sich leise murmelnd vom Boden aufraffte und dabei auf der Hälfte der nun über den Boden verteilten Papierbögen hässliche Abdrücke seiner Schuhsohlen hinterließ. Praktikanten waren ein ewig währendes Paradoxon: Sie verursachten beim Abnehmen von Arbeit mehr Arbeit, als überhaupt Arbeit dagewesen war.

    Doch wenn Smrek eine Sache gelernt hatte, dann war es die Tatsache, dass Aufgeben nicht zur Debatte stand. Man musste weitermachen, egal wie. Noch waren die Touristen da, hier, in seinem Laden. Mit Taschen voll glänzender Murmeln, die Smrek noch ein wenig länger, noch ein bisschen weiter am Leben hielten. Vorausgesetzt, sie wanderten in seine Kasse.

    »Keine Sorge, meine Dame. Der Bursche ist in Ordnung. Glauben Sie mir. Was halten Sie eigentlich von diesem Flieger hier? Weniger schnell, dafür ein Prachtstück. Hier, schauen Sie nur. Er ist ein wahrer Paradiesvogel unter den Fliegern. Wenn nicht für Ihren Sohn, dann vielleicht für Sie? Oder darf es vielleicht eine Rose sein?«

    Die Dame starrte Smrek an, als wäre er ein totes Ungeziefer, welches in ihrem halb ausgetrunkenen, aus teuren Bohnen gemahlenen Kaffee schwamm. Es war ein Blick, den die reichen Puppen perfektioniert hatten. Besonders Exemplaren wie Smrek gegenüber. Einem Menschen. Eine Fleischhaut, mit weichen Organen und Poren und Körpergeruch. Sie wussten beide, dass sie keinen seiner Papierflieger kaufen würde, auch keine Rose, egal, wie schnell oder bunt das Angebotene auch war.

    »Halber Preis«, sagte Smrek und lächelte vermutlich längst wie ein Wahnsinniger. »Auf alles. Gefällt Ihnen vielleicht diese Lampe hier? Oder die Dekoration im Schaufenster? Halber Preis.«

    Inzwischen stand der mieseste Praktikant der gesamten Puppenstadt wieder auf den Beinen, jedoch rutschte Polterio immer wieder bei jedem noch so kleinen Schritt fast auf den Papierbögen aus. Er schwankte und wankte wie ein hilfloses Kälbchen mit zu langen Beinen, mutterseelenallein inmitten auf einem zugefrorenen See. Es war eine Schande mit anzusehen.

    »Er ist kaputt.«, sagte die Dame mit perverser Neugierde. Sie machte sich nicht die geringsten Sorgen und Smrek zweifelte nicht daran, dass sie Polterio sofort kaufen würde, wenn er ihr den Jungen anbot, nur damit sie über ihn während einer ihrer unzähligen Parties lachen konnte. Puppen liebten nichts mehr als das Elend anderer. »Risse, überall. Wie kann er noch leben?«

    DAS hatte Smrek schon lange aufgehört zu fragen. Er packte den rutschenden Polterio am rechten Arm, ehe der Puppenjunge mit seinen zwei linken Füßen noch mehr Papierbögen beschmutzte oder mit seinem Gezappel gleich ganz zerriss. Der Stoff des perfekt gebügelten Hemds seines Praktikanten fühlte sich rau und steif unter Smreks Fingern an. Puppenkleider waren stets so fest, dass sie ausgezogen vermutlich von alleine standen. Wieso so etwas wie Weichmacher verwenden, wenn die eigene Haut aus Porzellan bestand?

    »Die Leitern sind schuld«, murmelte Polterio, der immer ein wenig so klang, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen. »Sie waren plötzlich einfach so da und ich musste unter ihnen hindurchgehen. Durch alle dreizehn Stück.«

    Smrek klopfte dem unglückseligen und jammernden Jungen bemüht lässig auf die Schulter, während er mit übertriebenen Floskeln zur Verabschiedung seinen ersten, und vermutlich auch letzten Kunden des Tages, noch einen schönen Aufenthalt im Kobaltviertel wünschte. Seine einzige Chance auf Umsatz stolzierte hinaus auf die Kupferbrücke, wo zu viele Händler um die Gunst zu weniger Besucher kämpften. Reiche Touristen aus dem Purpurviertel, die Taschen voller Murmeln. So etwas sah man hier nicht alle Tage. Nicht mehr, seit das UnterDrunter verrückt geworden war. Doch Pest hin oder her, Geschäft war Geschäft und es sah für Smrek alles andere als blendend aus.

    »Verdammte Scheiße, Polterio!« Er stieß den Puppenjungen von sich, kaum war die Tür hinter der arroganten Puppendame und ihrem Sohn, dieses kleine Arschloch, zugefallen. Der tosende Krach des Kobaltsviertel wurde zu einem dumpfen Brummen und Dröhnen. »Meine Fresse, ich war so kurz davor etwas zu verkaufen.«

    »Ich kann nichts dafür«, jammerte Polterio. »Der Teppich ist schuld.«

    »Da liegt kein beschissener Teppich.«

    Polterios linker Zeigefinger strich über einen der unzähligen Risse in seinem hellen und trotz aller Schönheit nichtssagenden Gesicht, als wollte er den Schaden in seiner Porzellanhaut durch bloße Berührung beheben. »Doch«, murmelte er. »Er liegt ständig woanders, immer rutschig, immer mit dieser einen gemeinen Falte. Der Teppich hasst mich.«

    »Nicht so sehr wie ich dich gerade hasse. Wie oft habe ich dir gesagt, dass du die Kisten stehenlassen sollst?«

    Polterio atmete rasselnd ein und aus. Ein Zeichen dafür, dass er tatsächlich kurz davor war zu heulen. Normalerweise waren Puppen nicht sonderlich emotional, wenn man mal von ihrem ganzen falschen Theater absah, aber normalerweise gingen Puppen auch zu Bruch, wenn sie einmal ungünstig stürzten. Sie starben, Punkt. Aus. Ende. Sie sagten nicht Ohje und gaben anschließend imaginären Teppichen die Schuld. Oder dreizehn Leitern, unter denen sie hindurchgegangen waren. Wobei Polterio mehr fiel und stolpert, als dass er tatsächlich ging. Seine Füße waren keine Körperteile, sondern angewachsene Zeitbomben, die immer schneller tickten. Es war, als hätte jemand mit einem besonders grausamen Sinn für Humor einer verstörten und nervösen Maus zwei Mäusefallen als Beine gegeben.

    Smrek mochte Polterio, wirklich. Er mochte ihn wie ein junger Onkel seinen talentlosen Neffen mochte, dem er einmal aus Naivität vorgespielt hatte, dass er sich total für seine langweiligen Sammelkarten interessiert; und jetzt mit Entsetzen feststellen musste, dass er sich bei jedem Besuch nicht nur ein Sammelalbum, sondern alle dreiundvierzig Stück anschauen und dabei Interesse heucheln musste. Doch auch ein so geduldiger Mann wie Smrek hatte irgendwann seine Grenze erreicht.

    Das Geschäft lief mies. So kurz vor den Straßenfesten müsste es normalerweise vor Besuchern wimmeln und der kleine Laden vor lauter Kundschaft aus allen Nähten platzen. Vor dieser verfluchten Pest hatte die halbe Stadt nach Smreks Fliegern, Hüten und Rosen aus Papier verlangt. Vor allem die Rosen waren echte Kassenschlager. Kein Tourist verließ die Stadt der Rosen, ohne nicht mindestens einen noch so kleinen Papieranstecker von Händler-Smrek-Auf-Der-Langen-Kupferbrücke-Im-Kobaltviertel gekauft zu haben. Ganze Rosensträuße aus glänzendem Papier waren über die Theke gegangen. Und jetzt?

    Jetzt war ein altes Regal sein einziger Seelenverwandter; zu stolz um zusammenbrechen.

    Polterio machte Anstalten ein paar Papierbögen vom Boden aufzusammeln, jedoch trampelte er dabei über die letzten Glanzbögen, die Smrek noch auf Lager hatte.

    »Lass das, verdammt. Ich mache das schon. Stell dich da hinten in die Ecke und fass nichts an, kapiert? Absolut. Nichts. Nicke zweimal, wenn du das verstanden hast.«

    Polterio murmelte vor sich hin, irgendwas wegen hinterhältigen Teppichen, während er nickend über das Papier rutschte und schlitterte. Immerhin hatte nichts Feuer gefangen, probierte es Smrek mit einem Hauch positiven Denkens, während er sich an das Aufsammeln der noch einigermaßen sauberen Papierbögen machte.

    Das war bevor die zwei Männer in seinen Laden traten.

    Der eine hatte einen Kanister Benzin.

    Der andere ein Feuerzeug.

    Einen zauberhaften Sonntagmorgen,

    vielen Dank für das tolle Feedback und eure Eindrücke.

    Avanar

    Das hört sich sehr spannend an. Ich musste an "Die Teppichvölker" denken, nur weitergedacht.

    Ich habe die Teppichvölker zwar gelesen, muss aber zu meiner Schande gestehen, dass ich ausgerechnet diesen Erguss von unserem guten, alten Terry einfach nur "okay" fand - und nicht so fantastisch wie seine Discworld-Romane. Mir fehlte einfach dieser dreckige Suff von Ankh-Morpork. Das übelriechende Wasser vom Ankh, das man nicht trinken, dafür aber kauen kann.

    Zynische Personen sind genau mein Ding. Folcolum ist da (fast) noch harmlos im Gegensatz zu dem, was da noch so kommt. Der Kerl hantiert in der Unterwelt mit gefährlicher Magie, die einem fröhlich um die Ohren fliegt, hat die Sonne das letzte Mal irgendwann kurz vor der Französischen Revolution gesehen und versucht faulen Puppen etwas beizubringen, die ständig kaputt gehen. Da wird man irgendwann einfach zynisch, denke ich :D


    J.J.Raidark

    Folcolum le Miséricordieux (Himmel, was für ein Zungenbrecher)

    Ha! Genau das war der Sinn. Ich erfinde gern alberne Namen, wenn mich keine "realen" Namen überzeugen. Miséricordieux gibt es zwar im Französischen, aber Folcolum kam mir in den Sinn, als ich für meine aktuelle Homebrew-Kampagne NPC am erschaffen war. Ich hatte "Falco" aus Versehen falsch geschrieben und dachte dann so: Folco. Hat irgendwie Stil.

    Dann musste ich an die Königsregel aus dem juten, alten Lateinunterricht denken - Kasus. Numerus. Genus. Und dachte dann so - Folcolum.

    Und tada. Hatte ich einen albernen Namen, der zum Schreiben und Sprechen echt mühsam ist (ernsthaft, was habe ich mir dabei gedacht?), aber dennoch irgendwie ... catchy.

    Klingt ein bisschen wie Pinky&Brain, falls Dir das etwas sagt.

    Aber hallo kenne ich die. Und WIE ich die kenne. Und danke, jetzt habe ich wieder für die nächsten Wochen einen Ohrwurm.

    They're Pinky and The Brain, Brain, Brain, Brain

    Brain, Brain, Brain, Brain ...

    Damn it :threeeyes:


    Alopex Lagopus

    Diese kleinen Dinge, die erst unnütz scheinen, aber doch in einem besonderen Kontext von besonderer Wichtigkeit sind, sind immer sehr witzig :D Ich mag es, wenn sowas hervorgehoben wird. Ich wieß nicht wieso, aber ich mag es xD

    Ich mag diese kleinen Nebeninfos, die man zwar weglassen könnte, aber wo wäre dann der Spaß? Mir werden Figuren sympathischer, und greifbarer, wenn ich kleine Nebensächlichkeiten erfahre, ohne, dass einem beim Lesen die Info jetzt Seitenweise weichgekaut wird. Infos, die nebensächlich wirken, dann aber zehn Kapitel später wieder aufgegriffen werden und einen grinsen lassen, oder sogar einen wichtigen Handlungsstrang einleiten. YES, please! So was feier ich ja immer aus ganzem Herzen :D


    Karl_Schreiberling

    Ich mag den trockenen Humor sehr gerne.

    Trockener Humor ist wie schwarzer Kaffee - der muss frisch gekocht und ohne Schnickschnack genossen werden. Ich persönlich bin ja ein ganz großer Fan von dem berühmten "British humour", der hin und wieder so trocken ist, so sarkastisch-böse und gleichzeitig voller "I don't care", dass es gut umgesetzt einen beim Lesen so laut in der U-Bahn lachen lässt, dass sich Leute ohne Scheiß von einem wegsetzen.

    Danke nochmals von Herzen für alle eure Hinweise und Adleraugen.

    Natürlich habe ich das S bei "Wintergartens" übersehen. Und was bitte habe ich mit dem Kaffee-Satz angestellt? Natürlich müsste es ihn heißen. Argh, ich sag's ja. Man selber sieht irgendwann nüscht mehr. Ich habe die Fehler bereits korrigiert und in meine "Schande über meine Kuh!"- Kiste gelegt.

    Ich wünsche euch allen noch einen traumhaften Sonntag :D

    Octo

    Fantasy ja, aber keine Elfen

    ... so spricht wahrer Geschmack! Vergiss Elfen. Elben. Und all ihre spitzohrigen-überperfekten und unnatürlich schönen Verwandten, die fast tausend Jahre alt sind, aber aus (unerfindlichen Gründen) immer wie langhaarige Influencer Mitte zwanzig aussehen.

    Man kann Elfen nicht trauen - Terry Pratchett wusste Bescheid.

    Finde ich sehr spannend, dass du deine Fantasy scheinbar rein Urban mit einem Twist, anderen Gesetzen und Physik angesiedelt hast. Parallelwelten bieten unglaublich viel.

    Ich bin sehr gespannt, was es von dir zu lesen gibt.

    Willkommen bei uns :D

    Liebe Schreiberlinge,

    die eigene Welt ist ne' echt schmucke Sache. Man bastelt, schreibt und spinnt sich schlichtweg aus. Doch dann stellt man sich nach dem ersten Entwurf die Frage, wie diese ganze in Worte gekleidete Welt eigentlich auf die Leser*innen wirkt. Man selbst hat beim Schreiben vielleicht epische Schlachten vor Auge, aber bei den Leser*innen selbst kommt eher so mittelmäßige Spannung an. Man übersieht gern simple Dinge. Man macht sich dem legendären Infodump schuldig, ohne es zu merken.

    Daher sammel ich hier Textfragmente aus meinem Projekt, über die ich brüte, an denen ich mir die Zähne ausbeiße oder die eine wichtige Rolle spielen und ich dankbar bin für Eindrücke, um meine eigene "Verfasser-Blindheit" besser abschütteln zu können. Ich meine, wer kennt es nicht? Da liest man dreimal selbst Korrektur, findet nüscht - und dann kommt prompt jemand um die Ecke, schaut zwei Sekunden auf den Text und verkündet lässig:

    "Yo, da fehlt ein Wort und der dritte Satz von unten ist ja mal voll verschwurbelt."

    (Diese Leute verdienen ne' satte Gehaltserhöhung, by the way)

    Zum besseren Verständnis fasse ich hier kurz zusammen, was mein Projekt ist und um was es grob geht:

    Mein Projekt ist eine mehrbändige Fantasy-Reihe, in der es darum geht, dass Menschen durch Risse in Fußböden in einer anderen Welt landen. Eine Welt unter der Erde, wo es kein Sonnenlicht gibt, dafür Magie, betrunkene Faunwesen, nachtragende Bäume, lebende Puppen aus Porzellan und Magie. Menschen, die aus der Oberwelt durch eben solche Risse gekrochen und in der Welt namens "UnterDrunter" Zuflucht gesucht haben, werden von den Einheimischen "Kriecher" genannt.

    Wer mehr wissen möchte, kann gern in folgendem Post alles wichtige nachlesen:

    UnterDrunter - Weltenbau & Infos

    Jedoch ist Hintergrundwissen nicht nötig, da ich mich über jeden noch so kurzen Eindruck freue.

    Let's fetz!


    Ausschnitt aus dem ersten Buch - zweiter Teil - erstes Kapitel:

    (Erste Szene, die in dem magischen "UnterDrunter" spielt)


    Folcolum le Miséricordieux vertrat die Ansicht, dass man gar kein so übler Mistkerl sein konnte, wenn man offen zugab, dass man hin und wieder ein Mistkerl war. Wahrhaftige Ungeheuer waren blind für ihre Taten. Sie ließen sich Denkmäler errichten und trugen Kronen aus Gold, während das Volk vor den Schlossmauern verhungerte. Folcolum verabscheute Kronen. Könige. Es widerstrebte ihm, sich einer Weltordnung zu fügen, in der weltfremde Narren sämtliche Fäden in den Händen hielten. Ebenso wie es ihm widerstrebte, sich Misserfolgen zu ergeben.

    »Kurzschluss.«

    Folcolum zerrte sich die verrußte Schutzmaske vom Gesicht und schleuderte sie quer durch den Raum. Die Maske prallte gegen eine der Kupfersäulen des vor Elektromagie aufgeheizten Wintergarten und fiel klappernd zu Boden. Ein weiterer Testlauf war gescheitert.

    »Muss dieses Dingsbums immer so laut knallen?« Amando kam aus seinem Versteck unter einem der Tische gekrochen. Er war ein blasser Puppenjunge mit lächerlich bunten Haaren und keinerlei magischer Begabung. »Meine Ohren tun weh.«

    Folcolum ignorierte die Beschwerde seines Lehrlings und nahm die Überreste des Apparats aus der fast gänzlich weggeschmolzenen Halterung. Sein neuestes Versagen war kochend heiß und brannte sich zornig durch die Schichten seiner Schutzhandschuhe.

    »Die Ladung war zu hoch«, stellte er fest und ließ den Apparat auf den Tisch fallen, ehe die Hitze auch seine menschliche Haut zerfraß. »Es benötigt wohl etwas mehr Zisch und weniger Wumms

    Amando zuckte gleichgültig mit den Schultern. Der Bursche war nicht sonderlich interessiert an der Maschinerie der Welt, geschweige denn an mathematischen Formeln, Alchemie oder Elektrizität. Jedoch gab er offen zu, dass er keinerlei Interesse und noch weniger Lust hatte, irgendwas Neues zu lernen.

    Folcolum schätzte ehrliche Faulheit. Man konnte ausgezeichnet mit ihr arbeiten und lief nicht Gefahr, zu hohe Anforderungen zu stellen. Amando war vielleicht kein großer Denker, dafür aber ein hervorragender Laufbursche. Er tat, was man ihm sagte und besorgte, was auch immer man verlangte, so lange er seinen Arbeitstag mit einem ausgiebigen Spaziergang verbummeln konnte und das Gefühl hatte, er würde für das ganze Nichtstun auch noch bezahlt werden.

    Amandos größtes Talent war jedoch die Fähigkeit, stets zur rechten Zeit in Deckung zu gehen. Ein nützliches Talent, wenn man mit Dingen hantierte, die in acht von zehn Fällen explodierten. Ein menschengroßer Brandfleck mitten auf dem Mosaikboden war alles, was an Folcolums letzten, weniger schnellen Lehrling erinnerte. Eine halbe Sekunde. Mehr brauchte Magie nicht, um einen in Flammen aufgehen zu lassen.

    Die Überreste des Apparats waren inzwischen soweit abgekühlt, dass Folcolum sie genauer untersuchen konnte. Er öffnete ein kleines Fach am unteren Ende und betrachtete nachdenklich das verkohlte Innere. Seine Befürchtung wurde bestätigt; die Energiequelle hatte sich komplett selbstzerstört. Typisch für einen Tag, der ohne Koffein begonnen hatte.

    »Lauf in die Stadt und besorg mir neues Kupfer. Oh, und Kaffee. Ganz wichtig. Lass es dir vor Ort frisch mahlen. Ich trau diesen fertig abgepackten Säcken von diesem Halsabschneider nicht.« Folcolum warf dem Jungen einen Sack mit Murmeln zu. »Nimm dir Zeit für die Auswahl des Kupfers.«

    Amando sprintete mit der Begeisterung eines Jungen los, der die Chance witterte, sich mal wieder vor der eigentlichen Arbeit zu drücken; und das einen ganzen Tag lang. Er war gerade bei der Flügeltür zum Haupthaus angelangt, als diese mit Wucht geöffnet wurde. Die linke Türseite erwischte Amando hart und das Knacken von porzellanartigen Knochen erklang. Der Junge brach ächzend zusammen.

    »Achherjemeni«, sagte Floyk, der Bote. »Was steht der Bursche auch direkt hinter der Tür?«

    Folcolum ließ sich auf seinen Hocker sinken und rieb sich die müden Augen. So viel zu seinem Lehrling. Das war der dritte Bursche in einem bedauernswert kurzen Zeitraum. Er sollte wirklich damit aufhören, sich für diese zerbrechlichen Puppenkinder zu erbarmen.

    »Äußerst unglücklich.« Folcolum seufzte schwer. »Er wollte gerade gehen.«

    Floyk zerrte mit seiner knittrigen Hand an seiner zerknitterten Fliege. Es gab an dem hageren Boten keine einzige glatte oder gebügelte Stelle. Er war zerknittert auf die Welt gekommen und würde auch zerknittert sterben.

    »Ich habe Nachrichten, mein Herr.«

    »Ein Bote mit Nachrichten.« Folcolum musterte den reglosen Puppenjungen. In der hellen Stirn klaffte ein faustgroßes Loch, wo die Haut eingebrochen war. »Ich bin begeistert. Wirklich.«

    Floyk, der immun gegen jede Form von Sarkasmus war, schlug sich stolz auf die Brust.

    »Aber ja doch, mein Herr. Ich bin Bote. Nachrichten auf schnellem Fuß.«

    Eher Nachrichten im Schneckentempo. Floyk war eine alte Krücke unter den Boten und alles, was er brachte, hatte Folcolum in der Regel bereits Stunden zuvor von den Jüngeren gehört. Generell waren Boten seiner Meinung nach längst überholt.

    Floyk plusterte sich auf.

    »Neue Kriecher sind durch die Risse gekommen, Herr.«

    »Das tun sie immer.« Folcolum machte eine wegwerfende Handbewegung. »Auf der Oberwelt herrscht Krieg. Gier. Mal brennen Dörfer, mal steht das Meer in Flammen. Es gibt keinen Tag, in dem niemand angekrochen kommt. Ich hoffe, du hast mir mehr zu bieten als das.«

    Floyk zerrte erneut an seiner zerknitterten Fliege. Er zögerte einen kurzen Moment, dann sagte er: »Es gibt Gerüchte, Herr.«

    Folcolum fand langsam Gefallen an dem Gespräch. Er mochte Gerüchte, denn sie waren nur so lange Gerüchte, bis sie zu Tatsachen wurden. Einmal ausgesprochen, überdauerten sie. Gerüchte waren wie Ideen; sie hatten Macht. Ihre Worte verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Töten konnte man beides nicht, denn es war schlichtweg immer viel zu spät.

    »Und diese Gerüchte lauten?«

    Floyk trat nervös von einem Bein auf das andere.

    »Der Ikarus, Herr. Er ist zurückgekommen.«

    Folcolums Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Seine Müdigkeit war mit einem Schlag vergessen. Der Ärger über den Verlust seines Lehrlings wie weggewischt.

    Der Ikarus.

    Neunundvierzig Jahre lang hatte er gesucht und gelauscht. Er hatte Fragen gestellt, Zungen gelockert und mehr riskiert, als er zu verlieren hatte. Neunundvierzig Jahre hatte ein Misserfolg den nächsten gejagt. Eine Spur nach der anderen war im Nichts verlaufen. Und plötzlich kam er zurückgekrochen.

    Folcolum hätte am liebsten aus vollem Hals geschrien, dann gelacht und dann wieder geschrien. Jedoch beherrschte er seine Emotionen. Nichts war gefährlicher als falsche Hoffnung.

    »Besagen diese Gerüchte explizit, dass es sich um ihn handelt?«

    »Ja, mein Herr.« Der Bote schluckte mehrmals hektisch. Seine knochigen Finger zerquetschten seine traurige Fliege. »Die Magie ... äh, reagiert auf ihn. Es soll Zeichen geben, Herr. Eine Magierin in Kupferburg sprach von einer ... äh... Abwehrreaktion.«

    Folcolum atmete tief und genüsslich ein.

    Abwehrreaktion.

    Hatte ein einziges Wort je süßer geklungen? Diese Welt hatte den Ikarus ebenso wenig vergessen, wie es Folcolum getan hatte. Natürlich nicht. Wie könnte man ihn auch vergessen? Den Jungen aus der Oberwelt, der sich alles genommen und nichts als Asche zurückgelassen hatte. War dieser Narr wirklich so dumm und kehrte nach Jahrzehnten in die Welt zurück, die er vor die Hunde gehen ließ?

    »Der Ikarus.« Die Worte brannten wie Säure auf Folcolums Zunge. Es war ein Brennen, welches er auf eine fast perverse Art genoss. »Nun, dann wollen wir unserem verlorenen Bruder einen angemessenen Empfang bereiten.«

    Kirisha

    DAS sind doch mal erfreuliche News.

    Ich persönlich finde das Bild von der Größe perfekt. Gerade bei digitalen Bildern finde ich, dass es sehr schnell sehr "billig" wirken kann, wenn ein Bild fast das ganze Cover einnimmt. Den Rahmen finde ich daher perfekt gewählt, da es das Cover magisch abrundet :D

    Ich habe heute "The Sunbearer Trials" von Aiden Thomas beendet. Das erste Buch einer geplanten Reihe rund um ein fantastisches Mexiko und seine Götter.

    Zusammenfassung:

    Teo, der geflügelte 17-Jährige Sohn der "Jade"-Göttin der Vögel ist kein besonders starker, noch mächtiger Halbgott. Er kann mit Vögel reden, hat ein Händchen für Chaos und versteckt seine Flügel vor den Augen der Welt, da er als Transmann die Farbe seiner Federn, das Grau der weiblichen Vögel, nicht ertragen kann.

    Als Sohn einer Jade-Göttin hat er ein recht beschauliches Leben in einer eher kleinen Gemeinschaft. Da nur die Kinder von den "Gold"-Göttern an den Schulen angenommen werden und dort zu Helden und Profis ausgebildet werden, vertreibt sich Teo die Tage mit Streichen und chillt im Tempel seiner Mutter, wo er den Hohen Priester in den Wahnsinn treibt.

    Als er zur Überraschung aller für den größten Wettkampf der Götter, "The Sunbearer Trials" auserwählt wird, ein Wettkampf, an dem sonst nur die starken Kinder der mächtigen "Gold"-Götter teilnehmen, herrscht erstmal Panik. Denn während die Gewinner hohes Ansehen genießen, wird der Verlierer zum Schutz vor den bösen Göttern geopfert. Harte Sache, das. Teo sieht sich selbst schon auf einem Altar krepieren. Denn wie bitteschön soll er sich, als Jade-Halbgott, ohne Ausbildung und Training, gegen die viel stärkeren Gold-Halbgötter behaupten?

    Teo muss in mehreren Runden in unterschiedlichen Reichen gegen die Kinder anderer Götter antreten und versuchen, dabei nicht auf dem letzten Platz zu landen. Nur seine beste Freundin, die Tochter des Erdgotts und der jüngste Sohn der Gottheit von Unglück und Pech stehen ihm zur Seite. Mit vereinten Kräften versucht man sich gegenseitig vom letzten Platz fernzuhalten, damit sie es alle drei irgendwie lebend aus dem Wettkampf schaffen.

    Jedoch kann es nur einen Gewinner geben - und schlussendlich muss einer sterben. Denn ohne ein Opfer gibt es keinen Schutz vor dem Grauen, welches die Welt bedroht ...


    Meinung:

    Ein spannendes Buch, wo mich die mexikanische und stark an die Azteken angelehnte Kultur von Anfang an gefesselt hat. Auch die verschiedenen Teilnehmer am Wettbewerb sind echte Originale und man fiebert mit Teo mit, der einem wirklich ans Herz wächst.

    Was mich persönlich etwas gestört hat, wobei "gestört" völlig übertrieben ist, ist die ständige Erinnerung daran, dass Teo ein Transmann ist. Ich meine, es war mir von Anfang an als Leser klar und ich finde es richtig gut und wichtig, aber die teilweise sich über Seiten ziehende Unterhaltungen über das Thema haben einfach an manchen Stellen nicht gepasst.

    Man spürt, dass der Autor, selbst Transmann, hier vieles verarbeitet. Gute Sache, aber an manchen Stellen hat er einfach ein unpassenden Moment dafür gewählt. Ich meine, da steht im Roman am nächsten Tag ein super wichtiger Wettkampf an und alle sind nervös und haben Angst, niemand weiß, was einen erwartet - und anstatt diese Nervosität auszubauen, wird zehn Seiten über Transgender geschrieben, beziehungsweise in Dialogen geredet. Das war einfach so unpassend vom Timing, dass es unglaubwürdig gewirkt hat. An einer anderen Stelle zu einem anderen Zeitpunkt wäre es absolut willkommen gewesen. Aber nicht, wenn ich Spannung erwarte.

    Aber abgesehen von diesen kleinen Zwischenfrequenzen ein absolut fantastischer Roman und ein super Einstieg in eine kommende Reihe.