Huhu Kisa,
ich lese seit Längerem still und heimlich mit Ich habe ein paar Anmerkungen, die ich Dir gleich mal in einen Spoiler verpacke.
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Was mir beim Lesen aufgefallen ist, sind die vielen Wiederholungen. Ich meine damit jetzt nicht Wortwiederholungen, sondern solche auf inhaltlicher Ebene, die obendrein auf engstem Raum auftreten. Ich würde das gerne an ein paar Beispielen aus den neueren Parts verdeutlichen:
Kisara hatte den Nachhauseweg gedankenverloren hinter sich gebracht. Dabei hatte sie ihre Angst und Panik versucht in sich zu verschließen und niemanden erkennen zu lassen, welche Unruhe sie mit sich herumtrug. Deswegen war sie auch peinlich darauf bedacht sich vollkommen unauffällig zu verhalten. Sie war mehr in Trance, als bei klarem Verstand, bei der Goldschmiede angekommen. Dort hatte sie Baltreon in knappen Worten berichtet, was im Palast geschehen war, mit einigen Auslassungen; versteht sich. Anschließend hatte sie mechanisch noch einige Arbeiten des Schmiedes ausgeliefert und war Gerra noch ein bisschen im Haushalt zur Hand gegangen. Sie versuchte sich so normal und unauffällig wie nur irgend möglich zu verhalten.
Das sind drei Sätze, in denen im Endeffekt dasselbe ausgesagt wird: Kisara will sich nichts anmerken lassen.
Innerlich war sie immer noch damit beschäftigt zu verdauen, dass Caan ihre wahre Identität kannte und was er mit diesem Wissen anfangen konnte. Zudem fragte sie sich, warum er sie noch nicht an den König verraten hatte. Was war seine Motivation sie am Leben zu lassen? Was steckte hinter dem Ganzen? Ihr war sein Handeln suspekt und nachvollzeihen konnte sie es auch nicht. Denn sollte König Terilon herausfinden, dass Caan von ihrer Identität gewusst hatte, würde auch der Leibwächter in ernsten Schwierigkeiten stecken und nicht nur sie.
Hier sind es vier Sätze, die denselben Sinn vermitteln: Kisara hinterfragt Caans Handeln.
Während Kisara mit Grübeln beschäftigt war, nahm sie den forschenden Blick, den Byle ihr über den Tisch hinweg zuwarf, nicht wirklich wahr. Byle hatte bemerkt, dass ihr irgendetwas zu schaffen machte. Ihm war aufgefallen, dass sie sich, seitdem sie aus dem Schloss zurückgekehrt war, merkwürdig benahm. Sie war auffallend abwesend und achtete überhaupt nicht mehr auf ihre Umgebung oder die Menschen in dieser. Sie schien wie ausgewechselt zu sein.
Beinahe der gesamte Absatz handelt davon, dass Byle wittert, dass etwas nicht stimmt. (Anmerkung am Rande: Du hüpfst hier in Byles Kopf, obwohl in diesem Part Kisara der Point-of-View-Charakter war. Das kann auf Leser wie ein Bruch in der Erzählperspektive wirken.)
„Es ist besser für dich, wenn du das nicht weißt. Es würde dich und deine Familie nur unnötig in Gefahr bringen. Das will ich nicht riskieren“, entgegnete Kisara und schaute ihn besorgt an. Sie machte sich ohnehin schon Vorwürfe, weil sie Byle und seine Eltern unweigerlich in die Angelegenheit hineingezogen hatte. Nur weil sie bei ihnen geblieben war und eng mit ihnen zusammengearbeitet hatte. Das Sicherheitsgefühl, welches sie bei ihnen immer gehabt hatte, hatte sie dazu veranlasst, zu vergessen, wie gefährlich es für sie war, mit ihr gesehen zu werden, oder auch nur von ihrer Existenz zu wissen. Kisara hatte sie alle in Gefahr gebracht und damit einen großen Fehler begangen, indem sie alle zu nah an sich herangelassen hatte. Damit hatte sie sich verletzlich gemacht und ihrem Vater, sollte er sie jemals finden, eine Angriffsfläche geboten mit der er sie in die Knie zwingen könnte.
Was Kisara in der wörtlichen Rede aussagt, wird danach abermals iteriert: Kisara hat Byle und Co. durch ihre bloße Präsenz in Gefahr gebracht.
„Desar? Was machst du hier?“, wandte sich Reah mit fragenden grünen Augen und einem skeptischen Tonfall an ihn. Sie trat aus den Schatten des Torbogens, der den Eingang des Raumes markierte, und musterte ihren Gegenüber aufmerksam. Sie war verwirrt, ihn hier anzutreffen, hielt er sich doch immer lieber vom Tempel fern.
Hier bringst Du Reahs Skepsis mit dem Holzhammer rüber. Für mich würde z.B. so etwas völlig ausreichen:
„Desar? Was machst du hier?“, wandte sich Reah mit zusammengezogenen Augenbrauen an ihn. Sie trat aus den Schatten des Torbogens, der den Eingang des Raumes markierte.
Die zusammengezogenen Augenbrauen würden ausreichend kennzeichnen, dass Reah es als merkwürdig einstuft, Desar hier anzutreffen.
Reah blickte ihm mit zusammengekniffenen Augen hinterher, als er den Gang entlang schwebte und um die nächste Ecke herum verschwand. Sie wandte ihren Blick von ihrem fortlaufenden Bruder ab und dem Saal zu, in dem sich die Feuerschale befand. Mit raschen Schritten betrat sie diesen und blickte sich misstrauisch um, um herauszufinden, was ihr Bruder hier gemacht haben könnte. Mit einem Stirnrunzeln ging sie auf die Feuerschale zu und betrachtete, was sich dort abspielte. Doch es war nichts Besonderes zu erkennen, als das gewöhnliche Treiben in einer Taverne. Also wandte sie sich wieder ab, betrachtete den Saal noch einmal misstrauisch und verließ ihn dann wieder. Wobei sie sich vornahm Desar genau im Auge zu behalten, denn sie glaubte keine Sekunde lang, dass er hier nichts gemacht hatte.
Dass Reah misstrauisch ist, habe ich bereits dem vorangegangenen Dialog entnommen. Daher liest es sich für mich doppelt gemoppelt, wenn nochmals eine Unzahl an physischen Indikatoren für Skepsis (Stirnrunzeln, zusammengekniffene Augen, misstrauische Blicke) angeführt wird. Der letzte Satz könnte auch so zusammengefasst werden:
Sie würde Desar genau im Auge behalten.
Der Zusatz darüber, dass sie ihm nicht abnimmt, im Tempel nichts gedreht zu haben, erschließt sich ja alleine durch ihr Misstrauen.
Solcherlei Wiederholungen ziehen sich durch die ganze Geschichte. Besonders stark sind sie ausgeprägt, wenn Charaktere etwas bejahen oder verneinen:
„Ja“, stimmte Xerra mit knappem Kopfnicken zu.
Kisara nickte zustimmend und wollte sich schon umdrehen, um zu dem Stand zu gehen, an dem die außergewöhnlichen Gewürze und Heilkräuter verkauft werden, als Gerra sie an der Schulter packte und sie daran hinderte schon wegzugehen.
Kisara nickte zustimmend. „Da gebe ich Euch Recht“, gab sie zurück und schaute den Stoff sehnsüchtig an.
„Nein, ich brauche auch nichts mehr“, entgegnete Gerra verneinend und schüttelte mit dem Kopf.
„Ja, ich habe alles bekommen“, stimmte Kisara nickend zu.
Baltreon nickte zustimmend, hielt sie aber noch am Arm fest, bevor diese die Goldschmiede verlassen konnte.
Ein Nicken ist im Normalfall eine Geste der Zustimmung. Insofern ist es überflüssig, sie mit dem Adjektiv "zustimmend" zu koppeln. Das ist dasselbe Prinzip, als würde man ständig "Er/sie lächelte fröhlich." schreiben. Ein Lächeln indiziert für gewöhnlich eine heitere Stimmung. Ich würde nur dann ein Adjektiv hinzunehmen, wenn das Lächeln eben nicht fröhlich ist – etwa, wenn es sich um ein trauriges Lächeln handelt.
Ein "Ja" oder "Nein" zeigt für sich genommen auch schon an, ob jemand zustimmt oder eben nicht. Da könntest Du auf entsprechende Inquits, die das explizit hervorheben (zustimmen), ebenfalls verzichten.
Im Grunde geht es da um Schreibökonomie. Man darf den Lesern auch ein bisschen was zutrauen und muss ihnen nicht mit dem Holzhammer eins über die Rübe ziehen, damit sie verstehen, was man ihnen sagen möchte Es muss nicht jeder Zusammenhang einen minutiös geschlossenen Kreis bilden – der Leser kann auch an/mit dem Text arbeiten und selbst interpretieren.
Jetzt zum Inhaltlichen: Sofern es ein plot twist oder eine Enthüllung sein soll, dass Kisara Mellarah ist, empfinde ich das leider als vergeudetes Potential Das ist so dick aufgetragen, dass man den Braten schon sehr weit im Voraus riechen kann.
Während Mellarah ihre erlernten Fähigkeiten versteckte. Ebenso wie sie sich selbst vor allem und jedem verbarg. Nachdem sie sich des Nachts allein aus Dynstre, der Herrscherstadt ihres Vaters, davonschlich und sich durch die Landstriche von Terdonien schlug.
Hier erfahren wir schon recht viel über Mellarah – so viel, dass es ein Leichtes ist, die Hinweise in den nachfolgenden Parts richtig zu deuten. Die Hinweise an sich sind allerdings auch wieder ziemlich "geholzhammert", was das Potential der Enthüllung nochmals schwächt.
Ihr Inneres gierte nach der einstigen Macht, die sie ohne nachzudenken eingesetzt hatte. Die berauschenden Gefühle, die sie so lange schon nicht mehr gespürt hatte und wieder durchleben wollte. Doch sie wusste auch um die Folgen ihres Handelns, vor allem in dieser Stadt. Deswegen versuchte sie sich lieber auf die Schönheit der Flammen zu konzentrieren, als auf das wütende Feuer, das in ihr loderte und nur darauf wartete wieder ausbrechen zu können und dabei alles verzehren würde, was ihm im Weg stand; einschließlich ihres eigenen Lebens.
Okay, Kisara hat also offensichtlich Fähigkeiten, die sie aus Sorge um ihr eigenes Leben nicht einsetzen darf/will. Das alleine spricht schon für die Kisara-Mellarah-Verbindung.
Die junge Frau wurde von einem mulmigen Gefühl befallen. Je näher sie den Palastmauern und den Wachen kam, desto nervöser wurde sie. Die Anspannung, die immer in ihr hochkroch, sobald sie einem Soldaten oder jemanden der königlichen Familie sah oder begegnete, war kaum noch auszuhalten.
Sie hielt sich bewusst von der Königsfamilie fern. Zu groß war ihre Angst, dass sie durch einen dummen Zufall entblößt wurde. Ihre Panik entdeckt zu werden, war viel zu gewaltig, als dass sie es wagen würde, sich den Monarchen zu nähern und ihr Geheimnis – ihre wahre Identität – preiszugeben. Das Risiko war viel zu groß von der königlichen Familie für das, was und vor allem für das, wer sie war, öffentlich hingerichtet zu werden. Diese Gefahr war ihr zu hoch, weswegen sie normalerweise alles unternahm um der herrschenden Familie und deren Soldaten aus dem Weg zu gehen.
Ich habe hier mal in zwei unterschiedlichen Farben herumgekritzelt. Dass Kisara eine Identität hat, von der niemand erfahren soll, hebst Du an dieser Stelle explizit hervor (blau markiert). Damit war für mich die Katze aus dem Sack.
Davon abgesehen kreist der Rest des Markierten um Kisaras Vorsicht in Bezug auf die Königsfamilie – Stichwort: Wiederholungen. Da ließen sich einige Sätze ohne Verlust herausstreichen.
Doch gerade diese Präsenz der militärischen Macht machte Kisara nervös. Sie war noch nie hier gewesen, hatte sich immer davor gefürchtete so nah an die königliche Familie heranzutreten, oder auch nur in die Nähe des Schlosses zu gelangen.
Diese Information wurde bereits vermittelt, wird hier jedoch wieder erwähnt, ja, dem Leser fast schon unter die Nase gerieben. Es muss also von äußerster Wichtigkeit sein, was erneut den Rückschluss auf die Kisara-Mellarah-Verbindung zulässt.
Was sie, angesichts der Magie, die Kisara wirken und gut verborgen hielt, noch einmal überdenken sollten.
Wem bis jetzt noch kein Licht aufgegangen ist, der sollte spätestens hier ins Grübeln kommen.
Denn niemanden innerhalb dieses Königreiches fürchtete sie mehr als diesen Mann. Schließlich hielt alleine er ihr Schicksal und auch ihr Leben in den Händen. Es bedurfte nur eines falschen Wortes und sie könnte ohne viel Federlesens öffentlich hingerichtet werden und niemand würde ihren Tod bedauern, oder auch nur Beachtung schenken, wenn sie erst einmal hinter ihre wahre Identität gekommen waren. Dann würden sich alle, die sie momentan noch mit Freude empfingen, von ihr abwenden und sie mehr als nur verachten und hassen.
Sie hoffte inständig, dass niemand in diesem Raum jemals hinter ihr Geheimnis kommen würde, welches sie nunmehr schon seit so vielen Jahren wie einen wertvollen Schatz hütete.
Und noch einmal der Holzhammer.
„Ich auch nicht“, stimmte Caan ihr mit knappen Worten zu und schaute sie dann mit einem durchdringenden Blick an. „Ich schlage Euch vor, dass Ihr Euch lieber weiterhin von der königlichen Familie fernhaltet, Mellarah.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich an dieser Stelle ein wenig frustriert war – ich sehe eine richtig tolle Chance, das als Enthüllung aufzuziehen, die der Leser eben nicht mit Leichtigkeit kommen sieht. So, wie es nun ist, hat die Stelle bei mir nur ein gedankliches "Hm. Ja, hab ich mir gedacht." ausgelöst und kein "Was?! Oh! Deswegen reagiert Kisara an Stelle so-und-so auf diese und jene Weise!" Hier könnte noch viel mehr Spannung und Wumms herausgeholt werden.
Das Handeln von Caan und dem König überzeugt mich nicht ganz – Kyelia hat das sehr schön ausgeführt, weswegen ich jetzt nicht weiter darauf herumreiten möchte.
Bitte nicht demotivieren lassen! Ich gebe gerne zu, dass ich eine sehr pingelige Leserin bin.
Beste Grüße und ein schönes Wochenende!