Beiträge von Acala

    Huhu Kisa,

    ich lese seit Längerem still und heimlich mit :ninja: Ich habe ein paar Anmerkungen, die ich Dir gleich mal in einen Spoiler verpacke.

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    Was mir beim Lesen aufgefallen ist, sind die vielen Wiederholungen. Ich meine damit jetzt nicht Wortwiederholungen, sondern solche auf inhaltlicher Ebene, die obendrein auf engstem Raum auftreten. Ich würde das gerne an ein paar Beispielen aus den neueren Parts verdeutlichen:

    Kisara hatte den Nachhauseweg gedankenverloren hinter sich gebracht. Dabei hatte sie ihre Angst und Panik versucht in sich zu verschließen und niemanden erkennen zu lassen, welche Unruhe sie mit sich herumtrug. Deswegen war sie auch peinlich darauf bedacht sich vollkommen unauffällig zu verhalten. Sie war mehr in Trance, als bei klarem Verstand, bei der Goldschmiede angekommen. Dort hatte sie Baltreon in knappen Worten berichtet, was im Palast geschehen war, mit einigen Auslassungen; versteht sich. Anschließend hatte sie mechanisch noch einige Arbeiten des Schmiedes ausgeliefert und war Gerra noch ein bisschen im Haushalt zur Hand gegangen. Sie versuchte sich so normal und unauffällig wie nur irgend möglich zu verhalten.

    Das sind drei Sätze, in denen im Endeffekt dasselbe ausgesagt wird: Kisara will sich nichts anmerken lassen.

    Innerlich war sie immer noch damit beschäftigt zu verdauen, dass Caan ihre wahre Identität kannte und was er mit diesem Wissen anfangen konnte. Zudem fragte sie sich, warum er sie noch nicht an den König verraten hatte. Was war seine Motivation sie am Leben zu lassen? Was steckte hinter dem Ganzen? Ihr war sein Handeln suspekt und nachvollzeihen konnte sie es auch nicht. Denn sollte König Terilon herausfinden, dass Caan von ihrer Identität gewusst hatte, würde auch der Leibwächter in ernsten Schwierigkeiten stecken und nicht nur sie.

    Hier sind es vier Sätze, die denselben Sinn vermitteln: Kisara hinterfragt Caans Handeln.

    Während Kisara mit Grübeln beschäftigt war, nahm sie den forschenden Blick, den Byle ihr über den Tisch hinweg zuwarf, nicht wirklich wahr. Byle hatte bemerkt, dass ihr irgendetwas zu schaffen machte. Ihm war aufgefallen, dass sie sich, seitdem sie aus dem Schloss zurückgekehrt war, merkwürdig benahm. Sie war auffallend abwesend und achtete überhaupt nicht mehr auf ihre Umgebung oder die Menschen in dieser. Sie schien wie ausgewechselt zu sein.

    Beinahe der gesamte Absatz handelt davon, dass Byle wittert, dass etwas nicht stimmt. (Anmerkung am Rande: Du hüpfst hier in Byles Kopf, obwohl in diesem Part Kisara der Point-of-View-Charakter war. Das kann auf Leser wie ein Bruch in der Erzählperspektive wirken.)

    „Es ist besser für dich, wenn du das nicht weißt. Es würde dich und deine Familie nur unnötig in Gefahr bringen. Das will ich nicht riskieren“, entgegnete Kisara und schaute ihn besorgt an. Sie machte sich ohnehin schon Vorwürfe, weil sie Byle und seine Eltern unweigerlich in die Angelegenheit hineingezogen hatte. Nur weil sie bei ihnen geblieben war und eng mit ihnen zusammengearbeitet hatte. Das Sicherheitsgefühl, welches sie bei ihnen immer gehabt hatte, hatte sie dazu veranlasst, zu vergessen, wie gefährlich es für sie war, mit ihr gesehen zu werden, oder auch nur von ihrer Existenz zu wissen. Kisara hatte sie alle in Gefahr gebracht und damit einen großen Fehler begangen, indem sie alle zu nah an sich herangelassen hatte. Damit hatte sie sich verletzlich gemacht und ihrem Vater, sollte er sie jemals finden, eine Angriffsfläche geboten mit der er sie in die Knie zwingen könnte.

    Was Kisara in der wörtlichen Rede aussagt, wird danach abermals iteriert: Kisara hat Byle und Co. durch ihre bloße Präsenz in Gefahr gebracht.

    „Desar? Was machst du hier?“, wandte sich Reah mit fragenden grünen Augen und einem skeptischen Tonfall an ihn. Sie trat aus den Schatten des Torbogens, der den Eingang des Raumes markierte, und musterte ihren Gegenüber aufmerksam. Sie war verwirrt, ihn hier anzutreffen, hielt er sich doch immer lieber vom Tempel fern.

    Hier bringst Du Reahs Skepsis mit dem Holzhammer rüber. Für mich würde z.B. so etwas völlig ausreichen:

    „Desar? Was machst du hier?“, wandte sich Reah mit zusammengezogenen Augenbrauen an ihn. Sie trat aus den Schatten des Torbogens, der den Eingang des Raumes markierte.

    Die zusammengezogenen Augenbrauen würden ausreichend kennzeichnen, dass Reah es als merkwürdig einstuft, Desar hier anzutreffen.

    Reah blickte ihm mit zusammengekniffenen Augen hinterher, als er den Gang entlang schwebte und um die nächste Ecke herum verschwand. Sie wandte ihren Blick von ihrem fortlaufenden Bruder ab und dem Saal zu, in dem sich die Feuerschale befand. Mit raschen Schritten betrat sie diesen und blickte sich misstrauisch um, um herauszufinden, was ihr Bruder hier gemacht haben könnte. Mit einem Stirnrunzeln ging sie auf die Feuerschale zu und betrachtete, was sich dort abspielte. Doch es war nichts Besonderes zu erkennen, als das gewöhnliche Treiben in einer Taverne. Also wandte sie sich wieder ab, betrachtete den Saal noch einmal misstrauisch und verließ ihn dann wieder. Wobei sie sich vornahm Desar genau im Auge zu behalten, denn sie glaubte keine Sekunde lang, dass er hier nichts gemacht hatte.

    Dass Reah misstrauisch ist, habe ich bereits dem vorangegangenen Dialog entnommen. Daher liest es sich für mich doppelt gemoppelt, wenn nochmals eine Unzahl an physischen Indikatoren für Skepsis (Stirnrunzeln, zusammengekniffene Augen, misstrauische Blicke) angeführt wird. Der letzte Satz könnte auch so zusammengefasst werden:

    Sie würde Desar genau im Auge behalten.

    Der Zusatz darüber, dass sie ihm nicht abnimmt, im Tempel nichts gedreht zu haben, erschließt sich ja alleine durch ihr Misstrauen.

    Solcherlei Wiederholungen ziehen sich durch die ganze Geschichte. Besonders stark sind sie ausgeprägt, wenn Charaktere etwas bejahen oder verneinen:

    Ja“, stimmte Xerra mit knappem Kopfnicken zu.

    Kisara nickte zustimmend und wollte sich schon umdrehen, um zu dem Stand zu gehen, an dem die außergewöhnlichen Gewürze und Heilkräuter verkauft werden, als Gerra sie an der Schulter packte und sie daran hinderte schon wegzugehen.

    Kisara nickte zustimmend. „Da gebe ich Euch Recht“, gab sie zurück und schaute den Stoff sehnsüchtig an.

    Nein, ich brauche auch nichts mehr“, entgegnete Gerra verneinend und schüttelte mit dem Kopf.

    Ja, ich habe alles bekommen“, stimmte Kisara nickend zu.

    Baltreon nickte zustimmend, hielt sie aber noch am Arm fest, bevor diese die Goldschmiede verlassen konnte.

    Ein Nicken ist im Normalfall eine Geste der Zustimmung. Insofern ist es überflüssig, sie mit dem Adjektiv "zustimmend" zu koppeln. Das ist dasselbe Prinzip, als würde man ständig "Er/sie lächelte fröhlich." schreiben. Ein Lächeln indiziert für gewöhnlich eine heitere Stimmung. Ich würde nur dann ein Adjektiv hinzunehmen, wenn das Lächeln eben nicht fröhlich ist – etwa, wenn es sich um ein trauriges Lächeln handelt.

    Ein "Ja" oder "Nein" zeigt für sich genommen auch schon an, ob jemand zustimmt oder eben nicht. Da könntest Du auf entsprechende Inquits, die das explizit hervorheben (zustimmen), ebenfalls verzichten.

    Im Grunde geht es da um Schreibökonomie. Man darf den Lesern auch ein bisschen was zutrauen und muss ihnen nicht mit dem Holzhammer eins über die Rübe ziehen, damit sie verstehen, was man ihnen sagen möchte ;) Es muss nicht jeder Zusammenhang einen minutiös geschlossenen Kreis bilden – der Leser kann auch an/mit dem Text arbeiten und selbst interpretieren.

    Jetzt zum Inhaltlichen: Sofern es ein plot twist oder eine Enthüllung sein soll, dass Kisara Mellarah ist, empfinde ich das leider als vergeudetes Potential :( Das ist so dick aufgetragen, dass man den Braten schon sehr weit im Voraus riechen kann.

    Während Mellarah ihre erlernten Fähigkeiten versteckte. Ebenso wie sie sich selbst vor allem und jedem verbarg. Nachdem sie sich des Nachts allein aus Dynstre, der Herrscherstadt ihres Vaters, davonschlich und sich durch die Landstriche von Terdonien schlug.

    Hier erfahren wir schon recht viel über Mellarah – so viel, dass es ein Leichtes ist, die Hinweise in den nachfolgenden Parts richtig zu deuten. Die Hinweise an sich sind allerdings auch wieder ziemlich "geholzhammert", was das Potential der Enthüllung nochmals schwächt.

    Ihr Inneres gierte nach der einstigen Macht, die sie ohne nachzudenken eingesetzt hatte. Die berauschenden Gefühle, die sie so lange schon nicht mehr gespürt hatte und wieder durchleben wollte. Doch sie wusste auch um die Folgen ihres Handelns, vor allem in dieser Stadt. Deswegen versuchte sie sich lieber auf die Schönheit der Flammen zu konzentrieren, als auf das wütende Feuer, das in ihr loderte und nur darauf wartete wieder ausbrechen zu können und dabei alles verzehren würde, was ihm im Weg stand; einschließlich ihres eigenen Lebens.

    Okay, Kisara hat also offensichtlich Fähigkeiten, die sie aus Sorge um ihr eigenes Leben nicht einsetzen darf/will. Das alleine spricht schon für die Kisara-Mellarah-Verbindung.

    Die junge Frau wurde von einem mulmigen Gefühl befallen. Je näher sie den Palastmauern und den Wachen kam, desto nervöser wurde sie. Die Anspannung, die immer in ihr hochkroch, sobald sie einem Soldaten oder jemanden der königlichen Familie sah oder begegnete, war kaum noch auszuhalten.

    Sie hielt sich bewusst von der Königsfamilie fern. Zu groß war ihre Angst, dass sie durch einen dummen Zufall entblößt wurde. Ihre Panik entdeckt zu werden, war viel zu gewaltig, als dass sie es wagen würde, sich den Monarchen zu nähern und ihr Geheimnis – ihre wahre Identität – preiszugeben. Das Risiko war viel zu groß von der königlichen Familie für das, was und vor allem für das, wer sie war, öffentlich hingerichtet zu werden. Diese Gefahr war ihr zu hoch, weswegen sie normalerweise alles unternahm um der herrschenden Familie und deren Soldaten aus dem Weg zu gehen.

    Ich habe hier mal in zwei unterschiedlichen Farben herumgekritzelt. Dass Kisara eine Identität hat, von der niemand erfahren soll, hebst Du an dieser Stelle explizit hervor (blau markiert). Damit war für mich die Katze aus dem Sack.

    Davon abgesehen kreist der Rest des Markierten um Kisaras Vorsicht in Bezug auf die Königsfamilie – Stichwort: Wiederholungen. Da ließen sich einige Sätze ohne Verlust herausstreichen.

    Doch gerade diese Präsenz der militärischen Macht machte Kisara nervös. Sie war noch nie hier gewesen, hatte sich immer davor gefürchtete so nah an die königliche Familie heranzutreten, oder auch nur in die Nähe des Schlosses zu gelangen.

    Diese Information wurde bereits vermittelt, wird hier jedoch wieder erwähnt, ja, dem Leser fast schon unter die Nase gerieben. Es muss also von äußerster Wichtigkeit sein, was erneut den Rückschluss auf die Kisara-Mellarah-Verbindung zulässt.

    Was sie, angesichts der Magie, die Kisara wirken und gut verborgen hielt, noch einmal überdenken sollten.

    Wem bis jetzt noch kein Licht aufgegangen ist, der sollte spätestens hier ins Grübeln kommen.

    Denn niemanden innerhalb dieses Königreiches fürchtete sie mehr als diesen Mann. Schließlich hielt alleine er ihr Schicksal und auch ihr Leben in den Händen. Es bedurfte nur eines falschen Wortes und sie könnte ohne viel Federlesens öffentlich hingerichtet werden und niemand würde ihren Tod bedauern, oder auch nur Beachtung schenken, wenn sie erst einmal hinter ihre wahre Identität gekommen waren. Dann würden sich alle, die sie momentan noch mit Freude empfingen, von ihr abwenden und sie mehr als nur verachten und hassen.
    Sie hoffte inständig, dass niemand in diesem Raum jemals hinter ihr Geheimnis kommen würde, welches sie nunmehr schon seit so vielen Jahren wie einen wertvollen Schatz hütete.

    Und noch einmal der Holzhammer.

    „Ich auch nicht“, stimmte Caan ihr mit knappen Worten zu und schaute sie dann mit einem durchdringenden Blick an. „Ich schlage Euch vor, dass Ihr Euch lieber weiterhin von der königlichen Familie fernhaltet, Mellarah.

    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich an dieser Stelle ein wenig frustriert war – ich sehe eine richtig tolle Chance, das als Enthüllung aufzuziehen, die der Leser eben nicht mit Leichtigkeit kommen sieht. So, wie es nun ist, hat die Stelle bei mir nur ein gedankliches "Hm. Ja, hab ich mir gedacht." ausgelöst und kein "Was?! Oh! Deswegen reagiert Kisara an Stelle so-und-so auf diese und jene Weise!" :( Hier könnte noch viel mehr Spannung und Wumms herausgeholt werden.

    Das Handeln von Caan und dem König überzeugt mich nicht ganz – Kyelia hat das sehr schön ausgeführt, weswegen ich jetzt nicht weiter darauf herumreiten möchte.

    Bitte nicht demotivieren lassen! Ich gebe gerne zu, dass ich eine sehr pingelige Leserin bin.

    Beste Grüße und ein schönes Wochenende!

    In der letzten Zeit ist mir aufgefallen, dass mit dem Wörtchen »auktorial« recht verschwenderisch umgegangen wird, obwohl oft etwas anderes gemeint ist, wenn man den Kontext berücksichtigt – nämlich narrative Distanz. Da das ein kleines Lieblings-Ärgernis für mich ist, habe ich mich dazu entschlossen, einen (hoffentlich?) informativen Beitrag rund um Erzählperspektiven zu verfassen. Vielleicht gelingt es mir sogar, das ein oder andere Missverständnis zu beseitigen. Ganz ohne theoretische Ausführungen geht das nicht, weswegen ich im Folgenden Franz K. Stanzels Ansatz zu Erzählperspektiven umreißen möchte.


    Typologisches Modell der Erzählsituationen nach Franz K. Stanzel

    Franz K. Stanzels typologisches Modell der Erzählsituationen hat seit den 1950er Jahren weite Verbreitung in der Literaturwissenschaft gefunden und ist eines der gebräuchlichsten Modelle zur Unterscheidung von Erzählperspektiven. (Anmerkung: Freilich gibt es Kritikpunkte, die man gegen Stanzels Ansatz vorbringen könnte und die für die Verwendung eines anderen Modells sprächen. Das würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Bei Interesse an einer näheren Auseinandersetzung mit dem Thema würde ich für den Einstieg einen Blick auf die Erzähltheorie nach Gérard Genette empfehlen – sein Modell findet in der Literaturwissenschaft ebenfalls häufig Anwendung.)

    Bei Stanzel ist der Begriff der »Mittelbarkeit« zentral. Gemeint ist damit, dass die Welt in einer Geschichte nicht unmittelbar, sondern eben mittelbar dargestellt wird – Trägermedium ist dabei die Sprache (oder: der Text).* Die Erzählsituation wird durch die Triade von Modus, Person und Perspektive konstituiert. Für diese drei Konstituenten lassen sich wiederum binäre Oppositionen formulieren.

    *Was den Begriff der »Mittelbarkeit« angeht, möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich eine Definition von Gérard Genette einbringen, mit der wir den Aspekt der narrativen Distanz genauer fassen können.


    Konstituens: Modus

    Binäre Opposition: Erzähler/Nicht-Erzähler

    Bedeutung: Reflektor

    Der Erzähler kann verschiedene Haltungen einnehmen, aus denen heraus berichtet wird. Ich finde es hilfreich, mir dabei verschiedene Kameraeinstellungen vorzustellen. Diese Analogie geht nicht zu 100% auf und ich bin nicht sonderlich versiert, was das Medium »Film« anbelangt, dessen bin ich mir bewusst. Es ist nichts weiter als eine persönliche Eselsbrücke – also bitte mit Vorsicht genießen.

    Schwebt die Kamera weit über dem gesamten (!) Geschehen, kann sich aber zu jeder Zeit auf einen Aspekt fokussieren? Auktorialer Erzähler.
    Beispiel: Wir schauen von oben auf Bob, Bobo und Bobette herab, die eine gemeinsame Wanderung unternehmen. Die Kamera kann an jede der drei Figuren heranzoomen oder auch zu Bobline schwenken, die mit einer Erkältung im Bett liegt und bedauert, dass sie ihre drei Freunde nicht begleiten konnte.

    Ist die Kamera hinter einem der Charaktere zentriert? Personaler Erzähler.
    Beispiel: Die Kamera ist hinter Bobo zentriert. Wie weit entfernt sie hinter ihm zentriert ist, wird im Abschnitt »Narrative Distanz« eine Rolle spielen. In jedem Fall sehen wir nur das, was Bobo sehen kann.

    Wird die Kamera von einem der Charaktere geführt (Typus found footage)? Ich-Erzähler.
    Beispiel: Bob hält die Kamera. Auch hier sehen wir nur das, was Bob sehen kann. Er nimmt im Gegensatz zu Bobo aber eine doppelte Funktion ein: Er ist Akteur und Kameramann (oder: Erzähler) zugleich.

    Im Grunde gibt es entweder eine Erzählerinstanz/-figur, die dem Leser die Handlung vermittelt (auktorialer Erzähler oder Ich-Erzähler) oder aber eine Reflektorfigur, die vom Erzähler getrennt ist (personaler Erzähler).

    Ein auktorialer Erzähler ist allwissend – er weiß also alles über die handelnden Figuren, die Orte und die zeitlichen Zusammenhänge in einer Geschichte. Das heißt aber nicht, dass seine Draufsicht auf das Geschehen neutral sein müsste. Ganz im Gegenteil kann der auktoriale Erzähler Werturteile über die Figuren vornehmen und den Verlauf der Handlung kommentieren (manchmal auch mit einer direkten Ansprache des Lesers).

    Ein personaler Erzähler weiß dagegen nicht alles, sondern beschreibt die Geschehnisse aus der Sicht einzelner oder mehrerer Figuren. Diese Point-of-View-Charaktere werden nach Stanzel als »Reflektorfiguren« bezeichnet. Folgerichtig kann der personale Erzähler nur das wissen, was auch die Reflektorfigur weiß (Erzählerwissen = Figurenwissen). Kommentare und Interpretationen hinsichtlich der Handlung können vorkommen, sind aber ebenfalls auf die Perspektive der Reflektorfigur beschränkt.

    Der Ich-Erzähler gibt das Geschehen in der Ich-Form weiter. Diese Erzählhaltung kann wiederum Merkmale der anderen Perspektiven aufweisen (dazu später mehr).


    Konstituens: Person

    Binäre Opposition: Identität/Nicht-Identität

    Bedeutung: Seinsbereiche des Erzählers und der Figuren

    Die Seinsbereiche (oder: Erlebniswelten) von Erzähler und Figuren können miteinander identisch (Ich-Erzähler) oder voneinander getrennt sein (personaler Erzähler oder auktorialer Erzähler). Man könnte auch fragen: Ist der Erzähler zugleich eine der handelnden Figuren? Oder ist er eine separate Instanz, die von dem Geschehenen berichtet, aber nicht aktiv beteiligt ist?


    Konstituens: Perspektive

    Binäre Opposition: Innenperspektive/Außenperspektive

    Bedeutung: Perspektivismus/Aperspektivismus

    Bei einem Bericht aus der Außenperspektive liegt ein auktorialer Erzähler vor, bei einem aus der Innenperspektive ein Ich-Erzähler und bei einer Mischform ein personaler Erzähler.

    Achtung: Diese Einteilung ist nicht normativ zu verstehen! Das Modell ist dazu gedacht, als Werkzeug zur Textanalyse verwendet zu werden. Es geht also darum, die Erzählperspektive zu beschreiben, nicht darum, irgendein Ideal zu postulieren, nach dem sich ein jeder Autor nun richten müsse. Infolgedessen ist es nicht überraschend, dass wir in individuellen Texten Abwandlungen und Mischformen beobachten können.


    Der auktoriale Erzähler

    Ein auktorialer Erzähler ist nicht selbst an der Geschichte beteiligt, die er erzählt – vielmehr ist er ein Urheber und Vermittler, der von außen auf die dargestellte Welt schaut. Dabei ist er allwissend: Er kann zeitübergreifende Zusammenhänge herstellen – etwa mit zukünftigen oder vergangenen Ereignissen –, Kommentare und Bewertungen des Geschehens vornehmen, die zeitgleich erfolgenden Handlungen unterschiedlicher Charaktere an verschiedenen Orten schildern, etc. In der Konsequenz weiß der auktoriale Erzähler mehr als die Charaktere in der Geschichte, denn er kennt die Gedanken und Gefühle aller Figuren (Erzählerwissen > Figurenwissen).

    Tritt der auktoriale Erzähler in seiner reinsten Form auf, ist es für den Leser offensichtlich, dass er Rezipient einer Geschichte ist, die ihm von ebendieser Erzählinstanz geschildert wird. Das ergibt sich daraus, dass auktoriale Erzähler den Leser direkt ansprechen, die Geschichte auf einer Meta-Ebene kommentieren oder auch deutliche Wertungen mit einer starken eigenen Stimme vornehmen können.

    Beispiel: Bob, Bobo und Bobette hatten geglaubt, sie seien auf alles vorbereitet, was die Natur ihnen bei dieser Wanderung entgegenwerfen würde. Wie naiv! Was die drei nämlich nicht ahnten, war, dass nicht die Natur ihnen an diesem Tag zum Verhängnis werden würde, sondern der Mensch. Während sie also selig in ihrem Unwissen durch den Wald staksten, entging ihnen völlig, dass sie beobachtet wurden.

    Nicht jeder auktoriale Erzähler ist allerdings so offensichtlich auktorial. Es gibt knifflige Grenzfälle, bei denen der auktoriale Erzähler nahezu unsichtbar ist und die Stimmen der Charaktere so deutlich durchkommen lässt, dass es den Anschein macht, man habe es mit einem personalen Erzähler zu tun. Wird das auf die Spitze getrieben und nimmt der Leser zu Beginn des Buches fälschlicherweise an, er schaue gerade durch die Augen einer Reflektorfigur, können plötzliche Sprünge in die Köpfe anderer Figuren wie ein Bruch in der Erzählperspektive wirken und die Gabe von Informationen, zu der der (vermeintliche) PoV-Charakter keinen Zugang hat, wie Infodumps daherkommen. Gleichwohl ist es möglich, dass personale Erzähler, die aus einer großen narrativen Distanz heraus berichten, mit auktorialen Erzählern verwechselt werden.


    Der Ich-Erzähler

    Bei einem Ich-Erzähler liegt eine Übereinstimmung von Erzähler und Figur in der Erzählung vor – der Ich-Erzähler ist einer der handelnden Charaktere. Wie sehr dieser Charakter allerdings im Rampenlicht steht, kann variieren. Nicht immer ist der Ich-Erzähler auch der Held der Geschichte – tatsächlich gibt es Fälle (die ich persönlich nicht ganz intuitiv finde, aber hey), in denen der Ich-Erzähler bloß eine Art Beobachter oder Nebenfigur ist.

    Verkompliziert wird diese Konstellation durch die Unterscheidung zwischen dem erzählenden Ich, dem erlebenden Ich oder dem erzählten Ich. Das erzählende Ich ist der Erzähler/die Figur so, wie sie gegenwärtig ist – oft eine erfahrenere und reifere Person, gewachsen an den Geschehnissen in der Geschichte, die geschildert wird. Das erlebende oder erzählte Ich sind die früheren »Versionen« des Ichs bzw. der Entwicklungszustand, in dem es sich zum Zeitpunkt der Geschichte befand. Insofern kann das erzählende Ich retrospektive Urteile und Kommentare vornehmen – ähnlich einem auktorialen Erzähler.

    Das muss aber nicht so sein: Das erzählende Ich kann auch mit dem erzählten Ich übereinstimmen – das ist der Fall, wenn das Geschehen, über das berichtet wird, noch nicht passiert ist, sondern das Ich »mittendrin« steckt. Dann hat das erzählende Ich natürlich weder einen Wissensvorsprung noch eine kritische/nachträgliche Reflexion über das Geschehen.

    Es versteht sich von selbst, dass diese Erzählperspektive eine besondere Nähe zwischen Leser und Erzähler herstellt: Der Leser erlangt das Gefühl, selbst zu erleben, was dem Erzähler/der Figur widerfahren ist.


    Der personale Erzähler

    Der personale Erzähler berichtet in der 3. Person, allerdings aus der subjektiven Sicht der Reflektorfigur(en) heraus. Stanzel zufolge seien die Seinsbereiche von Erzähler und PoV-Charakter(en) dabei jedoch nicht identisch: Der Erzähler sei nicht mit der Reflektorfigur gleichzusetzen. Ich setze hier bewusst den Konjunktiv, weil ich meine, dass der Sachverhalt schon nicht mehr ganz so einfach ist, sobald man den Faktor der narrativen Distanz einkalkuliert (dazu später mehr).

    Ein personaler Erzähler schildert die Geschichte vorwiegend aus der Innenperspektive heraus. Daraus folgt, dass sich das Wissen des personalen Erzählers mit dem der Reflektorfigur deckt. Im Gegensatz zum auktorialen Erzähler ist dem personalen Erzähler also nicht zweifelsfrei bekannt, was zur gleichen Zeit an anderen Orten geschieht oder in anderen Figuren vor sich geht. Wohl aber kann er die diesbezüglichen Vermutungen der Reflektorfigur vermitteln.

    Dies zieht eine spannende Implikation nach sich: Personale Erzähler sind zugleich unzuverlässige Erzähler. Da der Leser nur einen eingeschränkten Einblick erhält – nämlich in die Gefühls- und Gedankenwelt eines jeweiligen PoV-Charakters (oder mehrerer) – sind subjektive Werturteile, bedingt durch die Erfahrungen und die Weltanschauung des Charakters, zu erwarten. Sie durchlaufen keinen Filter, sondern der Leser ist gezwungen, die Position des Erzählers zu hinterfragen und sich selbst ein Urteil zu bilden.


    Narrative Distanz

    Mittelbarkeit spielt in Gérard Genettes Erzähltheorie eine wichtige Rolle – ganz wie bei Stanzel. Gemeint ist bei Genette aber etwas anderes: Genette definiert »Mittelbarkeit« als den Grad der Distanz, den der Erzähler gegenüber dem Erzählten einnimmt. Ist der Erzähler in einer Geschichte präsent bzw. für den Leser wahrnehmbar, liegt nach Genette ein »narrativer Modus« vor. Tritt der Erzähler aber hinter der Figurenrede zurück, so handelt es sich um einen »dramatischen Modus«. Der narrative Modus geht mit mehr telling einher, der dramatische mit mehr showing.

    Weiter oben schrieb ich zu personalen Erzählern, dass man sich narrative Distanz als die Entfernung zwischen dem Charakter und der hinter ihm zentrierten Kamera vorstellen kann. Je weiter die Kamera entfernt ist, desto größer die narrative Distanz. Je näher sie ist, desto geringer die narrative Distanz.

    Das lässt sich auf die Spitze treiben: Es ist möglich, so zu schreiben, dass man als Leser im Kopf des PoV-Charakters ist – ohne dass ein Ich-Erzähler vorliegt. Das ist der Grund, weshalb ich ein gewisses Problem mit Stanzels Postulat habe, die Seinsbereiche von Erzähler und Figur seien bei der personalen Erzählperspektive nicht miteinander identisch. Ich finde, darüber könnte man durchaus diskutieren.

    Wie aber erzeugt man größere oder geringere narrative Distanz?

    Strebt man eine größere narrative Distanz an, kann man:

    • das Handeln von Charakteren so beschreiben, als schaute man von außen zu,
    • Gedanken mit einer entsprechenden Kennzeichnung versehen (Verdammt, dachte er.),
    • Filterwörter verwenden (sehen, hören, riechen, fühlen, wissen),
    • dieselbe narrative Stimme (eher formal) über den gesamten Roman hinweg verwenden – unabhängig vom PoV-Charakter,
    • mehr Fakten als charakterspezifische Vermutungen anbringen, da ein entfernter Erzähler ggf. mehr über das Geschehen weiß.

    (Anmerkung: Nur, weil die narrative Distanz bei einem personalen Erzähler ggf. groß ist, heißt das nicht, dass es sich um einen auktorialen Erzähler handelt. Dazu müssten zusätzliche Charakteristika gegeben sein, die mit der Allwissenheit der auktorialen Erzählhaltung einhergehen.)

    Strebt man eine geringere narrative Distanz an, kann man:

    • das Handeln und die Erfahrungen von Charakteren in ihrer eigenen Stimme und mit ihren eigenen Meinungen sowie Werturteilen beschreiben,
    • Filterwörter streichen,
    • eine informelle narrative Stimme verwenden – etwa mithilfe von Ellipsen, die näher an organischen Gedankenfetzen dran sind als ausformulierte Sätze,
    • mehr Urteile, Annahmen und Vermutungen des PoV-Charakters einbringen.

    Beispiel (personaler Erzähler mit hoher narrativer Distanz):
    Bob öffnete seinen Rucksack, um nach dem Verbandszeug zu wühlen. Er hörte, wie Bobette hinter ihm vor Schmerzen wimmerte. So eine verdammte Scheiße, dachte er.

    Beispiel (personaler Erzähler mit geringer narrativer Distanz):
    Bob riss den Rucksack auf. Das Verbandszeug, schnell! Wo hatte er es hingepackt? In die Seitentasche? Hinter ihm wimmerte Bobette. So eine verdammte Scheiße!

    Müsste ich einen Favoriten auswählen, spräche ich mich ganz klar für den personalen Erzähler mit geringer narrativer Distanz aus. Ich finde diese Erzählperspektive nicht ganz so »vereinnahmend« wie einen Ich-Erzähler, obwohl ich im Kopf des PoV-Charakters sitze und alles aus seiner Sicht mitbekomme. Das ist aber ein sehr subjektives Empfinden und Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.

    Huhu Thorsten,

    danke Dir vielmals für Deinen Beitrag! Was Du da schreibst, ist eigentlich ganz genau das, auf was ich bei der Szene mit Bella hinauswill: Ihre Gedanken bzw. ihr innerer Monolog wirken für mich nicht natürlich, sondern – ich leihe mal bei Dir – druckreif. Auch nicht allein in der Beispielszene, sondern in der ganzen Reihe.

    Diese Indexnatur der Erinnerungen verschweigen wir allerdings wenn wir Texte schreiben - dann tun wir so als waere denken und erinnern primaer ein in Worte fassen von dem was einem durch den Kopf geht - was irgendwie geschummelt ist, aber im Text geht's halt nicht anders.

    Genau. Wir müssen uns zwangsläufig irgendwie behelfen, weil wir auf der schriftlichen/textbasierten Ebene ja eben nur Wörter zur Verfügung haben, mit denen wir den Lesern die Gedanken und Erinnerungen der Charaktere vermitteln können.

    Mein Vater ist ein notorischer Lügner, der die wildesten Geschichten erfindet, um Drama und emotionale Resonanz zu erzeugen. kommt mir primaer deshalb falsch vor, weil das eben zu verbalisiert fuer eine spontane Erinnerung wirkt - hier ist das Schummeln uebertrieben, niemand spricht in druckreifen Saetzen, und schon gar niemand denkt so (man kann mal beobachten wie Leute reden wenn sie ganz entspannt sind - gerne auch etwas enthemmt - und einfach so Sachen von sich geben die ihnen durch den Kopf gehen - Denken ist mit einiger Sicherheit nicht verbal aufformulierter als das).

    Und genau so wie dieser Beispielsatz wirken Bellas innere Monologe auf mich, weswegen ich mich mit denen einfach nicht anfreunden kann.

    Ich habe jetzt mal wirklich intensiv darauf geachtet, wie ich nach Gesprächen mit meinem Vater reflektiere, wenn ich Ruhe und Zeit habe. Das läuft dann ungefähr so:

    Lüge so-und-so. Wie damals. Darauf folgen Bilder und Erinnerungen an Emotionen von besagtem Zeitpunkt damals, als mein Vater dieselbe Lüge schon einmal erzählt hat. Solche Bilder müsste ich in einem Text dann natürlich als gedachte Worte "präsentieren", obwohl sie in meinem Kopf keine verbale Komponente haben.

    Oder ich visualisiere Widersprüche, in die sich mein Vater beim Lügen verstrickt hat. Die haben auch kaum eine verbale Komponente. Viel eher stelle ich mir das, was er angeblich tut oder getan hat, in Bildern vor und gleiche sie mit konzeptuell gedachten Fakten ab, die eben nicht zu dem passen, was mein Vater im Gespräch gesagt hat.

    Insofern sind meine Reflexionen nach den Telefonaten schon irgendwie komplexer als die eher verbalen Gedankenfetzen, die mir während des Telefonierens durch den Kopf gehen, aber eben auch nicht ausformuliert :hmm: Die nicht-verbalen Komponenten bei den Reflexionen würde ich dann aber im Text selbst auch ein bisschen "zurechtstutzen", damit der Leser zwar schon versteht, um was es da eigentlich geht, aber es sich dennoch nicht wie eine Außenperspektive liest, sofern ich einen personalen Erzähler mit möglichst geringer narrativer Distanz zum PoV-Charakter einsetzen möchte.

    Ich bleibe mal kurz bei der Reflexion über Widersprüche, in die sich mein Vater im Telefonat ggf. verstrickt hat. Nehmen wir für einen Moment an, ich wollte so ein Gespräch mit ihm als Geschichte verschriftlichen. Der Leser hat das Gespräch am Telefon per Dialog zwischen mir als Ich-Erzählerin und meinem Vater mitverfolgen können. In diesem Gespräch hat mein Vater zum Beispiel eine Lüge über seine neue Anstellung gezimmert. Edit: Während des Gesprächs fallen dann Gedankenfetzen wie etwa Derselbe Mist wie immer. Nehmen wir weiterhin an, das Telefonat wäre nun beendet und ich würde mit dem (ausführlicheren) Reflektieren beginnen. In einem Text würde ich dann vielleicht so etwas schreiben:

    Ich legte auf. Sein neuer Job in Firma XY gefiel ihm also. Und natürlich hatte er bereits alle Kollegen mit seinem unermesslichen know-how beeindruckt. Soso. Hatte er nicht letzte Woche noch gesagt, er wäre bei Firma AB angestellt? Mein Blick fiel auf den Kalender. Vielleicht sollte ich anfangen, die Tage, an denen er mir mal keine neue Lüge auftischte, rot anzukreuzen.

    Ich glaube, dieses Vorgehen deckt sich mit dem, was Du vorschlägst:

    Mir scheint es wirklich die sinnvollste Loesung dieser Uebersetzung von der Index-Natur der Erinnerung zu Text dass man dem Leser irgendwie elegant das Wissen gibt um zumindest die wichtigsten Referenzen der ausgeschriebenen Gedankenfetzen zu geben - also eher Derselbe Mist wie immer wo der Leser aber vorher eine Ahnung bekommt was genau dieser Mist ist als ein druckreifer Gedanke.

    Huhu LittleOwlbear,

    Ich wollte mich auch mehr auf die Hauptthematik beziehen, vieles andere kann man für sich interpretieren, was man als Zuschauer ohnehin tut. Bin mir in der Hinsicht nicht sicher, ob Interpretationsspielraum dasselbe wie Subtext ist.

    Wenn ich die Definition aus meinen Linguistikseminaren heranziehe: Ja, da wäre Interpretationsspielraum tatsächlich dasselbe :) In der Linguistik meinen wir mit Subtext all das, was über die explizite Bedeutungsebene (also die Aussage) hinausgeht. Alles, was nicht direkt von einem Charakter oder dem Autor ausgesprochen/ausgeschrieben wird, wäre demnach Subtext. Und dieser kann natürlich unterschiedlich ausgelegt werden.

    Ansonsten denke ich nicht, dass in modernen Filmen plötzlich Subtext verloren geht, der früher angeblich vorhanden war.

    Ich glaube, in diesem Punkt kommen wir nicht zusammen – und das ist vollkommen okay!

    Ich möchte auch nicht allen modernen Filmen einen Anspruch absprechen. Aber ich tue mich einfach sehr schwer (wenn ich nun bei modernen Produktionen bleibe), den Marvel-Filmen (an alle Fans: sorry!) oder der Fast & Furious Reihe (an alle Fans: nochmals sorry!) denselben Stellenwert einzuräumen wie zum Beispiel The Revenant oder Requiem for a Dream, was den Faktor anbelangt, wie lange ich nach dem Ansehen noch über die Filme nachdenke.

    Erst dann? Ich finde das in der Szene, in der es beschrieben wird, eigentlich sehr nachvollziehbar, nicht erst zu dem Zeitpunkt, wenn jemand von außen den Charakter auf diese Beziehung anspricht.

    Ich glaube, Chaos Rising hat das hypothetische Telefonat nur als Beispiel gemeint und nicht, dass generell erst jemand von außen Bella dazu animieren muss, über die Beziehung zu ihrem Vater nachzudenken.

    Sollte die natürlichste Art etwas zu beschreiben nicht auch die Interessanteste sein? Hier verstehe ich ehrlich nicht, was daran nicht interessant ist, wenn sich ein Charakter direkt seine eigenen Gefühle, Gedanken und Beziehungen analysiert. Freue mich eigentlich immer über solche Passagen.

    Ich glaube, auch hier kommen wir nicht überein :hmm:

    Bella befindet sich in der Szene in einem Gespräch mit ihrem Vater. Da sind von ihr Antworten gefragt. Es würde von dieser Warte aus für mich Sinn machen, wenn Bella in einem ruhigen Moment über ihre familiäre Situation reflektiert – gerne auch alleine, im Rahmen eines inneren Monologs, der sich weniger "platt" liest :pardon:

    Womöglich ist meine Art zu denken und zu reflektieren auch einfach grundlegend anders. Meine Beziehung zu meinem Vater ist nicht sonderlich gut, weswegen das als Parallele zur Bella-Szene vielleicht "passt". Wenn ich mit ihm telefoniere und er sich so verhält, wie er sich nun einmal verhält, dann schießt mir zwischendrin mal sowas durch den Kopf: Derselbe Mist wie immer. Kurze Gedankenfetzen halt. Aber ich neige nicht dazu, während des Gesprächs zu denken: Mein Vater ist ein notorischer Lügner, der die wildesten Geschichten erfindet, um Drama und emotionale Resonanz zu erzeugen. Solche längeren Überlegungen stelle ich später an, wenn ich Ruhe und Zeit habe, meine Gedanken zu sortieren :hmm:

    Ich hab auch niemanden persönlich ansprechen wollen, aber der Grund weshalb bestimmte Thematiken in damaligen Filmen so bedeckt gehalten worden waren, war eben der Hays Code (und wahrscheinlich, weil man den allgemeinen Zorn vieler Zuschauer auf sich gezogen hätte), dadurch ist es erst entstanden, dass einiges in Symbolik und Coding von Dingen versteckt wurde, anstatt es einfach offen anzusprechen.

    Da hätte ich eine Frage an Dich: Wie würdest Du die sexuelle Orientierung von Charakteren in Geschichten darstellen? Ich habe die
    Vermutung, dass wir hier dasselbe wollen, aber irgendwie aneinander vorbeireden :sack:

    Blödes Beispiel:
    Nehmen wir an, Bobette ist auf einer Hausparty und nimmt die Treppe nach oben, um aufs Klo zu gehen und dort zu weinen, weil sie von ihrem Schwarm abserviert wurde. Dabei sieht sie, wie Bob und Bobo miteinander aufs Zimmer gehen.

    Das ist für mich vollkommen okay. Was ich nicht mag, ist, wenn dann wieder ein in meinen Augen überflüssiger Erklärabschnitt kommt wie:

    Zitat

    Bob und Bobo waren schwul. Bobs coming out war vor 3 Jahren. Mit Bobo ist er nun seit 1,5 Jahren zusammen.

    Dass zwischen den beiden was läuft, hätte ich schon dadurch begriffen, dass sie miteinander aufs Zimmer gehen. Wann das coming out war und wie lange die beiden nun schon zusammen sind, ist für diese Beispielszene meines Erachtens nicht so wichtig, weil es ja im Kern darum geht, dass es Bobette gerade emotional ziemlich mies geht.

    Hey Etiam,

    ich gehe gleich mal auf ein paar Deiner Fragen ein. Vorwarnung: Das wird ein bisschen technisch und eventuell kompliziert, aber ich versuche es herunterzustutzen, so gut es geht :)

    Spoiler anzeigen

    Er schimpft mit den Göttern, die er gerade über diesen Vogel anspricht. Und die neigen trotz seines Wutes nur den Kopf und schauen ihn komisch an.

    Ah, verstehe! Ein "und" würde in diesem Fall die Abfolge der Handlung in den Vordergrund stellen (Verstummen -> Neigen des Kopfes), wohingegen der Kern eigentlich ist, dass der Vogel gerade nichts Herausragendes tut. Das hat ohne "und" in meinen Augen schon deutlich mehr Dramatik.

    Aber Titel wie "Die Vykr-Saga" oder "Die Draugar-Saga" müsste ich vielleicht nochmal überdenken, weil sie keine Person als Gegenstand haben. Ist das so richtig oder missverstehe ich hier gerade etwas?

    Weil bisher sind das bös gesagt "Dahingeklatschte" Minigeschichten, um meine große Geschichte zu stützen bzw das Background zu geben und auf einfachem Wege das Worldbuilding, sowie die Worldhistory zu erklären.

    Das Wichtigste zuerst: Ich glaube, was hier vor allem differenziert werden sollte, ist, ob Du den Saga-Begriff literarisch (als Gattung) oder einfach nur alltagssprachlich verwenden möchtest – letzteres bietet freilich sehr viel mehr Spielraum :D Der Terminus "Saga" kommt ja vom isländischen Verb segja, 'sagen, erzählen' und meint damit erst einmal so viel wie eine Aussage, eine Mitteilung, ein Ereignis, über das berichtet wird – kurz: eine Geschichte/Erzählung im weitesten Sinne des Wortes.

    Ein blödes Beispiel:
    Nehmen wir an, ich lese eine Geschichte, in der ein Charakter ein Gedicht vorträgt und einleitend verkündet: "Dies ist ein Gedicht über Thema xy!" Sollte sich dieses Gedicht dann als Sonett herausstellen – kein Problem, ist ja immer noch ein Gedicht!

    Verkündet der Charakter aber "Dies ist ein Sonett über Thema xy!" und erfüllt das Ding dann nicht die durchaus strengen formalen Anforderungen, die ein Sonett als spezifische Gedichtsform eben mit sich bringt, dann würde ich mich fragen, warum zum Henker der Begriff überhaupt erst ins Spiel gebracht wurde.

    Es ist bei mittelalterlicher Literatur in der Regel auch nicht so, als würden die ursprünglichen Verfasser den neuzeitlichen Gattungsbegriff für das, was sie da schreiben, verwenden – die Einteilung in literarische Gattungen erfolgt ja nachträglich, durch Literaturwissenschaftler. So lesen wir im Iwein Hartmanns von Aue etwa:

    er was genant Hartman | und was ein Ouwære, | der tihte diz mære (Vers 28–30)

    Er hieß Hartmann | und war einer von den Auen (oder: von Aue). | Der hat diese Geschichte gedichtet.

    Das Wörtchen "mære" wird hier in der mittelhochdeutschen alltagssprachlichen Verwendung genutzt – eben als Geschichte, Erzählung. Nun kennen wir Mediävisten/Mittelalterforscher aber auch daz mære/das Märe (nein, nicht die Märe) als literarische Gattung – die mittelhochdeutsche Versnovelle. Bloß ist der Iwein Hartmanns von Aue keine Versnovelle, sondern ein höfischer Roman. Aber das juckt Hartmann von Aue nicht, weil er lange vor der ganzen Gattungsdebatte gelebt hat und "mære" eben nicht als literarischen Begriff verwendet hat ;)

    Und genau auf diese Weise würde ich es als unbedarfte Leserin auch verstehen, wenn in Deiner Geschichte von Sagas die Rede ist – nicht als Verweis auf die literarische Gattung, sondern einfach als Synonym für "Erzählung". Und da Du offensichtlich ein nordisches Setting anstrebst, passen Sagas (statt Sagen) für mich ganz wunderbar da hinein.

    Das literarische Drumherum habe ich ins Spiel gebracht, um zu zeigen, dass Sagas und Sagen technisch gesehen nicht dasselbe sind und "Sagas" eine zulässige Pluralform ist. Der Vollständigkeit halber bleibe ich im Folgenden noch eine Weile bei der gattungsspezifischen Dimension des Saga-Begriffs.

    Und nun wird's etwas kompliziert :panik: Ich hatte zuvor ja die Termini der Sage und Saga nur grob umrissen. Das reicht für Deine jetzigen Fragen leider nicht mehr aus. Dann wollen wir mal ...

    Eingangs sagte ich: Vornehmlich dreht es sich in den (erzählenden) Sagas um Ahnenforschung und Biographien.

    Wenn Draugr in Deiner Geschichte (die ich noch lesen muss, weil ich nur kurz wegen der sprachlichen Fragen reingeschaut habe) Untote sind, von denen auch im (realen) skandinavischen Volksglauben berichtet wird, würden sie nicht unmittelbar zu diesem Saga-Begriff passen. Aber: Wie so oft, wenn es um literarische Gattungen geht, gibt es auch bei den Sagas Ausnahmen und Sonderformen und Untergattungen und all diese lustigen Erscheinungen, die sich nicht so einfach mit einem strikten Merkmalskatalog beschreiben lassen wollen.

    Das zeigen zum Beispiel die Isländersagas (Íslendinga sögur), die natürlich ebenfalls zur altnordischen Literatur zählen. Und bei denen geht es eben nicht nur um Lebensberichte, sondern auch um Familientraditionen, realhistorische und erfundene Begebenheiten sowie um Themen aus Märchen und Sagen (... ich sagte ja, nun wird's kompliziert X/).

    Auch die Königssagas (konungasögur) berichten nicht streng von realen Königen, sondern von semi-mythischen oder gänzlich mythischen Königen.

    Im 14. bis 15. Jahrhundert bildeten sich unter Einfluss der europäischen Höfe schließlich Spätformen der Sagaliteratur heraus. Dazu zählen etwa die Vorzeitsagas, die mit realhistorischen Begebenheiten nicht mehr viel zu tun haben. Diese Sagas lassen sich in Wikingersagas (diese mit eventuell historischen Komponenten), Abenteuersagas und Heldensagas untergliedern. Die Heldensagas wiederum enthalten Motive, die aus der europäischen Heldenepik bekannt sind (zum Beispiel Siegfried der Drachentöter).

    Selbst wenn Du also den Saga-Begriff literarisch verwenden wollen würdest, meine ich, dass es auch da genügend Freiraum gibt, um Deine angedachten Themen da unterzubringen.

    Hoffe, das hat einigermaßen geholfen :sack:

    Danke Thorsten, Du sprichst mir aus der Seele :)

    Filme wie Prinzessin Mononoke zb. sind sehr deutlich darin, dass Miyazaki, sowie mit vielen seiner Filme, zu den Environmentalist Movies gehören, weil ihm das Thema persönlich viel zu wichtig ist, um es hinter Subtext zu verstecken.

    Ich mag die Filme von Hayao Miyazaki ebenfalls sehr und wäre nie auf die Idee gekommen, sie unter "Berieselung" abzuhaken, wie ich es bei so manchem Hollywood-Actionstreifen tun würde. Dazu sind die Themen viel zu komplex. Insofern denke ich auch, dass es zu kurz greifen würde, aus Prinzessin Mononoke etwa nur eine umweltbezogene Botschaft mitzunehmen :hmm:

    Wenn ich mir Herrin Eboshi als Charakter anschaue, wird deutlich, dass da gesellschaftliche Bereiche kommentiert werden, die nicht unmittelbar mit der Frage nach der Harmonie zwischen Mensch und Natur zusammenhängen. Herrin Eboshi kauft Prostituierte aus Bordellen frei und nimmt Leprakranke, die ansonsten von der Gesellschaft verstoßen werden, in die Eisenstadt auf – es erklärt sich denn auch, weshalb sie von den Arbeitern geschätzt und respektiert wird. Mithin würde ich sie als grauen Charakter einstufen und nicht als einfach gestrickten Bösewicht.

    Ihre Kleidung erinnert an die einer Shirabyōshi, sodass man Herrin Eboshis Hintergrund erahnen kann – und da wären wir dann bei Subtext, der vielleicht nicht von jedem aufgegriffen wird; von Zuschauern aus dem Westen wahrscheinlich sehr viel weniger als von Japanern. Auch das hatte Thorsten ja bereits angesprochen.

    Und nun ein Zitat von Hayao Miyazaki selbst, hier zu Chihiros Reise ins Zauberland:

    Zitat von Hayao Miyazaki

    Everybody can make a film with logic. But my way is to not use logic […] At a certain moment in that process, the lid is opened and very different ideas and visions are liberated […] I [should not] handle a scene in a certain way for the sake of the audience. For instance, what for me constitutes the end of the film, is the scene in which Chihiro takes the train all by herself […] I remember the first time I took the train alone and what my feelings were at the time. To bring those feelings across in the scene, it was important to not have a view through the window of the train, like mountains or a forest […] because they are so focused on the ride itself. It's while working on that scene that I realised that I work in a non-conscious way. There are more profound things than simply logic that guide the creation of the story.

    Übersetzung:
    Jeder kann einen Film mit Logik machen. Aber meine Methode ist es, keine Logik zu verwenden [...] In einem bestimmten Moment dieses Prozesses wird der Deckel geöffnet und sehr unterschiedliche Ideen und Visionen werden befreit [...] Ich [sollte] eine Szene nicht auf eine bestimmte Weise für das Publikum inszenieren. Zum Beispiel ist für mich das Ende des Films die Szene, in der Chihiro ganz allein den Zug nimmt [...] Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich allein mit dem Zug gefahren bin, und an meine Gefühle zu der Zeit. Um diese Gefühle in der Szene rüberzubringen, war es wichtig, keinen Blick durch das Fenster des Zugs zu haben, wie auf Berge oder auf einen Wald [...] weil sie so auf die Fahrt selbst konzentriert sind. Während ich an dieser Szene arbeitete, wurde mir klar, dass ich auf eine unbewusste Weise arbeite. Es gibt tiefere Dinge als einfach nur Logik, die die Schaffung der Geschichte leiten.

    Ich glaube, das Zitat spricht für sich selbst :)

    Huhu Kisa,

    Ich habe mal in den Iwein Hartmanns von Aue geschaut – das ist ein mittelhochdeutscher höfischer Roman bzw. Artusroman, der um 1200 verfasst wurde. Protagonist ist der titelgebende Iwein, ein Ritter der Artusrunde.

    In dem Text zeigt sich, was auch meine Vorgänger schon geschrieben haben: Im öffentlichen Setting wird im Allgemeinen geihrzt. Ausnahmen bestehen, wenn der Standesunterschied zwischen den Gesprächsteilnehmern groß ist – dann wird die Person mit dem niedrigeren Stand geduzt. Das gilt etwa, wenn eine Königin mit einem Ritter redet oder eine Burgherrin mit ihrer Zofe. Im privaten Setting kann denn auch zwischen hochrangigen (Edit: standesgleichen) Mitgliedern der Gesellschaft geduzt werden.

    Hier einige Textbelege mit Übersetzung:

    Zitat

    Artusritter Keie zu Artusritter Kalogrenant (öffentliches Setting):

    do erzeicte aber Keiî | sîn alte gewonheit: | im was des mannes êre leit, | und beruoft in drumbe sêre | und sprach im an sîn êre. | Er sprach "her Kâlogrenant, | uns was ouch ê daz wol erkant |daz under uns niemen wære | sô höfsch und als êrbære | als ir wænet daz ir sît. [...]" (Vers 108–117)

    Da zeigte Keie wieder | sein übliches Benehmen: | Ihn ärgerte das Ansehen des Mannes, | darum beschimpfte er ihn heftig | und beleidigte ihn (wörtlich: sein Ansehen/seinen Ruhm). | Er sagte: "Herr Kalogrenant, | wir wussten schon vorher ganz genau, | dass niemand unter uns | so höfisch und edel sei | wie Ihr glaubt, dass Ihr seid."

    Zitat

    Königin Guinevere zu Artusritter Keie (öffentliches Setting):

    Sî sprach: "Keiî, daz ist dîn site, | und entschadest niemen mê dâ mite | danne dû dir selbem tuost, [...]" (Vers 137–139)

    Sie sagte: "Keie, das ist ganz deine Art | – und du schadest niemandem mehr damit | als dir selbst [...]"

    Zitat

    Artusritter Keie zu Königin Guinevere (öffentliches Setting):

    Keiî den zorn niht vertruoc, | er sprach "vrouwe, es ist genuoc. | ir habt mirs joch ze vil gesaget: [...]" (Vers 160f.)

    Keie ließ sich die Rüge nicht gefallen. | Er sagte: "Herrin, es reicht. | Ihr habt mir schon zu viel gesagt, [...]"

    Zitat

    Zofe Lunete zu Artusritter Iwein (privates Setting):

    diu sprach zem êrsten niht mê | wan "ouwê, rîter, ouwê! | daz ir her komen sît, | daz ist iuwer jungestiu zît. | îr habet mînen herrn erslagen. | man mac sô jæmerlîchez clagen | an mîner lieben vrouwen | und an dem gesinde schouwen, | und sô grimmeclîchen zorn, | daz ir den lîp hânt verlorn. [...]" (Vers 1155–1164)

    Zunächst sprach sie nichts weiter als: | "Oh weh, Ritter, oh weh! | Dass Ihr hergekommen seid, | das bedeutet Euer Ende (wörtlich: das ist Euer letztes Stündlein). | Ihr habt meinen Herrn erschlagen. | Man kann solch jammervolles Wehklagen | von meiner lieben Herrin | und dem Gesinde hören | und so grimmige Wut, | dass Ihr Euer Leben lassen müsst. [...]"

    Zitat

    Burgherrin Laudine zum (verstorbenen) Burgherrn und Ritter Askalon (privates Setting):

    sî sprach "geselle, an dir ist tôt | der aller tiureste man, | der rîters namen ie gewan, | von manheit und von milte. |ezn gereit nie mit schilte | dehein rîter alsô volkomen. | ouwê wie bismir benomen? [...]" (Vers 1454–1460)

    Sie sagte: "Liebster, mit dir ist | der edelste Mann| hinsichtlich Tapferkeit und Großmut|gestorben, der je zum Ritterstand gehörte. | Nie ist unterm Schild | je ein Ritter so herrlich einhergeritten. | Oh weh, wie hat man dich mir entrissen? [...]"

    Zitat

    Zofe Lunete zu Burgherrin Laudine (privates Setting):

    zuo ir vrouwen gienc sî sâ: | der was sî heimlîch genuoc, | sô daz sî gar mit ir truoc | swaz sî tougens weste, | ir diu næhest und diu beste. [...] sî sprach "nû sol man schouwen | alrêrst iuwer vrümekeit | dar an daz ir iuwer leit | rehte und redelîchen traget. [...]" (Vers 1788–1799)

    Rasch ging sie zu ihrer Herrin: | Mit der stand sie so vertraulich, | dass sie auch die | heimlichsten Gedanken mit ihr teilte.| Sie war ihre nächste und beste Freundin (wörtlich: sie war ihr die Nächste und Beste). | [...] Sie sagte: "Nun kann man | zunächst Eure Trefflichkeit | daran sehen, dass Ihr Euer Leid | redlich und so, wie es sich gehört, tragt. [...]"

    Zitat

    Burgherrin Laudine zu Zofe Lunete (privates Setting):

    "[...] verliusest mich gar, | ob iemer man gelobest | neben im: wan tobest." (Vers 1816–1818)

    "[...] Du verlierst meine Gunst, | wenn du jemals einen anderen Mann | als ihn preist: Es sei denn, du wärest wahnsinnig."

    Zitat

    Artusritter Iwein zu Burgherrin Laudine (privates Setting):

    er sprach "ichn mac noch enkan | iu gebieten mêre | wandels noch êre, | wan rihtet selbe über mich: | swie ir welt, alsô wil ich." (Vers 2286–2290)

    Er sagte: "Weder vermag noch weiß ich | Euch mehr | Ersatz oder Anerkennung zu bieten, | als dass Ihr selbst über mich richten sollt: | Was Ihr wollt, das will auch ich."

    Zitat

    Burgherrin Laudine zu Artusritter Iwein (privates Setting):

    "sô nim ich iu lîhte den lîp." (Vers 2293)

    "So könnte ich Euch vielleicht das Leben nehmen."

    Zitat

    Burgherrin Laudine zu Artusritter Iwein (privates Setting nach Eheschließung):

    "geselle unde herre, | ich gnâde dir vil verre | unsers werden gastes. [...]" (Vers 2665–2667)

    "Geliebter und Herr, | ich sage dir großen Dank | für unseren angesehenen Gast. [...]"

    Huhu,

    zunächst einmal: Dankeschön für die tollen Kommentare und Einblicke! :hail:

    Im Flim haengt ja kein Erzaehler rum der uns zusammenfasst wer was fuer ein Typ ist, sondern das muessen die Dialoge und das Spiel der Schauspieler tragen.

    Das ist ein sehr spannender und interessanter Punkt – danke dafür! Zwischen dem Film als visuellem Medium und dem Subtext gibt es insofern eine inhärente Beziehung.

    Interessanterweise wird das Thema "Subtext" oder "Show dont Tell" grade wieder bei Filmen kontrovers diskutiert. Grade bei US-Blockbustern wurde der Subtext zu Gunsten von genauen Erklärungen sublimiert. Weil das Publikum für zu doof erklärt wird die Message zu erkennen, erklärt man alles mit dem Holzhammer.

    Ja, das ist mir bei aktuellen Produktionen leider auch schon negativ aufgefallen :( Das ist auch einer der Gründe, warum ich in den letzten Jahren gar nicht mehr ins Kino gegangen bin. Sicherlich (und dankenswerterweise) sind hin und wieder mal anspruchsvollere Filme dabei, aber im Großen und Ganzen scheint mir momentan eher Berieselung angesagt zu sein.

    Meiner Erfahrung nach wollen viele Leser die Gedanken einer Figur direkt vermittelt bekommen, um ihre Motivation verstehen zu können. Das ist beispielsweise ein Feld, wo ich allzu viel Subtext eher vermeide, denn was eine Figur denkt, ist ja ziemlich direkt, warum also viel um den heißen Brei herum reden? Ob die Schlüsse, die eine Figur zieht, jetzt der Wahrheit entsprechen oder eher nicht, ist dann wieder eine andere Frage. :D

    Da stimme ich voll und ganz zu – mit dem inneren Monolog hat man ja auch ein ganz wunderbares Mittel, diese Gedanken an den Leser zu bringen. Gerade bei einer sehr eng an den Charakter gekoppelten Erzählperspektive wäre es meines Erachtens auch merkwürdig, diesen Einblick auszusparen.

    (Falls es im Eingangspost so klang, als würde ich andeuten, man solle innere Monologe zugunsten von Subtext streichen: Nein, das war nicht meine Absicht :sack: Bloß stört mich bei Bella, dass der innere Monolog dafür, dass wir es mit einer Ich-Erzählerin zu tun haben, sehr distanziert und somit faktisch-neutral/erklärend klingt. Das zieht sich meiner Ansicht nach durch die gesamte Reihe, sodass Bella irgendwie wirkt, als hätte sie keinerlei Persönlichkeit, als wäre da rein gar nichts von subjektiven Empfindungen eingefärbt.)

    Das Beispiel mit Bellas Vater Charlie finde ich da auch sehr nett. Bella sagt es uns direkt - okay, kann sie machen. Ihr Vater ist aber auch eine wichtige Figur (nehme ich an?), bei ihm könnte man also eigentlich mehr Mühe in den Subtext investieren, denn er wird ja durchaus mehr Präsenz in der Geschichte haben. Da ist mit der Erklärung eigentlich eine Chance vertan.

    Genau, Charlie hat in den Büchern so einige Auftritte, sodass es (für mich) spannend gewesen wäre, die Dynamik zwischen den beiden ohne die ewigen Erklärungen zu beobachten und meine eigenen Schlüsse zu ziehen.

    Ich hätte nun die Szene, in der sie darüber nachdenkt, weshalb sie ihren Vater nicht ansieht nichtmal als fehlenden Subtext interpretiert, sondern als ihre Gedanken zu dem Geschehen und Selbstreflexion über ihr eigenes Verhalten.

    Interessant! Für meinen Geschmack sind ihre Gedanken als Ich-Erzählerin irgendwie zu trocken formuliert, als dass ich sie nicht als Erklärung für den Leser verstehen würde :hmm:

    Ich schreibe die Stelle mal fix um:

    Zitat

    "Ist schon okay. Ich ... ähm ...", er räusperte sich und schaute auf die Straße, "... will, dass ... dass du hier glücklich bist." Noch immer musterte er den Asphalt. Hier wäre die Schwierigkeit, Gefühle in Worte zu fassen, durch die Sprechpausen angedeutet.
    Gab es Crash-Kurse in Sachen Gefühle kommunizieren? Ihm hätte einer gutgetan. Aber das musste ich gerade sagen. Ich schaute ebenfalls nach vorn, als ich ihm antwortete. Wie der Vater, so die Tochter und all das. Das wäre ein innerer Monolog, der für mich schon sehr viel weniger faktisch-neutral und somit auch weniger erklärend klingt – obschon er dieselben Informationen wie das Original enthält.

    Mir geht's vor allem darum, dass innere Monologe und Gedanken ein bisschen "organisch" rübergebracht werden und "natürlich" wirken sollten.

    Ich glaube ich schreibe viele von solchen "Erklärungssätzen", die einer Emotion, einer Handlung oder einem Dialog folgen, weil ich es für natürlich halte das, was gerade geschehen, gedanklich zu verpflücken, glaube ich. ?(

    Ich glaube, mein Problem mit den Erklärsätzen rührt primär von einer Dissonanz hinsichtlich der Erzählhaltung her. Wenn ich einen Ich-Erzähler (wie Bella in Twilight) oder einen personalen Erzähler mit geringer narrativer Distanz vor mir habe, dann "erwarte" ich einen Einblick in seine Gedankenwelt, der auch entsprechend subjektiv eingefärbt ist.

    Das geht in dieselbe Richtung wie der Beitrag von kalkwiese, denke ich. Bei einem auktorialen Erzähler oder einem personalen Erzähler mit großer narrativer Distanz kann ich mit mehr telling (und in der Konsequenz: weniger Subtext) leben. Das liegt in der Natur der Sache bzw. der Erzählhaltung begründet.

    Überzogenes und schnell zusammengeschustertes Beispiel:

    Ich denke insofern, dass es schon einen Unterschied macht, wie man solche inneren Monologe schreibt, weil man dabei ggf. leicht ins telling abrutschen kann.

    Huhu Kisa,

    kurz zu Sagen und Sagas:

    Zitat

    Zitat von Etiam

    „Woher man Sagas nun Mal kennt“, antwortete der Jarl.

    Das ist ein Wort, über das ich bei dir schon öfter gestolpert bin. Ich würde sagen die Mehrzahl von Saga sind, Sagen.... zumindest ist das mir so bekannt und vertraut.

    Es gibt einen Unterschied zwischen der nordischen Saga (Plural: Sagas) und der Sage (Plural: Sagen). Hier ein ganz grober Überblick:

    Der Begriff der Sage wurde von den Brüdern Grimm geprägt. Dabei handelt es sich um eine kurze, volkstümliche Erzählung, die mündlich überliefert und erst später schriftlich fixiert wurde. Gegenstände der Sage sind Fantastisches und Unerklärliches – Helden, Fabelwesen, Götter, etc. Diese Themen werden zugleich mit realen Ereignissen, Personen- und Ortsnamen verknüpft, sodass sie plausibel/wahr wirken und den Volksglauben begründen. Die Verfasser sind zumeist unbekannt.

    Die nordische Saga dagegen ist streng schriftlich fixiert, nicht mündlich tradiert. Gegenstände der (erzählenden) Saga sind vornehmlich Genealogie und Biographien. Auch hier sind die Verfasser zumeist anonym. Im Unterschied zur Sage handelt es sich bei der Saga allerdings um eine künstlerisch sehr anspruchsvolle Form der Literatur – keine einfache Volksdichtung.

    Da Etiam diesen Thread mit dem Tag "nordisch" versehen hat, nehme ich an, dass hier auch tatsächlich die Sagas gemeint sind :)

    "Und dann. Werde ich an eure Tür klopfen."

    Was ein wenig merkwürdig aussieht, gell.

    Ja, das sieht merkwürdig aus ... weil die Auslassungspunkte nicht einbezogen wurden.

    Zitat von Etiam

    „Und dann ...“ Er ballte die Fäuste. „Werde ich an eure Tür klopfen.“

    Das sähe ohne den Hauptsatz so aus:

    "Und dann ... werde ich an eure Tür klopfen."

    Immer noch merkwürdig?

    Die Frage ist, denke ich, wie die Fortführung der wörtlichen Rede zu schreiben ist. Technisch gesehen muss sie großgeschrieben werden. Die beginnt ja neu und ohne Begleitsatz, da Er ballte die Fäuste ein eigenständiger Hauptsatz ist, der eine Handlung angibt, nicht die wörtliche Rede einleitet oder unterbricht. Man könnte das auch so machen:

    „Und dann ...“ Er ballte die Fäuste. „... werde ich an eure Tür klopfen.“

    Mit den einleitenden Auslassungspunkten bei der Fortführung der wörtlichen Rede wäre die Kleinschreibung von werde wieder zulässig (obwohl sie initial eigentlich eher nach Fragen/Steilvorlagen kommen, der Charakter aber hier seine eigene Rede fortsetzt).

    Huhu,

    ich klinke mich nur mal kurz wegen der aktuellen sprachlichen Fragen ein :) Edit: Das ist doch ziemlich lang geworden. Ich setze das aus Platzspargründen in einen Spoiler.

    Spoiler anzeigen

    Zunächst hierzu:

    Der Vogel verstummte, neigte nur den Kopf.

    Ich würde den Satz etwas anders schreiben, nur meine Meinung, so finde ich ihn nämlich nicht richtig vollständig, wenn ich ehrlich sein soll. Muss du selbstverständlich nicht ändern, wenn du nicht willst.

    Mein Vorschlag:
    Der Vogel verstummte und neigte den Kopf zur Seite.

    Wenn mich nicht alles täuscht, liegt bei der Originalversion Der Vogel verstummte, neigte nur den Kopf ein Asyndeton vor – ein rhetorisches Stilmittel. Dabei wird die eigentlich zu erwartende Konjunktion (hier: und) weggelassen. Das Asyndeton verwendet man, um den Rhythmus der jeweiligen Phrase zu beschleunigen, ihr mehr Dringlichkeit zu verleihen. Insofern würde ich den Satz im Original nicht als falsch erachten.

    Und nun zur wörtlichen Rede:

    „Ich werde nicht sterben! Nicht bis ich diese verdammte Waffe in meinen Händen halte und jeden einzelnen Draugr nach Hel geschickt habe. Und dann ...“ Er ballte die Fäuste. „Werde ich an eure Tür klopfen.“

    Ich finde den Fall ein bisschen knifflig, aber der Reihe nach.

    Zum Glück gibt es Regeln zur Zeichensetzung der wörtlichen Rede, die man nachlesen kann. Ich packe eine kleine Übersicht in einen Zitatblock, damit sie sich besser vom Rest des Textes abhebt:


    So, jetzt zu den alternativen Vorschlägen:

    "Und dann ..." Er ballte die Fäuste, "... werde ich an eure Tür klopfen."


    Er ballte die Fäuste soll hier, wenn ich das richtig sehe, als vorangestellter Begleitsatz der wörtlichen Rede "... werde ich an eure Tür klopfen." agieren. Das funktioniert aber nicht, da es an einem inquit wie sagen mangelt. Insofern dürften hinter Er ballte die Fäuste nicht einfach Komma und Anführungszeichen stehen. Und irgendwie müsste da ja auch noch ein Doppelpunkt rein.

    Mit vorangestelltem Begleitsatz und inquit sähe das so aus:

    "Und dann ..." Er ballte die Fäuste und fuhr fort: "... werde ich an eure Tür klopfen."

    Nun schreiben die Regeln für den vorangestellten Begleitsatz vor, dass die wörtliche Rede mit einem Großbuchstaben begonnen wird. Verkompliziert wird das durch die Auslassungspunkte. Diese werden initial/einleitend normalerweise bei Antworten auf Fragen oder Steilvorlagen verwendet. Hier aber indizieren sie eine (längere) Sprechpause. Nach einleitenden Auslassungspunkten darf kleingeschrieben werden (außer natürlich, es handelt sich bei dem darauffolgenden Wort um ein Substantiv).

    "Und dann...", er ballte die Fäuste, "werde ich an eure Tür klopfen."

    Das geht. er ballte die Fäuste wird als eingeschobener Begleitsatz verwendet. Zwar ist auch hier kein inquit drin, aber es gibt, so weit ich weiß, keine Regel, die besagt, dass in eingeschobenen Begleitsätzen eines drin sein muss. Stattdessen können eingeschobene Begleitsätze auch zur Beschreibung einer Handlung – so wie hier dem Ballen der Fäuste – genutzt werden.

    Allerdings – und nun schweife ich vom technischen Terrain ins interpretatorische ab – hat Etiams Version auf mich eine ganz bestimmte Wirkung, die mit einem eingeschobenen Begleitsatz nicht erreicht werden kann :hmm:

    „Und dann ...“ Er ballte die Fäuste. „Werde ich an eure Tür klopfen.“

    Die Auslassungspunkte bei "Und dann ..." zeigen eine Sprechpause an. Diese wird durch den Hauptsatz Er ballte die Fäuste noch gedehnt: Der Satz trennt die weitere wörtliche Rede mit einem Punkt "hart" ab. Man "stoppt" beim Lesen für einen Moment. Ein eingeschobener Begleitsatz dagegen, der mit Kommata von der wörtlichen Rede abgetrennt wäre, hätte einen "fließenderen" oder "weicheren" Übergang, sodass die Unterbrechung der Erzählzeit* nicht so sehr ins Gewicht fällt wie im Original. Zumindest geht das mir so, wenn ich darauf achte, wie schnell ich die jeweiligen Versionen lese.

    *Erzählzeit = Lesezeit bzw. Zeitspanne, die benötigt wird, um die Geschichte zu vermitteln

    In Etiams Originalversion agiert Er ballte die Fäuste als eigenständiger Satz, der eine Handlung beschreibt, welche die wörtliche Rede unterbricht – und nicht als Begleitsatz. Von der Zeichensetzung her ist es meines Erachtens also völlig in Ordnung, dass danach ein Punkt steht.

    Huhu Zarkaras Jade ,

    ich bin nun auch endlich up-to-date :)

    Abwesenheitsbedingt kenne ich jetzt nur die aktuelle Version des Epilogs, nicht die vorangegangene(n). Die jetzige Version gefällt mir jedenfalls sehr, vor allem auch der Twist, dass das Alien eben doch nicht das böse Monstrum ist, wofür Frank und Renée es zunächst gehalten haben.

    Ich war mir zwischenzeitlich nicht mehr ganz sicher (ist ja eine Weile her, seit ich die ersten Parts gelesen habe), hatte aber irgendwie im Hinterkopf, dass für diesen Twist bereits Hinweise im Text angelegt sind. Ich glaubte nämlich, mich dunkel daran zu erinnern, dass das Alien bei seiner Begegnung mit Frank und Renée zunächst in Beobachterrolle agiert und erst dann richtig aggressiv wird, als das Pärchen es aktiv angeht und beschießt.

    Ich habe dann noch einmal einige der älteren Parts überflogen und mich dem Anschein nach korrekt erinnert. Zunächst flieht das Alien, sobald es von Frank und Renée entdeckt wird. Später wehrt es sich mit dem Silbernebel. Und nachdem Frank sowie Renée wieder und wieder auf es schießen, versucht es, mit Teilen des Jeeps nach ihnen auszuholen.

    Das Alien schien also so lange wie möglich vermeiden zu wollen, Frank und Renée zu verletzen und zu töten. Wie genau das jetzt bei Rob und Co. ablief, da haben wir ja nur den Prolog, das kurze Gespräch mit dem sterbenden Rob und den Verweis von Cynthia, dass sich das Alien nicht anders zu helfen wusste, dass das Töten der Teenager mithin eine Notlösung war.

    Falls ich es richtig im Kopf habe (wenn nicht, Asche auf mein Haupt :sack:) hat das Alien ja vornehmlich Autoteile und sonstige metallene Objekte mitgehen lassen. Ich würde nun mutmaßen, dass dies der Grund für den "Angriff" auf die Teenager war – ihr Auto, dessen Komponenten das Alien für eine Reparatur seines Raumschiffes benötigte.

    Woran ich mich noch sehr gut erinnere, ist, dass Frank und Renée beim Erkunden des Raumschiffes auf einen Mann stoßen, der zu atmen scheint und dass ich gerätselt habe, ob er nun wirklich lebt oder ob da etwas Außerirdisches in seinem Brustkorb heranwächst. Der Epilog klärt diese Frage für mich :D

    Und zuletzt: Danke für die tolle Geschichte und dass ich dabei sein durfte!

    Und hier der Rest:

    Beispiele
    Und hier nun ein paar kleinere Textauszüge mit Erläuterungen. Dieses alberne Exemplar hier habe ich mir mal eben aus den Fingern gesaugt:

    Zitat

    Bobette musterte den Katalog, der auf Bobs Tisch lag. Die aufgeschlagenen Seiten boten einen Einblick in den neuesten Hello-Kitty-Wahnsinn: Anhänger, Schulranzen, Plüschtiere, Kleidung – und überall die verdammte Katze mit ihren lächerlichen Schleifchen. Jemand hatte einige der Artikel mit einem roten Stift umrandet. Nicht im Ernst! Sie starrte Bob an.
    »Du bist ein Hello-Kitty-Fan!«, platzte Bobette heraus.
    »Bin ich nicht!«, antwortete Bob prompt und schlug den Katalog zu. »Das ist nur für ... für meine Nichte!« Er wich Bobettes Blick aus.
    »Verstehe.« Bobette unterdrückte ein Grinsen. Irgendwo in seiner Wohnung musste es einen Hello-Kitty-Schrein geben. Wo fange ich mit der Suche an?

    Bobs Aussage, er sei kein Fan von Hello Kitty, kontrastiert mit seiner paraverbalen und nonverbalen Kommunikation: Dass er den Katalog zuschlägt, eine alternative Erklärung mit Sprechpause liefert und obendrein Bobettes Blick ausweicht, suggeriert, dass er in der Tat ein (geheimer) Fan der Marke ist. Zu diesem Schluss kommt auch Bobette. Sie konfrontiert Bob nicht direkt, sondern macht es sich zur Aufgabe, die Sammlung, von der sie annimmt, dass er eine solche besitzt, zu finden.

    Bobs Reaktion kann zudem als unterschwelliger Kommentar zu sozialen Normen gelesen werden, die »vorgeben«, dass jemand wie Bob (aufgrund seines Geschlechts und/oder Alters) nicht als typische Zielgruppe für Hello Kitty infrage kommt. Jedoch gibt es keine expliziten (und redundanten) Formulierungen wie:

    Zitat

    Bobs merkwürdiges Verhalten zeigte Bobette überdeutlich, dass er log.

    oder

    Zitat

    Bobette glaubte Bob nicht und beschloss, der Sache selbst auf den Grund zu gehen.

    Die nachfolgenden zwei Beispiele stammen aus einem Urban Fantasy Projekt, an dem ich nebenher arbeite:

    Zitat

    Sie fuhr den Computer herunter, warf sich aufs Bett und beäugte den einzig ungeöffneten Karton, der in der hintersten Ecke des Schlafzimmers auf sie lauerte. Familiengedöns hieß es in hastig gekritzelten Buchstaben auf der Vorderseite. Kelsea verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. Noch eine Sache für die ewig wachsende Später-Liste. Am besten der letztmögliche Eintrag.

    Die Protagonistin, Kelsea, ist kürzlich von der Großstadt in ein verschlafenes Kaff gezogen. Der obige Auszug liefert Hinweise darauf, dass etwas mit ihrer Familie im Argen liegt. Offenbar hat Kelsea auch keine Muße, sich näher damit zu befassen. Thematisch gesehen wird hier die Charakterentwicklung angerissen: Die Protagonistin läuft vor ihren Problemen davon und muss erst noch lernen, sich ihnen zu stellen.

    Hier sprechen Kelsea und ihre Vermieter, Earl und Gladys Thompson, über den jungen Mann, der in dem Haus auf der anderen Straßenseite wohnt. Im obigen Auszug habe ich versucht, die Eigenschaften der Thompsons grob zu illustrieren. Gladys’ Zwischenrufe und Mahnungen lassen erkennen, dass sie Wert auf einen gepflegten Umgangston legt – ganz im Gegensatz zu ihrem ruppigeren Mann, Earl. Zudem ist sie ziemlich versiert, was die Geschehnisse in der Kleinstadt anbelangt, unterstrichen durch ihre rasche Antwort auf Earls Frage, wann das Griggs-Haus von Mr. Quirke aufgekauft wurde. Auf diese Weise hoffe ich, telling zu umgehen, wie es folgende hypothetische Sätze liefern würden:

    Zitat

    Earl war ein grummeliger, alter Sack. Seine Frau, Gladys, war ein wandelndes Lexikon über die Vorgänge in Sage Springs. Anders als ihr Mann schätzte sie Schimpfworte nicht besonders.

    Und hier ein letztes Beispiel aus meinem eigentlichen High Fantasy Projekt:

    Zitat

    »Sie«, zischte Magistra Naevia und nickte zu Anóra herüber, »ist keine Heilerin!«
    »Eine treffliche Beobachtung, Magistra! Auch mir ist nicht entgangen, dass sie eine dunkelblaue Robe trägt, keine weiße.«
    Zornesröte stieg der alten Vettel ins Gesicht. »Was ich meinte, ist –«
    Der Archon fuchtelte mit der Hand. »Dass es nichts gibt, was ich ihr beibringen kann? Es mag Euch entfallen sein, Magistra, aber draußen existieren Gewächse. Pflanzen. Viele davon mit beeindruckenden Eigenschaften. Zu schade, dass der Orden Euch auf Euer Alter nicht mehr oft die Außenwelt sehen lässt!«

    Edit: Ich glaube, ich muss hier noch ein wenig mehr den Kontext umreißen, in dem der Auszug steht. In meinem Setting dürfen alleine Heiler ihre magischen Fähigkeiten einsetzen, andere Magier dagegen nicht. Die jeweilige Begabung (Heilung oder Affinität zu einem der vier Elemente) ist angeboren und unveränderlich. Anóra, die eine Affinität zum Feuer besitzt, erhält vom Archon, der zugleich Heiler ist, das Angebot, seine Schülerin zu werden. Magistra Naevia ist von dieser Idee nicht begeistert.

    In den vorangegangenen Passagen wurde der Archon als Charakter eingeführt, der die Nase ziemlich hoch trägt. Auch in dem zitierten Part lässt er keine Gelegenheit aus, die Magistra mit Spott unterzubuttern. Zugleich erfährt man etwas über die Welt, in der die Geschichte spielt: Offenbar stechen Heiler durch das Tragen weißer Roben hervor, draußen scheint für die Gesprächsteilnehmer eine besondere Bedeutung zu haben und die Magistra hat (durch ihr Alter, sofern man den höhnischen Äußerungen des Archons Glauben schenkt) ihr Privileg verwirkt, dieses draußen zu sehen. Überdies spielt der Archon darauf an, dass er Anóra sehr wohl etwas beibringen kann – keine Heilungsmagie zwar, wohl aber traditionelle Methoden zur Linderung von Gebrechen.


    Fragen/Anregungen
    So, das war’s von meiner Seite aus! Wie steht ihr zum Thema »Subtext«?

    Wie geht ihr in euren Geschichten damit um? Welche Methoden nutzt ihr, um Subtext in eure Werke zu integrieren?

    Lest ihr gerne Geschichten, die auf viel Subtext setzen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

    Wie hoch schätzt ihr das Risiko ein, dass Leser den Subtext nicht aufgreifen? Ist das ein Grund, auf Subtext zu verzichten?

    Ich freue mich auf eure Antworten!

    In diesem Thread möchte ich – wer hätte es anhand des Titels ahnen können – über Subtext sprechen.

    In Absprache mit Chaos Rising werde ich den Beitrag zweiteilen, weil ich ihn aufgrund der Länge leider nicht in einer Tour posten kann.

    Ich bin auf das Thema gekommen, weil ich festgestellt habe, dass Geschichten ohne oder mit nur minimalem Subtext für mich vollkommen reizlos geworden sind. Schlimmer noch: Sie gehen mir gewaltig auf den Zeiger. Wenn der Autor mich bei der Hand nimmt und mir alles vorkaut, fühle ich mich rasch bevormundet. Zieht sich das durch einen ganzen Roman, würde ich beim Lesen am liebsten laut losschreien: »Ja! Ich habe es auch beim ersten Mal schon verstanden, danke!«

    Um eine Diskussionsgrundlage zu bilden, möchte ich zunächst definieren, was ich unter »Subtext« verstehe. Danach werde ich diskutieren, was Subtext meines Erachtens für eine Geschichte leisten kann und welche Informationen notwendig sind, um ihn aufzudecken und zu verstehen. Dabei werde ich auch auf andere Begriffe aus der Linguistik eingehen – namentlich verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikation. Im Anschluss soll es um methodologische Aspekte gehen: Wie erkenne ich, wo es an Subtext fehlt? Auf welche Weise kann ich Subtext in meine Geschichte integrieren? Sodann liefere ich einige Beispiele und formuliere zuletzt Fragen, die als Anregung für eine Diskussion dienen können, aber natürlich nicht müssen.

    Dann mal los!


    Was ist Subtext eigentlich?
    Polemisch formuliert: Subtext ist das Kryptonit des Holzhammers.

    In der Linguistik meint man mit »Subtext« eine zusätzliche, implizite Bedeutungsebene, mit der die explizite Aussage eines Satzes unterlegt ist.

    Oft wird behauptet, Subtext sei das, was die Leute wirklich meinen, aber nicht direkt aussprechen. Eine solche Definition greift jedoch etwas zu kurz, denn die beiden Bedeutungsebenen stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Eine explizite Aussage ist für gewöhnlich allen verständlich. Nicht so der Subtext: Ihn zu begreifen, erfordert stets eine Interpretation – das ist das berühmte »Zwischen-den-Zeilen-Lesen«. Um dies zu bewerkstelligen, benötigt der Rezipient (Hörer, Leser, Zuschauer, etc.) wiederum zusätzliche Informationen.

    Da aber nicht jeder auf dieselbe Weise zwischen den Zeilen liest, kann das zur Folge haben, dass Subtext unterschiedlich verstanden wird, sofern der Leser ihn denn überhaupt erkennt. Falls ein Subtext auch als solcher identifiziert wird, ist zudem lange nicht gesagt, dass der Rezipient zugleich einen Versuch unternimmt, die implizite Bedeutung aufzudecken. Ob und wie eine Interpretation des Subtextes erfolgt, ist für den Autor ohne Wissen über Hintergrund und Erfahrung des jeweiligen Adressaten also nicht immer leicht vorherzusehen.

    Warum zur Hölle sollte man nun in voller Absicht etwas in den eigenen Text integrieren, das unter Umständen nicht erkannt, interpretiert, geschweige denn korrekt interpretiert wird? Zum einen bietet der Einsatz von Subtext eine ganze Reihe von Bereicherungen für eine Geschichte, zum anderen sind die zum Verständnis erforderlichen Zusatzinformationen nicht zwangsläufig derart obskurer oder exotischer Natur, dass man einen Doktorgrad bräuchte, um Zugriff auf sie zu haben.



    Was kann Subtext leisten?
    Eines der Argumente für die Verwendung von Subtext ist seine positive Auswirkung auf das pacing einer Geschichte. Der Lektor September C. Fawkes hat diesen Zusammenhang meines Erachtens wunderbar auf den Punkt gebracht (von mir aus dem Englischen übersetzt):

    Zitat von September C. Fawkes

    »Einmal habe ich ein Manuskript lektoriert, das alles richtig machte, was die Plotstruktur und den emotionalen Einbezug [des Lesers] betraf. [...] Aber es las sich langsam und langweilig. [...] Ich entdeckte, dass es daran lag, dass es kaum Subtext enthielt und [...] mich intellektuell nicht dazu herausforderte, den Text zu verstehen.«

    Ist Subtext vorhanden, bietet dieser einen Anreiz für die Rezipienten, den Text (ob bewusst oder unbewusst) auf implizite Bedeutungen abzuklopfen. Ohne Subtext werden dem Leser Informationen in servierfertigen Häppchen aufgetischt; er muss sie sich nicht erarbeiten. Folglich geht ein Mangel an Subtext unter Umständen mit einem Mangel an Spannung einher.

    Das gilt insbesondere für Genres, in denen naturgemäß viel Weltenbau betrieben wird: Sci-Fi und Fantasy zum Beispiel. Magiesysteme, Religionen, politische Machtgefüge, geographische Besonderheiten und vieles mehr – erklärt man all diese Dinge mit direkter Exposition (dem gefürchteten infodump), wird das Geschehen für die Dauer der Erläuterung sozusagen »eingefroren«. Die Konsequenz: Das pacing stagniert. Der Subtext bietet eine Möglichkeit, Aspekte des Weltenbaus unauffällig und immersiv zu vermitteln, sodass sie nicht als einzig für den Leser gedachte Darlegungen herausstechen.

    Darüber hinaus kann Subtext genutzt werden, um soziale Dynamiken abzubilden – etwa dann, wenn ein (un-)bewusstes Machtgefälle zwischen zwei oder mehr Charakteren besteht. Ebenso lassen sich Informationen über die Figuren vermitteln, während ein Gespräch im Gange ist. Neigt ein Charakter zu Beschuldigungen, passiver Aggressivität, Beschönigungen oder Sarkasmus? Wie eine Figur spricht, verrät viel über ihre Hintergrundgeschichte, ihre Ideologie, ihre Kultur oder auch ihre unausgesprochenen Gedanken und Emotionen. Schließlich kann Subtext auch auf der Makroebene einer Geschichte eingesetzt werden, indem man ihn übergeordnete Themen, Symbole, Motive oder Ideen transportieren lässt.



    Welche Informationen sind nötig, um Subtext zu verstehen?
    Speziell, was Romane betrifft, denke ich, dass zum Verständnis von Subtext allen voran Wissen über die Grundlagen der menschlichen Interaktion und Kommunikation vonnöten ist. Freilich gibt es mitunter auch Subtext, der sich in bestimmten Nischen bewegt – Jugendsprache und Soziolekte wären Beispiele dafür – oder sehr spezifische kulturelle/historische Kenntnisse erfordert.

    Im Folgenden aber möchte ich das Augenmerk auf die verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikation legen. Ich glaube, dass ein Fokus auf diese Aspekte oft schon ausreicht, um zu begreifen, dass vielleicht mehr hinter einer Aussage steckt als nur ihre explizite Bedeutung.

    Verbale Kommunikation
    Verbale Kommunikation ist all das, was der Sender einem Adressaten gesprochen oder geschrieben mitteilt. Dies ist unsere explizite Bedeutungsebene, die Aussage. Erweitert wird sie (und damit auch die Bedeutung) um paraverbale und nonverbale Elemente.

    Paraverbale Kommunikation
    Paraverbale Kommunikation ist all das, was die Stimme beim Sprechakt leistet. Redet der Sprecher laut oder leise? Schnell oder langsam? Melodisch oder monoton? Hoch oder tief? Schwingt ein Unterton mit? Auch lautsprachliche Äußerungen wie Räuspern, Seufzen, Verzögerungslaute (»ähm«) oder Lachen gehören in diese Kategorie.

    Diese Aspekte können wir auch ganz gut schriftlich nachbilden und so als subtextuelle Ebene nutzbar machen:

    Zitat

    »Ähm, also ... das Angebot ist wirklich sehr freundlich, aber ... nein. Das kann ich nicht annehmen.«

    Wir müssen den Satz nicht gesprochen hören, um die Implikationen zu begreifen: Die anfänglichen Verzögerungslaute gepaart mit den Sprechpausen signalisieren, dass der Sprecher versucht, die Interaktion so höflich wie möglich abzuwickeln. Zwar schlägt er das Angebot letztlich aus, zögert diesen Akt jedoch hinaus und schwächt ihn durch den Verweis auf die Freundlichkeit der Proposition ab.

    Um eine besondere Betonung oder einen bestimmten Unterton zu markieren, können wir auf kursive Schrift zurückgreifen:

    Zitat

    »Heute ist Vollmond.«
    »Ach was, wirklich

    Auch ohne eine Beschreibung der Gestik und Mimik stehen die Chancen gut, dass der Leser die zweite Äußerung als Sarkasmus begreift.

    Nonverbale Kommunikation
    Nonverbale Kommunikation ist all das, was via Körpersprache, Timing und Habitus vermittelt wird. Konkret aufgeschlüsselt haben wir es mit den nachfolgenden Bausteinen zu tun:

    • Mimik: Alles, was sich im Gesicht abspielt, ist die Mimik. Eine gerunzelte Stirn signalisiert unserem Gegenüber: »Das verstehe ich nicht.«

    • Gestik: Unter Gestik fallen die Bewegungen von Händen, Armen, Schultern und dem Kopf – Nicken, Kopfschütteln, Schulterzucken und viele mehr.

    • Körperhaltung: Auch die Körperhaltung verrät unterschwellig Informationen. Läuft ein Charakter ständig gebeugt oder mit eingezogenem Kopf? Ein Ausdruck von Alter vielleicht oder auch von latenter Furcht. Belastet er ein Bein mehr als das andere? Womöglich meldet sich da eine alte Kriegsverletzung.

    • Proxemik: Die Gestaltung des Raumes – also die Nähe oder Distanz – zwischen den Gesprächsteilnehmern zählt ebenfalls zur nonverbalen Kommunikation. Rückt ein Charakter einem anderen unangenehm auf die Pelle? Das kann einschüchternd wirken. Oder verdammt unhöflich. Wahrscheinlich beides – oder aber es wird abhängig von der jeweiligen Kultur als völlig normal angesehen.

    • Timing: Die (Un-)Pünktlichkeit einer Person lässt Rückschlüsse auf ihren Charakter, ihre Wertvorstellungen und auch die Relation zu anderen Figuren zu. Darunter fällt zum Beispiel auch, ob derjenige sofort ans Telefon geht oder es lieber klingeln lässt und wie schnell die Person auf E-Mails oder sonstigen Schriftverkehr antwortet.

    • Habitus: Der Habitus bezieht sich auf die Art und Weise, wie jemand auftritt und welche Gewohnheiten er pflegt. Trägt ein Charakter auch in formellen Settings seine liebste gottlose Mischung aus neonpinker und neongrüner Kleidung? Das schreit förmlich nach einer Gleichgültigkeit sozialen Normen gegenüber.



    Wie erkennt man einen Mangel an Subtext?
    Wenn sich Dialoge künstlich oder gestelzt lesen, könnte es daran liegen, dass zu wenig Subtext vorhanden ist, der sie fesselnd machen würde. Im schlimmsten Fall wirken die Charaktere, die da reden, nur wie Sprachrohre des Autors, die dem Leser das zentrale Thema der Geschichte wieder und wieder mit größtem Pathos um die Ohren hauen. Subtext dagegen verleiht Dialogen – ebenso wie den Charakteren, soziokulturellen Dynamiken und Konflikten – Tiefe bzw. Multidimensionalität.

    Wie aber merkt man, ob Subtext fehlt? Hier ein Tipp von Timothy Hickson (von mir aus dem Englischen übersetzt):

    Zitat von Timothy Hickson

    »Eine Methode, wie ich das [mangelnden Subtext] in meinen Texten ausfindig mache, ist, nach Zeilen zu suchen, in denen die Emotionen einer Szene oder eines Dialogs zusammengefasst werden.«

    Stellen wir uns eine Szene vor, in welcher es um den Alltag von Bob und seinem Hund Bello geht. Bello führt ein Luxusleben, während Bob in zerschlissener Kleidung herumläuft und zu jeder Mahlzeit trockenen Toast isst. In diesem Szenario wäre es redundant, explizit zu schreiben:

    Zitat

    Bello war Bobs Ein und Alles. So wichtig war ihm der Hund, dass er dafür seine eigenen Bedürfnisse zurücksteckte.

    Die Hinweise, die zu so einer Schlussfolgerung führen, wurden uns im Rahmen der Szene ja bereits gezeigt.

    Stephenie Meyer verzichtet in Twilight Band 1 (Biss zum Morgengrauen) größtenteils auf Subtext, indem sie das Schema Dialog → Erklärung konsequent durchhält. Obwohl man sich ohne die ständigen Erläuterungen schon im ersten Kapitel leicht zusammenreimen kann, dass Bella und ihr Vater Charlie eine eher dysfunktionale Beziehung haben, wird einem diese Arbeit an und mit dem Text verwehrt.

    Zitat von Stephenie Meyer

    Das Problem war, dass es nicht viel gab, worüber wir [Bella und Charlie] reden konnten; wir waren beide keine großen Plaudertaschen. [Erklärung]
    [...]
    Ich stolperte aus dem Flugzeug, und Charlie drückte mich unbeholfen mit einem Arm an sich.
    »Schön dich zu sehen, Bells«, sagte er lächelnd, während er mich mit einer automatischen Bewegung auffing und stützte. »Du hast dich kaum verändert. Wie geht’s Renée?«
    »Mom geht’s gut. Ich freu mich auch, dich zu sehen, Dad.« Er wollte nicht, dass ich ihn Charlie nenne. [Eklärung]
    Und damit war unser Gespräch auch schon fast wieder beendet.

    In ihrem gesamten inneren Monolog nennt Bella ihren Vater immerzu »Charlie«. Im gesamten Dialog nennt sie ihn »Dad«. Allein dies suggeriert eine Disparität zwischen dem, was Bella denkt und dem, was sie sagt. Aber darüber müssen wir nicht weiter nachsinnen, da uns die Schlussfolgerung, dass zwischen den beiden eine emotionale Distanz herrscht, auf einem Silbertablett serviert wird.

    Wenig später ist dieser Auszug zu lesen:

    Zitat von Stephenie Meyer

    »Dad, das war doch nicht nötig. Ich hätte mir doch selber ein Auto gekauft.«
    »Ist schon okay. Ich will, dass du hier glücklich bist.« Sein Blick war nach vorn auf die Straße gerichtet, als er das sagte. Charlie fiel es nicht leicht, seine Gefühle in Worte zu fassen. Und weil ich das von ihm hatte, schaute ich ebenfalls nach vorn, als ich ihm antwortete. [Erklärung]
    »Das ist echt lieb von dir, Dad. Danke, ich freu mich wirklich.«

    Abermals ist es nicht vonnöten, dass wir uns Gedanken darüber machen, was es zu bedeuten hat, dass sich die beiden Charaktere beim Sprechen nicht ansehen: Wie dieses Verhalten zu interpretieren ist, wird uns via Erläuterung vorgegeben.



    Wie integriert man Subtext in die eigene Geschichte?
    Es gibt viele Methoden, Subtext in die eigene Geschichte einfließen zu lassen. Eine der einfachsten ist, einen Widerspruch zwischen dem Gesagten und der Körpersprache aufzubauen: Ein Charakter kann zwar behaupten, dass er keine Angst hat, doch wenn er dabei zittert wie Espenlaub und bei jedem Geräusch zusammenzuckt, wird man diese Aussage in Zweifel ziehen dürfen.

    Weiterhin kann man einen Charakter auf eine Art und Weise sprechen lassen, die nicht seinem üblichen Verhalten (Habitus) entspricht. Wenn der stereotypische stille Kerl plötzlich wütend losschreit, dass man über den Großen Emukrieg von 1932 keine Witze macht, als seine Kumpels ebendies tun, bedeutet das im Idealfall nicht, dass dem Autor ein Kohärenzfehler unterlaufen ist. Viel eher steht zu mutmaßen, dass das Thema aus irgendeinem Grund ein rotes Tuch für den stillen Kerl ist. Herauszufinden, warum dem so ist, kann wiederum Spannung erzeugen und den Leser animieren, noch mehr Hinweise auf die Hintergrundgeschichte des Charakters zu finden.

    Ebenso liefern unverhältnismäßige Reaktionen auf kleine Dinge Anhaltspunkte dafür, dass mehr vor sich geht, als es zunächst den Anschein hat. Der Familienvater, der sein weißes Hemd soeben mit Kaffee bekleckert hat und der daraufhin den gesamten Esstisch umstürzt, hat Probleme. Und zwar nicht zu knapp. Womöglich stellt sich im weiteren Verlauf der Geschichte heraus, dass er seine Anstellung verloren hat, händeringend (und ohne Erfolg) nach einem neuen Job sucht, seiner Familie aber vorgaukelt, dass alles in Ordnung wäre – bis er eben emotional explodiert.

    Kniffliger ist thematischer Subtext. Es ist eine schmale Gratwanderung, damit dieser nicht plump oder karikiert wirkt (vgl. die zuvor angesprochene Sprachrohr-Problematik). Natürlich müssen die Dialoge irgendwie um das Thema der Geschichte kreisen, aber sie sollten dennoch organisch und dem jeweiligen Charakter angemessen wirken. Stellen wir uns einen Söldner vor, ein richtiges Raubein. Der Kerl redet stets in elliptischen Sätzen und nutzt ausschließlich einfaches Vokabular. Würde man es ihm abkaufen, wenn er urplötzlich eine Rede über die Vergänglichkeit des Lebens in eloquentem philosophischen Gestus und mit Schachtelsätzen hält? Eher nicht. Das würde sich aufgesetzt lesen.

    Kürzlich beendet: Save the Cat! Writes a Novel. The Last Book on Novel Writing You'll Ever Need von Jessica Brody.

    Der oben genannte Ratgeber beruht auf einem anderen Ratgeber, namentlich Save the Cat! The Last Book on Screenwriting You'll Ever Need von Blake Snyder. Zentrale These Snyders ist, dass jeder Hollywoodstreifen auf einer Vorlage von 15 beats oder plot points beruht. Will man einen guten Film produzieren, so das Postulat, müsse man einfach nur dieser einen Vorlage folgen.

    Brody indes hat sich der Aufgabe verschrieben, diese "magische Formel" für Autoren und damit auch für das Schreiben von Romanen nutzbar zu machen.

    (Für alle, die sich nun fragen, was dieses Save the Cat soll: Mit ebenjenem Titel versah Snyder einen seiner Tips, der besagt, man möge einen unsympathischen Hauptcharakter eine gute Tat vollbringen lassen (z.B. eine Katze retten), um doch noch die Sympathie des Lesers für den Protagonisten zu wecken.)

    Das Wichtigste: Hält das Buch wirklich das Allheilmittel für gutes Schreiben parat? Kurze Antwort und persönliche Meinung: Nein :) Im Folgenden möchte ich das etwas näher ausführen.

    Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Ratgeber sich einzig und ausschließlich mit der Plotstrukturierung befasst. Das ist meines Erachtens allerdings nur ein (wenn auch signifikanter) Teil der Kompetenzen, die ein Autor mitbringen muss. Nicht behandelt werden zum Beispiel Dinge, die allgemein mit "gutem Stil" in Verbindung gebracht werden – showing statt telling und die Umstände, unter denen man telling doch den Vorzug geben kann/sollte, die Vermeidung von purple prose, der Vorteil aktiver gegenüber passiver Formulierungen oder auch die Kontroverse rund um die Verwendung von Adverbien. Charakterbezogene Grundlagen wie etwa das Erschaffen überzeugender character arcs oder was eigentlich gemeint ist, wenn man von "Konflikt" (intern/extern) spricht, kommen nur sehr spärlich dran. Erzähltheorie wird in diesem Ratgeber ebenfalls nicht eingehend thematisiert.

    Wer Hintergrundwissen in der Literaturtheorie hat, wird zudem schnell erkennen, dass die "magische Formel", die Brody vorstellt, im Prinzip eine adaptierte Drei-Akt-Struktur darstellt. Das Save the Cat-Modell ist demnach nicht neu, wohl aber sehr anschaulich und damit ansprechend erklärt. Das Modell wird im Buch visuell repräsentiert und gab für mich den Anlass, zur persönlichen Verwendung eine entsprechende Denkbrett-Vorlage in Papyrus Autor zu erstellen.

    Ich denke überdies, dass man die Save the Cat-Formel behandeln sollte wie viele andere Empfehlungen zum Schreibhandwerk: wie ein Werkzeug, das man eben für den eigenen Gebrauch adaptiert.

    Habe vor einigen Tagen Band 2 der Dreamblood-Reihe, namentlich The Shadowed Sun von N. K. Jemisin beendet.

    The Shadowed Sun spielt 10 Jahre nach den Ereignissen aus The Killing Moon: Gujaareh wird von Streitkräften aus Kisua besetzt, doch eine Revolution, die Gujaareh befreien soll, ist bereits in Planung. Einige bekannte Gesichter tauchen wieder auf, allerdings nur noch als Nebencharaktere. Im zweiten Band verfolgen wir die Geschichte von Hanani, der ersten weiblichen Heilerin im Hetawa-Tempel, und Wanahomen, einem Thronanwärter im Exil. Hanani wird ausgesandt, um eine Allianz mit Wanahomen zu sichern und die Revolution voranzutreiben. Derweil greift im Hetawa-Tempel eine tödliche Seuche um sich, ausgelöst von einem Wild Dreamer.

    Das world-building ist – wie schon in Band 1 – wunderbar, sofern man gewillt ist, der Autorin einen Vertrauensvorschuss zu gewähren und darauf zu bauen, dass sich die fremdartigen Elemente am Ende in ein großes Ganzes fügen. Für Leser des Vorgängers sollte das aber kein Problem sein.

    Leider hat mich Band 2 bei Weitem nicht so vom Hocker gerissen wie Band 1. Meine Unzufriedenheit mit dem Buch fußt auf zwei Dingen. Achtung, jetzt wird's ein bisschen haarig und kontrovers – und natürlich ist das Folgende nur meine persönliche Meinung.

    Zum einen drängte sich mir der Eindruck auf, dass ich von dem Roman belehrt werden soll – und zwar von einer herablassenden feministischen Warte aus. So, ich hab's gesagt :pflaster: Nun möchte ich das ein bisschen näher erklären. Wie bereits erwähnt ist Hanani die erste weibliche Heilerin im Dienste der Göttin Hananja. Sie kam denn auch nicht alleine aufgrund ihrer Fähigkeiten zu diesem Posten, sondern vor allem, um ein politisches Statement aus Kisua zu senden. Die Kisuati haben nämlich so einige Probleme damit, wie die Dinge in Gujaareh geregelt werden. Bloß ist es so, dass Hanani aus meiner Sicht kaum eine Persönlichkeit abseits von "Die elenden männlichen Priester respektieren mich nicht genug!" besitzt. Der Großteil der männlichen Charaktere wird – wie könnte es anders sein :rolleyes: – als Ansammlung regelrechter Ekelpakete dargestellt. Nuancen, wie sie noch in Band 1 präsentiert wurden, sind hier so gut wie kein Thema mehr.

    Zum anderen verspricht The Shadowed Sun politische Intrigen, liefert stattdessen aber eine Romanze, die alles andere überschattet. Und natürlich – erneut: wie könnte es anders sein :rolleyes: – entwickelt sich diese Liebelei zwischen Hanani, die als Priesterin einen Schwur zur sexuellen Enthaltsamkeit abgelegt hat, und Wanahomen, Ekelpaket hoch 10. Spaßfakt: Wanahomen ist im Rahmen einer kleinen Ränkeschmiederei wissentlich (!) dafür verantwortlich, dass Hanani beinahe vergewaltigt wird. Das ist aber alles kein Problem, denn Hanani vergewissert sich bei Wanahomen, dass dieses Manöver einem guten Zweck diente. So steht denn auch der Romanze nichts mehr im Wege. Ganz allgemein werden Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe in diesem Buch gerne als plot devices verwendet – und dessen bin ich allmählich überdrüssig.

    The Killing Moon von N. K. Jemisin

    Im Stadtstaat Gujaareh ist die Wahrung des Friedens oberstes Gesetz. Um es durchzusetzen, ist kein Mittel untersagt. Wer korrupt ist, der wird umgebracht – aber nur nichts verkommen lassen: Bevor der Übeltäter die letzte Reise antritt, werden seine Träume von Priestern der Göttin Hananja geerntet. Aus der so gewonnenen Energie speist sich die Magie der Priester (narcomancy), mit deren Hilfe sie seelische und körperliche Leiden zu lindern vermögen.

    Wir verfolgen die Geschichte von Ehiru, einem der besten Gatherer (= Sammler von Träumen) überhaupt, bei dessen Auftrag, einen korrupten Fremdländer umzubringen, etwas gewaltig schief läuft. Bald schon erkennt Ehiru, dass er über eine Verschwörung gestolpert ist. Er setzt alles daran, diese aufzudecken und den sich anbahnenden Krieg zwischen Gujaareh und dem Nachbarstaat Kisua abzuwenden.

    Anders als viele namhafte Fantasyromane spielt dieser hier nicht in einem pseudo-europäischen Mittelalter, sondern in einer pseudo-ägyptischen Antike. Reichhaltige Bezüge auf die entsprechende Mythologie lassen sich im Glaubens- und Magiesystem, das im Buch aufgebaut wird, wiederfinden.

    Was mir besonders gefallen hat, ist das immersive world-building, das Jemisin in ihrem Roman betreibt. Sie wirft den Leser mitten ins Geschehen. Exposition/infodumping wird auf ein absolutes Minimum beschränkt. In der Konsequenz fragt man sich im ersten Kapitel noch unweigerlich: "Moment. Was ist da gerade passiert? Wie? Wo? Warum?" Ich mag sowas sehr, denn all diese Fragen haben mich dazu angespornt, weiterzulesen und die Welt, in der das Buch spielt, über die nachfolgenden Kapitel näher kennenzulernen. Lässt man sich geduldig darauf ein, ergibt sich ein komplexes Bild von Religion, Kultur und Politik, die Gujaareh dominieren.

    Die Charaktere, welche wir begleiten, sind komplex und nuanciert. Während externe Konflikte wie etwa der drohende Krieg natürlich eine signifikante Rolle spielen, plagen jeden der Charaktere auch starke innere Konflikte, die es im Verlauf des Buches zu überwinden gilt. Da geht es beispielsweise um Fragen wie: Inwieweit sollte sich Religion ins Staatswesen einmischen und umgekehrt? Was darf im Namen des Glaubens eigentlich alles getan werden – und wer entscheidet das? Die Antworten, die unsere Charaktere finden, sind denn auch alles andere als unkompliziert.

    The Killing Moon ist Teil der Dreamblood-Dilogie. Den zweiten Band, The Shadowed Sun, werde ich in Kürze ebenfalls lesenhoffentlich mit demselben Genuss wie den ersten Band.

    Hey Zarkaras Jade,

    ich habe nach meiner Abwesenheit nun auch wieder aufgeholt und möchte Dir ein paar allgemeine Gedanken dalassen. Es bleibt spannend! Part 22 stach für mich richtig heraus – tolles Kopfkino und sehr emotional. Detaillierte Anmerkungen packe ich wie üblich in den Spoiler.

    Spoiler anzeigen

    Zu Part 21:

    Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob dieser Perspektivwechsel so funktioniert oder ich ihn anders darstellen muss. :hmm: 

    Bezieht sich Deine Frage darauf, ob Du den Perspektivwechsel rein formal oder inhaltlich anders darstellen musst? Für mich jedenfalls hat das Ganze problemlos funktioniert. Die Leerzeilen und Sterne zeigen ja an, dass hier ein Szenenwechsel stattfindet und sollten dementsprechend einen deutlichen Anhaltspunkt dafür liefern, dass wir in der zweiten Hälfte des Parts in Franks Kopf stecken.

    Zitat von Zarkaras Jade
    Bei dem Kursiven (Renées Gedanken) bin ich auch noch unsicher, ob ich das so lassen kann. :hmm:

    Hmm, im Grunde sehe ich da kein Problem. Gleichwohl habe ich eine kleine Überlegung dazu: Wir hatten per PN mal über geringe und große narrative Distanz gesprochen und darüber, dass Du in dieser Geschichte ein bisschen distanzierter schreibst, also eher Richtung größere narrative Distanz gehst. Direkte Gedanken ohne 'dachte'-tag zu bringen, signalisiert für mich eine gewisse Unmittelbarkeit und damit geringe narrative Distanz. Wenn ich jetzt Erbenzählerei betreiben wollte, könnte ich sagen, dass auf diese Weise formatierte Gedanken sich ein bisschen mit der sonstigen narrativen Struktur in Deiner Geschichte beißen. Ich versuche das im Folgenden einmal, an einer Textstelle zu zeigen:

    Sie fühlte sich hin- und hergerissen. Zwischen den Kisten und metallischen Sphären stehend starrte sie leer in die Dunkelheit und versuchte, ihre Gedanken neu zu ordnen.

    Ihr Körper zitterte. Sie fror, rieb sich unbewusst über die Arme. Ihr unsicherer Stand ließ sie leicht schwanken.

    Soll ich abhauen? Kann ich ihn wirklich alleinlassen? Und wenn das Alien ihn umbringt? Er ist bestimmt schon tot!

    Nein! So darf ich nicht denken! Frank lebt und er brauch meine Hilfe! Ich muss ihm helfen!

    Aber wie? Was kann ich schon tun? Ohne Waffe … Ich weiß nicht mal, wo er ist …

    Wertungsfreie Beobachtungen: Fühlte und versuchte sind typische Filterwörter, mit denen Distanz zum PoV-Charakter aufgebaut wird. Unterstützt wird diese Distanz dadurch, dass Du die Handlungsmacht auf Teile von Renée statt auf Renée selbst verortest. Nicht Renée zittert, sondern ihr Körper. Nicht Renée schwankt, sondern ihr unsicherer Stand verursacht das.

    Ich verstehe natürlich, was Du mit den Stellen zum Ausdruck bringen möchtest, doch sie sorgen dafür, dass Renée hier nicht direkt als das Agens, als die handelnde Person, erscheint. Mit den direkten Gedanken sind wir dann aber wieder ganz unmittelbar in ihrem Kopf. Dieser Mini-Bruch in der Perspektivierung würde mir beim normalen Lesen nicht weiter auffallen. Ich habe jetzt bloß ganz genau hingeschaut, weil du explizit danach gefragt hattest. Um die sonst etwas größere narrative Distanz mit der Formatierung der Gedanken in Einklang zu bringen, würde ich Renées Gedanken zwischendurch mit einem entsprechenden tag oder inquit kennzeichnen. Also zum Beispiel so:

    Sie fühlte sich hin- und hergerissen. Zwischen den Kisten und metallischen Sphären stehend starrte sie leer in die Dunkelheit und versuchte, ihre Gedanken neu zu ordnen.

    Ihr Körper zitterte. Sie fror, rieb sich unbewusst über die Arme. Ihr unsicherer Stand ließ sie leicht schwanken.

    Soll ich abhauen?, fragte sich Renée. Kann ich ihn wirklich alleinlassen? Und wenn das Alien ihn umbringt? Er ist bestimmt schon tot!

    Nein, wies sie sich selbst zurecht, so darf ich nicht denken! Frank lebt und er brauch meine Hilfe! Ich muss ihm helfen!

    Aber wie? Was kann ich schon tun? Ohne Waffe … Ich weiß nicht mal, wo er ist …

    Edit: Die unterstrichenen Passagen schaffen ein wenig Distanz, da die Gedanken durch diese Hinzunahme nicht mehr komplett ungefiltert vermittelt werden.

    Ich bin nun nicht sicher, ob das Deine Frage beantwortet oder Dir überhaupt weiterhilft :sack: War so ungefähr deutlich, was ich meine?


    Zu Part 23:

    Ich schmiere mal im Text rum und mache ein paar Anmerkungen und Vorschläge :search:


    Zum Schluss noch zu den Formulierungen, bei denen Du Dir unsicher warst:

    Zitat

    Was sollte es ihr schon antun können, außer sie zu töten? Sicherlich, eine sehr makabere Sicht auf diese Sache. Aber wenn das Alien auch schon Robs Leiche mit aufs UFO geschleppt hat, wäre die Wahrscheinlichkeit bei Renée und Frank auch vorhanden

    Ich glaube, das "Problem" bzw. der Grund für Deine Unzufriedenheit mit diesem Auszug ist, dass Du auf etwas hinauswillst, das sich in den Worten noch nicht ganz widerspiegelt :hmm:

    Wenn ich das richtig herauslese, geht es in dieser Stelle darum, dass Renée bereit ist, dem Tod ins Auge zu sehen, ihr dann aber einfällt, dass das Alien es in Robs Fall nicht einfach dabei bewenden ließ, ihn bloß umzubringen. Stattdessen hat es die Leiche im Raumschiff deponiert, um damit was-auch-immer anzustellen.

    Sollte diese Lesart von Dir beabsichtigt sein, dann würde es womöglich schon genügen, ein paar Sätze anzuhängen wie etwa: Und was würde es dann mit ihnen anstellen? Nein, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Sie musste Frank finden – und zwar rasch!

    Zitat

    Aber je näher sie ihm kam, umso schneller wich die Reue dem Mitleid.

    Ich bin mir nicht sicher, ob Reue hier das richtige Wort ist :thinking: Im Kontext sieht das so aus:

    Zitat

    Schlagartig patschte ihre Hand ins Gesicht. Wäre sie nur dieses Stück weitergelaufen, dann hätte es vielleicht gar nicht zu dem Wutausbruch kommen müssen. Mit grimmiger Miene rannte sie auf ihn zu, verpasste sich gedankliche Ohrfeigen.

    Aber je näher sie ihm kam, umso schneller wich die Reue dem Mitleid.

    Für mich stellt es sich so dar, als ärgere Renée sich in erster Linie über sich selbst – darüber, dass sie kostbare Zeit vergeudet hat und nicht einfach weitergelaufen ist. Sollte diese Lesart korrekt sein, würde ich Reue durch Ärger ersetzen.

    Andersherum: Wenn Renée tatsächlich bereut, Frank erst so spät gefunden zu haben, würde ich die unterstrichenen Passagen mehr nach Bedauern denn nach Ärger klingen lassen.

    Beste Grüße!

    Huhu Kirisha,

    das ist ein spannendes Thema! Ich schreibe äußerst selten Bewertungen. Für mich spielt bei Büchern, die ich als grottig empfunden habe, auch die große Frage hinein, an wem es liegt – an mir oder dem Autor. Ich plaudere mal ein bisschen aus dem Nähkästchen:

    Vor einiger Zeit habe ich eine der Reihen eines renommierten Fantasy-Autors beendet. Die Trilogie ist so erfolgreich, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz der Leser auf goodreads.com eine Bewertung von unter 4 Sternen abgegeben hat. Offensichtlich waren die Bücher für einen Großteil der Leserschaft erste Sahne.

    Ich scrollte durch die schieren Massen positiver Bewertungen und konnte nur die Stirn runzeln. Wie kam es, dass 9 von 10 Leuten ein Leseerlebnis hatten, dass sich so gar nicht mit meinem decken wollte? Wie kam es, dass 9 von 10 Lesern den Autor für Dinge lobten, die ich ganz allgemein in Büchern schätze, aber in dieser Trilogie einfach nicht gefunden habe?

    Bei den wenigen 1-Sterne Bewertungen fühlte ich mich schon eher aufgehoben. Hier nun wurden exakt die Kritikpunkte vorgebracht, die ich ebenfalls benannt hätte. (Ob diese nun eine 1-Sterne Bewertung rechtfertigen, puh, schwierig. Ich denke, ich hätte da eher 2 oder gar 3 Sterne vergeben. War ja nicht so, als wäre es unlesbar gewesen, sonst hätte ich die Trilogie ja gar nicht erst beendet.)

    Irgendwie gab es in diesem Fall einen wie auch immer gearteten "Bruch" im Publikum. Die Mehrheit lobte den Autor für seine facettenreichen und überzeugenden Charaktere und deren Entwicklung, die Minderheit empfand die Charaktere als plot devices, welche tun, was eben gerade erforderlich ist, um die Handlung voranzutreiben. Die Mehrheit liebte die vielen Actionszenen, die Minderheit hätte sich beizeiten ein langsameres pacing zugunsten von Charakterreflexionen gewünscht. Die Mehrheit fand das Aufkeimen der Romanze zwischen den beiden Hauptfiguren umwerfend geschildert, die Minderheit warf ein, dass die Liebelei aufgesetzt wirkte. Et cetera, et cetera.


    In solchen Situationen fällt es mir richtig schwer, objektiv (!) zu beurteilen, ob technische Schnitzer der Grund dafür sind, dass mir das Buch nicht gefällt oder ob es sich bloß mit meinen Präferenzen beißt. Der Autor der fraglichen Reihe hat zweifelsohne ein Händchen für Actionszenen. Möglicherweise begünstigt das auch die Herausformung bestimmter Erwartungshaltungen: Wenn ich als Leser flotte Fantasy mit viel Trara schätze, bin ich dort goldrichtig aufgehoben. Wenn ich aber lieber Geschichten lese, bei denen ein Tauchgang in die Psyche der Charaktere angesagt ist, bin ich dort vielleicht falsch.

    Ich bin für mich – ohne eine Bewertung abzugeben – zu dem Schluss gekommen, dass der Autor einfach nicht mein Ding ist. Für viele seiner Leser macht er irgendetwas verdammt richtig. Für mich eben nicht. Und das ist okay :)

    Huhu Thorsten,

    Wenn ich's von hinten aufrolle - wir denken am Anfang, es geht um eine Position in irgend einem Unternehmen, aber in Wirklichkeit sind wir (und das ist die Pointe) in der Hoelle.

    Genau. Um mehr sollte es dabei auch gar nicht gehen. Eine kleine Scharade, nichts weiter: Der Sachverhalt stellt sich initial als X dar, entpuppt sich aber als Y. Das "trägt" natürlich nicht auf lange Sicht, weswegen ich mich für ein kurzes Format entschieden habe.

    Ich sehe die Anspielungen zu Dante's Inferno etwa die Kaelte im 9. Kreis - die sind aber auch nur lose, denn um da in der Nachbarschaft von Satan zu landen braucht man schon mehr als Totschlag und Luege.

    Die sollten tatsächlich auch nur lose angelegt sein: Allein mit dem Verweis darauf, was hinter den Türen zu Sektoren 7 und 9 zu sehen ist.

    Wie kommt jemand auf die Idee in einen anderen Kreis zu kommen - war das nicht eher der Punkt am Fegefeuer?

    Von meiner Seite war es so gedacht, dass die Sektoren mit niedrigeren Nummern weniger "schlimm" sind als Sektor 7 (oder später: Sektor 9). Ethan ist der Meinung, seine Zeit in Sektor 7 nun lange genug abgesessen zu haben und will daher zu einem "besseren" Sektor (= einem Sektor mit glimpflicheren Bestrafungsmethoden) wechseln. Freilich hat der Kerl recht fragwürdige (moralische) Vorstellungen.

    Generell scheint es in dieser Hoelle einfach nur Willkuer zu geben...

    Nun ... ja.

    ist da mehr das ich nicht sehe?

    Nein.

    Die obigen beiden Antworten klingen jetzt mit Sicherheit irgendwie frech, aber sie sind keinesfalls so gemeint :sack:Bloß weiß ich nicht, was ich sonst sagen soll, denn es ist exakt so, wie Du schreibst.

    Der Text ist nicht tief, nicht philosophisch, hat keine weiterführende Moral – nichts. Für mich war schlicht die Idee zentral, einen kurzen Text zu schreiben, der ein ganz klein bisschen mit Erwartungshaltungen spielt (bürokratisches Setting) und sie ad absurdum führt (bürokratisches Setting = Hölle).