Trevor schaute Esther nach, die sich auf den Weg zurückbegab. Dann betrachtete er die Münzen, die verstreut herumlagen und wandte sich Edmund zu. „Zumindest grenzt Esthers Fund unseren Suchraum ein.“
„Das stimmt“, meinte Edmund.
Die beiden schauten sich um und bewegten Sträucher zur Seite, schauten noch einmal in das Loch, in das Esther gerutscht war. Dass die Besatzung die Kiste in das Loch geworfen hatte, schloss Trevor aus. Wahrscheinlich wäre sie auf halben Weg steckengeblieben.
„Hier ist was!“, rief Edmund, und Trevor begab sich umgehend zu ihm.
„Was ist es?“
„Sieht aus wie ein schmaler Höhleneingang.“
Edmund war ein paar Meter den Hügel hinuntergelaufen und hatte unweit von ihnen einen Eingang entdeckt.
„Na, das sieht schon eher wie eine Stelle aus, an der man eine Kiste voller Gold lagern würde.“
„Vermutlich haben sie auf den Weg nach unten ein paar Münzen verloren“, mutmaßte Edmund. „Nur haben wir kein Licht.“
„Das stimmt.“
Beide hörten leises Plätschern aus dem inneren der Höhle. Anscheinend lief Wasser aus den Wänden und tropfte zu Boden. Aber ohne Fackel war nichts zu erkennen.
Sollten sie schnell zurücklaufen und Stoff holen? Eine Lampe vom Schiff?
Trevor stöhnte. Den ganzen Weg zurücklaufen … Das würde sie kostbare Zeit kosten. Deswegen riss er sich kurzerhand die Ärmel seines Hemdes ab und wickelte den Stoff um einen Ast. Mit den Feuersteinen, die er bei sich trug, zündete er die improvisierte Fackel an.
Edmund grinste. „So geht es natürlich auch.“
Beide ließen den schmalen Eingang hinter sich und betraten die Höhle. Spinnenweben hingen von der Decke, und Edmund umging diese mit einer Eleganz, die beinahe bewundernswert war. Trevor hatte aufgrund seiner Größe und Masse nicht die Möglichkeit und befreite sich lieber nach und nach von den klebrigen Fäden.
Plötzlich stand Trevor vor einem Abgrund. „Hier geht es nicht …“, setzte er an, aber weiter kam er nicht, als Edmund ihm im Halbdunkel anrempelte. „Pass doch …“ Fluchend ergriff er den Händlersohn und wollte sich an ihm festhalten.
„Spinnst d…“, schrie Edmund auf, aber wurde davon unterbrochen, dass er Trevors Körpergewicht nichts entgegenzusetzen hatte.
Was auch Trevor schnell merkte, und beide den Abhang hinunterrutschten.
Schreiend und wehklagend glitten sie den Hang hinunter, wodurch auch die Fackel erlosch.
Als beide kaum noch Atem zum Schreien hatten, landeten sie auf etwas Weichem.
Dem Schreien wich Husten. Irgendetwas war in der Luft, das die Atemwege reizte.
„Großartig“, sprach Edmund und stöhnte schmerzerfüllt. „Jetzt sitzen wir in einem Loch!“
„Ich kann die Hand nicht vor Augen sehen, so ein Mist“, ergänzte Trevor.
„Wo ist diese Fackel?“, fluchte Edmund und begann anscheinend wie Trevor, die Umgebung abzutasten.
„Ich hab sie!“, gab Edmund von sich.
„D… Das ist nicht die Fackel!“
„Oh …“
Kurz herrschte Schweigen.
„Würdest du deine Hand da bitte wegnehmen?“, fragte Trevor und bemerkte gleichzeitig, wie sich unwillkürlich seine Mundwinkel bewegten.
Bevor Edmund darauf antwortete, brachen beide in heiteres Gelächter aus.
„Warum lachst du?“, wollte Edmund von Trevor wissen.
Der hatte aber darauf keine Antwort. Er musste einfach lachen, obwohl an der Situation nichts komisch war. Sie hockten orientierungslos in einer Höhle fest.
Beide krochen auf dem sandigen Boden herum, ohne zu wissen, in was sie alles griffen – und das schien nicht mal Edmund zu stören. „So habe ich mir mein Grab nicht vorgestellt“, gestand dieser und lachte weiter.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihnen. Das merkte Trevor deutlich daran, dass er nicht aufhören konnte zu lachen. Edmund ebenfalls nicht. Normalerweise hätte Trevor kreative Hasstiraden zu ihrer Situation von Edmund erwartet, aber dieser lachte, kicherte und gluckste, während er das Offensichtliche aussprach.
„Vermutlich hat das was mit dem Zeug in der Luft zu tun, was wir eingeatmet haben …“, erinnerte Edmund Trevor an ihre Landung.
Natürlich, das musste es gewesen sein. „Wir müssen uns zusammenreißen!“, erwiderte Trevor, aber sein Lachen untergrub die Ernsthaftigkeit seiner Aussage.
„Siehst du auch diese bunten Farben? Ich glaube, ich kann Gerüche sehen“, sprach Edmund.
Trevor sah keine bunten Farben, dafür aber ein violettes Pferd, dass durch die Luft ritt. „Darum kümmere ich mich später …“, murmelte der Formwandler.
Sie krochen weiter, nachdem sie die Fackel nicht finden konnten. Den Abhang hinaufzuklettern, den sie runtergerutscht waren, war hoffnungslos – erstrecht ohne Licht. Aber vielleicht gab es noch einen Ausgang. Wenn der Schatz hier unten war, mussten die Schiffbrüchigen auch irgendwie hinausgekommen sein.
„Gibt es tanzende Pilze?“, fragte Edmund unterdessen.
„Siehst du welche?“, wollte Trevor wissen.
„… Vielleicht …“
Wieder kicherten beide. Trevor versuchte währenddessen, den blauen Bären, der in der Dunkelheit saß, zu ignorieren. Beide Männer wussten, dass es nicht real war, was sie sahen. Aber ihr Verstand ging trotzdem auf diese Halluzinationen ein. Sie konnten sich nicht wehren. Sie begannen immer wieder zu lachen, sich mit den Gnomen und Feen zu unterhalten oder diese Wesen nach dem Weg zu fragen. Edmund versuchte sogar, hin und wieder zu reimen. Von ihrem Tod in der Höhle, aber auch das konnten beide kaum ernst nehmen, wenn sie sich darüber amüsierten.
Doch dann sahen Trevor und Edmund das gleiche, nachdem sie um eine Ecke gebogen waren. Da war Licht – und das konnte keine Halluzination sein, denn beide sahen es.
Um eine weitere Ecke in etwas Entfernung schimmerte das Licht von Feuer.
Ohne sich wirklich zu fragen, wer dieses Feuer am Leben hielt, richteten sich beide auf und folgten dem Licht wie Motten.
Nachdem sie um die Ecke gebogen waren, standen sie in einer großen Höhle, erhellt von mehreren Fackeln und Feuerschalen. Große Felsen dienten anscheinend als Ablagen, überall lag Gerümpel herum, das Edmund und Trevor als Überbleibsel eines Schiffes ausmachten. Aber dann sahen sie auch die Kiste am anderen Ende. Das Gold darin schimmerte rötlich und zauberte bunte Reflektionen an die Höhlenwand. Das, oder ihre Halluzinationen verursachten das göttliche Bild ihres Ziels.
„Wunderbar! Wir haben ihn gefunden … den Schatz! Ich werde mir erstmal neue Kleidung kaufen und zu einem Barbier gehen. Ich sehe aus wie ein Hinterweltler …“, schwärmte Edmund.
Trevor folgte ihm und wollte auch schon von einer Rüstung anfangen, als sie das Rasseln von Ketten hörten.
„Ich hoffe nur, diese Fantasien hören auf“, motzte Edmund und wedelte mit seiner rechten Hand vor seinem Gesicht herum. „Diese dummen, geldgierigen Schmetterlinge … Die wollen nur unseren Schatz!“
Trevor hatte seine Probleme damit, das Pferd, das immer noch penetrant um sie herumritt, loszuwerden. Ständig duckte er sich unter den Hufen hinweg. „Dir folgt zumindest kein violettes fliegendes Pferd!“
Wieder erklang Rasseln. Und mit dem Rasseln bog um eine andere Ecke der Höhle eine seltsame Gestalt. Die Kleider hingen in Fetzen vom Körper – und der rechte Arm schien zu fehlen.
„Ehm … Edmund?“, sprach Trevor, während Edmund den Inhalt der Schatzkiste untersuchte.
„Münzen, Ringe, Ketten und …“
„Edmund?“, wiederholte Trevor lauter und tippte dem Händlersohn wild auf die Schulter. „Siehst du das Ding da?“
Edmund wandte sich genervt um. „Was sehe ich?“, schimpfte er. „Dieses entstellte Etwas? Wir wissen doch beide, dass wir unter dem Einfluss von irgendwas stehen.“
„Ja, aber … wir sehen es beide!“
Edmund schluckte trocken. „Hat deine Halluzination Kleidung der letzten Saison an?“
„Eher der vorletzten“, nuschelte Trevor.
Der Händlersohn legte eine Perlenkette beiseite. „Hässlich?“
„Schon!“
„Ketten?“
„Japp!“
Jetzt schrien beide zur Abwechslung, während jemand anderes lachte.
„Da sind uns Diebe ins Netz gegangen“, sprach eine fremde Stimme und eine zweite Gestalt kam in die Höhle. Dieser jemand sah nicht frischer aus als die Gestalt, die an einem Fuß an einer Kette hing.
Erst jetzt nahmen Trevor und Edmund den Gestank in der Höhle wahr.
„Frischfleisch für die nächsten Wochen …“, sprach der Fremde weiter und grinste, wodurch seine faulen Zähne zutage kamen.
Trevor versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, aber der tanzende blaue Bär im Hintergrund machte es ihm nicht einfach. Er musste seine Stärke fokussieren, aber das Misslingen brachte ihn nur wieder zum panischen Lachen.
Edmund verlor anscheinend keine Zeit und warf dem Kerl einen goldenen Krug gegen den Kopf.
Trevor wandte sich ihm zu und formte lediglich ein tonloses „Warum?“
„Die wollen uns fressen! Wollen wir noch auf das Rezept warten, das er benutzen wird? Solche Leute kauen einem doch immer erst ein Ohr ab, bevor sie versuchen, einen zu töten. Ersparen wir uns das. Töte sie einfach!“ Dann lachte Edmund. „Ohr abkauen … verstehst du?!“
„Ja, aber mit was denn?“, schrie Trevor, während der blaue Bär hinter Edmund auftauchte. „Ich habe keine Waffen bei mir!“ Trevor kicherte. „Der Wortwitz war aber gut … Ohr abkauen, weil sie Kannibalen sind. Ich verstehe …“
Zwei weitere Gestalten tauchten hinter dem auf, der sich den Kopf rieb. „Fesselt und tötet sie. Die Reihenfolge ist egal …“
Trevor schaute sich hektisch um, ob er etwas als Waffe benutzen konnte und ergriff einen Knochen vom Boden.
„Ist das ein Oberschenkel?“, wollte Edmund wissen.
„Ist das wichtig?“, fragte Trevor, aber rümpfte selbst die Nase, als er die verwesenden Fleischfetzen daran bemerkte. „Der ist nicht mal ordentlich abgekaut. Schämt euch!“
Die drei nicht in Ketten liegenden Gestalten rannten umgehend auf Edmund und Trevor zu.
Edmund ergriff alles Schwere, das in seiner Nähe lag und warf es nach den Kannibalen.
Trevor hingegen ging auf sie zu und haute dem ersten den Knochen über den Schädel. Er musste die Enge zwischen dem Gerümpel ausnutzen, dass sie nicht gleichzeitig angreifen konnten.
„Ducken!“, rief Edmund und warf einen Kerzenständer samt brennenden Kerzen.
Trevor duckte sich, und der Kerzenständer flog einem der Kannibalen mitten ins Gesicht, wodurch seine verdreckten Haare Feuer fingen. Schreiend drehte sich dieser im Kreis und sprang kopfüber in einen Kessel.
Trevor schlug danach mit dem Knochen zu. Blut spritzte dem Formwandler ins Gesicht, während der Kannibale vor ihm mehrere Zähne verlor. Der Formwandler trat dem Kerl gleichauf gegen den Oberkörper, aber dieser fiel nur dem Hinteren in die Arme, der ihn umgehend wieder Trevor entgegenschubste.
Edmund rannte in die andere Richtung. Ihm gingen anscheinend die Wurfgeschosse aus, sodass er nach etwas anderem Ausschau hielt.
Trevor versperrte den beiden den Weg und wog den Knochen in seiner Hand. Gezielt schlug er wiederholt zu, bis der morsche Knochen abbrach. Mit zertrümmerten Gesicht ging aber zumindest der erste Kannibale zu Boden, sodass Trevor seine Chance sah, Edmund zu folgen.
Der Kannibale, dessen Haupt gebrannt hatte, richtete sich dampfend wieder auf und hatte überall Fetzen von Fleisch an sich hängen. „Meine Haare! Meine wunderschönen Haare“, beschwerte er sich.
„Das nanntest du Haare?“, hinterfragte Edmund lautstark. „Sei froh, ich habe dich von dem Vogelnest befreit.“
Auch wenn Edmund souverän konterte, konnte Trevor die Panik in dessen Augen sehen. Aber ihm ging es nicht anders. Gegen Kannibalen hatte der Pirat noch nie gekämpft. Er hatte von solchen Leuten gehört, die nach einem Schiffbruch Unaussprechliches getan hatten, aber noch nie sollte er selbst auf dem Mittagstisch solcher Menschen landen. Es mussten Männer der Crew sein, die noch lebten. Anders konnte er sich ihre Anwesenheit nicht erklären.
Zudem ließ die Wirkung ihrer Halluzinationen allmählich nach, wodurch Trevor und Edmund immer mehr erkannten, wo sie sich befanden. Hatten sie zuvor nur das Schimmern des Goldes wahrgenommen, hingen nun plötzlich Gliedmaßen von der Höhlendecke, überall war getrocknetes Blut zu sehen – und zu riechen.
„Vorher war es angenehmer“, stellte Edmund fest, und dem konnte Trevor nur zustimmen.
„Hier!“, meinte Trevor und drückte Edmund den abgebrochenen Knochen in die Hand.
Sichtlich unterdrückte Edmund den Kotzreiz. „Widerlich …“
Trevor durchwühlte rasch das Gerümpel vor ihnen und fand ein kleines Messer. Dieses gab er dann Edmund und nahm lieber wieder den Knochen an sich. Die beiden Kannibalen kamen von beiden Seiten um den Felsen herum. „Ihr kommt hier nicht mehr raus. Wir haben den Ausgang versperrt, um die Steuern des Königs zu beschützen“, erklärte der menschenfressende Kassenwart.
„Hah! Aber es gibt einen Ausgang!“, wiederholte Edmund euphorisch.
Trevor und Edmund standen Rücken an Rücken, um beide Seiten abzudecken. Der Händlersohn fuchtelte wild mit dem Messer vor sich her, während Trevor dem Kassenwart das spitze Ende des Knochens entgegenhielt.
„Tut uns leid, wir sind ungenießbar“, meinte Trevor.
„Du vielleicht, aber bei dir muss man das Muskelfleisch nur lange genug kochen …“
Trevor stach zu, aber der Kannibale wich aus. Er warf dabei die Feuerschale neben sich um und steckte die Stofffetzen am Boden in Brand.
Trevor schlug mit seiner Faust zu und traf diesmal den Kannibalen. Ein zweiter Schlag brachte den Kerl zu Boden, weshalb er sich zu Edmund wandte und diesen neben sich stellte. Noch einmal stach Trevor mit dem Knochen zu und traf den Kerl, dessen Haupt gebrannt hatte, im Kehlkopf. Ein Schwall Blut trat hervor, der Edmund mitten im Gesicht, und Trevor am Oberkörper traf.
Der Kannibale röchelte, und Trevor rammte ihm den Knochen tiefer in den Hals, weshalb ein zweiter Blutschwall auf ihnen landete.
Geradezu apathisch stand Edmund da und spuckte das Blut aus. Nur sein rechtes Augenlid zuckte. Trevor war sich nicht sicher, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Unterdessen rappelte sich der Kannibale hinter ihnen wieder auf.
Edmund und Trevor wandten sich ihm zu. Edmund betrachtete das Messer, dann seine Kleidung. Danach nahm er Anlauf, schrie und schubste den Kerl rücklings ins Feuer am Boden.
Trevor stand erstaunt da. Edmund schien wirklich die Schnauze voll zu haben – und das nicht nur vom Blut. Aber nach der heroischen Tat, stolperte der Händlersohn über einen kleinen Felsen direkt in die Arme des angeketteten Kerls, der wohl teils die letzte Mahlzeit war. Zumindest hätte das den fehlenden Arm erklärt. Dabei flog das Messer quer durch den Raum. Trevor ignorierte den brennenden Kannibalen, der wild mit seinen Armen herumfuchtelte und in die Richtung rannte, aus der Edmund und Trevor gekommen waren. Stattdessen ergriff der Formwandler den Knochen, der noch im Hals des anderen steckte und lief auf beide zu.
Ein spitzer Schrei erklang von Edmund, als der angekettete Kannibale ihn zu Boden warf. Anscheinend versuchte der Kannibale, Edmund in die Nase zu beißen. Gesicht an Gesicht biss der angekettete Kerl ins Leere, solange, bis ihm Trevor den Knochen in den Hinterkopf rammte. Zumindest landete dieses Blut nur auf Edmunds Kleidung und diesmal nicht in seinem Gesicht.
„Das ist alles widerlich!“, schrie der Händlersohn und warf den Toten von sich. „Wie kann man so leben?“
Trevor zuckte mit seinen Schultern. „Vermutlich sind sie wahnsinnig geworden.“
„Ach wirklich?! Mir kamen sie ganz bei Sinnen vor ...“
Trevor reichte Edmund seine Hand und half ihm auf. "Dann stell keine Fragen, wenn du die Antwort kennst."
Beide waren über und über mit Blut bedeckt und sahen oder rochen selbst nicht besser als die Kerle aus der Höhle. „Aber wir haben den Schatz“, versuchte Trevor die Stimmung zu verbessern.
Edmund wimmerte. „Ich will mich nur noch waschen. Diesen Geruch werde ich nie wieder los, das weiß ich.“
„Lass uns erstmal hier rauskommen!“, erwiderte Trevor und klopfte Edmund aufmunternd auf die Schulter.
Rasch sammelten sie alles Gold ein, verstauten es in der Kiste und schlossen sie. Der Ausgang befand sich sicherlich in dem Teil der Höhle, aus dem die Kannibalen gekommen waren. Allerdings bereuten die beiden schnell, nicht mehr gänzlich unter dem Einfluss der Substanz zu stehen, die sie eingeatmet hatten. Haut hing an Leinen von der Decke. Sicherlich war über die Hälfte der Crew gegessen worden. Knochenberge lagen herum und es stank bestialisch. Selbst Trevor musste sich zusammenreißen. Der Geruch brannte ihm in den Augen. Edmund schnappte sich ein einigermaßen – nicht blutverseuchtes – Tuch und wickelte es sich um Nase und Mund.
„Halte nach einem großen Felsen Ausschau“, meinte Trevor. Er war sich sicher, dass die Besatzung damit den Ausgang versperrt hatte.
Zu ihrem Unmut befand sich nur ein großer Felsen in der Höhle. Und dieser befand sich hinter dem größten Berg an Fleisch und Knochen.
„Es war klar … so klar“, nuschelte Edmund wütend hinter seinem Tuch.
Trevor hielt sich seinen Arm schützend vor die Nase und schaute sich den Felsen genau an. Durch einen kleinen Ritz erkannte er Tageslicht. „Ja, das ist der Fels … Allerdings müssen wir die Leichenteile wegschaffen, damit ich ihn schieben kann.“
„Du hast nicht zufälligerweise noch eine Schippe in deiner Hose?“
„Wenn, würde ich mir Gedanken machen“, erwiderte Trevor nachdenklich.
Wenn sie in die Freiheit wollten, kamen sie nicht drum herum. Sie mussten den Ausgang freischaffen.
„Kein Wort hierrüber … zu niemanden!“, forderte Edmund.
„Keine Sorge … Es ist auch nicht mein glorreichstes Erlebnis.“
Tatsächlich schafften es beide, den Ausgang so weit zu befreien, dass Trevor den Felsen wegschieben konnte. Sie ergriffen die Kiste und machten, dass sie aus der Höhle kamen.
Es dauerte eine Weile, bis sie mit der Schatzkiste durch den unwegsamen Dschungel gelangt waren. Am Strand angekommen, ließen beide die Kiste hinter Esther und Nelli fallen, welche sich mit großen Augen zu ihnen herumdrehten.
„Was ist denn … mit euch passiert?“, fragte Nelli schockiert, während Esther versucht war, sich die Nase zuzuhalten. Wer wollte es ihr verübeln?
„Nichts!“, sprachen Edmund und Trevor mit einer Stimme. „Wir wollen nicht darüber reden!“
Trevor schnipste ein Stück Fleisch von seiner Schulter, und Edmund ergriff ein Stück Haut von seiner Kleidung und warf es angewidert zur Seite.
„Wir haben den Schatz gefunden!“, ergänzte Trevor und lachte unsicher mit hoher Stimme. „Und jetzt gehen wir uns waschen. Einfach … nur … waschen.“
Die beiden ließen die verwundert dreinblickenden Frauen hinter sich und liefen geradewegs zum Strand.
Edmund fuchtelte gehend mit seiner rechten Hand vor sich herum. "Scheiß Schmetterlinge ... haut ab!"
„Wie war dein Tag so?“, wollte Trevor von Edmund wissen.
„Ich bin froh, gerade keine Gerüche mehr sehen zu können …“
Trevor nickte, während das violette Pferd Richtung Sonnenuntergang ritt.