So nun noch der zweite und letzte Teil
Auf der Treppe saß Karenn.
„Wo ist Alajea?“, fragte Nevra.
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Sie ist im Arztzimmer des Tempels und wird behandelt.“
„Was um Himmelswillen ist passiert?“, grätschte Keilin dazwischen.
„Du weißt doch, wie sie ist. Alajea ist einem kleinen Alcopafel zu nah gekommen und dann ist die Mutter dazwischen, dabei hat sie sich am Arm verbrannt.“
Nevra seufzte. „Ich hoffe, es ist nicht zu schlimm?“
„Nö, sie meinten, es sei nur oberflächlich.“
Keilin und er atmeten erleichtert aus.
„Habt ihr etwas herausfinden können?“, fragte er seine kleine Schwester,
„Naja nicht wirklich viel. Wir haben gesehen, dass einige Ähren der Reispflanzen schon sehr dürr aussehen und auch dass die Alcopafel sich sehr seltsam verhalten, würde ich mal sagen.“
„Was meinst du mit seltsam?“, fragte Keilin nach.
„Hm wie soll ich das sagen. Sie sehen so ziellos und verwirrt aus, als ständen sie neben sich.“
„Das klingt wirklich merkwürdig“, antwortete ihr Bruder. „Die Gefährten die wir im Wald getroffen haben, sind ganz normal, bei ihnen sehen wir überhaupt keine Veränderung, aber wir haben das hier gefunden.“, erklärte er und drehte sich dann zu Keilin.
Sie löste das Fläschchen vom Riemen und zeigte es Karenn.
„Was ist denn das?“
„Wir wissen es auch nicht“, antwortete sie. „Aber wir hoffen, dass uns hier Alajea weiterhelfen kann.“
Während dem Abendessen berichtete die Garde von Eel Huang Hua und Feng Zifu was sie heute herausfinden konnten.
„Lasst mich bitte sofort wissen, wenn ihr etwas über diese rote Kristallkugel herausfinden konntet, das könnte vielleicht die Ursache des ganzen Übels sein“, vermutete Huang Hua.
Nach dem Essen gingen die Vier zu Alajea aufs Zimmer und erklärten ihr alles.
„Es tut mir furchtbar Leid, dass ich mich verletzt habe, aber ich werde es wieder gutmachen. Glaubt mir. Ich werde herausfinden, was dieses rote Zeug ist, auch wenn ich dafür die ganze Nacht wach bleiben muss.“
„Das ist ambitioniert, aber du musst dich auch ausruhen, also mach bitte langsam“, riet ihr Keilin.
Keilin und Nevra gingen auf ihr Zimmer.
„Ich brauche zuerst eine Dusche“, sagte er und dann huschte ein schelmisches Grinsen über seine Lippen, „möchtest du mitkommen?“
„Heute nicht. Ich will schon mal unsere gesammelten Informationen zusammenschreiben“, antwortete sie und gab ihm einen flüchtigen Kuss und schob ihn dann Richtung Badezimmer. „Husch husch.“
Sichtlich enttäuscht verschwand er ihm Bad.
Keilin nahm ihr Notizbuch aus dem Rucksack und ging hinaus auf den Balkon. Dort setzte sie sich an den kleinen Holztisch und begann den heutigen Tag niederzuschreiben. Nachdem sie fertig war, klappte sie das Buch zu und stand auf. Sie lehnte sich an das hölzerne Geländer und blickte in das Tal hinab, wo sie warme Lichter, welche sich bewegten, erkannte. „Das werden wohl die Alcopafel sein. Wahnsinn, dass ich ihre Flammen von dieser Entfernung sehen kann.“
Plötzlich blitze ein kühles Licht am Ende des Tales auf. Keilin konzentrierte sich. „Kommt das aus dem Pinguin-Wald?“ Das Licht bewegte sich, so als würde es von jemanden oder etwas ausstrahlen.
Plötzlich schlangen sich zwei Arme um ihren Hals und kühle Wassertropfen fielen auf ihre freien Schultern.
„Was beobachtest du da?“, hauchte er an ihr Ohr.
Sie legte eine Hand auf seinen Arm, mit der Anderen zeigte sie auf das bläuliche Licht, welches aus dem Wald drang. „Kannst du das sehen?“
Er wendete den Blick von ihr und sah hinüber. Er runzelte die Stirn. „So spät wird doch keiner mehr im Wald sein“, sagte er.
„Aber irgendjemand muss dort sein. Wir sollten morgen früh Huang Hua fragen, ob sie davon etwas weiß. Vielleicht ist es auch nur ein Gefährte.“
„Gut aufgepasst, meine kleine Sowige“, flüsterte er und küsste ihren Nacken.
„Was ist denn eine Sowige?“, fragte sie skeptisch.
Er drehte sie zu sich. „Das ist ein weißer Vogel mit blauen Augen und sie sind für ihre scharfes Sehvermögen bekannt. So wie du“, erklärte er ihr.
Sie wurde rot. „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“, scherzte sie und kann ein beginnendes Gähnen nicht unterdrücken.
„Heute war ein langer Tag, lass uns schlafen geh. Heute finden wir zudem auch nichts mehr heraus.“
Keilin nickte und ließ sich von ihm zum Bett führen. Nach einigen Minuten driftete sie, von seinen Armen umschlungen, in den Schlaf.
Während alle am Morgen noch etwas schlaftrunken, am Morgentisch saßen und frisches Obst aßen, kam Alajea in den Gemeinschaftsraum gestürmt.
„Ich habe herausgefunden, was diese rote Kristallkugel ist“, verkündete sie.
Alle Blicke sind auf sie gerichtet und warteten gespannt auf ihre Erklärung.
„Es ist wie eine Art Droge, welche Fieber verursacht und sehr schnell abgängig macht.“
„Das Zeug ist essbar?“, fragte Chrome verwundert.
„Ja es wurde ein besonderes Kraut, welches Aminat heißt, untergemischt und für Gefährten wie einem Alcopafel besonders lecker riechen müsste.“
Die Blicke aller Anwesenden weiteten sich.
„Soll das bedeuten, dass irgendjemand diese Droge hergestellt hat und den Alcopafel zum Fressen gegeben hat?“, fragte Huang Hua.
„Ja das glaube ich.“
Keilins Blick kreuzte dem von Nevra. „Glaubst du das gleiche wie ich?“, flüsterte sie ihm unauffällig zu.
Er nickte, dann erhob er das Wort. „Huang Hua Keilin und ich wollten dich übrigens noch etwas Fragen, denn gestern Nacht haben wir im Pinguin-Waldes ein bläuliches Licht ausmachen können. Weißt du etwas davon?“
Sie zog ihre Augenbrauen zusammen. „Seltsam. Nein das ist mir noch nie aufgefallen. Denkt ihr etwa …“
Er nickte. „Ja es könnte die Person sein, die hinter all dem steckt“, vermutete er.
Die Sonne stand schon tief am Horizont, als Keilin, Nevra und Chrome den Pinguin Wald erreichten.
„Wo habt ihr dieses Licht etwa gesehen?“, fragte Chrome.
„Eher westlicher des Wald in der Nähe des Pilgerpfades“, antwortete ihm Nevra.
Sie liefen eine Zeitlang suchend durch den magischen Wald.
„Hab ihn!“ Zielstrebig lief Chrome einer Duftspur hinterher und die anderen folgten ihm.
Einige Augenblicke später erreichten sie einen ähnlichen Platz, wie am Vortag. Die rote Droge war über den Boden verteilt und an den Baumstämmen waren verkohlte Spuren von Flammen zu sehen.
„Das scheint wirklich die Ursachen für die Veränderung der Alcopafel zu sein“, sagte Keilin.
„Ja scheint so. Jetzt müssen wir noch den Fadenzieher überführen“, antwortete Nevra und seine Miene verfinstert sich.
„Wir werden uns hier auf die Lauer legen und auf eine Information von Karenn warten“, verkündetet Nevra.
Stunden vergingen und die Nacht brach an. Plötzlich ertönte eine Stimme. „Hört ihr mich?“
„Ja wir hören dich Karenn“, flüsterte Keilin in eine gläserne Kugel, die sie aus ihrer Ledertasche zog.
„Das Licht ist aufgetaucht. Könntet ihr mir euren Standort zeigen, dann lotse ich euch in die Richtung.“
„Geht klar.“ Nach seiner Antwort holte Nevra einen leuchtenden Stein aus seinem Beutel und warf diesen in die Luft, so das er die Baumkronen überreichte, dann fing er ihn mit Leichtigkeit wieder auf.
„Meinst du, sie konnte das sehen?“, fragte Chrome skeptisch.
„Natürlich konnte ich das sehen. Ich bin ja kein blinder Wurm“, beschwerte sich Karenn.
„Also das Licht ist südöstlich von euch, in der Nähe der Sizhe Berge. Brüderchen werfe etwa jede 100 Meter den Stein in die Luft, damit ich sehe, ob ihr noch richtig seid.“
So lotste sie die drei quer durch den Pinguin-Wald.
„Halt! Bleibt mal kurz stehen“, rief sie überrascht. Sekunden vergingen. „Schnell, versteckt euch irgendwo. Das Licht kommt auf euch zu.“
Schnell suchten sie Schutz hinter Baumstämmen und dichten Büschen.
Einige Augenblicke später waren schwere Fußstapfen zu hören. Nevra gab seinen Kameraden ein Zeichen, dass sie warten sollen und sogleich lief eine Person, unter einem grünen Umhang vermummt, an ihnen vorbei.
Dann sprang Nevra aus dem Hinterhalt und überrumpelte die Person.
„Ah was soll das. Lass mich sofort los“, schrie eine Männerstimme.
„Nicht bevor wir dir einige Fragen gestellt haben“, sagte Keilin und kam gemeinsam mit Chrome aus ihrem Versteck.
„Wenn ihr Geld wollt, muss ich euch enttäuschen. Ich habe überhaupt nichts, ihr Halunken.“
„Wir sind keine Halunken. Wir sind die Garde von Eel und gehen den Phänomenen hier am Tempel auf den Grund“, erklärte Nevra.
Sofort wurde der Mann respektvoller. „Und was will die Garde von einem armen Mann, wie mir?“
„Sie will wissen, was sie mitten in der Nacht im Wald tun“, sagte Chrome und hob die Nase in die Luft. „Und scheinbar hat sie ihr Ziel gefunden. Nevra er riecht nach diesem roten Zeug.“
Sein Griff um den Mann schnürte sich zu. „Raus damit. Warum geben sie den Alcopafel diese Droge?“, bohrte er nach.
„Was für Drogen und was soll ich mit den Alcopafel machen?“
Chrome trat näher an den Mann und riss ihm einen Beutel vom Gürtel. Den Inhalt schüttete er sich auf die Hand. „Dieses rote Zeug“, sagte der kleine Wolf.
„Schluss mit den Lügen. Raus mit der Wahrheit“, forderte Nevra ihn auf.
Aber der Mann verschloss sich und sagte kein Wort mehr.
„Wissen sie überhaupt, was sie damit angerichtet haben? Wegen ihnen wird es nicht genügend Ernte geben und die Leute hier werden über den Winter hungern“, klagte Keilin.
Der Mann erhob seinen Blick und ein tiefer Hass huschte über sein Gesicht.
„Gut. Du willst nicht reden, dann werden wir dich wohl mitnehmen und im Tempel verhören müssen“, sagte Nevra.
Am Eingang des Fenghuang Tempels eilte ihnen schon Huang Hua entgegen. Als sie den Mann in den Fesseln erkannte, blieb sie stehen und ihr Blick weitete sich. „Son Juan, du … du steckst hinter all dem?“
Als der Mann seinen Blick hob, quoll Hass aus seinen Augen. „Ihr habt das alle verdient“, brüllte er über den großen Tempelplatz. „Ihr seid schuld, dass meine kleine Tochter nun tot ist.“
Alle Gardenmitglieder sahen überrascht von Son Juan zu Huang Hua, deren Blick sich erneut weitete.
„Huang Hua, erkläre uns das bitte“, forderte Nevra sie auf.
„Oh Son Juan, das mit deiner Tochter tut mir furchtbar leid“, entschuldigte sie sich bei dem Mann.
„Tu nicht so, als würde es dir leidtun, denn du hast uns von hier verbannt und du wusstest was das bedeutete.“
Keilin packte Huang Hua am Arm. „Stimmt das?“ Die Fenghuang wich ihrem Blick aus und nickte.
„Aber warum?“
„Er hat mehrfach große Mengen an Essensvorräte aus den Vorratskammern gestohlen, um große Feste mit Familien aus anderen Regionen feiern zu können. Und das alles nur, weil er sein Ansehen gegenüber den adeligen Familien nicht verlieren wollte.“
„Ich habe nur das genommen, was mir zustand. Das war meine Ernte. Von meinen Feldern.“
Huang Hua erhob ihre Stimme. „Wir sind eine Gemeinschaft und wir teilen unsere Güter gleichmäßig auf, das hast du noch immer nicht verstanden. Ich musste das tun, um den Frieden in der Gemeinschaft zu erhalten, aber du musstest deine Taten noch verschlimmern“, schrie sie ihn an.
Keilin versuchte die Situation zu deeskalieren und stoppte Huang Hua.
„Durch deine von Hass geblendeten Taten hast du die eh schon schlechte Ernte durch die Instabilität des Kristalls noch viel schlimmer für die Leute hier gemacht. Jeder wird noch weniger Essen haben und vielleicht wird es so wenig geben, dass die Alten und Schwachen verhungern. Kinder mit hungrigen Mägen schlafen gehen müssen. Hättest du dir auch so eine Zukunft für dein verstorbenes Kind gewünscht?“, erklärte Nevra nüchtern.
Der Mann werte sich nicht mehr in seinen Fesseln, sondern sackte auf den Boden.
„Marisa …“, schluchzte er. „Ich wollte doch nur, dass sie die Möglichkeit bekommt, höher hinauszukommen. Anders als ihre Eltern, die nur einen kleinen Hof besaßen.“
Einige blickten nach unten. Konnten seine Beweggründe zum Teil verstehen.
„Aber dein Weg war egoistisch“, sagte Keilin ihm. „Sag uns, was du mit den Alcopfael gemacht hast und ob wir ihre Veränderung rückgängig machen können.“
Langsam wurde Son Juan bewusst, was für Auswirkungen sein Handeln haben wird.
Er erzählte ihnen, dass er den Gefährten die rote Droge gab, mit dem Wissen, dass ihre innere Hitze dauerhaft aktiviert werden würde und die Alcopafel den Wald dann verlassen würden. Denn die Hitze staute sich unter den Baumkronen, deswegen gingen sie auf die freie Ebene und zum Schlangenfluss, um ihren ergiebigen Durst zu löschen. Nachts brachte er ihnen noch mehr von der Droge, um ihre Veränderung beizubehalten. Da die Gefährten so gierig nach den Drogen wurden, konnte auf der Ebene nichts von den roten Kristallkugeln gefunden werden.
„Wie grausam, so etwas den Alcopafel anzutun“; kritisierte Huang Hua, „aber das bedeutet, dass sie wieder normal werden können.“
„Ja. Ihr Körper muss die Droge nur abbauen.“
„Und wie lange dauert das?“, fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern. „Vermutlich einige Wochen.“
„Na super“; meckerte Nevra. „Das bedeutet wir müssen alle Acopafel, die auf der Ebene sind vorübergehen umsiedeln, wo sie keinen Schaden anrichten können“, sagte er und zog den Mann wieder auf seine Beine. „Und du wirst uns dabei helfen.“
Er nickte und ließ sich von zwei Männern, die Huang Hua heranwinkte, in den Tempel bringen.
„Das hier bleibt bitte unter uns, bis wir entschieden haben, was wir mit Son Juan tun werden“, bittet sie die Gardenmitglieder.
Am nächsten Morgen begannen sie die Alcopafel zusammenzutreiben und in die Berghöhen nördlich der Ebene zu treiben, wo es einen großen See gab und das Klima sehr kühl war. Dort werden sich die Gefährten vorerst wohl fühlen.
Nach Beendigung der Mission verabschiedete sich die Garde von Eel und reiste zurück zum Hauptquartier.
Drei Wochen später erhielt Miiko einen Brief von Feng Zifu.
Liebe Garde von Eel,
Wir möchten uns herzlich bei euch, für eure Hilfe bei dem akuten Problem, beim Fenghuang- Tempel, bedanken.
Wir möchten euch informieren, dass die Alcopafel, welche wir in die Berge getrieben haben, wieder ihr normales Verhalten aufzeigen und sie von alleine wieder zurück in den Pinguin Wald gezogen sind.
Außerdem haben wir eine Entscheidung bezüglich Son Juan getroffen. Er hat seine Fehler eingesehen und möchte seine Taten wieder gutmachen. Er wird seine versteckten Fähigkeiten in der Alchemie dafür nutzen, die Ernte zu retten und er wird bei Missionen teilnehmen, um Nahrung aus den naheliegenden Wäldern zu beschaffen.
Feng Zifu, im Namen des Phönix