Ich schließe mich Chaos Rising an, dass deine Ausführungen sehr ausführlich sind und ich deswegen kaum etwas hinzufügen kann. Ein klasse Beitrag! Im Prinzip kommen wir hier wieder in die Gewässer von Show-Don't-Tell.
So, das war’s von meiner Seite aus! Wie steht ihr zum Thema »Subtext«?
Ich mag Subtext auch, weil ich mich, wie die anderen hier schon geschrieben haben, sonst unterfordert oder bevormundet fühlte. Ich bemerke aber auch, dass es Geschichten gibt, die mit deutlich weniger Subtext auskommen und vielleicht deswegen verdammt gut sind. Das führe ich mal zu einer der folgenden Fragen näher aus.
Wie geht ihr in euren Geschichten damit um? Welche Methoden nutzt ihr, um Subtext in eure Werke zu integrieren?
Ich versuche mit Subtext zu arbeiten, so gut es geht. Das Ding ist, dass meine Geschichten erfahrungsgemäß lebendiger werden, wenn ich sie improvisiere, aber sie brauchen für sinnvollen Subtext und den nötigen Fokus auch einen gewissen Anteil an Planung. Ich denke, dass sich Subtext für mich also vor allem nachträglich, wenn die groben Dinge alle stehen, einarbeiten lässt, und dann die szenischen Abschnitte erst wirklich glänzen können.
Lest ihr gerne Geschichten, die auf viel Subtext setzen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
Ich lese unterschiedliche Geschichten aus unterschiedlichen Gründen sehr gerne. Die verschiedenen Typen von Geschichten und Erzählperspektiven/-situationen (oder wie auch immer man das nennt) scheinen jeweils mit mehr oder weniger Subtext leben zu können. Je filmischer und szenischer eine Geschichte geschrieben ist, umso wichtiger wird es eigentlich, und die meisten Geschichten, gerade in der Genre-Literatur, sind sehr filmisch geschrieben.
Jetzt stehe ich aber auch auf Fabulierer wie Walter Moers, die manchmal eine sehr starke Präsenz vom Erzähler haben. Vielleicht liegt es auch am Humor, aber ich habe den Eindruck, dass Moers geraderaus einfach alles ausspricht. Kann man doof finden, aber seine Geschichten leben eher selten vom Mystery-Anteil - und wenn sie es doch tun, dann arbeitet er auch ganz bewusst mit Subtext. Wahrscheinlich kommt es auch aufs Genre an, aber wenn ein Autor mir etwas anderes anbieten kann, beispielsweise ein tolles Spiel mit Sprache, komme ich auch mit weniger Subtext aus.
Wie hoch schätzt ihr das Risiko ein, dass Leser den Subtext nicht aufgreifen? Ist das ein Grund, auf Subtext zu verzichten?
Es gibt immer Leser, die Subtext nicht aufgreifen werden. Um auf Show-Don't-Tell zurück zu kommen: Bestimmte Informationen sollten an den wichtigen Stellen einer Geschichte einfach direkt vermittelt werden mMn. "Zeigen" statt "behauten", bedeutet ja, dass man eine Info irgendwie indirekt an die Leser bringt. Aber man kann nicht jede Information indirekt ausdrücken, manches muss für die Klarheit der Informationen einfach geraderaus vermittelt werden.
Meiner Erfahrung nach wollen viele Leser die Gedanken einer Figur direkt vermittelt bekommen, um ihre Motivation verstehen zu können. Das ist beispielsweise ein Feld, wo ich allzu viel Subtext eher vermeide, denn was eine Figur denkt, ist ja ziemlich direkt, warum also viel um den heißen Brei herum reden? Ob die Schlüsse, die eine Figur zieht, jetzt der Wahrheit entsprechen oder eher nicht, ist dann wieder eine andere Frage.
Das Beispiel mit Bellas Vater Charlie finde ich da auch sehr nett. Bella sagt es uns direkt - okay, kann sie machen. Ihr Vater ist aber auch eine wichtige Figur (nehme ich an?), bei ihm könnte man also eigentlich mehr Mühe in den Subtext investieren, denn er wird ja durchaus mehr Präsenz in der Geschichte haben. Da ist mit der Erklärung eigentlich eine Chance vertan. Wäre ihr Vater kaum in der Geschichte vorhanden, könnte Bella uns einfach mitteilen, dass ihre Beziehung zu ihm nicht gut ist, und das würde uns vielleicht etwas über sie mitteilen, statt unnötig zu erklären. Dann wäre so ein Satz vielleicht sogar ein cooler kleiner Fakt.
Mir kommt hier spontan die Beobachtung, dass es ein Textgenre gibt in dem man praktisch gar nicht in Versuchung gefuehrt ist ohne Subtext zu arbeiten - das... Drehbuch.
Im Flim haengt ja kein Erzaehler rum der uns zusammenfasst wer was fuer ein Typ ist, sondern das muessen die Dialoge und das Spiel der Schauspieler tragen.
Ich finde das Beispiel sehr passend! Ich beobachte, dass Literatur vor der Moderne oft deutlich mehr Präsenz vom Erzähler hatte. Persönlich ist das ein Element, das ich mag, aber ich mag auch nicht gerne auf moderne Szenen verzichten; diesen Erzählstil kann man sonst sehr trocken und elendig zu lesen machen. Seit der Moderne gibt es immer weniger auktoriale Erzähler, und ich denke, das hat auch mit dem Film zu tun. Die Leute schreiben jetzt deutlich mehr mit Filmen im Sinn.
Die Tendenz, Begleitsätze und Filterwörter ("dachte sie", "fühlte er", und das gleiche mit schmecken, riechen etc.) zu vermeiden und die Präsenz von einer vermittelnden Erzählerinstanz immer weiter zu reduzieren, ist ja auch zu beobachten. Die Beschreibung "drehbuchartig" habe ich dafür auch schon öfter gesehen. Das geht für mein Empfinden schon etwas zu weit, denn so zu tun, als gäbe es einfach keine Erzählinstanz, kann ja auch nicht die Lösung sein.