- Die Rückkehr -
Ich ließ meine Augen über die Palisade wandern. In den zwei Wochen, die nach der Flucht vergangen waren, hatte sich vieles im Nest geändert.
Storm wurde abgesägt. Rick war zum Leutnant befördert worden und er wiederum hatte Ming zum Sergeant ernannt. Spätestens damit wurde eine Welle der Neuerungen losgelöst. Ming verlor wirklich keine Zeit damit. Seine erste und vermutlich beste Idee war die Palisade.
Es war kein wirklich hoher Wall. Sie war eher niedrig, kaum brusthoch, ein Soldat konnte bequem über ihr hinweggucken, aber das war genau der Zweck dahinter. Wir hatten die Deckung, während die kleinen Reps weder in Rudeln, noch über die Flanke erfolgreich angreifen konnten. Gleichzeitig müssten sie sich schweren Beschuss aus den neuen Selbstschussanlagen aussetzen.
Wir hofften nur, die Palisade wäre auch stabil genug. Sie war nur aus Palmholz gemacht, aber die zusätzlichen angespitzten Pfähle, die jeden Meter verzierten, dürften auch schwere Dinosaurier abhalten. Niemand spießte sich gerne selbst auf, auch keine prähistorischen Echsen.
Noch in Gedanken erspähte ich Anna, die mit sorgenumwölkter Miene auf mich zukam. Diesen Gesichtsausdruck sah ich in letzter Zeit immer öfters, seitdem ihre Tochter im Lager angekommen war.
Es war für Cheyenne immer noch schwer, Anna als ihre Mutter zu bezeichnen, was aber kein Wunder war. Erst hatte man ihr erklärt, ihre Mutter sei tot, dann erklärten sie ihr, dass sie nur in der Kreidezeit war und völlig anders aussah. Welches Kind von vierzehn Jahren wäre davon nicht komplett verwirrt?
Natürlich rebellierte sie. Im Moment versuchte sie immer dann auszubüchsen, wenn ihre Mutter nicht hinsah.
„Cheyenne ist wieder verschwunden?“, fragte ich mitfühlend.
„Ja“, bestätigte sie jammernd.
„Meinst du nicht, dass du es vielleicht etwas übertreibst?“, meinte ich und spielte darauf an, dass Anna in letzter Zeit übervorsichtig geworden ist. „Ihr kann nichts passieren. Wir haben jetzt eine dicke Palisade, sie kann nirgendwo hin.“
„Und was ist mit Flugsauriern?“, fauchte sie mich an.
„Du weißt, dass wir gegen Flugsaurier bereits abgesichert sind. Die alte Flak haben wir mit der neuen Elektronik ausgestattet und darauf programmiert, alles vom Himmel zu holen, was größer ist als eine Schwalbe. Was soll also passieren?“
Irgendwie beruhigten meine Worte sie. Warum auch immer. Ich hatte nichts gesagt, was sie nicht bereits wusste.
„Hast du mit Tyr gesprochen? Nimmt er das Angebot an und wird Sergeant im Panzerlager?“, versuchte ich sie auf andere Gedanken zu bringen. Der ewige Konflikt mit Tyr und Ming schwelte noch immer und nach Mings Beförderung drohte er zu eskalieren. Der einzige Ausweg war, auch Tyr eine Beförderung anzubieten. Allerdings schön weit weg.
„Vorerst möchte er hierbleiben. Wegen Kia“, brachte sie mich auf den neusten Stand. „Seine Tochter ist zu eng mit den anderen Kindern hier befreundet. Er möchte sie nicht aus ihrer gewohnten Umgebung herausreißen. Aber er bedankt sich für das Angebot.“
„Hoffentlich beruhigt ihn das.“
„Ich denke schon. Er wirkte viel abgeklärter. Lya erzählte doch, er wurde merkwürdig, weil man ihn ständig überging. Das scheint sich geändert zu haben.“
Ich nickte und wir patrouillierten weiter an der Palisade. Der Palmenwald sah noch immer wüst aus, aber die Natur erholte sich auffällig schnell. Überall blühte das Grün und die Farne überdeckten bereits einen Großteil der Baumstümpfe.
„Lisa hat mir einen Brief geschrieben“, begann Anna.
„Echt?“, ich zog überrascht die Augenbraue hoch. Lisa hatte darauf bestanden, aus der Kreidezeit zu verschwinden, während Anna und ich dem Nest eine zweite Chance geben wollten. Unsere alten Leben waren quasi gestorben. Was sollten wir also in der Moderne?
„Ja, sie berichtet mir von der anderen Seite. Sie ist nicht besonders begeistert. Sie hat offenkundig keine gute Ausbildung, weil sie immer nur ihren Eltern auf der Tasche gelegen hat und hat jetzt einen dementsprechenden Job bekommen.“
„Autsch, jetzt muss sie wirklich für ihren Lebensunterhalt arbeiten?“
„Ja, mir tut sie auch leid.“
Von weiten sahen wir Rick auf uns zukommen. Der Kerl konnte einen eher leidtun als Lisa. Ein Lager voller rauer Soldaten am hintersten Winkel der Welt zu kommandieren, war eine Mammutaufgabe. Vor allen, wenn der alte Leutnant sich weigerte zu verschwinden. Strom hatte zwar seine Degradierung zum Militärberater akzeptiert, aber immer noch seine Kumpane. Da er aber keine Befehlsgewalt hatte, erntete er immer mehr Widerspruch, was das Lager wortwörtlich ruhiger machte. Inzwischen aßen sogar die Kinder morgens gemeinsam mit den Erwachsenen im Versorgungszelt.
Leider gab es auch Negatives. Der Oberst zum Beispiel. Er weigerte sich beharrlich, auf Ricks Forderungen einzugehen. Die neuen Geländewagen, die Rick angefordert hat, musste er direkt bei den Wissenschaftlern beordern. Keine leichte Aufgabe für ihn. Kein Wunder, dass er so aussah wie ein Waschbär auf Drogen.
Als er auf uns zukam, lächelte er hingegen. „Cheyenne hat gerade mit mir gesprochen.“
Immerhin war jetzt klar, wo Annas Tochter war.
„Und?“, fragte sie Rick besorgt.
Er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Sie hat sich als Kampfnamen „Shy“ ausgesucht und geht gerade auf den Schießplatz. Offensichtlich hat sie sich eingelebt.“
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Ende
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Hiermit habe ich meine erste längere Geschichte beendet. Es war aufwendiger als gedacht und hat auch länger gedauert als befürchtet. Aber ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Ich hoffe, es hat euch gefallen und ich würde mich über ein kurzes Kommentar wie immer freuen.
Für die Freunde der Statistik:
Diese Geschichte hat fast 47.000 Wörter.
1000 Wörter fielen dem Rotstift zum Opfer. (von 40.102 Wörtern auf 39.123 Wörter)
Im Laufe der Erstellung dieser Geschichte:
- Stürzte mir einmal nach vier Stunden Arbeit der PC ab
- Zerlegte sich ein USB-Stick
- Segnete eine Festplatte das Zeitliche
...und nahm alle Daten mit sich.
Dennoch habe ich es geschafft. Viel Spaß am Lesen.