Danke, Kirisha für deine Rückmeldung.
Kirisha
Die himmlischen Wächter positionieren sich auf dem Dach des Krankenhauses. Sehr schönes Bild. (Ist der Angriff also von oben zu erwarten? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten? (Mir fällt jetzt spontan die Hölle und also irgendein unterirdisches Eindringen ein ... ist aber nur so eine Idee. Es reicht sicherlich auch so. Da man als Leser ja auch keine Vorstellung hat welche Fähigkeiten die Angreifer haben könnten).
Ja, so 100%ig zufrieden bin ich mit dieser Szene ehrlich gesagt noch nicht. Ich dachte halt, es wäre gut, wenn die da nicht einfach reinmarschieren, sondern zumindest ein bisschen wert auf "Sicherheit" gelegt wird.
Außerdem wollte ich Aragel noch etwas charakterisieren, weil ich die Engeltruppe nicht ganz so blass erscheinen lassen möchte. Ich denke immer, wenn man mit den Namen etwas verbindet, hat man schneller ein Bild im Kopf. Aber ich bin mir halt auch hier nicht sicher, ob das alles schon so ausgereift ist. Vielleicht gehe ich da später nochmal drüber. Im Moment sehe ich den Part mehr wie eine Art Platzhalter.
Es ist ja eine ziemliche Düsternis in allen Gedanken. Daher bin ich nun wirklich gespannt ob schon jetzt etwas passiert oder ob die feindliche Seite noch abwartet. Oder Emilia selbst den Anfang macht. Das gibt es ja so einige Optionen. Unter dieser Prämisse könnte selbst Emilias Vorstellungsgespräch noch gruselig werden da man ja nicht weiß was kommt. Ich bin darauf schon neugierig - ein weiteres Voranschreiten einer "Normalität" (Und Emilias früherem Leben) in einer Welt die am Zusammenbrechen ist.
Ja, es ist gut, wenn man sich als Leser all diese Fragen stellt. Ich habe die Hoffnung, dass das ein bisschen für Spannung sorgt.
Und jetzt schwenken wir wieder zu Emilia. Ich bin sehr gespannt, wie euch das Kapitel gefällt. Ich werde es in zwei Teilen posten.
Los geht`s
Kapitel 11
War sie eben auf dem Parkplatz noch die Ruhe in Person gewesen, spürte Emilia die Nervosität jetzt mit jedem Herzschlag zunehmen.
Ein seltsames Zittern stieg in ihr auf, als habe ihr Kreislauf beschlossen, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen und sämtliche Körperfunktionen auf den Kopf zu stellen. Ihr Schädel brummte und der Schweiß brach ihr aus, als sie in dem modernen Schwingstuhl aufgeregt hin- und herwippte, während sie den Blick durch das Zimmer wandern ließ. Ein Familienfoto, das in einem dieser hochglanzpolierten Edelstahlrahmen steckte, zierte den penibel aufgeräumten Schreibtisch, auf dem sich neben einem spärlich gefüllten Stifthalter noch drei aufeinandergestapelte Ablagekörbe befanden. Die dunklen Stellen an dem hell verputzten Mauerwerk zeugten von dem Wandbehang, welcher hier zuvor noch befestigt gewesen war: Das große U2-Poster, die Gruppenaufnahmen vergangener Betriebsausflüge, der Dienstplan ... all das schien dem sterilen Weiß nackter Backsteine gewichen zu sein. Das liebenswert chaotische Bild von Silas Büro war ganz eindeutig durch eine ordentliche und gut strukturierte Persönlichkeit in ein hygienisch reines und äußerst zweckmäßiges Arbeitsumfeld verwandelt worden.
Mit einem Anflug von Wehmut sah Emilia hinüber zu dem kahlen Platz neben der Tür, an dem früher die Garderobe gestanden hatte. Henry, - das fast menschengroße Skelett, das von Silas einst zum Maskottchen der Abteilung ernannt worden war-, schien einen anderen Platz gefunden zu haben. Wahrscheinlich teilte nicht jeder den tiefschwarzen Humor, mit welchem Silas dem Team einst verkündet hatte, dass es ihre Aufgabe sei, sich den Lebenden zuzuwenden, solange sie die Hilfe noch brauchten. Das improvisierte Pappschild mit der Aufschrift ZU SPÄT, das er Henry umgehängt hatte, sollte jeden, der sein Büro betrat an diesen Umstand erinnern.
Ein seltsames Gefühl der Leere nahm von Emilia Besitz und obwohl sie versuchte, dagegen anzukämpfen, wurde sie wütend darüber, dass sich jemand anmaß all diese Dinge einfach wegzunehmen. Als hätten sie nie eine Bedeutung gehabt.
Es ist jetzt SEIN Büro, Lia. Verdammt!, rief sie sich in Erinnerung.
Kaum hatte Emilia ihren Gedanken zu Ende gedacht, da öffnete sich die Tür und Dr. Gundlach betrat den Raum. Zu Emilias Erstaunen war das Bild, das sie von ihm in ihrer Erinnerung abgespeichert hatte, recht präzise gewesen: Klein, dickbäuchig und kahlköpfig traf es nahezu auf den Punkt. Sein weißer Kittel hob sich kaum von der Wandfarbe ab, womit er sich wunderbar in das Ambiente des Besprechungszimmers einfügte. Weder Silas, noch sein Vorgänger, Dr. Albertree, hatten gesteigerten Wert daraufgelegt, sich innerhalb des Wohnheims derart zu kleiden. Das hier war das Zuhause von psychisch kranken Menschen. Es sollte nicht an ein Krankenhaus erinnern, selbst, wenn sich die Räumlichkeiten nun mal innerhalb eines Klinikgebäudes befanden. Mit einer knappen Geste blickte Dr. Gundlach auf seine Uhr und wandte sich dann zu Emilia um.
„Frau Kent“, sagte er und nickte ihr flüchtig zu, bevor er die Tür hinter sich schloss und auf seinen Schreibtisch zumarschierte. Die Papiere, die er in der Hand hielt, wanderten in den oberen Ablagekorb, während die Klemm-Mappe, von der Emilia annahm, dass es ihre Personalakte war, daneben abgelegt wurde.
„Hallo“, antwortete Emilia und räusperte sich, in der Hoffnung, den Kloß in ihrem Hals auf dem Wege beseitigen zu können. Der Blick von Dr. Gundlach blieb an ihr hängen. Kurz schien er sie zu mustern, bevor er sich den Stuhl zurechtrückte, um ihr gegenüber Platz zu nehmen.
„Mein Name ist Dr. Gundlach. Ich leite die Abteilung“, stellte er sich knapp vor. Offenbar war ihm nicht bewusst, dass sie einander bereits vor einiger Zeit vorgestellt worden waren. „Sie möchten also wieder im St. Anna-Stift arbeiten“, sagte er ohne Umschweife. Dabei schlug er die Beine übereinander, faltete die Hände in seinem Schoß und sah Emilia über seine Brille hinweg abwartend an.
„Ja, das würde ich sehr gerne“, antwortete diese und bemühte sich, dem Blick des Mannes standzuhalten.
„Es ist eine Weile her, dass sie zuletzt bei uns waren...“, setzte Dr. Gundlach an und griff nach der Akte, um darin herumzublättern.
„Drei Monate“, bestätigte Emilia und ärgerte sich insgeheim darüber, dass es nicht möglich war diesen Umstand schönzureden. Ihr Unfall, welcher sie fast das Leben gekostet hatte, ebenso, wie der anschließende Klinikaufenthalt lagen vor dem Dämonenangriff, weshalb dieses Wissen noch in der Erinnerung ihrer Mitmenschen verankert war.
„Hm...“, brummte der Doktor und nickte, die Aufmerksamkeit nach wie vor auf die Papiere gerichtet. Dann sah er zu ihr auf und nahm die Brille ab, um sie in der Brusttasche seines Kittels verschwinden zu lassen. Ohne die dunkelgerahmten Gläser, wirkte sein Gesicht blass und unvollständig.
Genau wie dieses Büro, kam es Emilia in den Sinn, woraufhin ihre Abneigung ihm gegenüber ungewollt noch ein Stück größer wurde.
„Wie ich hörte, haben Sie im vergangenen Jahr einiges durchgemacht...“, stellte Dr. Gundlach jetzt fest und die plötzliche Anteilnahme, die in seiner Stimme mitschwang, ließ Emilia augenblicklich wachsam werden.
„Es geht mir wieder gut“, entgegnete sie und untermauerte ihre Aussage mit einem Lächeln, das, wie sie hoffte, überzeugend wirken sollte. Ungerührt schloss der Doktor die Akte und legte sie schließlich wieder auf den Tisch. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, während er Emilia nicht aus den Augen ließ. Die Art und Weise, wie er sie ansah, verursachte ihr ein Unbehagen.
„Nun, Frau Kent“, setzte er dann erneut an. „Wir haben es hier mit psychisch kranken Patienten zu tun, wie sie wissen. Viele davon sind sehr labil, leiden unter schweren depressiven Schüben oder haben mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen.
Das weiß ich, verdammt!, hätte Emilia ihm am liebsten entgegengeschleudert, doch entschied sie sich dagegen.
„Darüber bin ich mir bewusst“, antwortete sie stattdessen, konnte jedoch nicht verhindern, dass es herausfordernder klang, als es von ihr beabsichtigt war.
Bleib ruhig, Lia! Lass dich von ihm nicht provozieren!
Dr. Gundlach vernahm den leicht aggressiven Unterton in ihrer Stimme und legte den Kopf schief, um sie noch eine Spur skeptischer zu mustern. Sein Blick wurde wachsam, wie der eines Jagdhundes, der die Fährte aufgenommen hat.
„Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Frau Kent“, sagte er nun mit dieser professionellen Distanziertheit, die Emilia zuwider war, „aber ich hege Zweifel daran, dass sie bereits stabil genug sind, um sich den Aufgaben hier im Wohnheim wieder zuwenden zu können. Was halten Sie davon, wenn Sie Ihre Auszeit noch ein wenig verlängern? Sich die Ruhe gönnen, ihr eigenes traumatisches Erlebnis aufzuarbeiten? Davon profitieren nicht nur Sie selbst, sondern die Patienten ebenso.“
Emilia fühlte eine heißkalte Welle über ihren Körper hinwegspülen und das beklemmende Kribbeln, welches sich von ihrem Magen aus in alle Richtungen verteilte.
Nicht stabil` genug? ... Ihre ´Auszeit` verlängern? ... Sich ´RUHE` gönnen???
Tickte der Typ noch ganz richtig? Wenn sie eines ganz sicher nicht brauchte, dann waren das weitere Wochen, in denen sie sich gedanklich im Kreis drehen würde. In denen sie von der Stille um sich herum verschluckt wurde...
Alleine bei dem Gedanken daran beschleunigte sich ihr Herzschlag und der Knoten in ihrem Hals schwoll an. Fest umschloss sie mit den Händen die Lehnen ihres Stuhls, während sie den Blick ihres Chefs erwiderte.
„Ich brauche keine Auszeit“, sagte sie und hörte, wie ihre eigene verbitterte Stimme in ihren Ohren widerhallte. „Ich will wieder arbeiten!“
„Es hat sich hier einiges geändert. Das sollten Sie vielleicht wissen“, griff Dr. Gundlach ihren Einwand auf, als sei es ihm möglich, sie mit diesem Argument umzustimmen. „Dr. Albertree hatte eine, nennen wir es, recht eigenwillige Vorstellung davon, was die Führung dieser Abteilung betrifft. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin mir darüber im Klaren, dass er wahrscheinlich schon einige Zeit vor seinem Suizid nicht mehr ausreichend belastbar gewesen ist und er einiges... nun ja, sagen wir, hat schleifen lassen...“
Es war kein Suizid! ... und er war ein hervorragender Psychiater!... Besser, als jeder andere...
Emilias Bestürzung darüber, wie das Andenken an den alten Professor, den sie über alle Maße für seine Arbeit mit den Patienten bewundert hatte, in den Dreck gezogen wurde, ließ ihr schlecht werden.
Bevor sie ihre Fassungslosigkeit zum Ausdruck bringen konnte, klopfte es an der Tür und eine junge Frau – nicht viel älter, als sie selbst- steckte den Kopf zur Tür herein. „Sie werden am Empfang verlangt, Doktor. Es scheint dringend zu sein“, meldete sich die attraktive Brünette zu Wort. Ihre langen Beine steckten in einem Rock, der für Emilias Geschmack eine Spur zu kurz war, doch der sich aufhellende Gesichtsausdruck ihres Gegenübers ließ sie zu dem Schluss kommen, dass nicht alle in diesem Raum ihre Meinung teilten.
„Danke, Diana“, antwortete Dr. Gundlach und nickte seiner Mitarbeiterin zu. „Sagen Sie, ich komme gleich.“
Die Tür schloss sich wieder und in dem Moment wurde Emilia schlagartig klar, dass ihr Gespräch beendet war. Ganze drei Minuten hatte sich dieser Dreckskerl für sie Zeit genommen. Drei Minuten für die sie einen kontrollsüchtigen Engel hatte von ihrem Vorhaben überzeugen und weiß Gott was für Hebel in Bewegung setzen müssen, um hierher zu kommen. Drei Minuten für die sie sich verrückt gemacht hatte, der sinnlosen Hoffnung verfallen, man würde ihr tatsächlich eine faire Chance geben. „Tut mir leid“, vernahm sie die Stimme des Doktors, in der, nach Emilias Dafürhalten, kein ernstzunehmendes Mitgefühl mitschwang. „Melden Sie sich wieder ... sagen wir, in ein paar Monaten, und dann werde ich sehen, was ich für Sie tun kann. Wir haben im Übrigen auch immer mal wieder Bedarf an Empfangsmitarbeitern, sollte das für Sie ebenfalls in Frage kommen.“
Emilia glaubte, sich verhört zu haben. Die Unverfrorenheit dieses Mannes kannte offenbar keine Grenzen. Glaubte er allen Ernstes, sie hätte ein Interesse daran, mit Fräulein ´Gürtel oder Rock-Für mich ist das einerlei` am Empfang zu arbeiten, sich über Frisuren und Schminktipps auszutauschen, während sie ihm dreimal am Tag seinen Kaffee ins Büro bringen durfte?
Das hektische Klopfen ihres Herzens ließ das Blut in ihren Ohren rauschen. Ihre Hände wurden feucht, während die Geräusche ringsum an Intensität zunahmen. Mit bedrängender Penetranz vernahm Emilia das Summen an der Scheibe, welches von einer Fliege herrührte. Verzweifelt versuchte diese einen Weg ins Freie zu finden, indem sie immer und immer wieder mit dem dicken Glas zusammenstieß, das sie von der Welt da draußen trennte: Schritte erklangen auf dem Flur, Gespräche aus den angrenzenden Zimmern wurden an Emilias Ohr getragen, ausgelassenes Gelächter hallte über den Parkplatz vor dem Haus. Plötzlich veränderte sich das Bild vor ihren Augen und alles trat deutlicher hervor. Die feinen Falten im Gesicht von Dr. Gundlach, die ersten Anzeichen von Altersflecken auf seiner hohen Stirn, die Härchen, welche aus dem offenstehenden Kragen seines Hemdes lugten. Das Auf und Ab seines Brustkorbs. Sein Herzschlag.
Babumm... Babumm...Babumm...
Sie roch seinen Schweiß, der von einer Note herben Aftershaves überlagert wurde. Der Mund von Dr. Gundlach bewegte sich, klappte auf und zu, doch war es Emilia nicht mehr länger möglich, sich darauf zu konzentrieren, was er sagte. Mit schief gelegtem Kopf betrachtete sie ihn vielmehr, ließ den Blick über seinen Hals wandern, an dem die Schlagader pulsierte. Wie es wohl wäre, sie zum Stillstand zu bringen? Dafür zu sorgen, dass er endlich den Mund hielt?
Du musst es nur wollen! Es ist ganz leicht!
Das machtvolle Verlangen, sein pulsierendes Herz in den Händen zu halten, die Wärme seines Blutes zu spüren, ihm dabei zuzusehen, wie er seinen Lebensatem aushauchte, nahm von Sekunde zu Sekunde zu.
Es fühlte sich richtig an. Befreiend.
Als warte die ungezügelte Kraft in ihr nur darauf, endlich entfesselt zu werden. Babumm...Babumm...Babumm
Die Welt verschwamm. Wurde schwarz.