Beiträge von Cory Thain

    Solarpunk hat für mich einen ähnlichen Reiz wie Star Trek.

    Unter der Defintion, die Alcarinque oben postuliert hat, fällt Star Trek mit extrem vielen Facetten genau unter Solar-Punk. (Es gibt hin und wieder ein paar wirklich fiese Schweinebacken, aber prinzipiell ist die ST-Welt eitel Freud und Sonnenschein (Hah! Ein Wortspiel!))

    Das heißt aber nicht das eine Person die Angst hat vor Enten hat, selber schuld ist oder sonst irgendwie als Bürde hingestellt werden sollten.

    Das hat hier an keiner Stelle irgendwer behauptet, dass die "ich fühl mich gestört/verstört/getriggert" Leute selbst Schuld seien oder eine Bürde darstellen. Das ist jetzt eine ziemlich seltsame Unterstellung. Und das ist auch gar nicht das Thema des Fadens.


    Aber bleiben wir mal kurz bei der Enten-Sache. Ist es schon "Triggerwarnwürdig", wenn in einem Krimi der Zeuge ne alte Dame ist, die deshalb Zeuge wurde, weil sie die Enten im Park gefüttert hat? Muss ich das anmerken? Oder der Ermittler geht einen Weg mit Spinnennetzen und erkennt daran, dass hier vor ner Stunde eben keiner entlanggelaufen sein kann, weil das Netz sonst zerstört wäre. Arachnophobia ist ja auch nicht selten. Triggerwarnen?

    Verstehst du überhaupt, worüber hier geredet wird, Feron ? Ja, jeder einzelne Mensch ist mit seinen Ängsten und Traumata (ist das die korrekte Mehrzahl?) ernstzunehmen. Aber kann ich als Künstler, egal in welchem Medium ich arbeite, überhaupt alles triggerwarntechnisch abdecken, was möglich ist?

    Ich stell mir da ein Sujet vor in der aktuellen modernen Welt. Prota verläßt das Haus und muss über die Straße "Wahhh! Agoraphobie!" Prota geht zum Bäcker und muss dort kurz anstehen, mit anderen Leuten. "Wahhh! Sozialphobie!" ... und da hat die Geschichte noch nicht mal begonnen. Der Prota begegnet... sagen wir mal seinem Lehrer. Der Leser hat miese Erfahrungen mit seinem eigenen Lehrer gemacht. Der Prota zwar nicht, aber muss man den Leser warnen, dass eine Lehrerfigur vorkommt? Muss ich den Leser vorwarnen, dass der Prota früh seine Mutter verloren hat? Dass der Hund der Freundin des Protas schon alt ist und krank und vielleicht (Gott bewahre) eingeschläfert werden muss?

    Wenn all diese Fakten wichtig sind für die Geschichte, die Entwicklung des Plots: Triggerwarnen? Ja oder nein? Und sind sie nicht wichtig, sondern sollen nur Realitätsnähe erzeugen, kann man sie ja weglassen, gell? Dann wird die Story aber sehr kurz:

    Zitat

    Da gibt es eine Person. Ihr passieren verschiedene Dinge.

    Kuhle Story. Joa. Aber hey... selbst "Dinge"...ouha!

    Wenn ich aber genau weiß, dass mein Buch verstörende Inhalte hat und das eben nicht aus dem Genre und dem Klappentext hervorgeht,

    Das ist ein interessanter Aspekt!


    Mein Genre ist "Fantasy". Was geht aus diesem Genre als "möglicher Inhalt" hervor? Was muss ich als Extra angeben, was ist per defintionem inkludiert? Was genau ist "verstörender Inhalt"? Ja, Mord, Vergewaltigung, okay, aber bis wie weit nach unten geht die Liste? Und ab wieviel "Leute die ... verstörend finden" ist das erwähnensrelevant? Ich zum Beispiel finde Clowns in Straßengullies extrem verstörend. Kann mich grad nicht erinnern, obs da ne Triggerwarnung gab dafür. Vielleicht bin "ich" ja zuwenig?

    Es ist schon klar, dass man in einem Krimi einen Mordfall erwarten kann, aber man muss nicht zwngsläufig erwarten, dass ein Angehöriger des Detektivs an Krebs leidet, seine Frau eine Fehlgeburt hat, oder dass etwa sexuelle Gewalt geschieht.

    Nein, man muss das nicht erwarten, korrekt. Aber ich persönlich finde, wenn der Ermittler in dem Buch auch "irgendwie ein Leben neben der Arbeit" hat, Probleme wie sie XY und ABC halt haben können, wenn er halt nicht 125 % seiner Leistungsfähigkeit in den Fall stecken kann... das macht die Geschichte menschlich, realistischer. Das müsste man dann alles in die Triggerwarnung schreiben?


    Man kann nicht alles "warnen". Gute Bücher sollten eine in sich homogene Welt darstellen. Idealerweise eine, in der es für den Leser immer wieder Neues zu entdecken gibt und die überraschende Aspekte und Wendungen bereithält.


    Wenn dir im realen Leben ein alter Freund begegnet und du sagst ihm: Hey, du schaust aber müde aus!" und der Junge sagt: "Ja ich hab Krebs! Hab nicht mehr lange..."

    ... empörst du dich dann auch über die fehlende Triggerwarnung?

    Du bist der Boss! Du entscheidest, was alles zu deiner Geschichte gehören soll: Text. Bilder. Klänge. Kostüme. Dioramen der Schauplätze.


    Es gibt meines Wissens (und das ist nicht sehr umfangreich *zugeb*) zwei Leute, die Musik zu ihren Geschichten geschrieben haben.

    Die eine ist Tariq hier im Forum, die mal eine Melodie zu einem ihrer Gedichte geschrieben hat (quasi ein Liedelein) und dann kenn ich noch Ad Visser, der zu seinem Buch Sobriätas eine ganze LP rausgebracht hat...


    Du bist also absolut frei, deinen Textwelten auch Klangwelten hinzuzufügen.

    Man kennt die Person nunmal nicht und weiß nicht,


    Exakt DAS bringt es auf den Punkt.

    Es gibt rund 8 Milliarden Menschen auf dieser Kugel. etwa 20 davon sind meine "Familie", ca 50 sind direkte Kollegen, nochmal etwa 200 Leute kennt man so vom (weg-)sehen...

    Alle anderen kenne ich nicht. Bin ich jetzt dazu verdammt, meine Geschichten nur noch jenen zum Lesen zu geben, die ich "kenne", weil ich für alle anderen ein ausführliches Trigger-Register verfassen muss? Ich kenn die ja nun nicht und weiß nicht, welches der Tausendhmpfdrei möglichen Dinge oder Ereignisse diese Leute triggert. Den einen triggert eine Schwangerschaft, den anderen, wenn die Frau nicht schwanger ist. Der eine fühlt sich von tot-kranken Menschen gestört, der andere von "so furchtbar unrealistisch gesunden" Leuten.

    Was darf ich denn noch schreiben, ohne Angst haben zu müssen, dass ein potentieller Leser vielleicht getriggert wird? Schon der Satz "Er ging auf sie zu".... er triggert all jene, die nicht laufen können. Und all jene, die dieses hetero-Gehabe nicht abkönnen. Und all jene, die sich Gleichberechtigung wünschen (Warum geht sie nicht zu ihm?) Es wird unter den 8 Milliarden Menschen immer jemanden geben, den das oder jenes oder dies massiv in seinem Wohlbefinden stört. Was darf ich noch schreiben? Was malen? Was modellieren? Darf ich noch tanzen? Gibt ja soviele, die gern würden und nicht können. Singen? Lachen? Atmen? Ich sein?

    Es geht nicht darum, ob ich eine brauche oder nicht, sondern darum, dass ich als Autor von Geschichten aufgefordert werde, 5675 Seiten Triggerwarnung zu formulieren, ehe ich mit der eigentlichen Story beginne.

    Ja, ich verstehe, dass jemand mit Fehlgeburt mit diesem Thema ein Problem haben könnte. Aber vielleicht hat ja jemand eine traumatischhe Lebensmittelvergiftung aufgrund von Geflügelbällchen hinter sich und ein anderer ist in seiner Kindheit schmerzhaft vom Pferd gestürzt. Ein Dritter hat nen Knalltrauma und der nächste... ach, was weiß ich.

    Was soll denn noch alles gewarnt werden? Wo setze ich die Grenze... oder besser, bis wohin lasse ich mir vorschreiben, was alles getriggerwarnt werden muss, bis wohin kann und was nich...

    Huhu, herzlichen Glückwunsch! Das läuft ja super für dich und "Hannche".


    Sag bitte, gibts schon Bücher, die von dieser Sprecherin gelesen wurden? Nur als Hörprobe, ich krieg bei manchen Stimmen Aggressionsprobleme. (Dirk Bach in "Die Stadt der träumenden Bücher" hat mich enormst wütig gemacht.)

    "Wieso, weshalb, warum?"

    :D Was ist, wenn das nur ein strunzordinäre Liebesgeschichte wird? Sie steigt mit allen dreien ins Bett, aber dummerweise hat jeder der drei ne "glühende Verehrerin" daheeme, die rotten sich zusammen, machen Jonna das Leben schwer und die drei strahlenden Ritter, äh Wölfe beschützen sie vor allem Unbill und verjagen die bösen Weiber aus der Stadt... äh dem Rudel.

    Was ist ein "Firlichen"?

    Da bringst du mich auf was. Ich habe das Wort gegoogelt und festgestellt, dass das wohl familiärer Slang ist. Oder zumindest stark lokal eingeengt. Firlichen ist so was wie Irrwisch, hin, her, husch, huch, weg, doch wieder hin, oder huch!? Da das Wort aber laut Tante Google nicht existiert, werd ich mir wohl ein anderes ausdenken müssen. Ach ne, das kennt ja dann auch wieder keiner. Mifd!


    Seelensplitter 21

    „Ich nehme an, du wirst nicht zu uns in ein Auto steigen, um irgendwo zu Mittag zu essen, stimmts?“ Marcs tiefe Stimme ließ Jonna überlegen, ob sie nicht vielleicht doch… nein! Bestimmt nicht! Sie nickte: „Gut geraten!“ „Nun, dann schlag ich das Cafe hier im Bahnhof vor: eine Etage tiefer.“ „Klingt gut!“ erwiderte Jonna. Marc machte einen Schritt zur Seite, so dass Jonna zwischen ihm und Anthony hindurchgehen konnte.

    Auf der anderen Seite des Querbahnsteigs stand ein Trupp Leute, so bemüht desinteressiert und unauffällig tuend, dass Jonna schief grinste. „Gehör‘n die zu euch?“ fragte sie. Die Männer wussten, wen sie meinte, ohne hinzusehen. „Die beschützen uns!“ sagte Anthony, und Jonna konnte förmlich hören, wie er frech grinste.

    „Vor mir? Das ist ja jetzt doch… etwas übertrieben, meint ihr nicht?“

    „Nun, wir wissen noch immer nicht, woher du kommst! Du könntest ja… ein Ninja-Wolf sein. Oder ein Doppelnull-Agent oder so etwas.“ Raoul klang witzig, sah sie aber ziemlich ernst an.

    „Doppelnull? Trifft die Sache! Ich bin ein Kamikaze-Koala! Ich schlafe strategisch günstig ein und kippe dann überfallartig vom Eukalyptus. – Also, um sicher vor mir zu sein, hilft nur Kaffee!“ Jonna sah Raoul herausfordernd an. Der nickte, ohne jedoch die Wachsamkeit aus den Augen zu verlieren: „Gut. Da lang gehts!“

    Das Cafe war nur mäßig besucht. Anthony wählte einen Tisch in der Mitte des Raumes und tatsächlich kamen nach und nach die „Beschützer“ herangetrudelt und verteilten sich rundum an den anderen Tischen.

    Jonna sah es mit Unbehagen. „Soll ich etwas lauter reden, damit auch alle hören, was hier gesprochen wird?“ fragte sie leise „oder läuft eh ein Band mit?“


    Anthony streckte seine Hand nach ihrer aus, hielt jedoch kurz vor der Berührung inne. „Ich verstehe, dass du misstrauisch bist. Aber versteh bitte auch uns: Wir kennen dich nicht und wissen nichts über deine Pläne. Die Sicherheit des Rudels muss gewährleistet werden!“

    Jonna starrte Anthony verständnislos an: „Sicherheit? Wie fragil ist die denn, dass eine einzelne alte fette Frau sie gefährden könnte?“

    „Du bist nicht alt und fett…!“ begann Raoul und Jonna lachte nur bitter.

    „Hör zu“, mischte sich Marc ein „ du bist allein, das ist richtig. Aber auch eine einzelne Person kann ziemlich viel… Schaden anrichten.“

    „Ouh ja, klar“, erwiderte Jonna sarkastisch „ich bin Staatsfeind Nummer eins! Ach ne! Rudelfeind! Der Tod aller Wölfe! Ihr spinnt ja lauwarm! – Ich glaub, ich trink meinen Kaffee lieber zu Hause! Tschüß!“ Sie stand auf und wollte gehen, doch Marc hielt sie am Arm fest. Wieder dieses blaue Leuten! Jonna versuchte, Marcs Hand abzuschütteln, doch er ließ nicht los: „Bitte, Jonna, versteh uns: Du bist etwas besonderes. Du scheinst dich hier gut auszukennen, aber wir haben dich noch nie bemerkt, obwohl wir hier im Bahnhof einen ständigen Posten haben. Und du bist die einzige Frau, der die Mondgöttin drei Gefährten vorgeschlagen hat. Das ist schon seit Jahrhunderten nicht mehr geschehen…!“

    „Ach? Und das bringt euch dazu, mich als Gefahr zu sehen? Was’n das für ne absurde Logik?“ Jonna schnaufte entnervt.

    „Vielleicht… „begann Raoul.

    „Vielleicht was?“ Fragte Jonna gereizt.

    „Nun, vielleicht glaubt die Mondgöttin, dass du geschützt werden musst und schickt dir mit uns drei Beschützer?“

    „Oder drei Freunde?“ schlug Marc vor.

    Anthony grinste und noch während Jonna dachte `sag es nicht` kam von ihm: „Oder drei Liebhaber?“ Dafür bekam er von Marc einen heftigen Rippenstoß, der ihn das Gesicht verziehen ließ.

    Jonna atmete tief ein: „Hat euch schon mal jemand gesagt, dass ihr dezent bescheuert seid?“

    Anthony grinste sein freches Grinsen: „Hören wir andauernd!“

    „Da würd ich mal drüber nachdenken…“ erwiderte Jonna ironisch.

    Marc zog sanft an ihrem Arm: „Bleib bitte! Setz dich und erzähl uns, wer du bist. Bitte!“

    Jonna setzte sich und seufzte: „Wo bleibt denn nun mein Kaffee?“

    Ist nun schon ein Weilchen her, aber ich war irgendwie neben sämtlichen Spuren. Aber jetzt gehts (hoffentlich stringent) weiter, kurz und äh... nun ja.

    Seelensplitter 20

    Jonna konnte sich das Grinsen nicht verkneifen und stiefelte deshalb mit einem Strahlen im Gesicht auf die Männer zu. „Hi!“ sagte sie selbstbewußt.

    Die Männer waren sichtlich irritiert. Jonna wußte auch, warum. Nachdem sie gestern hier das „ängstliche Mausi“ repräsentiert hatte, wirkte ihre Art Offenheit wohl etwas aufgesetzt. Das lag wahrscheinlich zu einem Großteil daran, dass sie genau das war: Fassade, um einigermaßen die Selbstachtung behalten zu können. Das strahlende Lächeln kippte in eine bemühte Grimasse und Jonna entschied sich zur Wahrheit: „Um hier keine falschen Gedanken aufkommen zu lassen: Ich weiß nicht, was hier passiert und ich hab eine scheißende Angst. Okay? Ich bin kurz davor, schreiend davonzurennen und wäre euch sehr verbunden, wenn ihr darauf verzichten könntet, mich anzutatschen. Noch so ein blaues Leuchten und ich krieg nen Anfall…!“ Sie atmete tief durch und wartete auf die Reaktion der Männer.

    „Versprochen!“ sagte der Wikinger und die anderen beiden nickten. Aus irgendeinem Grunde genügte das, um runterzufahren. Jonnas Angst verkroch sich in ein stilles Eck ihrer Seele, allerdings bereit, jederzeit wieder hervorzuspringen.

    Jonna fiel das Lächeln schon wieder leichter: „Ähm… wer seid ihr?“

    Offenbar war der Wikinger der Cheff vons Janze, denn er übernahm die Vorstellung: „Das hier ist Marc, den kennst du ja schon…“ er zeigte auf den Griechen und Jonna nickte. „Mein Name ist Anthony und der hier“ er wies auf den Strubbelkopf „das ist Raoul!“

    Jonna nickte wieder und widerstand dem Reflex, die Hand zum Gruße auszustrecken. Kein Anfassen! „Ich bin Jonna!“

    Die Männer schenkten ihr erneut ein Lächeln und Jonna fand ziemlich viel Gefallen daran, so angelächelt zu werden.

    „Das ist ein schöner Name!“ Marcs Stimme war genauso tief, wie sie sie in Erinnerung hatte. „Ein Wolfsname!“ sagte Raoul und es klang anerkennend, als habe sie den Namen selber gewählt.

    „Was? Wieso?“ fragte Jonna neugierig.

    Raoul sah ihr beunruhigend tief in die Augen: „Wolfsnamen haben viele As, Os und Us und sie eignen sich gut zum Heulen… Jonnaaaaaaa!“ intonierte er leise und Jonna konnte nicht anders: Sie lachte laut los. Raoul grinste sie an, als habe er genau das gewollt.

    „Raoul kann man aber auch gut heulen…!“ erwiderte Jonna kichernd. „Anthonyyyyyyyyyyy geht auch. Aber Marc? Wie heult man Marc?“

    Die drei Männer lachten ebenfalls und Jonna fühlte sich um etliches sicherer. Sie grinste fröhlich und fraghte: „Was meint ihr, kriegt man hier Sonntag Mittag irgendwo nen Kaffee?“

    Kloiner Tipp:


    IamI
    23. August 2012 um 11:52


    Dankt mir später. :hi1:

    Seelensplitter 18

    Am nächsten Morgen war sie frisch und munter. Und das bereits um 5 Uhr. Jonna blieb noch ein paar Minuten liegen, aber lange hielt sie das nicht aus.

    Sie fühlte sich wie unter Strom gesetzt, sprang hoch und lief wie ein Firlichen durch die Wohnung. Die Koffer waren im Nu ausgepackt, der Abwasch von vor dem Urlaub war weggeräumt, die Handtücher, die noch auf dem Wäscheständer hingen gefaltet und eingeschrankt und die Blumen waren auch fix gegossen. Alle anderen Tätigkeiten, die noch hätten gemacht werden können, waren zu laut für Sonntag morgen.

    So saß sie mit einem Pott dampfenden Kaffees auf der Bettkante und starrte Löcher in die Gegend, grübelnd, was sie mit der Rest-Ewigkeit des Sonntags noch anfangen könnte.


    „Wir könnten nach Leipzig fahren!“ schlug Joa vor.

    „Was soll ich dort?“ Jonna wußte sehr wohl, was Joa dort wollte, aber sie fühlte sich nicht wirklich gut bei dem Gedanken, die drei, oder auch nur einen davon, wiederzusehen.

    „Ich verstehe dich nicht! Du hast doch gesagt, sie gefallen dir! Wo ist das Problem?“ Joa schien ehrlich interessiert.

    Deshalb antwortete Jonna auch ziemlich ehrlich: „Das Problem ist… bin ich. Schau mich doch an. Ich bin alt und dick und hässlich…“
    „Du bist nicht hässlich“, widersprach Joa energisch.

    „Okay, okay! Aber richtig dolle schön bin ich auch nicht. Was wollen die Jungs von mir, hm? Ich mein… wenn du nicht wärst, wenn ich nur ein stinkenormaler Mensch ohne leuchtblaue Hände wäre, würden die mich doch mitm Arsch nicht anguggen… Nur weil irgendeine Göttin da Sankt Elms Feuer zündelt… So will ich das nicht! Ich hätte gern, dass sie mich wollen, weil ich ich bin und nicht weil… ach was solls!“ verdrießlich brach Jonna ab.

    „Ich versteh dich ja“, sagte Joa unerwartet sanft „aber das blaue Leuchten ist doch kein Zwang. Es ist nur ein Hinweis. So ein bisschen wie: Hey schau dir den dochmal an, der passt gut zu dir! Und dieser Marc hielt es immerhin für wichtig, seinen Freund in Leipzig zu bitten, dich aufzuspüren. Hm? Weil er sich halt den Vorschlag der Göttin genauer ansehen wollte… „

    Jonna konnte nicht anders: sie kicherte albern wie ein Teenager. „Du bist echt gut, Kleene! Mit dir zusammen gewinnen wir jede Diskussion! – Okay! Wir fahren nach Leipzig! Aber sei bitte nicht zu sehr enttäuscht, wenn da niemand auf uns wartet, ja?“

    „Danke“, sagte Joa leise.

    „Na dann komm! Duschen, hübsch machen und frühstücken! Damit wir unterwegs nicht umkippen…“

    Seelensplitter 19

    Als Jonna in den Zug stieg, war sie sich jedoch wieder ganz sicher, hier unnötig Geld in den Sand gesetzt zu haben. Die Männer hatten unter Garantie nicht auf dem Bahnhof übernachtet. Aber was sollte es. Sie würde sich in der Stadt ne kleine Kneipe suchen, einen Kaffee trinken, sich und das Leben ein wenig beweinen und wieder nach Hause fahren. Wäre nicht der erste Schuß in den Ofen…

    Doch bereits 10 Minuten später, als der Zug in Riesa einfuhr, begriff sie, dass sie falsch gelegen hatte. Ein Wolfszeichen, in Oschatz auf dem Bahnhof. Offenbar hatten die Wölfe ihre Leute ausgeschickt, sie zu suchen. Und vielleicht war ja in Riesa hier auch einer, den sie nur nicht wahrnahm, weil sie ihn bereits gesehen hatte. Andererseits konnte er sie dann ja auch nicht… hach war das kompliziert.

    „Siehst du! Sie suchen uns!“ sagte Joa aufgeregt.

    „Ja“, antwortete Jonna knapp und wusste nicht wirklich, ob sie sich freuen sollte.

    Als der Zug in Oschatz einfuhr, versuchte Jonna, sogut wie möglich, den Bahnsteig zu scannen. Der Wolf war da, aber sie sah ihn nicht… bis der Zug hielt. Da kam am Ende des schmalen Blickwinkels ein Mann in Sicht, der sich hingebungsvoll den Nacken kraulte und aufmerksam den Zug entlangsah. Das Wolfszeichen erlosch und Jonna bemerkte, dass sie ein weiteres Zeichen übersehen hatte. Sie richtete kurz ihre Aufmerksamkeit darauf: Wurzen, ebenfalls Bahnhof. Eimerkette auf Wölfisch. Jonna grinste.

    Der Zug fuhr nach kurzem Halt wieder an und Jonna fuhr quasi direkt an dem Wolf vorbei. Sie winkte lächelnd hinüber und dem Mann fiel die Kinnlade herunter. Wohl aus einem Reflex heraus winkte er zurück. Das letzte, was Jonna von ihm sah, war, dass er ein Handy ans Ohr hob.

    „Ich glaub, wir kriegen grad einen Empfang organisiert…“ sagte sie und stellte fest, dass sie sich freute.


    Der Wolf in Wurzen blieb unsichtbar. Er stieg auch nicht in den Zug ein, sodass Jonna ihn weiterhin auf dem Radar hatte. Diesmal war sie allerdings aufmerksamer und wenige Minuten nach Wurzen hatte sie weitere vier Wolfszeichen auf dem Schirm.

    „Also mindestens fünf!“ sagte sie leise, obwohl ihr klar war, dass Joa das auch ohne Worte wußte.

    „Ich denke: sieben“, antwortete Joa zuversichtlich „sie werden alle drei da sein!“

    Jonna schniefte nachdenklich: „Ich weiß grad nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll, ehrlich gesagt…“


    In Leipzig war Jonnas Zuversicht wieder auf einem absoluten Tiefpunkt. Noch nie in ihrem Leben hatte sie solch eine Angst gehabt…. Doch, eigentlich schon. Vorgestern in Braunlage, als der Hund vor ihr aufgetaucht war. Und gestern in Goslar, als der hübsche Griechenjüngling sie angesprochen hatte. Und in Leipzig gestern, als sie begriff, dass der Wikinger zu dem Griechen gehörte… und Strubbel…

    Jonna holte tief Luft, um das Angstgefühl aufzulösen. „Komma übern Hund, komma übern Schwanz!“ sagte sie halblaut.

    „Redest du von mir?“ fragte Joa irritiert.

    „Nein, das ist ein Sprichwort. Es bedeutet, dass wir das Schlimmste eigentlich schon hinter uns haben!“ antwortete Jonna und als habe sie exakt diese Worte erst hören müssen, wurde ihre Angst merklich kleiner…

    Jonna stand auf, ging zur Tür und als der Zug hielt, trat sie betont selbstsicher hinaus auf den Bahnsteig. Da vorne, am Ende des Bahnsteiges standen sie: drei der schönsten Männer des Universums, zumindest für Jonnas Geschmack. Wenn das mal gut ging…


    Jonna straffte die Schultern: „Ooookay! It’s showtime!“

    „Was bedeutet das?“ flüsterte Joa, als könne sie irgendwer außer Jonna hören.

    „Das bedeutet, das es jetzt spannend wird“, erklärte Jonna.

    „Ernsthaft?“ fragte die Wölfin zweifelnd.

    „Japp!“ bestätigte Jonna.

    „Na dann“, sagte die Wölfin enthusiastisch: „Esst Schuhteig!“

    Ich nehme mal an, ich bin geistig zu unflexibel für diese Thematik, mich spricht das gesamte Dingens nicht wirklich an.

    Aber aus dieser Position heraus fiele mir folgendes ein:

    Beträgt denn die Tragzeit der tierischen Version die gleiche Spanne wie das entsprechende Tier sie hätte, oder eher der menschlichen Schwangerschaftszeit? Bei Wölfen zum Beispiel wäre das ein Unterschied von 9 Wochen zu 9 Monaten. Das ist dann schon enorm. Bei Hunden ist die übliche Schwangerschaft bei 61 bis 65 Tagen, Katzen ähnlich, Kaninchen sind bis zu 33 Tage schwanger, Hausschweine 114 Tage (3Monate, 3 Wochen, 3 Tage), Pferde hingegen brauchen 11 Monate, Giraffen 15 Monate, Tiger bis zu 115 Tage, Elefanten sogar 22 Monate, Eisbären 8 Monate...

    Es ist also durchaus ausschlaggebend, in welche tierische Form der Omega shiftet. Natürlich sind nicht alle Tiere gleich spannend in einer Geschichte. Aber ich denk mal, so 2 Monate und ne Woche Wolfszeit kann man einen Wolf schon in einer Wohnung in der Stadt verbergen, wenn er innendrin quasi das Verständnis eines Menschen hat und mitspielt. Wird der Omega jedoch tatsächlich komplett "zum Tier" in allen Belangen, wirds um so schwieriger, je wilder und urban-ungewöhnlicher das Tier ist.

    Außerdem müsste ja die Befruchtung des Omega in seiner weiblichen, dh tierischen Form erfolgen, da die menschlich-männliche ja keine derartigen Reproduktionsorgane aufweist. Das würde also bedeuten, alle "spicy" Szenen würden sich im Tierfell abspielen, ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas lesen wollen würde.

    Das wäre für Variante eins meine Gedankensuppe.


    Bei Variante zwei ist es eher unerheblich, in welcher Erscheinungsform der Omega geschwängert wird, da er so oder so "könnte". Hier wäre es eher das kaschieren eines nach außen hin männlichen Menschen mit Babybauch der erzählerische Knackpunkt...

    Seelensplitter 17

    Erst als der Zug eindeutig aus dem Bahnhof heraus war, fand Jonna genug Muße, sich einen Sitzplatz zu suchen. Wenn sies recht bedachte, konnte sie nicht wirklich sicher sein, dass kein weiterer Wolf zugestiegen war. Immerhin hatte sie außer Strubbelkopp noch weitere 7 vom Radar verloren. Vielleicht war das pure Strategie gewesen: Ablenken, damit sie den Bahnsteig nicht mehr aufmerksam beobachtete. Das war ihm ziemlich gut gelungen. Jonna seufzte und wandte sich dann an Joa: „Du, sag mal? Bist du sicher, dass das blaue Glühen einen Gefährten anzeigt?“

    „Ja, absolut! Und du bist wieder davongelaufen!“ die Wölfin klang vorwurfsvoll.

    „Wieso drei, Joa? Was soll ich mit drei Gefährten? Ich komm doch schon mit mir selber nicht klar!“ Jonna starrte trübsinnig aus dem schmutzigen Fenster.

    „Das weiß ich nicht… vielleicht sollst du dir einen aussuchen?“ orakelte die Stimme.

    „Ist das üblich?“ erkundigte sich Jonna. Eigentlich wars ihr aber egal. Auch einer war zuviel. Das Leben war chaotisch genug, auch ohne Mann.

    „Ich hab keine Ahnung…“ , gab Joa zu „Wir hätten sie fragen können. Wenn du nicht…“ Joa unterbrach sich

    „… wenn ich nicht wieder weggelaufen wäre. Wolltest du das sagen?“

    „Hm“ machte die Wölfin nur unbestimmt.

    „Hör zu, Kleene. Ich kann mit so umwälzenden Neuerungen nur äußerst schlecht umgehen. Ich muss das erst sacken lassen, verstehst du? Einsortieren. Rausfinden, wie ich damit umgehen könnte. Ich bin im Koppe nicht so flexibel…“

    „Hm…“ machte die Wölfin wieder und sie schwiegen ein Weilchen.

    „Jonna?“

    „Ja, Kleene?“

    „Gefällt dir denn einer von denen?“

    „Einer?“ Jonna lachte bitter. „Alle drei! Wenn nicht einer oder zwei von ihnen eklatante Schwächen im Charakter aufweisen, würde es echt schwer, da auszuwählen.“

    „Ich mag auch alle drei!“ erwiderte die Wölfin und klang verträumt.

    „Vergiss es, Kleene! Die sehen wir nie wieder!“

    „Aber… wieso nicht?“ fragte Joa kläglich.

    „Weil ich es sage!“

    Das Schweigen war jetzt unbehaglich und hielt an, bis Jonna in Riesa den Zug verließ.

    Sie hätte noch zwei Stationen weiterfahren können, aber sie glaubte recht fest daran, dass einer der Wölfe sie weiterhin verfolgte. An ihrem eigentlichen Zielbahnhof hätte sie nach Hause laufen müssen und ein Verfolger hätte leichtes Spiel gehabt… hier konnte sie ein Taxi nehmen.

    Zu Hause warf sie alle Sachen von sich und stellte sich vor den großen Spiegel. Sie starrte der grauhaarigen dicken Frau mit Brille fest in die Augen: „ Bild dir bloß keine Schwachheiten ein! Die Jungs könnten deine Söhne sein! Die hatten dich schon vergessen, als die Zugtür zuging!“

    Doch die Frau im Spiegel schien ihr kein Wort zu glauben. „Dumme Kuh!“ schimpfte Jonna halblaut, kletterte in ihr Bett und starrte an die Zimmerdecke. Sie war sich sicher, die ganze Nacht nicht schlafen zu können, weil sie immer wieder nach Wölfen scannen würde…

    Wenige Minuten später schlief sie tief und traumlos.

    Seelensplitter 16

    Draußen vor der Tür lungerten ein paar Leute herum. Jonna starrte sie herausfordernd an und weitere Wolfszeichen verschwanden von ihrem Radar. Nur noch drei saßen ihr jetzt kribbelnd im Nacken.

    Und als sei ihr nicht siedend heiß vor Angst, straffte sie die Schultern und ging erhobenen Hauptes hinüber zu ihrem Bahnsteig. Der Zug war noch nicht da, obwohl er immer sehr viel eher eintraf und eine längere Standzeit hatte hier in Leipzig. Jonna fluchte innerlich. Sie hätte diesen Wölfen nichts entgegenzusetzen, wenn die sich dazu entscheiden sollten, sie einfach von hier wegzuzerren.


    Doch niemand kam, um sie aufzuhalten oder gar zu entführen. Jonna sah sich um. Der Vikinger und der Schlacks waren ebenfalls aus dem Buchladen gekommen. Sie standen nun mit den fünf anderen einfach nur so da und starrten sie an. Worauf warteten die? Wahrscheinlich auf diesen Marc. Verdammt! Und der Zug kam noch immer nicht. Jonna zitterte vor Anspannung.

    Wo waren die anderen drei? Jonna aktivierte ihre Wolfssensoren ein weiteres Mal. Zwei von ihnen waren… auf Toilette? Ähm… okay, das war unerwartet. Und der dritte? Der stand irgendwo vor ihr auf dem Bahnsteig. Wie war der dorthin gekommen? Sollte sie unbeschadet aus diesem Kackmist hier herauskommen, würde sie versuchen, ihre Sensoren permanent angeschaltet zu halten. Es war wenig hilfreich, sie immer neu aktivieren zu müssen. Sehr wenig hilfreich!

    Aufmerksam musterte sie die Personen vor sich. Wer bist du, Wolf? Das Mädel mit der Gitarre? Der junge Kerl mit der Ditsch-Pizza? Die Mutter mit den zwei Kindern? Nein. Das Kribbeln höhnte weiter in ihrem Nacken. Der Wolf konnte nicht weit sein, sie spürte ihn doch in nicht mal zwei Metern Entfernung! Jonna machte einen Schritt nach vorn, auf die Stelle zu, wo sie den Wolf spürte. Und da sah sie ihn. Besser gesagt, sie sah Beine. Schwarze Hose in fast schon edlen Herrenschuhen. Der Kerl hatte sich hinter der Anzeigetafel für die Abfahrtszeiten gestellt. So ein Blödie! Dachte er wirklich, sie würde ihn nicht finden?

    Jonna zog eine Grimasse, als ihr einfiel, dass sie ja auch einen Zeitungsständer als gutes Versteck vor Wölfen betrachtet hatte. Selber Blödie! Sie holte tief Luft und ging kurzentschlossen um die Tafel herum.

    Der Typ sah ihr ruhig entgegen. Und er sah verdammt noch mal gut aus! Strubbeliges schwarzes Haar, tief dunkle Augen und ein gepflegter Dreitagebart in schwarz und etwas grau. Jonna schluckte. Reiß dich zusammen, Mädel! Das ist ein Wolf! Das ist nix zum Naschen!

    Der Typ schenkte ihr ein Lächeln und der Wunsch zu Naschen wurde stärker. Doch Jonna verbot sich derartige Gedanken und zog die Brauen finster zusammen: „Hat Ihr Chef sie geschickt, um mir hinterzuspionieren?“ fragte sie so böse, wie sie nur konnte.

    Das Lächeln des Mannes wurde intensiver: „Hat er, ja!“

    Grins nicht so, Strubbel! Jonna versuchte, weiterhin wütend zu sein, weil Angst eher kontraproduktiv war und Lüsternheit sie jetzt wahrscheinlich auch nicht weiterbrachte. Also Wut. Okay.

    „Was will er von mir?“ fragte sie barsch.

    „Wissen, wer du bist.“ Die Antwort war so fies logisch. Das war unfair! Konnte er nicht versuchen, Ausreden zu benutzen? Damit sie nen Grund hatte, wütend zu sein? Ne… der Kerl lächelte einfach.

    „Hören sie, ich find das nicht doll, dass sie mich hier belästigen…! Ich … äh… rufe die Polizei! Jawohl! Gehen Sie weg!“

    Der Mann nahm sein Lächeln etwas zurück.: „Ich belästige dich nicht. Ich steh hier nur so rum. Du hast mich angesprochen, nicht umgekehrt!“ Irgendwie wirkte er trotzdem amüsiert. Scheißkerl!

    „Hören Sie… würden sie mich in Ruhe lassen, wenn ich ihnen sage, wer ich bin?“

    Der Mann zog interessiert die Augenbrauen hoch: „Ja, würde ich!“ sagte er.

    „Liana Müller. Riesa. Bahnhofstraße 4…“, Jonna blickte den Mann herausfordernd an. „reicht das?“

    Der Wolf sah sie taxierend an: „Ich glaube dir nicht.“ sagte er dann leise.

    „Dann lassen Sie‘s halt!“ fauchte Jonna. Es wäre auch zu einfach gewesen.

    Der Zug fuhr ein. Und Jonna würde nichts tun können, um den Mann daran zu hindern, hinter ihr in den Waggon zu steigen. Verdammter Kackmist!

    „Du hast Angst, nicht wahr?“ Der Mann sprach jetzt noch leiser. „Du musst keine Angst haben! Wir wollen wirklich nur wissen, wer du bist.“

    „Ich habe keine Angst“, log Jonna. Als Beweise trat sie an ihn heran und legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich bin nur gern alleine. Ich möchte niemanden sehen oder gar kennenlernen! Okay?“

    Die Stimme in Jonna begann unglücklich zu winseln. Still, Joa, bitte! dachte Jonna nervös.

    Der Mann legte seine Hand auf die ihre. “Ich…“, begann er und verstummte. Mit großen Augen starrte er auf ihrer beider Hände, die in sanftem Blau leuchteten…

    „Was zur Hölle…“ Jonna riss sich los und stolperte rückwärts gegen die Anzeigetafel. Dann fuhr sie herum und stürmte in den Zug. Fahr los! Fahr verdammt nochmal los! Doch der Zug ignorierte ihren Wunsch. Jonna sah nach draußen.

    Der Strubbelkopp stand da und betrachtete sie auf eine eigentümliche Weise. Dann trat er einen Schritt zurück und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

    Jonna verstand ihn nicht. Wieso kam er nicht hinterher? Nicht dass sie das wollte, aber wieso?

    Dann, nach mehreren Minuten schweigenden Hin-und-Herstarrens begriff sie: Er wollte, dass sie wußte, dass er hierbleiben würde. Dass er eben nicht zwei Waggons weiter doch noch einstieg, um ihr zu folgen.

    Jonna seufzte erleichtert auf. „Danke!“ sagte sie leise und sah, dass der Mann sie verstanden hatte. Er nickte ihr zu und das Lächeln, das er jetzt trug, war warm und fürsorglich.

    Die Wagentür schloss sich und der Zug fuhr an. Jonna hob die Hand zu einem letzten Gruß…

    Seelensplitter 15

    Das war…
    „Kackmist?“ vermutete die Wölfin und Jonna nickte: „Aber absolut!“ Wieder scannte sie die Wolfszeichen und jetzt bewegten die sich auch. Langsam, fast schon gemütlich strebten 9 Signale den Rollwegen und dem Lift zu.

    Der Aufzug brauchte eine halbe Ewigkeit, ehe er seine Glastür auf der Gleisebene öffnete. Jonna trat heraus und sah sich um. Hier, auf dem Kopfbahnsteig, war sehr viel weniger Trubel als eine Etage tiefer. Weil jedoch der Lift wieder nach unten gerufen wurde, musste sich Jonna schnell entscheiden. Nach einem Blick auf die Abfahrtsanzeige – Mist, noch 30 Minuten! – drehte sie sich um und stiefelte schnurstracks in den Buchladen gegenüber. Ihr Timing war nahezu perfekt, denn als sich die schwere Glastür hinter ihr geschlossen hatte, erschien das erste Wolfszeichen auf der Gleisebene.

    Nach einem kurzen Rundumblick entschied sich Jonna für einen drehbaren Zeitungsständer als Versteck. So konnte sie sehen, wer eintrat, derjenige konnte sie aber nicht sofort entdecken…

    „Aber sie spüren doch, dass du hier bist! Oder nicht?“ Joas Frage war durchaus berechtigt und entlockte Jonna einen weiteren Fluch. „Warum kommen sie nicht?“ fragte Joa weiter und klang recht wenig besorgt.

    Jonna ging nicht darauf ein, denn sie war durchaus beunruhigt. Wieder aktivierte sie ihre Sensorik und stellte verblüfft fest, dass die 9 Zeichen sich auf verschiedene Bahnsteige begeben hatten. Offenbar konnten sie nicht wirklich genau lokalisieren, wo sich Jonna befand. Das war irritierend, doch auch recht ermutigend.

    Die Wölfe kehrten von ihren Suche zurück zum Kopfbahnsteig und begannen, in die angrenzenden Läden zu gehen. Auch die Tür zur Buchhandlung öffnete sich, ein langer blonder Schlacks trat ein und ließ seine Blicke schweifen. Und in Jonna erlosch ein weiteres Signal. Das war wenig lustig, aber der Mann drehte sich um und verließ den Laden wieder. Offenbar hatte er Jonna nicht wahrgenommen.

    „Jaaaa!“ juchzte Jonna leise. Warum auch immer diese Leute sie nicht orten konnten, Jonna war extrem happie damit und ihre Zuversicht, heil aus dieser Geschichte herauszukommen, wuchs für ein paar Augenblicke ins Unermessliche. Bis zu jenem Punkt, da sich die Tür ein weiteres Mal öffnete und der Schlacks erneut eintrat, gefolgt von einem Kerl, für den Jonna sofort einen Begriff parat hatte: Vikinger. Fast so groß wie der Schlacks, aber muskulös. Rote Haare, die offenbar lang genug waren, um einen Männerdutt zu ermöglichen. Beiges Hemd, graue Hosen. Und alles in allem der unbedingte Eindruck, sein Körper müsse über und über mit Tattoos bedeckt sein. Sehen konnte man sie nicht, aber… da waren gewiss welche. Ein weiteres Wolfszeichen erlosch.

    Dieser Mann gab nicht so schnell auf wie der Schlacks. Er kam weiter in den Raum hinein, blickte sich sorgsamer um und schließlich entdeckte er Jonna, die wie versteinert hinter dem Zeitungsständer stand.

    „Hallo!“ sagte der Mann mit einer angenehmen Stimme und schenkte Jonna ein strahlendes Lächeln.

    Jonna schwieg.

    „Du hast uns ganz schön Kopfzerbrechen bereitet!“ fuhr der Vikinger fort und lächelte noch immer.

    Jonna schwieg weiter.

    Den Mann schien das eher zu belustigen: „Ich soll dich schön grüßen, von Marc! Er war sehr traurig, dass du fortgelaufen bist!“ sagte er.

    Jonna giekste entsetzt. Jetzt war klar, warum der Typ in Goslar ihr nicht gefolgt war. Sein Kumpel hatte vom Busfahrer das Ziel der Reise erfragt und dann hatte der Grieche seine Leute in Leipzig kontaktiert. Und die Wölfe hier hatten von Anfang an gewußt, wer sie war und wie sie aussah, deshalb hatten sie die Arschruhe weg und waren ihr nicht gefolgt. Verdammter Kackmist!

    „Hören Sie! Das muss ein Irrtum sein!“ Jonna wußte, dass es sinnlos war, aber sie wollte es wenigstens versucht haben. „Ich kenne keinen Maik!“

    „Marc! Er heißt Marc… „ , korrigierte der Vikinger amüsiert.

    „Kenn ich auch nicht!“ erwiderte Jonna trotzig „ Ich muss jetzt auch zum Zug!“

    „Marc kommt her, er müsste jeden Moment dasein, wartest du bitte noch?“ Der Vikinger schien das Konzept von Zügen und Abfahrtzeiten nicht wirklich zu kennen. Jonna schenkte ihm ein demonstratives Grinsen, schüttelte den Kopf und schob sich an ihm vorbei. Das heißt, sie versuchte es, doch der Mann hielt sie am Arm fest: „Ich sagte, du sollst…“ er brach ab und starrte auf seine Hand an ihrem Arm. „Das ist… unmöglich!“ murmelte er mit Fassungslosigkeit im Gesicht.

    Jonna sah hinunter zu seiner Hand. Da, wo sie einander berührten, leuchtete ein intensives Blau.

    Das war eindeutig drei Zacken zu viel. Hektisch riss sich Jonna los und stürmte aus dem Laden…