Christiana schluckte kurz. Nein. Nein, sie würde jetzt hier keinen Aufstand fahren. Das wars nicht wert.
Sie wandte sich zum Kommandanten um: "Ich... äh... mag Kaffee sehr gerne, und bin etwas traurig, dass es keinen zu geben scheint!" Einladend wies sie auf die freien Plätze der Sitzecke und der Kommandant setzte sich ihr gegenüber, neben Lennard.
"Ich wollte mich nochmal entschuldigen für... ", begann er, aber Christiana unterbrach ihn: "Ist schon in Ordnung. War ein... kleines Mißverständnis."
Der Mann lächelte erfreut: "Ich wollte Dir noch einmal danken! Du hast vier Menschen das Leben gerettet, das war wirklich... eine großartige Leistung!"
Jetzt fing der auch noch damit an? "Hören Sie, ich weiß nicht wirklich, was da passiert ist, aber ich denke, dass Sie es vielleicht ein bißchen übertreiben, kann das sein?" fragte Christiana so höflich es ihr möglich war.
Das Gesicht des Mannes verfinsterte sich sichtbar: "Wie meinst du das?"
Christiana bemerkte den Stimmungsumschwung sehr wohl und ahnte, dass es dem Mann nicht gefiel, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war. Er hielt sie offenbar für ziemlich dumm... oder zumindest nicht für besonders schlau. Oder beides.
Sie schenkte ihm ein überfreundliches Lächeln: "Ich denke, Sie hatten gehofft, ich merke nicht, dass das nur eine... wie nennt man das bei Ihnen? Einsatzübung? Ja? Also quasi ein Test war. Sie holen sich einen Menschen aus einer alten Zeit an Bord und testen ihn erstmal, was er so drauf hat. Ich scheine besser abgeschnitten zu haben, als sie geglaubt haben, oder? War übrigens ein toller Move mit der Katze! Wie haben sie die dressiert?"
"Du denkst, das war inszeniert?" Der Kommandant starrte sie sie völlig verwirrt an, dann sah er zu Lennard. Auch der hatte die Augen entgeistert aufgerissen.
"Ach kommen Sie schon! Wer soll das denn glauben? Sie holen sich eine Laborratte ins Haus, die läuft durch ihr hübsches Schiffchen, kommt aus Versehen ins Kistenlager und - hups aber auch - fallen da die Kerls wie die Fliegen um... Solche Zufälle gibt es nicht!" Christiana lächelte sarkastisch: "Oder wollen Sie mir allen Ernstes einreden, meine Aktion, die zwei Jungs in stabile Seitenlage zu bringen, hätte ihr Leben gerettet?! Kommen Sie, ein kleines bissel dumm bin ich ja schon... aber doch nicht ganz so arg!"
Der Kommandant räusperte sich. lang und ausgiebig. "Du bist nicht dumm!" sagte er dann entschieden und Christiana nickte dankend.
"Aber man hat dir offenbar nicht die komplette Geschichte erzählt", fuhr er fort und funkelte Lennard eindeutig sauer an.
"Finja?" der Kommandant wandte sich an die Barfrau "ich benutz mal kurz deinen Bildschirm, ja?"
Die Frau Finja nickte zustimmend.
"Computer! Zeige ein Bild des aktuellen Status im Frachthangar 11!" sagte der Kommandant.
Der "englische Park" verschwand und man sah in einen leeren Raum. Da wo vorher alles voller Packstücke stand, waren nur tiefe Schleifrillen am Boden zu sehen. Die aufnehmende Kamera war offenbar im Gang vor der Tür montiert, denn man hatte den Türrahmen als Sichtbegrenzung. Die Wand gegenüber der Tür, Christiana erinnerte sich genau an das schwarzkarierte Grau... diese Wand war verschwunden, doch sie war nicht einfach nur weg, sie schien herausgefetzt worden zu sein und gab durch grob-zerrissen wirkende Wände den Blick aufs All frei. Zumindest auf irgendwas dunkles, denn der Raum war zu hell, um dahinter Sterne zu sehen.
Christiana schluckte nervös.
"Computer? Helmkamera 1, vom Zeitpunkt an, als alle Personen geborgen waren!"
Die Tür war offen, aber das Lager stand noch voller Kisten. So wie Christiana es in Erinnerung hatte. Die Kammera schwenkte nach rechts, zeigte zwei Personen, die am Boden lagen. Eine davon rothaarig. Dann schwenkte die Kamera nach links. Ebenfalls zwei Personen am Boden. Eine davon ein Mädchen mit nacktem Oberkörper. Gerade in dem Augenblick legte jemand eine Decke über das Mädchen und Christiana atmete erleichtert auf. Die geisterhafte Gestalt des Doktors war über die zweite Person gebeugt. "Nasenbruch!" hörte Christiana die fast gelangweilte Stimme des Arztes, "sofort in die Krankenstation!"
Ein seltsames hohes Singen ertönte, als striche jemand über einen gespannten Draht. Die Kamera schwenkte wieder in den Raum hinein. Erst war nichts ungewöhnliches zu sehen, aber dann konnte man erkennen, dass die Kisten sich bewegten, sie rutschten fast unmerklich nach links aus dem Bild. Das Geräusch verstärkte sich, wurde zu einem hohen schrillen Kreischen um schließlich in einem überlauten Reißgeräusch zu münden. Die Kisten wanderten immer schneller nach links... und urplötzlich riss es die hintere Wand des Raumes einfach weg und die Packstücke wurden nach draußen ins Dunkel gezerrt.
Christiana schrie erschrocken auf.