Beiträge von Thorsten im Thema „Inhalte für Erwachsene“

    Ich muss sogar sagen, dass Nacktheit und Sex für mich - in einem gewaltlosen Maß - nicht einmal FSK18 ist. Ich finde es viel beunruhigender, dass Gewalt - in Büchern und auch in Videospielen - als absolut legitim angesehen werden. Brüste und Penisse hingegen nicht.


    Ich hab' grade die FSK Kennzeichnungen mal durchgelesen (hat mich jetzt so spontan interessiert) - die sind tatsaechlich zumindest in der Theorie recht intelligent. Nacktheit oder Sex sind da tatsaechlich kein Kriterium an sich, sondern FSK18 wird verhaengt fuer Werke die Gewalt tendenziell verherrlichen, einem partnerschaftlichen Rollenverhältnis der Geschlechter entgegenstehen, einzelne Gruppen diskriminieren oder Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung reduzieren - das scheint an der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen orientiert zu sein und welche Rollenmodelle ihnen in die Hand gegeben wird. Wenn ein Liebespaar Sex hat, dann rechtfertigt das demnach kein FSK18 denn das waere ein brauchbares Rollenvorbild.

    Was Videospiele betrifft - da bekommen wir glaube ich den amerikanischen Markt stark zu sehen (die werden ja selten fuer den deutschen alleine produziert) - da geht 'nackt' gar nicht.

    Ich erinnere mich noch aus meiner Zeit in NC an 'Nipplegate' (Janet Jackson's Brust war eine halbe Sekunde lang waehrend der Show in der Super-Bowl Halbzeit sichtbar) - die Aufregung ist durch die Decke gegangen, das Ende des Anstands wurde ausgerufen und der Schutz der Kinder vor Unmoral in den Vordergrund geschoben [1] - im Endeffekt sind das Befindlichkeiten einer recht alt-testamentlichen Stroemung des Christentums - Gewalt durchaus okay (da gibt's ja auch Rohrstock in manchen Schulen, vom elektrischen Stuhl ganz zu schweigen), aber jeder Hauch von Sex ist schlimmste Suende.

    Ist halt einfacher, die Spiele fuer diesen Markt zu machen und dann in Europa zu verkaufen statt zwei verschiedene Versionen zu machen.

    [1] Am besten hatte mir damals der Vater gefallen der in einem Interview gesagt hatte, sein Sohn hat die entbloesste Brust gar nicht mitbekommen - aber was ihn dann doch etwas mitgenommen hat war, dass der Sproessling danach wissen wollte was 'erectile dysfunction' denn so ist - das kam naemlich in allen Viagra-Werbeeinspielungen - und das hat der Steppke mitbekommen :D

    Wir wissen alle, dass das Thorsten war.


    Jo, sowas hab ich gesagt - aber das wuesste sie - das heisst das bezieht sich relativ sicher auf jemand anderen der das gesagt hat - mich kennt sie schon, so muede ist sie auch nach einer Nachtschicht nicht :D

    (Falls Du Dich fragst - wir haben erst nach Katharina's post kurz zwischen Tuer und Angel ueber das Thema geredet :) )

    Man hat nur oft das Gefühl, dass andere Autoren einem ein "so macht man das am besten, so ist das richtig" auferlegen möchten, was für einen selbst absolut nicht konform geht.


    Ja - stimmt schon, das Gefuehl kriegt man schon mal - ist aber (nach jetzt fast einem Jahr hier) dann doch praktisch nie so vom anderen gemeint. Wenn man sich dann doch mit dem anderen hinsetzt, dann stellt der sich auch nicht als jemanden hin der weiss wie 'DER FANTASYROMAN' zu schreiben ist (oder DER FILM zu drehen ist) - sondern sagt halt auch nur seine Meinung weil er eine bestimmte Erfahrung hat. Wer Tips von Jenna annimmt wird nie sowas wie '50 Shades of Grey' veroeffentlichen, wer mir zuhoert nie sowas wie 'Harry Potter' - verstehen wir jetzt was vom Schreiben oder so nicht weil wir Bestseller nicht toll finden?

    Keine Ahnung - wir sagen halt was wir fuer Gedanken zum Thema haben.

    Aber dafuer ist das Forum ja auch irgendwie da - dass wir lernen wie das eigene Werk auf andere wirkt - damit wir uns dann selber Gedanken machen koennen ob uns der gleiche Punkt vielleicht auch irgendwo reibt - oder halt nicht.

    Das letzte Mal dass mir jemand sagen wollte wie GUTE LITERATUR zu sein hat war im Deutsch-Unterricht - aber toll - dann schreiben wir alle wie Thomas Mann und Guenther Grass, das kann's auch nicht sein. Dass mir hier jemand ein 'richtig' oder 'falsch' auferlegen wollte - das Gefuehl hatte ich schon manchmal, aber als zutreffend rausgestellt hat sich's am Ende nie.

    Unterm Strich ist es aber denke ich wie mit allem anderen auch: Finde die richtige Waage.


    @Rebirz gibt mir da das Stichwort - das trifft's glaube ich ganz gut.

    Ich finde solche 'harten' Szenen dann am interessantesten, wenn sie mich durch den Kopf des Protagonisten die Situation erleben lassen - wenn ich mit ihm mitleide - wenn mir Literatur so eine Erfahrung vermittelt die ich im echten Leben teuer (mit meiner Gesundheit oder so) bezahlen muesste.

    Das ist eine Gratwanderung - auf der einen Seite ist das was ich gerne als Videospielaesthetik bezeichne - ein Held hackt sich durch Horden von Monstern - aber man sieht es mehr von aussen als durch die Augen des Helden, deer Fokus ist auf Action und nicht darauf was das mit dem Protagonisten macht. Solche Szenen wirken auf mich nicht - die ziehen mich nicht rein in die Geschichte. Das andere Extrem ist, wenn eine Gewaltszene so detailliert ausgefuehrt ist dass ich sie eklig finde - ich leide dann nicht mehr mit dem Protagonisten mit, sondern denke mir 'was fuer eine eklige Geschichte - was hat der Autor fuer ein Problem' - dann ist die Stimmung auch kaputt.

    Wie fuer Sex wuerde ich auch hier in den Raum stellen - das eigentlich schlimme passiert im Kopf, weniger beschreiben und den Leser mit seiner eigenen Phantasie ueber die Situationalleine lassen kann haerter wirken als zu viel Detail.

    Das 'richtige Mass' ist aber wohl bei allen Lesern ein bisschen anders gelagert :D

    Jeder Schreiber, der sich selbst für aufgeklärt, offen und tolerant ansieht, sollte in der Verwendung von Minderheiten kein Problem sehen, weil der Status der Minderheit weder den Menschen, noch eine fiktive Figur definiert. Das ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit.

    Die Welt waere vermutlich entspannter wenn mehr Leute die sich fuer aufgeklaert, offen und tolerant ansehen diese Position als Selbstverstaendlichkeit ansehen wuerden.

    Ist aber leider nicht so.

    Es gibt halt genug Leute die dieses Selbstbild von sich haben und es als absolut unangemessen ansehen wenn jemand der einer Minderheit nicht angehoert sich anmasst was ueber sie auszusagen indem er sie kuenstlerisch in irgend einer Form darstellt. Genauso wie es Leute gibt die das Selbstbild haben und auf einen strikten Proporz bestehen bei dem keine Gruppe zu kurz kommen darf.


    Sorry, aber ich werde bestimmt nicht die lesbische Figur aus meiner Geschichte streichen, nur weil manche denken, ich würde damit nach einer Checkliste arbeiten.

    Der Punkt der Diskussion schien mir mehr zu sein, dass die meisten hier eine Checkliste ganz gleich welcher Art ablehnen.

    Es ist auch ein Unterschied wie ich als Leser reagiere (ich kann Deine Geschichte jetzt nicht moegen oder langweilig finden, bemueht, whatever...) - kann Dir weitgehend egal sein so lange Du dahinter stehst) und wie die Gesellschaft darauf reagiert (der Verlag kann Deinen Vertrag kuendigen, Deine Inbox oder Dein Social Media Profil kann von Hate-Mail ueberschwemmt werden weil die Dich fuer einen schlechten Menschen halten weil Du XY geschrieben hast,...) - da musst Du schon ein deutlich dickeres Fell haben um das abzuschuetteln und Dein Ding durchzuziehen (keine Ahnung wer von Euch die Erfahrung schon mal gemacht hat systematisch im Internet beschimpft zu werden...)

    Mit Freiheit der Kunst meine ich nicht das erste - wenn Leuten XY nicht gefaellt dann muss jeder Autor damit leben - sondern das letztere - vom Werk auf den Charakter des Autors schliessen und ihn persoenlich auf allen Ebenen dafuer haftbar machen - das finde ich inakzeptabel und bin der Meinung es muss schon in den Anfaengen vermieden werden.

    Zitat

    Meiner Meinung nach Repräsentiert man Minderheiten in der Literatur am besten dadurch dass man sie schlicht und einfach als normale Menschen da stellt.


    In USA wird etwa darueber diskutiert ob jemand der nicht der speziellen Minderheit angehoert ueberhaupt berechtigt ist, diese Minderheit (oder ihre Braeuche) kuenstlerisch darzustellen ('kulturelle Aneignung') oder ob das ueberhaupt nur ein Betroffener kann. Diese Diskussionen haben bisher konkret zu Bildern gefuehrt die von Ausstellungen entfernt wurden, zu einem Filmprojekt ueber eine Transperson das eingestellt wurde und zu Buechern bei denen der Vertrag gekuendigt wurde.

    Ich hab' kein Gefuehl fuer das aktuelle Klima in DE zu dem Thema - aber ich finde Freiheit der Kunst (de facto, nicht auf dem Papier) schon wichtig - das ist Deine Freiheit einen homosezuellen Vampir zu schreiben, Asni's oder Rebirz' Freiheit zu sagen dass Minderheit XY halt nicht in ihre Geschichte passt, Harris' Freiheit ueber einen Psychopathen zu schreiben und meine Freiheit Filme ueber eine Hexe zu machen ohne dass mir jemand ans Bein pisst dass ich hier christliche Werte untergrabe (ja, die Diskussion hatte ich schon).

    Insofern denke ich nicht dass wir uns da zu wenig Gedanken machen - die Sorge vor einer 'Checkliste' ist nicht unbegruendet, das Problem ist real.

    Das fände ich z.B. auch schon bei aktuell diskutierten Themen eher anstrengend, also wenn plötzlich jeder aktuelle Roman mindestens einen homosexuellen Charakter haben muss (--> das "muss" ist hier entscheidend; es sollte halt keine Genre-Konvention werden, sonst spricht da natürlich nichts dagegen. Ich meine eher die Gefahr, dass jede aktuelle Geschichte quasi eine Checkliste an Anforderungen erfüllen muss, um publiziert zu werden.


    Ja, das sehe ich auch so - grade auf den homosexuellen Charakter bezogen - mir ist der Trend auch in den letzten Jahren unangenehm aufgefallen. Beim ersten Mal war meine Reaktion 'Ah - mal was neues, interessant.', beim zweiten Mal 'Kommt mir bekannt vor...' und danach 'Nee, echt jetzt, schon wieder?'

    Grade weil es ein in der Gesellschaft diskutiertes Thema ist reagiere ich da empfindlich wenn mir das in Fantasy wiederholt vorgesetzt wird - persoenlich mag ich SciFi und Fantasy lieber als Experimentierfelder wie Gesellschaften aussehen koennten - grade wenn sie ethisch ganz anders funktionieren als bei uns - Starship Troopers etwa mit seinem konsequenten und gut argumentierten Militarismus war fuer mich eine Offenbarung, ich fand das total interessant darueber nachzudenken und mit meiner eher pazifistischen Philosophie zu kontrastieren. Wenn mir dann in Fantasy eine aktuell diskutierte normative Ethik vorgesetzt wird dann bekomme ich ganz schnell das Gefuehl dass ich hier belehrt werden soll statt mir meine Gedanken ueber eine Anordnung selber zu machen. Und auf Belehrung steh' ich so gar nicht...

    Nach dem was ich ueber die Bedingungen der US-Verlage in letzter Zeit so gelesen habe, ist das in vielem schon so dass es de facto eine Checkliste gibt (die Verlage haben etwa Vertragsbedingungen die ihnen ermoeglicht aus dem Projekt auszusteigen wenn der Autor oeffentlich Aerger erregt - das bedeutet im Endeffekt 'no shitstorm' - und wenn man sich anschaut was typischerweise einen Shitstorm ausloest, dann geht halt eine homosexuelle Protagonistin viel eher als ein latent sexistischer Protagonist...)

    Persoenlich finde ich muss man die Meinung des Autors und sein Werk auseinanderhalten - es heisst 'Fantasy' oder 'Fiction' weil der Autor sich was ausdenkt, nicht weil er aus seiner Autobiographie schreibt - wer einen ueblen Sklavenhalter als Protagonisten hat, will wahrscheinlich nicht Sklaverei propagieren sondern uns wissen lassen wie es in einer Gesellschaft zugeht die Sklaven haelt so dass wir uns besser Gedanken dazu machen koennen - und das ist interessant. Mit diesen de-facto Checklisten geht viel von dem verloren was Literatur fuer mich ausmacht.

    Langes, teilweise ein bisschen off-topic statement weil ich das Thema recht wichtig finde und ich da @Asni auch nicht alleine mit einer potentiell kontroversen Meinung stehen lassen moechte.

    @Cory Thain - Faye mag ja keine definitive ja-nein Antwort, sondern fragt nach unserer Meinung. :)

    @Faye

    Eine gute Freundin hat zu dem Thema mal gesagt: Sex-Szenen koennen einer Geschichte das letzte 'etwas' geben wenn man sie richtig macht - und sie runinieren wenn man sie falsch aufbaut. Und es ist leicht, sie daneben zu setzen.

    Ich denke da hat sie nicht ganz unrecht.

    Ist jedenfalls bei mir so - wenn's gut geschrieben ist, dann ist es toll, aber wenn ich mir anfange zu denken ' was hat den Autor jetzt da geritten' dann bin ich aus der Geschichte draussen.

    Meine Vermutung ist, dass bei vielen Menschen Erotik im Kopf entsteht, wenn die Phantasie anfaengt sich eine Szene zusammenzuspinnen die den Leser eben anmacht. Wenn die Szene jetzt ganz detailliert geschildert ist, dann kann es sein, dass sie auf die Phantasie und Vorlieben des Lesers passt - muss aber nicht. Und wenn nicht, gibt sie ihm keinen Raum fuer eigene Phantasie und spricht ihn halt nicht an - und dann hat er eben einen grossen Textblock von expliziten Beschreibungen vor sich waehrend er innerlich schon abgeschaltet hat. Tut der Geschichte eher keinen Gefallen.

    Nachdem's mein Medium ist - im Film gibt's auch erotische Szenen - und es gibt Porno. Beim ersteren sieht man generell weniger explizit und es wird mehr angedeutet, beim letzteren haelt die Kamera halt auf alles drauf. Hat alles seine Zuschauer - ist aber nicht das gleiche Genre.

    Ich wuerde vorsichtig in den Raum stellen:

    Weniger ist oft mehr - selbst in einem Fantasy-Roman wie Kushiel's Dart wo's schon primaer um Sex geht sind die einzelnen Stellen wo's passiert nicht ewig lang ausgefuehrt, sondern 1-2 Seiten max.

    Es sollte einen Grund geben - unlaengst hatte ich ein Buch gelesen wo einfach mal ohne dass es einen bestimmten Grund aus der Geschichte gab immer wieder mal eine Sex-Szene vorkam - wo ich mich auch gefragt hatte - warum das jetzt? Macht das Buch nicht besser.

    Nur wenn Du Dich als Autor sicher damit fuehlst - wenn so eine Szene beim Leser daneben geht, dann geht sie ganz schnell grandios daneben (und es kann fuer den Autor je nach Naturell dann auch mal peinlich sein wenn der Probeleser sich schlapp lacht - auch eine Geschichte die mir die oben erwaehnte Freundin erzaehlt hatte...)

    Das was man nicht zu sehen bekommt, ist oft erotischer als das was man direkt sieht - Generationen von Modeschopefern fuer Unterwaesche wissen das. :D