Es juckte. Tepsraks ganzer Körper juckte vor Verlangen, etwas zu tun. Ob nun wegrennen oder die Zähne durch schuppige Haut schlagen, egal, Hauptsache nicht wie die Fliege im Spinnennetz warten, dass etwas passiert. Der Dämon tappte nervös von einer Pfote auf die andere. Irgendetwas an diesem Shinzik beunruhigte ihn. Und es waren noch nicht einmal die feinen Magieadern, die seinen Körper durchzogen, sondern eher das allgemeine Auftreten der Echse. Obwohl er zwei bewaffneten Kriegern und einem Dämon gegenüberstand, und Tepsrak an seiner Sehfähigkeit zweifelte, verströmte nicht eine Faser des schmächtigen Körpers etwas wie Unsicherheit oder Furcht. Der Lurch triefte viel eher vor Überlegenheit, und dies musste einen Grund haben. Auch die beiden Menschen schienen dies zu spüren, denn sie blieben stumm.
"Wassss denn? Keine Fragen? Jetzt habt ihr die Chancssse auf Antworten, nicht?"
"Es reicht!" Das Knurren des Schattentigers erinnerte an das Donnern eines drohenden Gewittersturms. "Wir haben keine Zeit für diese Spielchen. Sag uns, was du willst und lass uns gehen!"
"Wiessso Ssspielchen?" Die Echse setzte ein Gesicht auf, das wohl Traurigkeit darstellen sollte. "Du kränkssst mich, Felid. Ich versuche blossss euch zu helfen."
Daraufhin meldete sich Mithril zu Wort. "Wie kommt es dann, dass du noch keine einzige unserer Fragen wirklich beantwortet hast? Komm endlich zu deinen Forderungen, wir haben nicht ewig Zeit."
"Oh, ich ssssehe, ihr sssseid ungeduldig." Der Shinzik verzog den Mund, stand in einer ruckartigen Bewegung auf und fixierte die Gefährten mit starrem Blick. "Na schön. Ihr drei ssseid unrein. Ihr ssseid unrein und ohne Erlaubnisss in unseren Wald eingedrungen. Sssolange wir nicht wissen, ob ihr zum Wohlgefallen des grossen Ssotekh lebt und handelt, können wir euch nicht ziehen lassen oder die Götter würden uns zürnen. Alssso..." Die Echse breitete die Arme aus "... werden wir euch prüfen. Besteht, und ihr habt freiesss Geleit. Sssolltet ihr versssagen, wird der Tod euch den guten Willen Ssothekhs einbringen."
Stille. Niemand ergriff das Wort, aber was hätte man auch sagen sollen? Der Shinzik hatte mit einer Selbstverständlichkeit gesprochen, als hätte er einem kleinen Kind erklärt, wie man sich das Wams zuschnürt.
Schritte erklangen in ihrem Rücken. Es war die Echse mit der Federkrone, welche in diesem Moment hereintrat und sich tief vor dem alten verbeugte, ohne den Festgehaltenen auch nur einen Blick zuzuwerfen. Er sprach einige Worte, worauf der Shinzik feierlich nickte.
"Folgt mir." Federkrone drehte sich um und lief mit schnellen Schritten auf das schwarze Loch zu, durch welches sie in den Kessel eingetreten waren, und wurde von dessen Finsternis verschluckt. Mithril und Tara warfen sich unsichere Blicke zu, aber in Tepsraks Seele rührte sich eine andere Empfindung. Kalt blitzten seine Krallen im schalen Licht der Halle. "Ihr sssoltet gehen. Die Götter warten nicht gern."
Tepsrak trat aus der Dunkelheit ins Freie. Trotz des blendend hellen Lichtes blinzelte er nicht, sondern liess die blutroten Augen ununterbrochen auf den Echsen ruhen, die rund um den Eingang versammelt waren. Es waren viele. Das leichte Keuchen im Rücken verriet ihm, dass auch Tara und Mithril wieder ans Tageslicht getreten waren und nun hinter ihm standen. Der Dämon versuchte noch nicht einmal, seine Wut zu verbergen. Das Fell hatte er gesträubt, der Schwanz peitschte hin und her und sein lautes, aggressives Knurren lies mehr als nur ein paar der Shinzik erschrocken zurückweichen.
"Tepsrak, warte!", flüsterte Tara nervös, "Sei nicht voreilig! Wir wissen doch noch gar nicht, was wir tun müssen."
Der brennende Blick, der er dem Mädchen zuwarf, sprach Bände. Aber er kam nicht dazu, etwas zu erwidern, denn in diesem Moment begann die Federkrone wieder zu Sprechen. Unverständlich, natürlich. Mitten in der Rede stiess er, dem Tonfall nach, einen Befehl aus, woraufhin sich links von der Gruppe ein Tumult erhob. Sechs mit Speeren bewaffnete Shinzik bahnten sich in einer geordneten Zweierreihe den Weg auf sie zu. Die Echsen, an denen die Krieger vorbei gingen, wurden offensichtlich aufgebracht. Sie begannen, beissende Zischlaute auszustossen, riefen laut Wörter und versuchten teilweise sogar, sich der Prozession in den Weg zu stellen. Ohne Erfolg, sie wurden einfach beiseitegeschoben. Aber unter all diesem Getöse konnte Tepsraks feines Gehör noch etwas anderes wahrnehmen: leises Wimmern.
Die Krieger schritten langsam auf die Gefährten zu und blieben vor ihnen stehen. Dann machten die vorderen beiden Echsen je einen Schritt zur Seite und gaben den Blick frei auf das Geschöpf in ihrer Mitte, welches von den mittleren zweien grob festgehalten wurde. Es schien ein Shinzik zu sein, aber sein Aussehen unterschied sich von dem der anderen. Er hatte keine Farbe. Noch nicht einmal wirklich weiss war er, milchig-rosa würde es eher treffen. Fast so, als wären seine Schuppen durchsichtig. Die Arme und Beine schienen zu lang für den kleinen, nur mit einem einfachen Tuch bekleideten Körper und er war sehr mager. Ohne Vorwarnung stiessen die Wächter das Wesen derb nach vorne, wodurch es strauchelte und mit einem erstickten Schrei vor den drei Reisenden auf die Knie fiel. Deutlich konnte Tepsrak die zahlreichen Narben sehen, die den gesamten Körper der zitternden Echse schmückten.
"Nun denn" wandte sich der Anführer feierlich an die Gefährten "hier issst eure Aufgabe. Dasss Niedere vor euch im Staub, esss trägt die Unreinheit in sssich, die unssserem Volk einsst den Untergang gebracht hat. Beweissst, dasss ihr eure eigene Überwinden könnt, und reinigt unssser Reich von diessem Schmutzzz. Tut esss im Namen desss grosssen Ssotekh, und ssseid euch der Gnade der Götter gewisss."