*pustet Staub weg*
Ich sollte, wenn ich schon so ewig brauche, wenigstens zwischendurch auf Kommentare antwortet. Ich gelobe Besserung.
Jedenfalls:
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Ich finde, es ist eine wahre Kunst, Kurzgeschichten zu schreiben. Du berherrschst das scheinbar einwandfrei
Das ist ein Kompliment, das herunter geht wie Öl. Ich schreibe hin und wieder gerne Kurzgeschichten, allerdings fehlen mir momentan die zündenden Ideen, zumal ich meine langen Projekte ungern so schleifen lasse. Aber danke.
So, nun zu deinem Experiment:
Beim Lesen habe ich mehrere Phasen durchlaufen...Zuerst dachte ich: Och nö! Is ja voll öde... und habe mich gefragt, worauf das Ganze hinauslaufen soll...das war dann aber der Moment, wo du mich wahrscheinlich gekriegt hast, denn, als ich mich einmal in dieses Ping-Pong-Spiel eingefunden hatte, wollte ich unbedingt wissen, was für eine Geschichte die beiden verbindet. Beim Lesen habe ich dann also Spekulationen angestellt, die in die verrücktesten Richtungen gingen. Der Dialog ziwschen den beiden lässt ja auch einiges an Spekulationsspielraum Naja...zum Ende hin war ich dann aber irgendwie enttäuscht, weil es nicht aufgelöst wird und ich mit meinen ganzen Ideen nun dastehe und mich frage: Was bitteschön war das??? Wahrscheinlich war das von dir aber so gewollt, nehme ich an.
Es war in der Tat meine Absicht, hier extrem viel Interpretationsspielraum zu lassen. Wobei ich mittlerweile auch denke, dass es hier bei dem Experiment dann wohl doch etwas zu viel des Guten war. ^^' Aber dafür sind Experimente ja da, um zu schauen, wie man es beim nächsten Versuch besser machen kann.
Ich denke, dass der Text einen wirklich guten Prolog zu einer feinen Geschichte liefert, er kann aber auch sehr gut für sich alleine stehen.
Ich lasse mir das Thema noch offen. Wenn ich mal wieder ein längeres Projekt brauche, schaue ich, was ich daraus so zaubern könnte.
Ich habe dann mal wieder eine kleine Geschichte für euch.
Sie ist - alt. Mindestens an die zehn Jahre. Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten aufpoliert, bessere Wortwahl als damals etc. Ansonsten gab es da wenig Aufpolieren.
Wen es interessiert: Bin für alle Kommentare/Kritiken offen.
~+~
Wenn der Himmel sich blutrot färbt
Dreh dich im Kreise,
Tanze wild,
Tanz so schnell die Winde wehen.
Dreh dich im Walde,
Tanze weit,
Tanz als würde der Himmel in Flammen stehen.
Zieh deine Kreise,
Fliege darin,
Dreh dich wild im Windes raschen Kuss.
Schau nicht ins Tal,
Schau nicht zurück.
Dreh dich wild wie des Teufels Kind.
Eine Prozession folgte der in Schwarz gehüllten Gestalt. Ein jeder, der ihr folgte, hielt eine silberne Schale in den Händen, bestückt mit einer weißen Kerze, deren Flammen züngelten; der Wind, der sich zwischen Fichten hindurchschlängelte, streifte sie und spielte wie ein kleines Kind mit ihnen.
Unter der Prozession waren Junge und Alte, Männer wie Frauen. Alle trieb es mitten in der Nacht durch den Wald, dessen majestätisch in den Himmel gewachsenen Bäume von Nebelschwaden umgeben waren.
Leise murmelten Stimmen durcheinander, doch keiner traute sich, lauter als nötig Worte zu wechseln, stets darauf bedacht, die Kerzen mit ihrem Atem nicht erlöschen zu lassen. Je näher sie der Lichtung kamen, desto schwächer wurde das Flüstern, doch schon nach kurzer Zeit erlang ein Raunen. Kurze Silben, die in ihrer Folge Wörter und Sätze ergaben und sich schließlich zu einem Singsang steigerten. Stetig stiegen mehr und mehr Stimmen ein, während der Gesang an Kraft gewann.
Die Gestalt im schwarzen, samtigen Gewand war die erste, die auf das vertrocknete Gras aus dem Schutz der Fichten trat. Ein schwaches Beben erfasste ihren Körper, als sie die Macht in sich fließen wusste. Ein verzücktes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Tief atmete sie aus, während eine Schweißperle unter jener grauen, schmucklosen Maske hervorperlte, die ihr Gesicht verbarg. Auch sonst war ihr gesamter Körper verhüllt, ihr Haupt mit einer Kapuze bedeckt.
Sie hob den Kopf, streckte den leicht gebeugten Leib und stolzierte mit nackten Füßen über die verdorrte Wiese. Aus ihrer Kehle wollten sich Jubelschreie lösen, doch sie schluckte jene Vorboten innerer Freude herunter. Statt zu jauchzen, verbarg sie sich nur tiefer im Schatten ihrer Kapuze.
Ihr Atem beschleunigte, als sie die Menschen hinter sich singen hörte, immer lauter und lauter. Sie hörte das Wiegen der dürren Kiefern im Wind, hörte das Knarzen ihrer Stämme und das Rauschen des Windes in ihren ausgedünnten Nadeldächern.
Der Mond stand hoch über ihnen und erhellte die Lichtung mit silbernem Schein, ließ den Nebel sanft schimmern.
Die Prozession verteilte sich; mehrere Reihen stellten sich um das in der Mitte stehende Geschöpf im Kreis auf. Wer zum Stehen kam, stellte seine Schale mit der Kerze auf den Boden.
Die dunkle Gestalt hob die Arme, fuhr mit zierlichen Händen zum Saum der Kapuze und schob diese langsam nach hinten. Langes, dunkelbraunes Haar wallte in üppigen Locken über die Schultern. Unter der Maske schimmerten grüne Augen deutlich zwischen den schmalen Schlitzen hindurch.
Mit flinken und gekonnten Bewegungen knöpfte die Gestalt das Gewand auf, um es sich schließlich von den schmalen Schultern zu streifen. Ihr schlanker, weiblicher Körper, der mehr dem eines Kindes denn einer Frau glich, stand nun vor der versammelten Menge für jeden gut sichtbar. Unter dem mit Silberfäden durchzogenem Seidenkleid schimmerte ihre bleiche Haut im Mondlicht hindurch. Der hellgrüne Stoff schmiegte sich vom Halsansatz bis zu den Schenkeln eng an ihren Körper.
Sie lächelte weiterhin unter ihrer Maske. Ihr Herz schlug schnell in ihrer Brust. Sie spürte es, das Pulsieren unter ihren nackten Sohlen, hörte das zu einem Murmeln verebbte Singen, das kurz zuvor seinen Höhepunkt erreicht hatte.
Jemand löste sich aus den Reihen der sich sanft wiegenden Menschenleiber. Eine schmächtige Männergestalt, einzig in braune Leinenhosen gekleidet, trat mit demütig gesenktem Kopf in den inneren Kreis hervor. Sein feuerrotes Haar fiel ihm wild ins bleiche Gesicht. In seinen knöchernen Händen hielt er eine flache Holzschale, die mir einer rötlichen Flüssigkeit bis zum Rand gefüllt war. Er war darauf bedacht, keinen Tropfen zu verschütten.
Langsam schritt er auf die junge Frau zu. Sie streckte die Arme nach ihm aus, bis er kaum mehr drei Schritte entfernt war. Die gemurmelten Gesänge verstummten und alles Augenmerk richtete sich auf die beiden.
Große dunkle Augen blickten zu ihr empor, während das Gesicht des jungen Mannes ausdruckslos blieb. Stumm reichte er ihr die Schale, legte sie ihr regelrecht auf beide Handflächen, die nah beieinander ruhten. Gierig schlossen sich ihre dünnen Finger um die Schale, hielten sie fest umschlossen.
Als ihre Blicke sich trafen, schwand ihr Lächeln unter der Maske. Es waren nur wenige Sekunden, ein Bruchteil nur, in denen sie sich gegenseitig eingehend musterten. Ihr Herz setzte aus, als er sich vor ihr verbeugte, einige Schritte zurücktrat, bevor er ihr den Rücken zuwandte, um seinen Platz in der vorderen Reihe einzunehmen.
Kein Leib wiegte mehr, keine Stimme erhellte mehr jenen Ort. Ein letztes Mal atmete die junge Frau durch, zog die Schale näher zu sich heran und führte sie an die Lippen.
Langsam senkte sie die Lider. Sie roch an der Flüssigkeit, nippte daran, nur um sie dann allmählich in ihren Mund fließen zu lassen. Wärme erfüllte sie, ein Schauer durchfuhr ihren Körper, bis es jede Faser durchzuckte. Mit einem leisen Aufstöhnen ließ sie die Schale fallen, die in zwei Hälften zersprang, kaum dass sie das verdorrte Gras berührte.
Ein wildes Toben erfasste sie. Muskeln und Glieder zuckten. Sie riss die Arme hoch, warf sich und ihren Leib nach links, dann nach rechts, einige Schritte nach vorn und einige zurück. Sie nahm ihre Umgebung nur mehr verschwommen und am Rande ihres Bewusstseins wahr.
Ein raues Lachen drang tief aus ihrer Kehle und mit einem Mal begann sie, sich wild um sich selbst zu drehen. Schneller und schneller, als wolle sie sich in ihrem wilden Taumel auflösen.
Sie breitete die Arme aus, weitete die Augen, lachte schrill. Sie spürte, wie das Leben sie durchströmte, es ihren Körper erzittern ließ, sie trunken machte vor lauter Magie. Unter ihren Füßen erwachte etwas. Alles wurde weich unter ihren Zehen; überall dort, wohin sie trat, wo ihre bloße Haut das Gras streifte, wuchs neues Leben heran.
Ein Aufstöhnen ging durch die Mengen, alle sahen dem wilden Tanz zu, konnten sich kaum selbst an Ort und Stelle auf den Beinen halten, doch noch war ihre Zeit nicht reif.
Der junge Mann, der Ihr die Schale gebracht hatte, wandte den Blick ab, versuchte die aufkeimende Trauer tief in sein Innerstes zu verbannen. Der Kloß in seinem Hals erschwerte ihm das Atmen. Mit erhobenem Kopf sah er zum Nachthimmel, ein bitteres, schiefes Lächeln auf den Lippen, als er erkannte, wie schnell sich der Mond verfärbte diese Nacht. Mit schmerzender Wehmut in der Brust wandte er sich wieder der wild tanzenden Frau zu, die sein Herz einst für sich erobert hatte.
Das Gras begann zu ihren Füßen begann zu wachsen, erwachte zu neuem Glanz und alle sahen, wie es sich weiter und weiter bis auch in die tiefsten Ecken des Waldes und darüber hinaus erstreckte. Die Bäume erzitterten, lachten frohlockend und erfreuten sich ihrer erstarkenden Rinden und Nadeln.
Und die Frau tanzte weiter. Das Opfer des Frühlings wand sich, lachte schallend voller Glück erfüllt. Blutrot stand der Mond inzwischen über ihnen. Und weit draußen drang das erste Licht des nahenden Tages heran.
Plötzlich fielen alle in ein sich rasch ausbreitendes Jubelgeschrei. Alle bis auf einer, der auch noch dann zu dem zuckenden Leib am Boden blickte, als alle anderen um ihn herum bereits in ihren eigenen kleinen Kreisen tanzten. Keiner von ihnen schenkte der Tänzerin mehr Beachtung.
Zusammengesunken lag sie da, rührte sich nur noch wirr und gar nicht mehr anmutig. Die Maske auf ihrem Gesicht hatte Risse bekommen und blutrote Tränen liefen aus den kleinen Schlitzen über das graue, schmucklose Gebilde.
Sie hatte ihr Leben gegeben, ihren Zweck erfüllt. Als ihr Herz die letzten Schläge vollführte, erblickte sie zwei Füße. Mit letzter Kraft drehte sie den Kopf leicht, sah hinauf zu jener Gestalt, die nun direkt vor ihr stand. Er hätte an ihrer statt hier liegen sollen.
Er ging vor ihr auf die Knie und mit dem letzten Funken ihres Verstandes schenkte sie ihm ein Lächeln, als er ihr die brüchig gewordene Maske von ihrem vernarbten Gesicht nahm.
Dann hauchte sie den letzten Rest ihres Lebens aus und bot es der Erde unter sich als letztes Geschenk dar.