Beiträge von Jennagon im Thema „Chaostheorie“

    Adelle schaute sich um und sah zu, wie Cosima den Hund bändigte. Auf ihre Worte hin, reagierte sie etwas verzögert, kein Wunder, bei dem Trubel, der sie gerade noch ereilt hatte.
    "Lass uns hier abhauen. Wir sammeln den komischen Kerl da hinten ein, der gehört nicht zu uns.. ääääh ich meine zu den Banditen. Tilligan und Ginster treffen wir bestimmt spätestens am Waldrand wieder. Bei Fuß, Brutus, dich können wir gebrauchen."
    Das waren die erste Worte, die die Magerin wieder mitbekam und wirbelte mit ihrer roten Mähne herum.
    "Nehmen wir alles mit, was nicht bei drei auf einem Baum sitzt?", schimpfte Adelle. "Was wollen wir mit einem alten Tattergreis?"
    "Er hat mitgeholfen!", konterte die Frau neben ihr und Adelle ließ seufzend die Schultern hängen.
    "Großartig, dann kommt er eben mit!", gab die Magierin schlussendlich nach. Mit großen Schritten stapfte sie auf den bewusstlosen, alten MAnn zu und ergriff sein Bein. Entsetzte Blicke erntete sie dabei von der dunkel gekleideten Frau.
    "Was ist?", forderte Adelle zu wissen und zerrte an dem einen Bein "Hilfst du mir nun oder starrst du Löcher in die Luft?"
    "Wir können ihn doch nicht über den Waldboden zerren", nuschelte Cosima aus etwas Entfernung.
    "Siehst du hier irgendjemanden, der stark genug ist den alten Sack zu schultern? Ich nicht und für die Kutsche ist kein Platz hier."
    Widerwillig marschierte Cosima auf Adelle zu und nahm das andere Bein.
    "Na schön, bevor die Banditen wieder wach werden."
    Sie liefen zurück zur Kutsche, die am Waldrand - zu ihrem Glück - unversehrt herumstand. Euphorisch umarmte Adelle ihr Hab und Gut, ließ dabei einfach den Fuß des Alten los und streichelte dem alten Gefährt über das spröde Holz.
    "Hauptsache dir geht es gut, mein Wagen!"
    Ja, die Magierin hatte sich Gedanken gemacht,. Viel zu stehlen gab es darauf nicht, aber immerhin war das ihr einziges Eigentum. Fragend wurde sie von ihrer "Freundin" gemustert.
    "Was?", fragte Adelle mürrisch. "An einem Tag hätte ich fast zwei Mal meine Existenz verloren, da darf man wohl etwas sentimental werden."
    Cosima wandte sich lieber ihrem neuen Anhängsel zu und schaute nach, ob er überhaupt noch lebte.
    "Der hat eine ziemliche Beule", stellte sie dabei fest.

    Während sich Cosima Gedanken um den Mann machte, fragte sich Adelle nebenbei, was wohl aus dem Schwachmaten - Ritter und dem sprechenden Kater geworden war. Und wie dieser wohl auf den Hund reagieren würde ...

    Adelle wusste gar nicht, wie ihr geschah. Da packte sie einer der Räuber und zog sie mit sich. Ihre Unschuldsmiene hatte anscheinend nichts gebracht, das hatte sie aber schon vermutet.
    Jetzt rannten die Kerle einmal ihrem Freund hinterher, der von einem riesigen Hund quer durch den Wald geschleift wurde und die anderen gerieten mit Tilligan in einen Zweikampf. Sie musste zugeben, so doof stellte sich der Soldat gar nicht an, aber gegen mehrere konnte er nicht bestehen. Es war eine Frage der Zeit, wann das alles ins Auge gehen würde. Nichtsdestotrotz machten die Räuber keinen sonderlich intelligenten Eindruck. Und Cosima gehörte ihnen an? Zumindest schienen sie die junge Frau zu kennen und lautstark wehrte sie sich gegen den Griff des Mannes, der sie mit sich zerrte.
    Sollte Adelle sich nur um ihre Sicherheit sorgen oder auch ihre neuen Bekanntschaften verteidigen? Konnte sie das überhaupt?
    Die junge Magierin war hin- und hergerissen. Wenn etwas schiefging, dann würde sie alles nur noch schlimmer machen.
    Aber es brachte nichts. Die Räuber schienen nicht den Eindruck zu machen, als würden sie die Gruppe einfach weiterziehen lassen. Außerdem schien der Kerl, der Cosima festhielt, einen persönlichen Hintergrund seiner Grobheit zu besitzen.
    "Verdammte Harke", brüllte Adelle plötzlich los. "Jetzt reicht es aber. Ich bin für einen Tag genug gerannt und geflüchtet."
    Sie waren in einem Wald. Etwas, was die Magierin für sich nutzen würde.
    Sie entriss dem Räuber den Arm, der sie so grob behandelte und warf sich auf die Knie. Ihre Hände ließ sie eilig in die Erde gleiten und begann lautstark eine Zauberformel zu brüllen.
    Um sie herum begannen die Wurzeln verrückt zu spielen und brachten die Räuber erneut zu Fall, was Tilligan die Möglichkeit verschaffte sie weiter zu bekämpfen, aber auch er musste in Deckung gehen.

    Adelle riss an ihrem Kleid, welches sich in Dornen verfangen hatte. Sie musste einsehen, dass sie für das Leben in freier Wildbahn nur bedingt ausgerüstet war. Selten schlich sie im Wald umher.
    "Verdammt, mein Saum hängt fest", fluchte sie, während Cosima ihr half sich zu befreien.
    "Halt still", mahnte die junge Frau die Magierin, als diese es schaffte den grünen Stoff vom Ast zu lösen.
    "Vielleicht finden wir ein paar Wachteln oder Wildhühner", philosophierte Tilligan bereits über das Abendessen. Die beiden Frauen schenkten sich einen Blick.
    "Nur wie fangen?", erwähnte Cosima das offensichtliche Problem. Sie besaßen keinen Bogen und mit einem Schwert auf solch ein Tier zurennen war ... zumindest eine amüsante Vorstellung.
    "Vielleicht kann uns Ginster da aushelfen", überlegte Adelle und tippte sich nachdenklich gegen ihr Kinn.
    Doch bevor sie näher auf die Essensbeschaffung eingehen konnten, raschelte es schon im Gebüsch unweit der drei und Ginster kam angelaufen.
    "Weg hier!", flüsterte der Kater und erntete immer noch erstaunte Blicke, für die Tatsache, dass er sprechen konnte.
    "Was ist?", hakte Cosima nach und Tilligan ergriff derweil schon instinktiv den Griff seines Schwertes.
    "Irgendwelches Gesindel!", erwiderte die Wildkatze knapp und sauste an seinen Begleitern vorbei.
    "Ge-was?", stieß Adelle überrascht aus, aber ihr Gedankengang wurde bereits von einer kratzigen, alten Stimme unterbrochen.
    "Nah, wen haben wir denn da?", erklang es aus etwas Entfernung und diabolisches Gelächter folgte.

    Adelle rappelte sich auf und unterdrückte jegliche Wut, während sie sich ihr schmerzendes Gesäß rieb, zumindest versuchte sie es. Im Augenwinkel sah sie, wie der Kater sich nuschelnd davonmachte und sah auch Tiligan, der selbstverherrlichend auf ihrem Kutschbock saß und sich feiern lassen wollte, als er diesen umgelenkt und zurückgebracht hatte. Ohne die beiden Deppen hätte es gar kein Problem gegeben, aber die Magiern war sich sicher, dass sie auf den Trichter nicht kamen.
    Erst Probleme verursachen und sich dann bei knapper Lösung des Geschehens feiern lassen, nicht mit ihr, nicht mit Adelle.
    "Runter vom Kutschbock!", keifte sie den selbst ernannten Helden an, dessen Grinsen aus dem Gesicht wich, als er Adelles wütenden Blick entdeckte. Anscheinend hatte er mit Dank gerechnet.
    "Runter. Vom. Kutschbock!", wiederholte die Magierin noch einmal. Cosima schaute verlegen drein, vermutlich war ihr die Angelegenheit peinlich. Sie hätte es besser wissen müssen, hatte es aber eigentlich nur gut gemeint. Dass der Kater sich dermaßen wehrte, damit konnte niemand rechnen, oder doch?!
    Tilligan steig ab und wollte mit erhobenen Zeigefinger etwas zum Besten geben, aber Adelle würgte ihn mit den Worten:
    "Nicht jetzt, sei einfach still, bitte."
    Die Magierin hob leicht den Saum ihres Kleides an, welches derweil wirklich verwildert aussah und nahm schwer seuzend Platz. Mit starren Blick sah sie gerade aus und kämpfte gegen die Wut, die sich in ihr zusammenstaute. Sie zwang sich zu einem Lächeln, was so falsch aussah, dass sie damit nicht einmal einen Blinden hätte täuschen können.
    "Da keiner von euch fähig ist, eine Kutsche vernünftig zu führen, werde ich das ab jetzt machen, bevor meine Vorräte, Reagenzien und überhaupt alles, was ich in meinem Leben eisern angespart habe, zu Bruch geht. In diesem Karren steckt mein ganzes Leben und ich verlange, dass man das mit Respekt behandelt!"
    Diese Worte presste sie durch ihre zum Grinsen verzogenen Lippen, als seien diese eine Barriere gegen viel fiesere Worte. Aber es stimmte. Alles, was Adelle besaß, befand sich im Karren. Abgesehen von sich, den beiden Pferden, den Wagen, gab es zuvor nichts. Sie wollte sicherlich nicht die herzzereißende Geschichte eines Waisenkindes erzählen, was sich alles hart erarbeitet hatte. Diese Geschichte konnten viele erzählen und erweckte ungefähr so viel Mitleid, wie das Diebe nur andere beraubten, um es den Ärmeren zu geben, nämlich sich selbst. Deshalb fragte sie die anderen auch nicht nach ihrer Geschichte, was sie dazu brachte mit ihr zu reisen, denn das hätte bedeutet, sie hätte auch über sich etwas erzählen müssen. Wobei sie sich schon brennend dafür interessierte, warum Cosima mit ihrer Schulter redete und warum Tiligan so gestellt daherkam, als spielte er eine Rolle in einem schlechten Theaterstück. Der Retter von Witwen und Waisen.
    Auch interessierte sie, warum Ginster sprechen konnte. Noch nie hatte sie ein Tier wie ihn gesehen und es war klar, dass dort Magie im Spiel war. Vielleicht kamen sie unterwegs an einem Magierzirkel vorbei, bei dem Adelle etwas über solche Magie nachschlagen konnte. Sie war zwar nur eine Naturmagiern, aber niemand behauptete, dass man seine Fähigkeiten nicht ausbauen sollte.
    Wie auch immer, dachte sich die junge Magierin und schaute etwas beruhigter auf die anderen beiden hinunter.
    "Was ist? Wollt ihr da herumstehen oder weiterfahren?"

    Adelle beruhigte sich wieder und mahnte sich selbst zu dem Satz:

    "Es sind nur Planzen! Es sind nur Pflanzen!"

    Dann schaute sie Cosima an, die einen panischen Gesichtsausdruck aufgelegt hatte. Sie erklärte allen, dass der Bach und der Wald eine ganz schlechte Idee war. Es gab in diesem Moment nur zwei Mögleichkeiten; entweder hatte die junge Frau fürchterliche Angst vor Dieben, oder sie verbarg etwas, aber was das war, interessierte Adelle nicht wirklich. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen und sie wollte nicht plötzlich menschliches Interesse heucheln. Nichtsdestotrotz, um ihrer einzigen, weiblichen Kumpanin einen Gefallen zu tun, stemmte sie ihre Hände in die Hüfte und schüttelte mit dem Kopf. Denn sollte die junge Frau sich wirklich vor diebischen Gesindel fürchten, und vermutlich kannte sie sich besser in dieser Umgebung als die Magierin, dann wollte sie dies nicht herausfordern.
    "Wald schön und gut", erklärte die Magiern deshalb, "aber ich glaube nicht, dass das mein Karren und seine mittelmäßigen Holzreifen mitmachen. Er schafft es nicht durch das Unterholz oder langfristig über unbefestigte Straßen. Wenn wir nicht riskieren wollen, dass uns die Räder überholen, stimme ich Cosimas Vorschlag mit der nächsten Ortschaft zu."

    Der Kater rollte offensichtlich mit den Augen. Ob er Adelles Einwand oder die übertriebene Besorgnis von Cosima damit wortlich kommentierte blieb sein Geheimnis. Thiligan dachte ganz klar nach. Wahrschienlich wog er ab, wo er am schnellsten etwas zu essen herbekommen würde. Bach oder Dorf?
    Adelle fragte sich schon die ganze Zeit, ob dieser hochgestochene Schnösel nicht auch mit einem Pferd unterwegs war. Sie wollte und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann eine weite Reise machte und das bloß zu Fuß. Denn immerhin schien er aus gutem Hause zu sein?!
    "Ich bin für die Straße! Wie sieht es mit euch beiden aus?", fragte die Magiern dann an die anderen beiden gewandt. "Bei einem unentschieden zählt meine Stimme doppelt. Es ist immerhin mein Karren, der ansonsten droht zerstört zu werden, wenn niemand einen sicheren Weg zum Fluss kennt."

    Den letzten Satz hätte sich Adelle eigentlich auch sparen können, denn wenn sie alle zählen konnten, wussten sie, dass die Straße eindeutig entschieden war.

    "... es großartig, dass wir uns alle einander vorstellen, aber wie soll es weitergehen?", sprach Adelle mit einem gespielt freudigem Grinsen im Gesicht, welcher von ihrem sarkastischen Unterton unterstrichen wurde.
    "Ich habe schon immer davon geträumt mit einem sprechenden Riesenkater, einem hölzernen Möchtegernadligen und einer ..." Sie wandte ihren Blick Cosima zu, die ihr, trotz ihres imaginären Vogels, den sie für Adelle auch an anderer Stelle hatte, am Normalsten vorkam.
    "Was bist du eigentlich?"
    Wie erwähnt, Adelle tat sich schwer mit Höflichkeiten und anderen Menschen. Natürlich froh über die geglückte Flucht aus der Stadt, brachte sie ein knappes "Trotzdem Danke" hervor.
    Wobei sie dann ihre Augen weit aufriss und Tilligan zur Seite stieß.
    "Meine Pflanzen ... Meine ...", schimpfte Adelle und schaute in den Karren. Überall lagen Blumenzwiebeln herum, Samen waren auf dem hölzernen Boden verstreut und einer ihrer Pfanzkübel fehlte, welcher wohl bei der rasanten Fahrt aus dem Wagen gefallen sein musste. Mürbe fuhr sie sich über ihr Gesicht und zog dabei ihre Lider weit nach unten.
    "Das ist eine Katastrophe. Veilchen bei Tomaten ... Hyazinthen bei Rosen."
    Mit buchstäblich Feuer in ihren Augen wandte sie sich dem Mann zu, der dies zu verantworten hatte.
    "Ich hoffe Ihr seid adlig genug, um mir das zu ersetzen! Das ist mein Lebensunterhalt! UND WENN HIER NOCH EINER DAS WORT MIT "H" ERWÄHNT, LASSE ICH IHM BAMBUS DURCH DEN RÜCKEN WACHSEN!"
    Das Wort hatte gerade gar keiner erwähnt, aber die Magiern meinte zu wissen, was alle dachten. Immerhin regte sie sich über ein paar Blumen auf.
    In diesem Moment konnte man aus den Gesichtern der anwesenden lesen, dass ...

    Adelle und Cosima wurden gut durchgeschüttelt. Die Diebin entschuldigte sich immer wieder bei der Magierin, wenn diese halb in ihrem üppigen Dekolletee hing, genauso wie Adelle um Verzeihung bat, wenn ihr Ellenbogen in Cosimas Rippen landete. Die beiden konnten aber jeweils gar nichts dafür, denn es lag an dem rassanten Fahrer.
    Die Magierin hoffte, dass ihre beiden Pferde dabei unverletzt blieben. Sie dachte sich schon tausende Bestrafungen für den Ritter aus. Ihre beste Idee war, dass sie ihn fesseln wollte und Bambus durch seinen Rücken wachsen lassen würde, langsam und qualvoll. Er sollte verrecken, wenn auch nur ein einziges Tier sich einen Splitter einfuhr.
    Sie fluchte, schimpfte, Cosima hatte schon recht, als sie meinte, dass dies ihnen nicht weiterhalf.
    Noch einmal kam eine scharfe Kurve und die beiden Frauen wurden umhergeschleudert, wobei auch bei der Diebin die Wutader wuchs.
    Die beiden Frauen waren sich einig.
    Das tat er mir Absicht!
    Und der Schmalspurheld würde es bereuen ...

    "Ich bin ganz deiner Meinung!", gab Adelle der jungen Frau recht und beäugte den Herrn hinter ihr, der leicht abwesend schien.
    Tagträumte er etwa? Sie konnte sich vorstellen, dass dieser edle Herr Probleme hatte sich zu orientieren. Ihm fehlte vermutlich sein Haus und Hofdiener, der ihm die Richtung weiste und die Schuhe anzog.
    Aber sie durften nicht noch mehr Zeit verlieren.
    Die Magierin schaute sich um und begab sich dann auf die Rückseite ihres Karrens. Versteckt unter Stoff, und einer Holzplatte, besaß der überdachte Wagen einen doppelten Boden, denn wie gesagt, Adelle war nicht das erste Mal in Schwierigkeiten geraten.
    "Wir beide sollten uns hier drin verstecken", sprach die Magierin an die Diebin gewandt, "während der strahlende Held in schimmliger Rüstung den Karren aus der Stadt herausbringt. Der Platz sollte vollkommen genügen und ersticken werden wir wegen den Luftlöchern auch nicht."
    Noch einmal überprüfte sie die Gegend, ob nicht ein paar Wachen herumschlichen und stieg dann in den Wagen. Warten blickte sie die junge Frau an und rückte beiseite.
    Der Kater konnte wohl unbedenklich auf dem Kutschbock Platz nehmen oder im hinteren Bereich.
    "Heh, Prinz Wolkenguck von Passnichauf", blaffte Adelle den augenscheinlichen Ritter an, der grinsend dastand und immer noch aussah, als malte er sich schon seine zukünftigen Heldentaten aus, bei denen er sich sicherlich verlaufen würde.
    "Es wäre sehr nett, wenn du den Deckel zumachen würdest!"

    Adelle schaute noch verwirrter drein.
    "Da haben wir den Trottel vom Dienst!", sprach sie zum Kater, der mindestens genauso überrascht aussah. Zumindest hatte er seine Ohren spitz aufgestellt und die Magierin glaubte ein Kopfschütteln gesehen zu haben.

    "Und was sollte überhaupt dieses holde Jungfrauen-Getue? Wenn ich eins mit Sicherheit weiß, dann, dass ich Scorpion bin!"
    Die junge Frau zwinkerte der Katze verstohlen zu. Irgendwie beruhigte es Adelle, dass dieses Tier sie verstehen und sogar antworten konnte.
    "Ich glaube, Kater, wir sollten die beiden aus sicherer Entfernung beobachten, was meinst du?"
    Richtungsweisend nickte Adelle in die entgegengesetzte Richtung, in welche die anderen beiden Helden verschwunden waren. An der Regenrinne warf sie wieder ein paar Samen hinunter, aus denen Ranken schossen, welche eine Leiter für die Magierin formten.
    "Ich springe von keinem Dach!", murmelte sie dabei und schaute sich um.
    Es waren keine Wachen zu sehen, also konnte sie ihren Weg fortsetzen.
    Unten angekommen schaute sie wartend nach oben.

    "Jetzt war ist es passiert", dachte sich Adelle, "Jetzt hab ich entgültig meinen Verstand verloren! Ob man ihn wiederfinden kann?"
    Da stand sie vor den beiden, die darüber sprachen, dass sie zusammen weiterreisen wollten.
    Ein sprechender Kater und eine Irre, die mit ihrer Schulter sprach. Fehlte nur noch ein Vollpfosten.
    Wo war sie dort wieder hineingeraten? Sie wollte doch bloß ihrer Arbeit nachgehen und nicht einen Verein der Kuriositäten aufmachen.
    Adelle war nur erleichtert, dass auch die Fremde vor ihr das Tier gehört hatte. Als Magierin war es ihr nicht fremd, dass Zauber so etwas bei einem Tier bewirken konnten, aber gesehen hatte sie es noch nie. Ob der Kater verhext ... verzaubert, verzaubert worden war?

    Adelle hasste das Wort mit "H". Es war ein Schimpfwort für Frauen ihrer Zunft.
    Und eigentlich reagierte sie sehr gereizt darauf, wenn man sie als solches bezeichnete, aber in der Eile, der Not, der Verwirrung und wegen ... wegen allem einfach, sah sie diesmal darüber hinweg.

    "So", setzte sie aus ihrer Starre heraus an. "Mit einem Karren also?"
    Überrascht fuhren Cosima und der Kater zu ihr herum. Vermutlich dachten sie, dass "Es" ja doch reden kann, nachdem der Großteil ihres Gesprächs an der Magierin vorbeigegangen war. Verständlich, wenn man die Situation betrachtete.
    "Da brauchen wir nicht lange zu suchen. Ich bin eine fahrende Magierin und da ich nicht glaube, dass ich hier noch etwas zu tun habe, können wir meinen nehmen. Meine beiden Pferde, Karlheinz und Hans Diether, sind eingespannt. Denn irgendwie muss ich ja meine ganzen Werkzeuge, Samen und Utensilien transportieren. Wir haben allerdings ein kleines Problem; er steht vor dem Grundstück, von wo ich kam. Ich werde ihn nicht holen können. Irgendwelche Freiwilligen?"

    Adelle blickte verwirrt drein, als die junge Frau neben ihr, erst mit sich selbst sprach, aber dann sich ihr zuwandte.

    "Führt sie Selbstgespräche?", dachte die Magierin.

    Naja, wer im Kerker saß, sollte nicht die Freien auslachen, denn immerhin führte Adelle auch Gespräche mit ihren Pflanzen und Tierfreunden. Da besaß sie zwar ein Gegenüber, aber die Unterhaltungen verliefen auch meist einseitig.
    Nichtsdestotrotz streckte sie der jungen Frau ihre Hand freundlich entgegen.
    Sie wollte sich ihrer Aufheberin zumindest vorstellen.

    "Mein Name ist Adelle, Adelle vom Buchenhof. Und nein, ich bin keine Hexe, aber eine Magierin."


    Während sie auf die Erwiderung ihres Handgrußes wartete, sah sie im Augenwinkel einen, recht groß geratenen, Kater, der ebenso gehetzt aussah wie sie. Immer wieder zurückblickend, spazierte dieser über das Dach, auf dem die beiden Frauen saßen.

    Adelle wusste kaum, wie ihr geschah, als die junge Frau ihre Hand ergriff und sie mit sich zog.
    Das war ihr ja noch nie passiert.

    "Fremde Hilfe", dachte sich die Magierin. "Faszinierend."

    Sie konnte nicht bestreiten, dass sie alle Mühe damit hatte Schritt zu halten. Die Beine der Fremden überschlugen sich geradezu, während Adelle nicht ganz so flink unterwegs war.
    Und als die Frau dann noch scharf rechts abbog, befürchtete die Magierin, dass sie geradeaus in einen Marktstand fliegen würde, aber an der Hand, wurde sie natürlich mitgerissen.
    Sie passierten Menschen, schoben sich an den Besuchern des Marktes vorbei und schlichen sich wieder von diesem davon.
    Seitenstechen war alles, was Adelle noch spürte und das Brennen ihrer Lunge.
    Als die Frau vor ihr erneut in eine lange, schmale Gasse abbog, musste sie pausieren. Sie konnte nicht mehr. Dort war vorerst Ende für sie.
    Kurzerhand riss sie sich los und drehte sich um.
    Hektisch wühlte sie in den Beuteln an ihrem Gürtel, welchen sie um ihr grünes Kleid gebunden hatte.

    "Nein, das sind Rosen, Margeriten, Buchsbaum ... Wo sind sie denn?", murmelte sie, während die junge Frau hinter ihr vermutlich darüber nachdachte, ob sie weiterrennen oder bei ihr stehenbleiben sollte.
    "Ah, da sind sie ja!"

    Adelle warf erneut Samen auf den schlecht gepflasterten Weg der Seitengasse und schloss ihre Augen. Sie hörte die Rufe der Wachmänner, durfte sich aber nicht aus der Ruhe bringen lassen.
    Leise murmelte sie Worte und fuhr mit ihren Händen in den Himmel, ehe sie mit ihrem rechten Fuß aufstampfte.
    Danach schoss ein Rankengewächs aus den breiten Fugen des Kopfsteinpflasters und ließ sich von ihren hin und herbewegenden Händen lenken. Damit versperrte Adelle den ankommenden Wachmännern zunächst den Weg.

    "Wir sollten weiter", fuhr sie zu der jungen Frau herum. "Schwerter und Pflanzen vertragen sich nicht allzu lange."

    Aber kaum hatte Adelle ausgeholt, drehte sich der Wachmann um.
    Verwirrt starrte er die junge Frau vor sich an, die in ihrer Schlagposition verweilte und dann verlegen grinste.

    "Wolltet Ihr mich schlagen?"
    "Ehm, nein!", stotterte Adelle und ließ die Schippe sinken. "Ich wollte die Biene schlagen, welche auf Eurem Kopf saß und drohte Euch zu stechen."
    "WACHEN!", schrie der Mann augenblicklich los und Adelle zuckte zusammen.

    Wieder einmal hatte sie sich einen Auftrag damit versammelt, dass sie ihr Temperament nicht zügeln konnte.
    Das war nicht das erste Mal. Sie kam mit Menschen einfach nicht zurecht.
    Einen Wachmann zu schlagen galt als Verbrechen, denn immerhin sollten diese für die Sicherheit sorgen.
    Ob einfache Wache eines Anwesens oder die Stadtwache, die Männer machten dabei keinen Unterschied.

    Adelle schmiss die Schippe hin und rannte davon, der Wachmann hinter ihr her.
    Eilig zog sie ein paar Samen aus dem Beutel an ihrem Gürtel und verstreute diese hinter sich, woraufhin umgehend Buchsbäume aus dem Boden schossen, welche den keifenden Wachmann zu Fall brachten.

    "Haltet diese Hexe auf!", rief der am Bodenliegende seinen Kameraden zu.

    Adelle hielt auf den Hinterausgang des Grundstücks zu, welcher wegen den Lieferanten offen stand.
    Sie umfasste das metallene Tor, schwang sich hinaus und rannte weiter.
    Immer wieder blickte sie zurück, beobachtete die Männer, die ihr folgten, so dass sie aus Versehen ungebremst in eine Person rannte.

    In der Scheune angekommen, lehnte Adelle mit ihrem Ohr an der Außenwand, denn sie hatte einen Aufschrei vernommen, welcher aber rasch wieder abgeklungen war.
    Es schien nichts Schlimmes passiert zu sein. Vermutlich hatte sich jemand erschreckt.
    Sich erneut ihrer Arbeit widmend, drehte sie sich um und hielt nach einer Schippe Ausschau.
    Sie fand auch eine, eingebettet in einem Vorhang aus Spinnweben.

    "Warum nur ...", dachte Adelle. "Warum?"

    Vorsichtig untersuchte sie das Arbeitsgerät, welches sie brauchte und zog es etwas aus der Ecke, in der es stand.

    "Igitt", fluchte sie dabei leise.

    Aber zu ihrem Glück, schien die Achtbeinerbehausung verlassen zu sein. Mutig löste sie die klebrigen Fäden von der Schippe und ergriff den Eimer, der gleich daneben stand.
    Als sie aus der Scheune trat, traf sie fast der Schlag.
    Gerade noch hatte sie der Hausherrin gesagt, dass der Boden schlichtweg zu sauer war und im nächsten Moment erleichterte sich der nächste, nach Wachmann aussehende Herr, in den Büschen, die Adelle zuvor mühselig angelegt hatte.
    Mit festen Griff umklammerte sie den Stiel der Schippe und zog mürrisch ihre geschwungenen Brauen ins Gesicht.

    "Meine Pflänzchen werden von Mutter Natur gegossen! Ich werde dir zeigen, wie sich meine Lieblinge fühlen ..."

    Mit festen Schritten bewegte sie sich auf den Herren zu und holte wütend mit der Schippe aus ...

    Adelle stand vor einem Trümmerhaufen.
    Sie war gerade engagiert worden, den Garten der Brockheimers, einem wohlhabenden Händlerehepaares, wieder in Ordnung zu bringen, da diese einen großen Empfang geben wollten. Anscheinend hatte das Ehepaar vor, sich beim ländlichen Adel einzuschmeicheln und eines ihrer Kinder so in deren Kreise zu bringen.
    Obwohl das Anwesen, mit seinen hohen Mauern, am Rand der Stadt gelegen war, wirkte es geradezu städtisch, da dort alle nervös herumrannten.
    Die junge Magierin stemmte ihre Arme in die Hüfte und konnte nur mit dem Kopf schütteln. Wenn der Garten nicht vor Wildwuchs strotzte, dann stachen einem die toten Pflanzen ins Auge.
    Ein Labyrinth aus Buchsbäumen hatte die Hausherrin am Ende ihres Gartens, dort wo der Hintereingang zum Grundstück war, verlangt und Rosen in allen Farben und Variationen.
    Aber erst einmal musste Adelle herausfinden, warum dort an manchen Stellen nichts wuchs.
    Sie klappte ihre Ledertasche auf und nahm mehrere Flüssigkeiten heraus, samt einem leeren Glasfläschchen und mischte etwas zusammen, dann nahm sie eine Messerspitze Erde und rührte sie darunter. Die Flüssigkeit färbte sich sofort rot und Adelle nickte verständlich.

    "Hab´ ich es mir doch gedacht", murmelte sie dabei.
    "Wie sieht es aus?", erklang gleichzeitig eine hohe und nervig klingende Stimme hinter ihr. Diese Stimme gehörte der Hausherrin, welche ihr schon mehrfach hintergeschwänzelt war, um sicher zu gehen, dass Adelle alles verstanden hatte und brav ihrer Arbeit nachkam.
    "Der Boden ist zu sauer!", fachsimpelte die junge Magierin. "Ich muss ihn erst mit etwas Asche neutralisieren, ansonsten stirbt hier wieder alles, was ich pflanze."
    "Zu sauer?", fragte die Hausherrin, welche sich den Stoff an ihrem teuren, dunkelblauen Samtkleid zurechtzupfte.
    "Ja, zu sauer. Ihre Wachleute müssen aufhören in die Büsche zu pinkeln."

    Erschrocken blickte die Dame mit ihren kantigen Gesichtszügen die Magierin an. Wahrscheinlich wollte sie sagen, dass das niemand tat, aber Adelle hielt ihr nur die Flasche mit der roten Flüssigkeit vor. Als Adelle auf einfache Holzasche aus einem Kamin bestand, lachte die die Hausherrin nur und verwies auf die Stallungen. Dort sollte sie eine Schippe und Eimer finden, womit sie sich im Herrenhaus bedienen konnte.

    "Ich soll mir die Asche holen?", kam der Magierin erstaunt über die Lippen. "Haben Sie dafür nicht Hausdiener?"
    "Die sind alle mit dem Empfang beschäftigt. Wenn Sie Asche wollen, müssen Sie sich diese selbst holen."

    Nach dieser Zurechtweisung ging die Dame wieder und ließ Adelle mit erstauntem Gesicht zurück.
    Das würde ihre Arbeit dort weiterhin hinauszögern, worauf sie eigentlich gar keine Lust hatte, aber es half nichts.
    Die Bezahlung war so gut, dass sich Adelle dazu genötigt fühlte die Asche zu besorgen und lief deshalb mit hängenden Schultern Richtung Scheune, die sich an der südlichen Außenmauer des Anwesens befand.