Beiträge von Thorsten im Thema „Was lest ihr gerade? (Non-Fantasy)“

    Kuinka tehtiin sarjamurhaaja (Wie ein Serienmoerder gemacht wurde) von Hannes Råstam

    Ein Schwedenkrimi der besonderen Art - es geht um einen realen Justizskandal ( Kirisha koennte den Fall moeglicherweise sogar kennen?) - ein Psychiatriepatient - Thomas Quick - der falsche Gestaendnisse abgegeben hatte wurde - trotz diverser Ungereimtheiten - von mehreren Gerichten wegen Mordes verurteilt - bis er spaeter seine Gestaendnisse widerrufen hatte und sich die Anklage nicht halten liess.

    Wir treffen

    - den Patienten der in der Klinik unter ferner liefen rangiert, bis er merkt dass er viel mehr Aufmerksamkeit, Therapiestunden und Psychopharamaka bekommt sobald er anfaengt, erst sexuellen Missbrauch in seiner Kindheit zu erfinden und dann sogar sich selbst als Moerder zu bezeichnen. Und der dann, als die Polizei ins Spiel kommt, nicht vor dem Therapeuten als Luegner dastehen will und deshalb heimlich die Faelle recherchiert die er dann bekennt.

    - den behandelnden Arzt der nicht nur eigene Mordermittlungen mit dem Patienten unternimmt (z.B. Tatorte besucht oder nach der Leiche sucht) und der Polizei davon nichts erzaehlt, sondern auch dem Klinikchef droht nicht mehr zu arbeiten wenn er sich nicht 100% auf Quick konzentrieren darf.

    - die Psychiaterin die zusammen mit ihrer Mentorin ein Buch ueber den Fall schreiben will der so perfekt zu deren Theorien passen will

    - den Staatsanwalt er es geniesst, unaufgeklaerte Faelle in grosser Zahl einer Loesung zufuehren zu koennen und der deswegen nicht mit Kleinigkeiten wie unplausiblen Aussagen, Alibis oder Mangel an Zeugen behelligt werden will.

    - den verhoerenden Polizisten (ueberraschenderweise war es wirklich nur einer) der lieber ja/nein Fragen stellt und sich so eher abnickten laesst was er schon weiss, statt ohne Suggestivfragen den Angeklagten reden zu lassen

    - und am Ende auch noch den Rechtsanwalt, der von der Schuld seines Mandanten ueberzeugt ist und offen der Presse erklaert dass er es als seine Aufgabe sieht die Polizei auch davon zu ueberzeugen dass Ungereimtheiten in den Aussagen und der komplette Mangel an physischem Beweismaterial (an keinem von Quick angegebenen Ort wurden Spuren gefunden) nichts zu bedeuten hat

    Das liest sich alles sehr spannend - und ziemlich erschreckend plausibel - und ist dankenswerterweise auch (zumindest in der finnischen Uebersetzung, das Original ist ja Schwedisch) in sehr klarer Sprache gehalten. Keine Ahnung ob es eine deutsche Uebersetzung gibt, aber es wuerde sich lohnen.

    Pohjolan Noituus (Hexerei in den Nordlaendern) von Karolina Kouvola

    Ein Thema was mich ja grundaetzlich interessiert und wo ich auch schon drei andere Buecher dazu hatte - das hier ist das schlechteste das ich zu solchen Themen jemals gelesen habe.

    Die Autorin referiert zwar die Quellenlage von der Wikingerzeit ueber das Mittelalter bis zur Neuzeit - aber ein Versuch einer Einordnung oder einer Interpretation? Vergebene Muehe.

    Absurd wird es da, wo die Konzepte wie Seiðr aus der Wikingerzeit die von den Magiebenutzern selbst gepraegt wurden Seite an Seite mit den Hexensabbat und Pakt-mit-dem-Teufel Ideen aus der Renaissance stehen - die allerdings nicht von den Hexen zu der Zeit gepraegt wurden, sondern halt von der Kirche. Eine Tradition bei der Hexen wirklich nach einem Pakt mit dem Teufel gestrebt hatten gab es halt nicht - was es in die Gerichtsakten geschafft hat deutet praktisch ausschliesslich auf erzwungene Gestaendnisse und Phantasien von Menschen die nie vorher irgend eine Verbindung zu einer Hexentradition hatten.

    Sowas sollte man halt schon erwaehnen, wenn man beides in einem Buch nebeneinander stellt - die Ideen der Hexenverfolger sind halt nicht unbedingt das, was die 'weisen Frauen' darunter verstehen.

    Nun ja - man kann nicht immer faszinierende Buecher aufstoebern...

    Wir haben mit Finnland und Norwegen (maybe auch schweden) zwei millitärs, die sich seit Jahrzehnten auf einen möglichen Angriff Russlands vorbereitet und demnach Strategien entwickelt haben.

    Streich' Schweden aus der Liste - die hatten zwischendrin ueberhaupt keine Armee mehr und bauen grade eher wieder auf.

    Aber stimmt schon, Saab hat mit der Viggen und der Gripen sehr robuste Flugzeuge mit Kurzstartfaehigkeit entwickelt, da gab es schon eine Tradition.

    Sollen die Schwede Wohl auch flugzeuge entwickelt haben,(Finnland gehört zu den interessenten) die keine lange Startbahn benötigen.

    Momentan fliegt Finnland primaer die F-18 Hornet, die wird allmaehlich ersetzt durch die F-35 - Stealth wird offensichtlich fuer wichtiger empfunden als Robustheit (die F-35 ist ein bisschen eine Diva...).

    Es hat...hat es ???

    Yep - allgemeine Wehrpflicht und regelmaessige Uebungen fuer die Reservisten - und nach Aussage unseres Nachbarn (pensionierter Fallschirmjaeger) auch Waffen und Ausruestung fuer alle eingelagert. Es gibt ein (derzeit ausgebuchtes) System von Kursen zur Landesverteidigung fuer die, die keinen Wehrdienst hatten, die Frauen zum Beispiel - da kann man Basistraining machen und sich dann etwa als Luftwaffen- oder Marinehelfer weiterbilden - da ist also noch ein Pool der bei den Reservisten gar nicht eingerechnet ist.

    Auch sonst wird die Sache sehr ernst betrieben - letzte Woche war zum Beispiel die Autobahn gesperrt weil die Luftwaffe Uebung hatte wie sie ohne Flugplatz operieren kann - da wird dann auf der Autobahn gelandet.

    Alleine Jyväskylä hat vermutlich mehr Bunkerplaetze als Berlin - mein Fechtttraining ist in einer grossen unterirdischen Anlage in der im Notfall ein paar tausend Menschen unterkommen.

    Also mit Russland vor der Nase hätte ich das wohl auch ^^'

    Nach zwei Kriegen gegen die Sowjetunion bedeutet 'nie wieder' hier auch was...

    Mihin menet, Suomi? (Wohin des Weges, Finnland) von Mika Aaltola

    Eine Art politisches Tagebuch von einem der Kandidaten fuer die grade beendete Praesidentschaftswahl in Finnland ueber den Zeitraum der Nachwehen von Corona zu der russischen Invasion in der Ukraine.

    Falls Aaltola - wie im Vorwort behauptet - tatsaechlich seine Aufzeichnungen so geschrieben hat, erweist er sich als ueberraschend prophetischer Sicherheitspolitiker - seine Analyse von Russland und den Absichten Putins ist im Nachhinein praktisch fehlerlos. Ansonsten unterfuettert er viele Ansichten mit interessanten Referenzen - wir lesen was Clausewitz zur Teilung Polens zu sagen hat und warum das relevant ist, wieso 'Resilienz' als politische Strategie zwar gut gegen Krisen ist, aber keineswegs ein Allheilmittel, wie unterschiedlich die Vergangenheit in verschiedenen Laendern fuer Politik verwendet wird - nach Aaltola ist der Rebell Jaakko Ilkka einer der am haeufigsten so verwendeten Gestalten).

    Gleichzeitig kann man an seinen Bemerkungen zu Corona sehen wie sehr die Politik eigentlich von der Krankheit ueberfordert war - was er an Ideen dazu entwickelt waere nicht hilfreich gewesen, haette man es in die Tat umgesetzt.

    Insofern mal ein Einblick, wie Aussenpolitik aus der Perspektive eines eher kleinen Landes an der Peripherie aussieht (und - was die Sicherheitspolitik angeht, eine gute Erklaerung warum dieses kleine Land eine gute Million ausgebildeter Soldaten hat...)

    Experience of the Inner Worlds von Gareth Knight

    In dem Buch geht es um eine Einfuehrung in die esoterische Seite des Christentums - was von Knight mit recht grossen Selbstbewusstsein gemacht wird ('es gibt ja viel Unsinn in der Literatur, aber ich sage jetzt mal wie's richtig laeuft'). Themen sind zum Beispiel die Gralslegende, Alchemie, die Tafelrunde (er ist ein britischer Autor...) oder wie sich der Heilige Geist von den Meistern die von Spiritisten ins Feld gefuehrt werden unterscheidet, was die Essenz der christlichen Mystiker ausmacht und aehnliches.

    Die Lektuere ist interessant, nur ist Knight auch nicht weiser als die Leute die er kritisiert, in Themen wo man sich auskennt merkt man schnell seine Schwaechen, so ist die theologische Position der Kirche zur Willensfreiheit von Engeln (ja, sowas gibts...) durchaus wandelbarer und vielschichtiger als er meint, und seine - nebenbei gegebenen - Ausfuehrungen zur Schreibung von Hebraeeisch widersprechen nun leider beiden Grammatiken die ich zu diesem Thema im Regal habe.

    Ich gestehe dass ich trotz einem Dutzend Buechern zu was Alchemie eigentlich dargestellt hat bisher noch nie eine auch nur halbwegs zufriedenstellende Antwort bekommen habe, insofern sind Knights Ideen dazu so interessant wie andere auch - ebenso verhaelt es sich mit dem Gral.

    Wenn man die Sache dogmatisch etwas entschaerft bleibt eine ziemlich interessant Sammlung von Ideen ueber was christliche Mystik eigentlich ausmachen koennte / ausgemacht haben koennte.

    Eine bessere Antwort bekommt man wohl nicht - ich glaube nicht dass es da um ein Thema geht wo man sagen kann wie's wirklich laeuft...

    The Nano Flower von Peter F. Hamilton

    Im dritten Band der mit 'Mindstar Rising' begonnenen Reihe dreht Hamilton voll auf - das Buch ist eines der Werke die fuer mich als Beispiel stehen koennen wie SciFi im besten Fall sein kann.

    Es geht also um das Auftauchen einer Blume die ganz harmlos als Geschenk ueberreicht wird - aber eine Analyse kann sie keiner Spezies zuordnen und im Labor findet man, dass ihr Genom nicht irdisch ist. Gleichzeitig tauchen in Kreisen der Unternehmenskonglomerate Angebote auf die eine neue Technologie beschreiben mit der man Atome direkt durch die starke Wechselwirkung neu strukturieren koennte.

    Sowas wie Zufall gibt es nicht - das ist jedenfalls die Maxime des Protagonisten Greg Mandel, Psi-begabter Veteran - ein Alien muss zur Erde gekommen sein und wir verfolgen das Szenario eines Erstkontakts. Und dann beginnt ein Rennen zwischen den verschiedenen Wirtschaftsmaechten, dieses Alien (und damit die neue Technologie) zu finden - bei dem die Bandagen runtergenommen werden. Hochgeruestete Soeldnertruppen kaempfen um die Ueberbringerin der Blume die in einer abenteuerlichen Reise durch die halbe Welt - und dann auch in den Weltraum flieht waehrend Hacker und Computerspezialisten den Cyberspace durchsuchen.

    Neue Technologie, Action, ein spannender Plot, Raumfahrt, viel plausibles Worldbuidling der Erde gut 30 Jahre nach einer globalen Erwaermung... man kommt als SciFi Fan auf seine Kosten.

    A Quantum Murder von Peter F. Hamilton

    Die Fortsetzung von 'Mindstar Rising' ist - was ganz anderes. Hamilton praesentiert ein klassisches Krimi-Setting: Ein super-erfolgreicher Wissenschaftler hat am Ende seiner Karriere ein privates Institut gegruendet in dem er mit sechs Studenten zusammen lebt und forscht. Waehrend eines Sturms ist das Institut von der Aussenwelt abgeschnitten (und auch heftigst durch Alarm gesichert) - niemand kann vernuenftigerweise von aussen gekommen sein, und trotzdem ist der Wissenschaftler am nachsten Morgen tot.

    Nur die Studenten koennen eigentlich vor Ort gewesen sein - ein paar von ihnen haben auch ein Motiv, besagter Wissenschaftler hatte z.B. Sex unter Drogen (ja, hier kommen wir wieder zu Hamiltons Grossthemen...) mit den Studentinnen, es gibt Eifersucht, eine schwangere Studentin - aber ein viel plausibleres Motiv ist das letzte Forschungsthema - ein ueberlichtschneller Antrieb der auf Wurmloechern basiert. Das wiederum deutet auf jemden von aussen hin, auch dass der Rechner geloescht wurde - aber bei der Befragung der Studenten durch einen Psi-Spezialisten kann festgestellt werden dass keiner von ihnen die Tat begangen hat.

    Zu allem Ueberfluss passt der Modus Operandi der Tat zu einem Serienkiller der nur 15 Meilen entfernt in Sicherheitsverwahrung sitzt - aber das Gefaengnispersonal bezeugt dass er seine Zelle nicht verlassen haben kann.

    Garniert mit viel wissenschaftlicher Spekulation bekommen wir hier einen recht klassischen Krimi serviert - wer war's, und wie ist es passiert? Zeugenbefragungen, Laboranalysen, post-Mortem - findet sich alles hier, aber die Aufloesung ist einem SciFi-Roman sehr angemessen.

    Mindstar Rising von Peter F. Hamilton

    Gehoert fuer mich definitiv zu den SciFi Titeln die beeindrucken - es ist ein actiongeladener Thriller um Industriespionage, Psi-Kraefte und digitalisiertes Bewusstsein in einem England nach der massiven globalen Erwaermung, und Hamilton kann Sci und Fi - nicht nur hat er ein sehr gutes Gefuehl fuer moegliche Technologie und wie sie in einer Welt wirkt, sondern er kann auch toll erzaehlen und einen spannenden Plot aufbauen.

    Was mir bei den ersten Mal lesen nicht aufgefallen ist, aber inzwischen doch negativ zuschlaegt - Hamilton ist strammer Kapitalist. in seinen Geschichten sind fast immer super-Reiche (also - Super-Super-Reiche, auf dem Niveau dass sie etwa fuer eine Party die Vostok-1 Rakete nachbauen lassen, sich mal eben damit in den Orbit befoerdern lassen und vom privaten Raumfahrzeug wieder abholen lassen)) die Protagonisten - hier Julia Evans, Erbe eines Multi-Billionen Konzerns der - nun ja, weit in die Politik reinwirkt, und England nach ihren Vorstellungen gestaltet (was kein Problem ist, sie ist ja eine nette Protagonistin...). Die Sozialisten sind dann die Boesen die vom altruistischen Billionaer bekaempft werden der dann das beste fuer die Menschen will - Elon Musk laesst gruessen...

    Und, nun ja, die Protagonisten haben Sex. Aber nicht einfach so, sondern super-duper-Sex. Sie sind durch Psi-Drogen miteinander verbunden damit jeder auch spuert was der andere empfindet, haben Implantate die den vorzeitigen Orgasmus verbinden und werden beim Akt noch von einem Tantra-Masseur unterstuetzt (sie haben ja, siehe oben, die Kohle um sich das zu leisten). Also, die haben immer und ueberall den absolut besten Sex.

    Man merkt - Hamiltons Gesellschaftsentwuerfe sind nicht ganz ohne.

    Lesen laesst sich's immer noch gut.

    Sternenflut von David Brin

    Ein alter SciFi Roman, ein Forschungsraumschiff, die Streaker, macht auf einer Routinereise eine Entdeckung - Raumschiffe einer vorzeitlichen Rasse - die ploetzlich die halbe Galaxis dazu bringt die Streakter zu verfolgen um sich der Daten zu bemaechtigen.

    Waehrend die Aliens eine gigantische Raumschlacht anzetteln um der einzige zu sein der die Kontrolle ueber die Entdeckung hat, hat sich die Streaker auf den Planeten Kithrup gerettet - eine Welt die ueberwiegend von Meer bedeckt ist, auf der aber ein paar Insteln aus metallischer Vegetation ueber das Wasser ragen. Hier hofft man, das Raumschiff reparieren zu koennen und irgendwie noch zu entkommen waehrend das Analyseteam versucht zu verstehen was an dem Fund nun so welterschuetternd ist dass er einen Krieg wert ist.

    Aber auch Kithrup ist nicht was der Planet scheint, es gibt mehr als eine Anomalie, fuer einen Planeten der angeblich 400 Millionen Jahre unbewohnt war findet man bemerkenswert viele Spuren auf Technologie hindeuten koennten.

    Eigentlich ist die Geschichte gar nicht so toll, aber der Twist der mich schon damals beim ersten Lesen fuer die Geschichte eingenomment hat ist - die meisten aus der Streakter-Besatzung sind gentechnisch geliftete Delphine denen Sprachfaehigkeiten gegeben wurden und die mit Hilfsgeschirren auch mechanische Arme verwenden koennen. Und ich denke eigentlich ist die Geschichte ueber die Delphine, wie die Besatzung unter Stress reagiert, wie sie mit Menschen interagieren und wie sich ihre Dynamik neu organisiert als der Captain ausfaellt.

    Und das finde ich sehr schoen, plausibel und spannend erzaehlt, und fuer so viele nicht-menschliche Protagonisten ist das ein richtig gelungenes Stueck Worldbuildiung. Da verblasst die Aufhaengergeschichte zu Recht ein bisschen.

    Der nasse Fisch von Volker Kutscher

    Diesmal also der erste Band der Romanvorlage zu 'Babylon Berlin' - was ich schon nach Lektuere des vierten Bandes ahnte bewahrheitet sich - die Buecher sind ziemlich solide erzaehlte Krimis mit genretypischen Elementen wie dem Ermittler der auf eigene Faust ohne offizielles okay vorgeht, oder die etwas kriminellen Kollegen, und alles mit viel Lokalkolorit angereichert.

    Praktisch alle Dinge die in der Serie keinen Sinn machen (Hypnosedoktor als allwissender Gegenspieler, Erschiessung von Verdaechtigen bei der Vernehmung, ein Kommissar der aus unerfindlichen Gruenden mit Drogen vollegpumpt wird und dann aber freigelassen wird, aber von einem Killer verfolgt,...) sind im Buch abwesend, statt dessen sind die entscheidenden Handlungselemente tatsaechlich plausibel und begruendet.

    Ich frage mich gelegentlich, was Kutscher eigentlich von dem Drehbuch haelt und ob er sich das alles anschauen kann ohne cholerisch zu werden, ich glaube wenn das mein Buch waere koennte ich das nicht.

    Es geht also - wie in der Serie - um einen Zug der jede Menge Gold nach Berlin bringt, Kommunisten die den haben wollen, Waffenschieber und das organisierte Verbrechen - und Kommissar Rath der frisch aus dem Rheinland in Berlin ankommt und sich hier gerne einen Namen machen will.

    Fun Fact: Im Buch ist Charlotte Ritter zu Beginn keine Prostituierte, sondern sie studiert Jura, ist schon bei der Polizei als Stenotypistin taetig, ihr wird aber schon in der ersten Szene die Tatortsicherung anvertraut und sie hat eine Karriere bei der Polizei vor sich.

    Und Gereon Rath ist auch kein traumatisierter Kriegsveteran, sondern er wurde zwar eingezogen aber Deutschland hatte kapituliert bevor er an die Front kam. Und mit der Frau seines Bruders hat er auch nichts.

    Raamatun Maa (Land der Bibel)

    Gibt's glaube ich nur auf Finnisch, das ist eines der Buecher wo ich mir was anderes erwartet hatte und trotzdem nicht enttaeuscht wurde.

    Es geht also um einen Abgleich zwischen Archaeologie und der biblischen Ueberlieferung. Was fuer Aenderungen an Siedlungsmustern sieht man, wenn man am Uebergang der Bronze zur Eisenzeit (also dem Kommen der Israeliten) Ausgrabungen studiert? Tatsaechlich kam eine Kultur neu rein, Staedte wurden zerstoert - aber an anderen Orten lebte man friedlich nebeneinander.

    Interessant ist auch wie verschiedene Quellen abgeglichen werden - wie liest sich der Angriff der Assyrer in Keilschrift verglichen mit dem hebraeischen Text? Lassen sich Namen der Bibel auch in anderen Quellen finden?

    Besonders am Schluss wirds interessant, wenn es um Diskussionen geht wo verschiedene Stationen im Leben von Jesus wirklich passiert sind - das Buch praesentiert pro und contra aus verschiedenen Blickwinkeln. Zum Beispiel scheint man tatsaechlich das Haus von Simon Petrus ausgegraben zu haben das als der erste Versammlungsraum der jungen Gemeinde diente - alle Ueberlieferungen lokalisieren es an der Stelle, an der tatsaechlich ein Raum mit passenden Wandinschriften gefunden wurde der gut ein Versammlungsraum sein kann. Auch die Geburtskirche ist nach dem Buch wohl am richtigen Platz.

    Auch schoen fand ich, wie die Archaeologie das Leben der einfachen Bauern ausleuchtet - wie haben die gehaust, wie ist ihr Jahr verlaufen?

    Also eine durchaus spannende Lektuere wenn man sich fuer den Themenkomplex begeistern kann.

    Die Akte Vaterland von Volker Kutscher

    Mich hatte doch interessiert ob die konfuse Story (das war nett) von Babylon Berlin der literarischen Vorlage geschuldet ist, oder ob das im Drehbuch verbrochen wurde. Und - was soll ich sagen?

    'Die Akte Vaterland' folgt einer klassischen Krimi-Dramaturgie - wir folgen dem Fall - ueberwiegend aus der Perspektive des Ermittlers Gereon Rath, seltener aus der seiner Sidekick-Verlobten Charlotte Ritter, ganz selten aus der mysterioesen des Taeters/Komplizen. Wir bekommen die privaten Probleme des Ermittlers serviert (reichlich, Gereon hat Stress mit Charlotte, handelt sich beinahe ein Disziplinarverfahren ein, raucht wie ein Schlot, trinkt... - er muss ein phantastischer Polizist sein...)

    Was wir nicht bekommen ist was die Verfilmung so schraeg macht - Auftritte von Hypnose-Doktor. Zwei Dutzend Nebengeschichten. Irgendwelche politischen Verwicklungen. Immer die gleichen Leute deren Schicksal komischerweise miteinander verknuepft ist.

    Die literarische Version funktioniert als spannender Krimi mit einigem Lokalkolorit, ohne je unplausibel zu werden oder sich ins verworrene zu fluechten.

    Vielleicht haette man einfach naeher an der Vorlage bleiben sollen beim Verfilmen - haette der Sache vermutlich sehr gut getan...

    The mammoth book of extreme Science Fiction

    Ich hatte mir das in meiner Zeit in USA gekauft und lese das jetzt mal wieder - spannend, an manche Geschichten kann ich mich noch gut erinnern, an andere gar nicht, aber die an die ich mich gut erinnere sind nicht unbedingt die die ich jetzt toll finde.

    'extreme' ist hier woertlich zu nehmen - es geht um Ideen die wirklich weit gedacht werden, in 'The Creator steigen Forscher aus dem Universum aus und treffen den Schoepfer, in The Days of Solomon Gursky geht's um Post-Humanismus bis hin zu der Idee das Universum sei ein Traum oder eine Simulation in einem anderen Universum,...

    Spannend fand ich The Girl had Guts - ein Vorlaeufer von Alien wo's um einen Parasiten geht der ein Forschungsteam befaellt und der... recht ungewoehnliche Symptome hat, oder auch Death in the Promised Land - ein Mordfall in Artificial Reality. Ich kenne ja einige Cyberpunk-Geschichten, angefangen von Neuromancer und Snow Crash, auch das monumentale Otherland - aber von der Stimmung ist das echt eine der intensivsten.

    Nicht alles in der Sammlung haut vom Hocker, aber es sind doch recht viele davon. Ich merke immer wieder, wie ich im Alter Geschmack an der Kurzgeschichte und Novelle finde - die Genres sind doch pointierter und konsequenter durchzuhalten als ein ganzer Roman.

    The collected stories of Arthur C. Clarke

    Ein Ziegelstein von einem Buch der um die 100 Kurzgechichten enthaelt. Dass Clarke ein massgeblicher Autor im SciFi Bereich ist duerfte (etwa nach 2001 - a Space Odyssey) ausser Frage stehen, aber was an der Sammlung beeindruckt ist wie verschieden die Themen sind die Clarke kann.

    Er macht aus mathematischen Kuriositaeten Geschichten - der Mann der nach einem Unfall mit einem grossen Magneten durch die vierte Raumdimension rotiert wird und spiegelverkehrt rauskommt - und dann mit 'normalen' Vitaminen nichts anfangen kann - weil er jetzt die spiegelverkehrte Variante dieser Molekuele braucht. Oder die Welt die an einem Wall aufzuhoeren scheint - und der Versuch ueber den Wall zu gehen fuehrt nur zurueck, eine dreidimensionale Variante des Moebiusbands.

    Er denkt ueber andere Lebensformen nach - da ist das Plasmawesen von der Sonne das durch einen Ausbruch durch den Weltraum geschleudert wird und auf der Erde endet, oder die kompakteren Bewohner im inneren der Erde.

    Wir lesen psychologische Studien - die beiden Raumfahrer die nach einer Katastrophe mit schwindendem Sauerstoffvorrat auf den Tod warten - aber wenn einer vorher sterben wuerde - wie auch immer - koennte es der andere schaffen.

    Oder die Effekte von orbitaler Mechanik machen sich bemerkbar als ein Raumkreuzer daran scheitert einen einzelnen Mann mit Raumanzug zu fassen der sich auf einem Marsmond versteckt.

    Fast jede Geschichte macht auf ihre Weise einen Punkt, endet ueberraschend und ist spannend zu lesen. So vielseitig muss man mal schreiben koennen...

    Altes Licht von Mary Gentle

    Die Fortsetzung vom Goldenen Hexenvolk - und selten ist eine Fortsetzung so verschieden...

    Der erste Band war eine Reise zu einer fremden Welt und Kultur, faszinierend und begeisternd. Jetzt kommt Lynne de Lisle Christe 10 Jahre spaeter nach Orthe zurueck und will an ihre damalige Zeit anknuepfen, man merkt wie sehr sie die Welt vermisst hat - aber sie ist eine andere. Und Orthe hat sich auch veraendert.

    Der zweite Band ist deprimierend realistisch. Lynne arbeitet jetzt fuer eine Gesellschaft die nach ausserirdischer Technologie sucht, sie erzaehlt sich selbst dass sie so das schlimmste verhindern kann, aber... die Gesellschaft setzt an einer bitterarmen Kuestenregion an, die regelmaessig Kriege untereinander um die wenige Ernte fuehrt - und von 'Hilfe durch Handel' profitieren koennte. Alleine die Gegenwart von Erdmenschen reicht aus um die ueblichen Kriege zu verhindern - und die Kuestenvoelker planen auf einmal, statt sich gegenseitig um die Ernte zu bekriegen - eine Invasion des wohlhabenderen Nordkontinents. Die Gesellschaft ruft ihre Friedenstruppen auf den Plan, Lynne kaempft mit Visionen oder Erinnerungen die sie nach einem Kontakt zu der ausserirdischen Technologie zu haben glaubt, aber nicht sicher einordnen kann - und auf einmal geraet das ganze kulturelle Gefuege in Unordnung - bis sich am Ende herausstellen wird dass nur weil der Krieg auf Orthe vor 2000 Jahren geendet hat, die Waffen dieses Kriegs noch laengst nicht unwirksam sind...

    Grade wenn man der Faszination des ersten Bandes erlegen ist - deprimierend zu lesen. Alles was man zusammen mit Lynne lieben gelernt hat wird kaputt gemacht, so sehr sie auch versucht das Orthe wiederzufinden das sie kennengelernt hat, es will nicht klappen, so sehr sie sich reinhaengt um die Katastrope aufzuhalten - die Eigendynamik der Ereignisse ist staerker.

    Wer sich ein bisschen mit Geschichte beschaeftigt hat - ja, Mary Gentle hat eine gute Ahnung davon was passiert wenn eine technologische Kultur auf eine weniger weit fortgeschrittene trifft - selbst mit den besten Absichten fuehrt das in moralische Dilemmata und Zerstoerung. Daher - ein gutes Buch, auch wenn's nicht schoen ist das zu lesen.

    Goldenes Hexenvolk von Mary Gentle

    Meiner Meinung nach ein Meileinstein im Weltenbau - es ist die Geschichte von Lynne de Lisle Christie die als Botschafterin der Erde nach Carrick V - Orthe, wie die Einheimischen die Welt nennen - kommt und dort eine mittelalterlich anmutende Gesellschaft kennenlernt in der nicht alle davon begeistert sind dass eine Fremdweltlerin das Gefuege der Gesellschaft die seit 2000 Jahren besteht in Unordnung bringt. Lynne muss mit mehreren Mordanschlaegen und Intrigen fertig werden, aber die eigentliche Staerke der Geschichte liegt in der fremden Gesellschaft die mit ihren Sitten, Gebraeuchen und Ansichten detailliert geschildert wird - mitsamt Sprichwoertern, Redewendungen und Metaphern - grossartig entworfen und konsequent durchgehalten.

    Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus dass die Gesellschaft von Orthe post-technisch ist - es gibt alte Technologie auf dem Planeten die die Ortheaner nicht mehr verwenden wollen - und der Versuch der Erde sie dazu anzustiften fuehrt dann in Band 2 (der sich ganz anders liest) zur Katastrophe.

    Wer ein gelungenes Vorbild von Weltenbau sehen mag von dem man wirklich viel lernen kann - unbeding anschauen, mir fallen wenige Werke ein die bei dem Entwurf einer fremden Kultur und Rasse so in die Tiefe gehen.

    [T]o universalize Marshall’s findings beyond the
    specific subjects he studied is premature.

    Ich hatte aus dem Wiki Artikel mehrere andere Kontexte in denen man das gleiche sieht zitiert - die Kontroverse scheint mir doch ein bisschen kuenstlich.

    (Interessanterweise bin ich wohl auf das Gleiche gestossen als ich fuer die Simulation historische Schlachen recherchiert hatte. Die Zeitskalen

    Sowohl beim Sportfechten mit dem Florett als auch beim Renaissancefechten mit dem Langschwert braucht es ein paar Sekunden bis ein Treffer gesetzt ist - in einer Phalanx standen sich die Hopliten teilweise Stunden gegenueber im Gefecht - was machen die die ganze Zeit? Ganz offensichtlich ist was sie nicht machen - entschlossen angreifen um den anderen zu toeten, und Marshall gibt einen guten Grund warum sie das nicht tun.)

    Wenn man das schon ganz subtil durch den Austausch der Form von Zielschieben erreichen kann, was kann man dann wohl durch das Bespielen der großen psychologischen Tastatur bei Menschen erreichen?

    Wissen wir auch - Auschwitz passierte ja nicht aus Versehen.

    Wieviel "Provokation" des Selbsterhaltungstriebes bräuchtest Du (oder wahweise Ich...) wohl noch, um Deine Knarre abzudrücken, um aus einer solchen Hölle rauszukommen?

    Das ist keine Frage die man durch 'sich die Situation vorstellen' beantworten kann - wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten weiss man wenn sie in der Situation drin sind, das laesst sich auch durch ausgefeiltere Psychologie nicht vorhersagen.

    Die Spanne an moeglichen Reaktionen reicht von 'Einfrieren' zu 'mit blossen Haenden auf die Gegner zurennen' - beobachtet wurde alles davon schon.

    Und - es kommt ja niemand deswegen raus weil er seine Knarre abdrueckt (wenn er sich nicht grade selber in den Fuss schiesst, das ist die sicherste Moeglichkeit dafuer).

    Ich stelle für mich fest: Der Mensch ist ein Killler.

    Die Frage ist ja nicht ob Menschen mit entsprechendem Training oder unter entsprechenden Umstaenden andere umbringen - wir wissen dass das der Fall ist.

    Die Frage die aufgeworfen ist - passiert dieses 'andere umbringen' weil die Natur des Menschen so ist, und nur Training und Kontrolle durch die Zivilisation verhindert das Gemetzel - oder muss man Training und Kontrolle aufwenden um einen Menschen gegen seine Natur zum Toeten zu bringen?