Beiträge von kalkwiese im Thema „Was lest ihr gerade? (Non-Fantasy)“

    Habe mich mal wieder an einen dicken Schinken gewagt, nämlich Die Gestirne von Eleanor Catton.

    In Neuseeland betritt zur Zeit des Goldrauschs ein junger Jurist, der Goldgräber werden will, einen Salon, in dem zwölf Männer sich eigentlich heimlich treffen wollten. Er hat es durch Zufälle an allen Sicherheitsmaßnahmen vorbei geschafft ohne sie überhaupt wahrzunehmen und wird nun in die komplexen Intrigen der Stadt Hokitika eingewiesen.

    Das ist bisher ein wunderbar altmodischer Roman - ein allwissender Erzähler navigiert meisterlich, also sowohl flüssig, nachvollziehbar und angenehm, durch Gegenwart und Vergangenheit, von Figur zu Figur, und es ist einfach ein Erzählfest. <3

    Nach der Hälfte endet dann der erste große Teil des Buchs. Elf weitere folgen. Teil Zwei ist nur noch halb so lang wie Teil Eins, Teil Drei halb so lang wie Teil Zwei und so weiter. Mal sehen, wie sich diese Dynamik noch entwickelt. Nach Teil Eins sind alle Spielsteine platziert und durch das persönliche Drama der Figuren, habe ich jede Seite genossen. Und nun rollt das Teil ... Guter Stoff. Ich werde vielleicht ein Fan der Autorin :thumbup:

    So, neulich habe ich Die Gestirne auch beendet. :)

    Ein Plot aus einer Vielzahl von Fäden gibt den Staffelstab von Figur zu Figur weiter, bis man am Ende kaum sagen kann, ob Walter Moody, der anfangs die Identifikationsfigur ist, wirklich als Protagonist bezeichnet werden kann.
    In allwissender Manier wird angenehm altmodisch erzählt. Lange Kapitel mit langen Gesprächen prägen den Großteil des Romans, und in diesen Gesprächen wird viel vom Setting etabliert, von den Figuren und ihren Hintergründen, alles wird zugänglich und erfahrbar.

    Walter Moody stolpert also, den Sicherheitsmaßnahmen zum trotz, nichtsahnend in einen Salon, in dem sich zwölf Männer zu einem Geheimtreffen verabredet haben, um kuriose Geschehnisse zu besprechen. Ein Mann ist tot, eine Hure hat versucht, sich das Leben zu nehmen, und ein gigantischer Haufen Gold im Wert von 4000 Pfund ist aufgetaucht.
    Walter Moody lässt sich die Ereignisse berichten, wie die zwölf Männer sie zu berichten wissen. Das ist die erste Hälfte des Romans und der erste Teil von insgesamt zwölf. Die restlichen elf Teile spielen sich also in der anderen Hälfte ab. Wie muss man sich das vorstellen?
    Nun, die Szenen werden zunehmend stromlinienförmiger, kürzer und - durch das bereits etablierte Setting - ärmer an Beschreibungen. Zum Ende hin enthalten die Kapitelüberschriften mehr Plot als die sehr kurzen Kapitel, die durch die Überschriften manches auch nur noch andeuten müssen. Alles verkehrt sich so ins formale Gegenteil. Wo Moody anfangs der Protagonist zu sein schien, ist er später nur noch eine Erwähnung; wo die anfangs nur erwähnten Figuren nur fernes Rauschen zu sein schienen, sind sie am Ende die Hauptträger der Handlung.
    Und über diese Handlung sollte ich wirklich kaum weitere Worte verlieren, denn ein so plotreicher Roman will selber entdeckt werden. Nur so viel: Im Prinzip haben wir es hier mit einer Kleinstadt-Story zu tun, in der jeder Figur ihre Zeit im Rampenlicht bekommt.

    Die Sprache ist sowohl transparent als auch elegant, passend zum viktorianischen Stil, an den das Buch angelegt ist. In langen Sätzen navigiert einen Cattons Erzähler meisterlich und in fließenden Bewegungen durch die Kapitel, dass es eine Freude ist. Hier gibt es keine modernistischen Experimente, und das begrüße ich ausdrücklich, nachdem Rushdies "Mitternachtskinder" mich noch immer ermüdet zurücklassen - auf keine schlechte Weise, möchte ich betonen.

    Thematisch - worum geht's da eigentlich? Vielleicht das Schicksal und die Liebe, vielleicht auch das Glück, wie sich das für eine Geschichte über ein Goldgräberdorf gehört.
    Mit den Gestirnen hat die Geschichte in sofern zu tun, dass jede Figur für einen Planeten oder ein Sternenbild steht oder so. Kenner werden an Kapitelnamen und den Tierkreiszeichen wahrscheinlich einiges über den Plot ableiten können, aber ich bin kein Kenner der Astrologie und kam auch prima zurecht.
    Was ich hier vor allem erkenne, ist ein intelligent gestalteter, altmodischer und postmoderner historischer Roman, der vor allem eines kann: unterhalten. Wer den Atem für einen Tausendseiter hat, dem empfehle ich dieses Ding ohne Einschränkungen.

    Habe mich mal wieder an einen dicken Schinken gewagt, nämlich Die Gestirne von Eleanor Catton.

    In Neuseeland betritt zur Zeit des Goldrauschs ein junger Jurist, der Goldgräber werden will, einen Salon, in dem zwölf Männer sich eigentlich heimlich treffen wollten. Er hat es durch Zufälle an allen Sicherheitsmaßnahmen vorbei geschafft ohne sie überhaupt wahrzunehmen und wird nun in die komplexen Intrigen der Stadt Hokitika eingewiesen.

    Das ist bisher ein wunderbar altmodischer Roman - ein allwissender Erzähler navigiert meisterlich, also sowohl flüssig, nachvollziehbar und angenehm, durch Gegenwart und Vergangenheit, von Figur zu Figur, und es ist einfach ein Erzählfest. <3

    Nach der Hälfte endet dann der erste große Teil des Buchs. Elf weitere folgen. Teil Zwei ist nur noch halb so lang wie Teil Eins, Teil Drei halb so lang wie Teil Zwei und so weiter. Mal sehen, wie sich diese Dynamik noch entwickelt. Nach Teil Eins sind alle Spielsteine platziert und durch das persönliche Drama der Figuren, habe ich jede Seite genossen. Und nun rollt das Teil ... Guter Stoff. Ich werde vielleicht ein Fan der Autorin :thumbup:

    Neulich mal gelesen:

    Das Urteil und In der Strafkolonie von Franz Kafka.

    Ich habe eine Sammlung von Kafka mit (fast) den sämmtlichen Werken, aber ich habe sie eher aus Versehen. Nun gehe ich hin und wieder mal was davon an, denn ich hab's ja jetzt da. Ob ich Lust auf die Romanfragmente habe, muss sich aber noch zeigen.

    Das Urteil ist eine Kurzgeschichte, die irgendwie flüssig von einer Geschichte zu einer anderen wird. Die Geschichte, die man am Ende liest, ist irgendwie nicht mehr die, die man am Anfang las. Aus irgendeinem Grund ist das stimmig, vielleicht bilde ich mir das auch ein. Jedenfalls ist das ein ganz gutes Beispiel für den Kafka, vor dem Schüler Angst haben. Interpretiere! Das Ding ist, dass laut Wikipedia niemand eine schlüssige Interpretation zu haben scheint, nicht einmal Franz selbst hat es gewusst, sondern nach eigener Aussage die Worte aufgeschrieben, wie sie kamen.
    Ein junger Geschäftsmann schreibt einen Brief an seinen Freund in Sankt Petersburg, dessen Geschäfte nicht gut laufen. Aus irgendeinem Grund möchte der Protagonist den Freund auf Abstand halten. Später in einem Gespräch mit den Vater macht der Vater ihm Vorwürfe und spielt auf Dinge an, die wir als Leser nicht verstehen können, weil sie nie konkret beschrieben werden. Das gibt einen Effekt von Paranoia und macht alles traumartig ...
    Und das ist irgendwie cool. Nur fragt mich nicht, was das einem sagen soll - ich denke, das geht ein bisschen am Punkt vorbei. Das ist eher Horror oder, sagen wir mal, surreal verstörend als sozialer Kommentar, schätze ich. Jedenfalls regt es dazu an, über die Geschehnisse nachzudenken.

    In der Strafkolonie ist ähnlich, aber durchaus zugänglicher. Die distanzierte und neutrale Erzählweise Kafkas lässt die Geschichte märchen-/traumartig wirken. Einem Reisenden wird eine Foltermaschine, die am Ende das Opfer tötet, erklärt. Der erklärende Offizier ist in diese Technik vernarrt und ist einer der letzten Anhänger dieser Hinrichtungsmethode (ohne Prozess, ohne Anhörung, ohne Urteilsverkündung - der Verurteilte weiß nicht, dass er hingerichtet wird, wenn er auf die Maschine geschnallt wird), und er bedrängt den Reisenden, beim Vorgesetzten für die Maschine einzutreten. Es gibt da also einen Machtkampf zwischen einer alten bürokratischen Ordnung und einer neuen. Das ist ein wichtiger Teil des Kafkaesken: Die Bürokratie, das Arbeitsleben.
    Jedenfalls ist die Geschichte auch hier verstörend, weil in so einem neutralen Ton so merkwürdige Ereignisse geschildert werden. Die Psychologie der Figuren ist auch Interpretationssache. Kann man doof finden, aber für Kafka funktioniert es. Und irgendwie ist es rund ... Wieder gibt es Fragen, Fragen, Fragen, aber keine Antworten. Und irgendwie ist das cool?

    Ohje, ich hab hier ein bisschen was aufzuholen. Ich mache das lieber nach und nach, denke ich.

    Neulich habe ich Salman Rushdies Mitternachtskinder beendet, was laut vielen Kennern sein bester Roman zu sein scheint. Bekannter ist ja der andere ... Aber vorher war Rushdie schon ein international großer Name, und das hat er "Mitternachtskinder" zu verdanken.

    In der Stunde zwischen Mitternacht und Ein Uhr, direkt zur Unabhängigkeit Indiens, werden eintausendundein Kind geboren, jedes von ihnen mit magischen Fähigkeiten ausgestattet. Eines davon ist der Erzähler Saleem Sinai, der genau Schlag Mitternacht auf die Welt kam. Er hat telepathische Kräfte, mit denen er mit den anderen Mitternachtskindern sprechen kann.

    Doch bis wir an diesem Punkt ankommen, dauert es, denn der Roman ist vor allem ein historischer Familienroman, der sich an der Geschichte Indiens, etwas Pakistans und ein bisschen Bangladeschs entlang hangelt. Die Geschichte beginnt bei Saleems Großvater Aadam Aziz und seiner Rückkehr nach Kaschmir, nachdem er in Deutschland zum Arzt ausgebildet wurde. Das ist ein großer Bogen, der da gespannt wird. Die Figuren tun ihre alltäglichen Dinge und die erzählten Episoden sind meist absurde und oft auch sexuelle Geschichten (sehr nach meinem Geschmack).

    Wenn Saleem dann endlich auf der Welt ist und die Mitternachtskinderkonferenz einberufen wird, dann denkt man sich als Leser vielleicht: "Okay ... jetzt wird mit den Mitternachtskindern eher wenig gemacht?" Stimmt. Man darf nicht mit den X-Men rechnen. Zu den Mitternachtskindern kommt Rushdie zum Glück auch zurück. Als Erzähler lässt er einen nicht im Stich, würde ich sagen. :)

    Dann ist natürlich noch Rushdies Schreibe. Wenn ich ihn mit Autoren vergleichen müsste, dann wären das Gabriel Garcia Marquez (für die triebgesteuerten Familienepisoden, gutes Zeug) und Günter Grass (für die Prosa an sich, für viele modernistische Erzähltechniken, für die immer wiederkehrenden Symbole und Zusammenhänge, die Saleem für die Leser aufbaut). Dann ist Rushdie auch selbsterklärter Fan von James Joyce, den ich nicht gelesen habe, aber er selbst nennt ihn als einen Einfluss. Und daher kommen dann viele der Elemente von der Form, potentiell anstrengend sind. Man muss da für sich selbst wissen, wo die Schmerzgrenze ist. Ich habe meine Zeit mit dem Buch sehr geschätzt, aber wie mit allem von Grass (auch den guten Büchern von ihm), war ich am Ende einfach froh, damit fertig zu sein. Es war ein guter Ritt, aber müde macht er trotzdem.

    Wer davor keine Angst hat, kann es hier gerne mit Rushdie versuchen. Die Satanischen Verse sollen sperriger und weniger zugänglich sein. Seine neueren Romane sind angeblich weniger dicht und einfach zugänglicher geschrieben. So einen werde ich mal als nächstes angehen. Aber bald. Ich brauche jetzt was einfacheres.

    Ich habe mir gestern mal als Hörbuch über Spotify Die Verwandlung von Kafka gegeben und endlich diese Bildungslücke geschlossen.

    Ich kannte vorher von Kafka nur sehr kurze Kurzgeschichten, die eine oder zwei Seiten umfassen, und ich fand sie sehr gelungen, auf den Punkt erzählt und vor allem zeigten sie bereits, was Die Verwandlung jetzt für mich bestätigt hat: Kafka ist, auch nach 100 Jahren, immer noch verdammt lesbar. Seine Sprache besitzt wenige Schnörkel, die dafür gut gesetzt sind, und bis auf ein paar Formulierungen, die heute nicht mehr üblich, aber immer noch verständlich sind, ist er kaum gealtert.

    Ich habe gut die Bekannten im Ohr, die Kafka wegen Schullektüren nicht leiden können. Und es ist verständlich, dass Kinder, die die Lebensrealität von Kafkas Figuren vielleicht gar nicht begreifen, damit nichts anfangen können. Ein paar Jahre später dürfte das aber nochmal anders aussehen. Gregor Samsa ist jemand, mit dem man problemlos mitfühlen kann.

    Die Prämisse kennt wohl jeder: Gregor wacht eines morgens als nicht näher bestimmtes Ungeziefer auf. Statt in Panik zu geraten, wie es sonst wahrscheinlich jeder tun würde, macht er sich Sorgen, dass er zu spät zur Arbeit kommt. Und zu Recht, denn er ist effektiv von seinem Job, den er nicht mag, versklavt und muss dabei seine Eltern und seine Schwester ernähren, die ihm dafür aber auch nicht wirklich dankbar zu sein scheinen. Nun fällt er plötzlich aus und wird ihnen lästig ...

    Das kann man bereits als eine Allegorie für Menschen mit plötzlichen Behinderungen auslegen. Auch die Scham der Familie passt da hinein; sie versuchen alles, Gregor vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Diese Lesart lässt sich bis zum Ende beibehalten.

    Doch rein allegorisch lässt sich Die Verwandlung auch nicht lesen, denn Gregor ist tatsächlich ein Ungeziefer. Wenn er nicht mehr versucht, in seinem neuen Körper einen Menschen zu mimen, dann fühlt sich Gregor plötzlich wohl in seiner Haut, füttert aber nur den Ekel seiner Familie. Hier ließe sich auch eine Parallele zur Lebensrealität vieler queerer Menschen ziehen. Ich bin sicher, dass weitere Deutungen möglich sind, die mir noch nicht in den Sinn kamen.

    Einige Ereignisse der Geschichte wären aber schlicht unsinnig, wenn Gregor "nur" allegorisch ein Ungeziefer wäre. Er ist es allegorisch und er ist es tatsächlich. Und das sind doch die besten Allegorien. Günter Grass, Gabriel Garcia Marquez und Salman Rushdie haben später ähnliche Verwandlungen in ihren Werken verwendet. Wer weiß, wo sie ohne Kafka gewesen wären?

    Kafka beschränkt sich aber nicht nur auf die Familie, denn sobald die Samsas Mieter einziehen lassen, um ihre Rechnungen zu bezahlen, bekommen wir Leser den Druck der Außenwelt zu spüren, der die Familie sicher zur einen oder anderen Handlung getrieben hat. Vorher hätte man sich fragen können, wer hier das eigentliche Ungeziefer ist: Gregor oder seine Familie? Aber plötzlich wird die scheinbar böse Familie wieder sehr menschlich, und wir sehen, wohin Überforderung führen kann. Ohne diese zusätzliche Ebene würde etwas fehlen, und das ist, denke ich, der wichtigste Punkt: Diese Erzählung ist formvollendet.

    Banger! Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

    2/3 von Salman Rushdies Mitternachtskinder.

    Es ist sehr dicht geschrieben, heißt: Jeder Nebensatz und Einschub wird benutzt, um voraus zu deuten, auf Vergangenes hinzuweisen oder generell das Setting auszumalen oder dem Erzähler Raum für Abschweifungen zu geben (die aber immer auf das Ziel des Kapitels einzahlen, das ist durchaus befriedigend). Die Sprache ist komplex, aber nie unverständlich. Teilweise ist es ein ganz eigenes Vergnügen, den Sätzen zu folgen und dabei zuzuschauen, wie sie denn nun enden werden. Das ist eine besondere Art von ... ja, irgendwie Spannung. Aber eben eine poetische, falls das Sinn ergibt. Der Text ist oft unruhig, sprudelt quasi über.

    Aber dieses Chaotische ist auch ein bisschen der Punkt. Es geht um Indien. Saleem, der Erzähler, und die anderen Mitternachtskinder wurden um Mitternacht geboren, als Indien die Unabhängigkeit bekam. Indien ist vielfältig, viel vielfältiger, als ein Text es begreifbar machen könnte. Aber Mitternachtskinder versucht es dennoch, und kommt wahrscheinlich recht nah dran. Die Geschichten, die in den Kapiteln erzählt werden, handeln vom Erwachsenwerden Saleems, aber auch von den Familienmitgliedern und deren Liebesgeschichten und fixen Ideen. Magischer Realismus bedeutet auch Realismus, also sieht man viele Figuren dabei, wie sie alltägliche Dinge tun. Die erzählenswerten Geschichten sind dann die, die in absurder Weise die Geschichte vorantreiben bzw. Saleem auf seinen Weg bringen.

    Das macht schon Spaß, man muss sich für so ein Buch aber auch Zeit nehmen. Der Text fordert Konzentration, das ist manchmal anstrengend.

    Beendet: Lüge und Zauberei von Elsa Morante.

    "Endlich ist das vorbei!" Das könnte ich jetzt rufen, denn ich habe das gedacht, als ich es beendet hatte. Aber ich werde mal versuchen, den Geist einer ordentlichen Rezension vielleicht einzufangen, und nicht so viel zu werten. :hmm: Nur so viel: Auf Goodreads hat's zwei Sterne von mir bekommen.

    Erstmal das Technische. "Lüge und Zauberei" ist eine Familiengeschichte, die drei Generationen umspannt. Da ist bei einem Umfang von 900 engbedruckten Seiten in meiner Ausgabe also ordentlich Platz für die Figuren. Erzählt wird die Geschichte vom letzten Mitglied der Familie, Elisa, die mit dem Schreiben bald nach der letzten Beerdigung beginnt.

    Bevor die Geschichte aber beginnt, gibt es eine Einleitung von drei Kapiteln. Darin wird man mental auf das vorbereitet, was noch kommen soll; es wird benannt, dass die Familienmitglieder Elisa heimsuchen und sie umlauern, und dass sie von ihnen getrieben, die Geschichte niederschreibt. Es wird auch erklärt, dass wir eine Geschichte voller Lügen und Verblendung bekommen werden. Das bestätigt sich auch alles im Verlauf der Handlung.

    Diese Struktur aber zeigt bereits die Attitüde wie hier erzählt wird. Jemand wird vorgestellt. Seine Persönlichkeit wird uns erklärt, dann wird sie an einem Beispiel gezeigt und dann erst wird sie in die Handlung eingeflochten. So etwas passiert immer wieder. Das Ergebnis ist ein Gefühl von Monotonie und Wiederholung, und leider ist das hier keiner dieser seltenen Fälle, in denen das zum Vorteil des Buchs funktioniert. Bei einem modernen Roman würde ein gutes Lektorat diese Abschnitte straffen und nur auf das letzte Drittel reduzieren, wo diese vorgestellten Elemente in die Handlung einfließen. Andere Autoren, die auch Familiengeschichten geschrieben haben, hätten manche Kapitel in ein paar Absätzen angehandelt; manche Absätze in einer einzigen Zeile. Emily Brontes "Sturmhöhe" könnte einem in den Sinn kommen, Gabriel Garcia Marquez' "Hundert Jahre Einsamkeit" oder das noch einmal deutlich längere, aber nicht minder großartige "Das achte Leben (Für Brilka)" von Nino Haratischwili. Liebebeziehungen, Verrat, Verblendung. Das gibt es alles tiefer erkundet und besser auf den Punkt gebracht aus der Feder anderer Autoren.

    Nachdem Erzählerin Elisa die Großeltern abgehandelt hat, werden dann die zentralen Figuren ihre Beziehungen eingeführt. Rosalia, die Hure, liebt Francesco. Francesco, der Bauernjunge, der so tut, als sei er adelig, liebt Anna. Anna liebt aber Eduardo. Und Eduardo liebt eigentlich nur sich selbst. Er schwebt über den drei anderen, wie ein böser Geist und vergiftet nur zum Spaß oder aus Langeweile die Beziehungen anderer. Da Eduardo als Adeliger die Zeit und das Geld dazu hat, könnte man die Geschichte durchaus als eine Kritik an einer Standesgesellschaft lesen.

    Die Handlung verläuft sehr schlüssig, lässt sich teilweise Raum für weite Rückblenden, am Ende jedes der sechs Teile des Buchs ist aber zu erkennen, wozu diese dienen. Und doch kann man sich öfter Fragen: Musste das so lange dauern? Diesen Verdacht der Überlänge wird das Buch bis zum Schluss nicht mehr los. In diesen Rückblende-Passagen verliert sich der Fokus etwas, und durch den Erzählstil, in dem die Stimme Elisas eine prominente Rolle einnimmt, gibt die reiche Sprache einem nur bedingt sensorische Details in die Hand, dass man hier von einer besonders immersiven Erfahrung sprechen könnte. Das mag kein moderner Erzählstil sein, aber es wäre auch nichts Negatives, wäre die Geschichte auf den Punkt erzählt.

    Auf diese Weise werden Bedürfnisse von modernen Lesern durchaus vernachlässigt: Der Plot weiß nicht zu überraschen, die Intrigen schockieren wenig, die Dialoge bleiben etwas hölzern und über allem schwebt dieses Gefühl von Überlänge. Einzig die Sprache und der Erzählstil geben immer mal einige Lichtblicke. Wenn Elisa die Handlung unterbricht und ihre Kommentare gibt, glänzt das Buch. Dann gibt es dieses Gefühl, jemandem nahe zu sein, und seine echten Gedanken zu erfahren. Aber leider auch hier: Wären diese Abschnitte etwas kürzer und fokussierter gewesen, wären sie noch besser.

    Dieses Mal gibt es keine Empfehlung von mir. Wahrscheinlich gibt es einen Grund, warum dieses Buch mehr oder weniger vergessen war. Ob die neue, englischsprachige Ausgabe, die diesen Buddy Read, an dem ich teilgenommen habe, das ändern kann, wird sich zeigen.

    Kalmann und der schlafende Berg von Joachim B. Schmidt. Vorgelesen von Timo Weisschnur.

    Vor ein, zwei Jahren habe ich hier mal den Roman "Kalmann" von Schmidt besprochen. Ein unaufgeregter kleiner Islandkrimi mit starkem Fokus auf den Protagonisten Kalmann, dem inoffiziellen Sheriff von Raufarhöfn. Er hat eine unbestimmte Behinderung und weiß auch, dass er nicht die hellste Leuchte ist, aber wie solche Figuren halt so funktionieren, hat er auch oft ein paar gute Weisheiten parat. "Kalmann" war ein liebenswürdiges Buch, in dem man Kalmanns Ich-Perspektive durch seine abschweifenden inneren Monologe folgen konnte. Man fuhr mit Kalmann aufs Meer und fing Grönhaldhaie, man stapfte mit ihm durch den Schnee und schoss Polarfüchse, und man begleitete ihn, während sich über den Verlauf des Romans das Verschwinden des Dorf-Unternehmers Róbert McKenzie aufklärt.

    Kalmanns Perspektive war mMn. meisterlich geschrieben. Zwar kein erderschütterndes Buch, aber das wollte es auch nicht sein.

    Dieser zweite Band entstand nicht beabsichtigt. Schmidt sah im Fernsehen die Aufnahmen vom Sturm der Trump-Anhänger auf das Kapitol, und mitten drin war jemand mit einer Islandflagge. Donnerwetter, hat Schmidt sich wohl gedacht. Kalmann war da! Ich muss rausfinden, was er da getrieben hat ...

    Und so beginnen wir Leser Kalmanns Abenteuer beim Verhör durch das FBI. Kalmann, warum warst du dort? Und Kalmann erzählt. Bis zur Hälfte des Buchs erzählt Kalmann, wie sein Großvater starb, war er vor seinem Tod noch von sich gab, wie sein Vater ("Mamas Samenspender") in Amerika ihn gerne kennenlernen wollte, und so weiter. Schmidt bedient sich all der Stärken des ersten Bands, ohne eine Kopie zu schreiben.

    Hier darf man keine sorgfältig konstruierte Detektivgeschichte erwarten. Kalmann #2 ist kein Whodunnit. Ähnlich wie in Band 1 scheint das Verbrechen, das Kalmanns Kumpel Nói sieht, völlig an den Haaren herbeigezogen. Niemand glaubt ernsthaft an einen Mord. Nur stellt sich dann langsam heraus, dass da vielleicht ein bisschen was dran sein könnte ...

    Band 2 fängt den Geist von Band 1 gekonnt ein, ohne ihn zu wiederholen. Das Ergebnis ist dennoch gleiche, und ich bin damit sehr zufrieden: Ein unaufgeregtes, liebenswürdiges kleines Buch. Nichts Weltbewegendes. Meine Empfehlung!


    Genau die Erholung, die ich brauchte, um die letzten <200 Seiten von Elsa Morantes Lüge und Zauberei noch durchzuhalten. Brrrrr...

    1/3 von Lüge und Zauberei geschafft.

    Mal sehen, ob ich irgendwann mal eine Familiengeschichte lese, in der mal nicht mindestens einmal etwas Inzest vorkommt. :hmm: Nicht, dass ich damit ein Problem hätte, das zu lesen - es fällt mir nur auf. :rofl:

    Ich finde diese 300 Seiten für ihren Inhalt bisher einfach zu lang. In anderen langen Büchern wäre bisher schon einiges passiert, aber hier reihen sich Ereignisse aneinander, die teilweise redundant wirken. Schade. Wäre das kein Buddy Read ... aber es ist einer, und darum habe ich Skrupel, einfach auszusteigen

    Für mich hat eine Leserunde begonnen. Buddyread-Situationen hatte ich noch nicht so viele. Letztes Mal (Unendlicher Spaß von David Foster Wallace) war ich am Ende fast der einzige, der das Teil beendet hat. Dieses Mal bin ich etwas zuversichtlicher, aber ...

    Das Buch heißt Lüge und Zauberei und wurde von Elsa Morante geschrieben. Es erschien das erste Mal 1948. Ist also schon ein bisschen betagt. In Deutschland kam es wohl ganz gut an, in den USA ist es aber gefloppt und geriet in Vergessenheit. Neulich kam aber die erste ungekürzte englische Übersetzung raus, und da hat meine Buddyread-Gruppe sich das ausgesucht. Ich lese hier die einzige deutsche Ausgabe, die ich in irgendeiner Form noch kriegen konnte, mit einem engen Schriftsatz und wenig Seitenrand. Aber hey, ich kann es immerhin lesen xD

    Es ist wohl eine Familiengeschichte (cool) mit Elementen von Märchen (cool). Einen "barocken" also sehr ausschmückenden Sprachstil hat es (auch cool, kann aber auch ins Auge gehen) und knüpft irgendwie eher ans 19. Jahrhundert als ans 20. an (auch cool).

    Jetzt lese ich es und ... Es gibt zuerst drei Kapitel Einführung, die für den Roman relevant sind. Es geht nicht direkt mit Figuren und Szenen los, wie bei Emily Bronte. Es werden lauter Dinge eingeführt, die danach erstmal wieder vergessen sind. Ich mag ja so einführende erste Seiten, wenn ein Erzähler, der rückblickend berichtet, sich erstmal vorstellt und schon ein paar Themen und Motive anreißt. Aber das hier ist einfach trocken. Ich hoffe, ab dem ersten Kapitel kickt die Geschichte dann, denn die ersten Seiten davon waren auch wieder Hinführung.

    Wäre das keine Leserunde, wo das Soziale nochmal ein Teil der Vergnügens ist, und hätte es mich nicht Mühe gekostet, an das Exemplar zu kommen, würde ich es erstmal sein lassen. Aber ich will ihm eine faire Chance geben. Bitte sei gut ...

    Dass ich nebenher Rushdies Mitternachtskinder auf dem Nachttisch zu liegen habe, das alle diese Qualitäten, die ich oben beschrieben habe, AUCH hat, hilft vielleicht nicht. Rushdie hat mich bisher aber nicht im Stich gelassen und mir gezeigt, dass sich alles auch lohnt, was er mir antut.

    Zwei dicke, potentiell anstrengende Romane ... Ich werde weiter berichten.

    Mittlerweile habe ich Mitternachtskinder von Salman Rushdie begonnen.

    Saleem Sinai erzählt seine Lebensgeschichte sowie die Geschichte seiner Familie, die eng an der Geschichte Indiens und seiner Unabhängigkeit von Großbritannien verläuft. Man kann vom Erzählstil her das Buch als eine Mischung aus Hundert Jahre Einsamkeit (Gabriel Garcia Marquez) und ein paar Romanen von Günter Grass, allen voran Die Blechtrommel, verstehen. Von Grass hat Rushdie hier aber eher das Technische und als Geschichtenerzähler ist er näher an Marquez, was definitiv besser ist als andersherum.

    Jedenfalls liest sich das Buch bisher wunderbar, auch wenn es sehr dicht geschrieben, überall blinkt und blitzt da was im Text, was ein bisschen Aufmerksamkeit erfordert. Rushdie fängt TausendundeineNacht-mäßig einen Handlungsstrang an, geht dann zu einem ganz anderen oder geht ziemlich nahtlos in eine Rückblende über - oder beides - und am Ende des Kapitels oder Kapitel-Komplexes führt das alles wieder zusammen. Das ist teilweise etwas ungewohnt, aber hat manchmal etwas von Filmen mit schnellen Szenenwechseln und funktioniert erstaunlich gut.

    Ja, bisher bin ich hin und weg.

    Ich habe auch mal in einen moderneren Rushdie reingeschaut - Mitternachtskinder ist sein zweiter veröffentlichter Roman - und die sind längst nicht so dicht geschrieben. Das wäre als Kontrast hiernach sicher interessant. :hmm: Aber an diesem Buch werde ich erstmal eine ganze Weile zu lesen haben.

    ich

    Nachdem ich die Anmerkungen zu Teil 2 und das Nachwort gelesen habe, mache ich vielleicht noch einen Nachtrag. :hmm:

    Endlich habe ich das auch mal getan. Susanne Lange hat mit ihren Anmerkungen und dem Nachwort wirklich ganze Arbeit geleistet. Nicht nur ist es sehr informativ und gibt sehr viel Kontext, mit dem man das Buch und alles mögliche darin besser einordnen kann, ihre Sachtexte (das ist da im Prinzip) sind einfach verdammt gut lesbar. So macht Nonfiktion Spaß. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal ein Nachwort so gerne gelesen habe.

    Und ihre Übersetzung war auch sehr lebendig und hat viele Zwischentöne zugelassen, die dann später im Nachwort erwähnt wurden. Weder Sancho Panza noch Don Quijote sind so eindeutige Figuren, wie ihre Karikaturen das oft aussehen lassen, und ja, das habe ich beim Lesen/Hören (Hörbuch gelesen von Christian Brückner, sehr zu empfehlen) auch gespürt. :) Manche Übersetzungen waren da wohl blind für. Ich kann die Übersetzung von Susanne Lange jedenfalls nur empfehlen.

    Meiner Ansicht nach ist Grass nicht lesbar. Das muss so eine Obsession der Intellektuellen sein, Grass gut zu finden. Wahrscheinlich ohne ein einziges Buch gelesen zu haben.

    Kann sein. :hmm: Manchmal geht's bestimmt auch nur darum, mitreden zu können. Dann reichen ja eine Inhaltsangabe und ein paar Rezensionen, um zu verstehen, wie man es finden muss. :D Würde mich jedenfalls nicht überraschen.

    Die Blechtrommel geht noch mMn, aber manche Kapitel sind ärgerlich, gerade im letzten Drittel.

    Ich betrachte Grass als Writer's Writer. Man muss wahrscheinlich selber schreiben oder sich zumindest ähnlich intensiv formal mit einem Text beschäftigen wollen, um ihn schätzen zu können. Wenn man jetzt die coolen Elemente nehmen würde und daraus lesbare Geschichten machen würde, ja ... :D Ob ich das kann, weiß ich nicht. Aber träumen kann man ja mal.

    Ich habe vier Bücher abgebrochen zu lesen. Über die spreche ich aber nicht, weil ich sie für giftig halte. Je weniger Öffentlichkeit sie bekommen, umso besser ist es.

    :rofl:

    Puh, okay, so macht du mich aber wirklich neugierig. :D Aber ich frage nicht. Ich kann mich beherrschen

    Na denn: Applaus.

    Was spricht dagegen?

    Hehehe :D

    Meine Beschäftigung mit Grass ist, wie gesagt, etwas irrational und hat einfach damit zu tun, dass ich Die Blechtrommel zu einer bestimmten Zeit gelesen habe und sie mächtig Eindruck auf mich geamcht hat. Mein Großvater war Ostflüchtling, genau wie Grass bzw. Oskar Matzerath, und kurz bevor er ins Krankenhaus kam, und in dem Jahr dann auch starb, habe ich das Buch begonnen. Da ist noch mehr, weil 2019 einfach voll mit Krisen war, aber das führt zu weit. Und Die Blechtrommel hat mich fasziniert, mir Trost und Ablenkung gespendet und irgendwie auch das Tor in die Weltliteratur aufgestoßen. Danach war nichts mehr wie vorher. Bis heute denke ich über dieses Buch nach, auch wenn ich die Makel daran sehe. Ich denke, jeder hat solche Bücher in seinem Leben.

    Und darum wollte ich mich eben auch mit dem Rest von Grass' Schaffen beschäftigen. Aber ich denke, ich muss mir nicht alles geben. Das ist jetzt eine neue Entwicklung. :) Vielleicht hat Grass mit alles gegeben, was er hat, und es ist Zeit, sich neue Meister zu suchen? Trotzdem kriegt der Rest von ihm noch eine Chance.

    EDIT: Achso! Unmöglich habe ich es genannt, weil ich sehr selten Bücher abbreche. Generell. :) Aber meist suche ich mir auch Dinge aus, die ich mag oder interessant genug finde, um daran meinen Spaß zu haben

    Ich habe es getan, das UNMÖGLICHE! Ich habe ein Buch abgebrochen. D:

    Aber welches? Das ist noch skandalöser: Grimms Wörter von Günter Grass. Von dem alten Günter, dem groben Fabulierer, wollte ich doch ALLES lesen. Wie kann ich das dann abbrechen? Tja ...

    Ich habe mir über Rebuy damals das Hörbuch besorgt, um das Buch einfach entspannt und bequem auch bei Hausarbeiten geben zu können, aber ... nach 10% in diesem gar nicht so umfangreichen Werk kam in mir die Frage auf: "Das wollte ich also alles lesen, aber ... warum nochmal?"

    Bisher habe ich selbst bei Grass' miesen oder mittelmäßigen Büchern (von denen er mehr als gute gibt) immer gedacht, dass ich dabei trotzdem was lerne und mitnehmen kann, für mich als Schriftsteller. Stimmte wahrscheinlich auch. Bei diesem Buch hier ist aber nichts technisch neues dabei. Und während mich inhaltlich Teil 3 von Grass' Autobiographie durchaus interessiert, zumal er parallel die Geschichte der Grimm Brüder und ihres Wörterbuchs reich ausfabuliert, geht mir die Art, wie Grass erzählt, mittlerweile gehörig auf die Nerven.

    Der Grass der Blechtrommel ist nicht der Grass von Grimms Wörtern. Der junge Grass hatte schon die Anlagen, die den mittleren und den alten Grass so anstrengend machen, aber der junge Grass konnte erzählen. Zumindest in der Blechtrommel, zumindest in den ersten zwei Dritteln und ein bisschen im letzten ... Es gab Pointen, Skurriles, Provokation und Lust an den Worten. In Grimms Wörtern gibt es nur noch die Lust an den Worten, aber die wählt Grass in seinem Duktus, den er sich über die Jahre angeeignet hat, zusammen mit einigen Marotten, die in früheren werken vielleicht mal sinnige sprachliche Mittel waren. Er liebte es ab einem bestimmten Punkt zum Beispiel, Passivkonstruktionen zu bauen, denen man anmerkt, dass er sie nur macht, um coole Adjektive ausgraben zu können. In "Im Krebsgang" lernt der Erzähler, mit Computern umzugehen. Und statt das so zu beschreiben, wird es dem Erzähler "nicht mehr böhmisch". Und das macht Grass andauernd. Macht mich fertig!

    Ich habe genug mittelmäßiges von Grass gelesen. Es gibt noch exakt 3 Bücher, die ich von ihm wirklich durchziehen will. Zwei davon sind Romane: Das Treffen in Telgte (schmal) und Der Butt (dick). Und dann noch sein Lyrikbuch übers baldige Sterben (Vonne Endlichkait).

    Zwei weitere Bücher habe ich auch von ihm: Aus dem Tagebuch einer Schnecke und Mein Jahrhundert. Sollte mit denen keinen Spaß haben oder das Gefühl bekommen, dass sie sonst auch nicht meine Zeit wert sind, fliegen die raus.

    Mir war klar, dass meine Beschäftigung mit Grass mich weiterbringen würde. Und wenn es nur ist, dass ich gegen langweilige Schreibe allergisch werde, dann hat das auch was gebracht. Dieses Abmühen ist absolut irrational, aber ich mache damit weiter. Denn die guten Werke verehre ich noch immer.

    Übersetzungen finde ich auch vollkommen sinnvoll und legitim, egal ob bei neuerer oder älterer Literatur.

    Bei "The Picture of Dorian Gray" und "Moby Dick" ist es ziemlich wild, wie viel so eine Übersetzung ausmacht. Manchmal vergleiche ich Übersetzungen, entweder weil ich mich auf der Arbeit damit beschäftige oder aus Jux und Laune, weil ich ein Nerd bin ^^

    Mache ich auch, denn eine schlechte Übersetzung kann das Lesevorhaben komplett ruinieren. :rofl: Ich hatte auch schon mal, dass mir jemand sagte: "Was, du willst "Ein Sommernachtstraum" von Shakespeare auf DEUTSCH schauen? NEIN, das geht ja gar nicht. Ich gehe nicht mit!" Ja ja. Es ist offensichtlich besser etwas nicht zu lesen, als es falsch zu lesen. Ist klar, Brudi. :D

    Solange man das Ding liest, ist alles gut mMn.

    Freut mich, dass dir das Buch gefallen hat. Hast du es im Original gelesen?

    Ich lese moderne Romane durchaus auf Englisch (Fantasy ist da grundsätzlich nicht so schwer), aber bei älteren oder komplexeren Büchern nehme ich lieber Übersetzungen. :) Meine war die von Grete Rambach. Inhaltlich bekomme ich genug daraus mit, wenn es eine gute Übersetzung ist.

    Klingt es denn inhaltlich oder von der Form her (die Geschichte wird ja in Tagebuchform mit vielen Binnenerzählungen von verschiedenen Leuten erzählt) nach etwas, was du mögen würdest? Das Drama und dass alles schief geht?

    Wenn du das Buch gelesen hast, sage ich dir, wie ich es fand :D

    Ich bin jetzt durch mit Sturmhöhe. Und ich hab es geliebt. :D

    Keine Ahnung, warum irgendwer das hier als Liebesgeschichte lesen würde. In meinen Augen hat Emily Brontë mit diesem Buch eine absolute Anti-Romanze geschrieben, eine Rache-Geschichte voller kaputter Figuren, die sich gegenseitig das Leben ruinieren.

    Die Moral ist wohl folgende: Wenn du auf der Straße ein Waisenkind findest, dann tritt es in den Rinnstein und schau nicht zurück! Zumindest den Earnshaws und Lintons hätte das besser getan, und zwar über mehrere Generationen.

    In gewisser Weise muss man dieses Buch wohl als Charakterstudie über das Waisenkind Heathcliff lesen. Es ist seine Geschichte, er übt die Rache aus, und was es ihm bringt, ja, das liest man besser selbst. Aber wäre er von allen in der Familie gleich mit Mitgefühl behandelt und als Teil der Familie akzeptiert worden, dann wäre diese Geschichte nicht passiert.

    Sollte man unbedingt eine Figur brauchen, mit der man sich identifizieren bzw. die man gern haben kann, dann wird man mit diesem Buch nicht glücklich, denn niemand hier lässt sich nichts zu Schulden kommen, außer vielleicht die Bediensteten, die aber passive Figuren sind.

    Und ich möchte es, wie viele vor mir noch einmal betonen: Das hier ist ein Gothic-Roman. Keine schöne Liebesgeschichte. Warum viele dieses Buch so lesen, ist mir ein Rätsel.

    Emily Bronte, ich verneige mich vor dir!

    So, für mich beginnt jetzt der Gothtober, denn ich habe mit Sturmhöhe von Emily Bronte begonnen

    Ich hab deine und ofinkandpaper diskussion nur überflogen und will mich gar nicht einmischen, aber ich wusste genau nichts über das Buch und konnte einige Stellen tatsächlich nicht wirklich handlen ^^* vor allem, weil das Buch ja biografische Züge hat …

    An die Bücher ihrer Schwestern hab ich mich deshalb bisher nicht dran getraut :rofl:

    Interessant! Bin jetzt 20% drin und empfinde es als einen Klumpen roher emotionaler Energie. Ich habe meine Freude dran, weil die Figuren alle offensichtlich nen Knall haben. ^^

    Die Schwestern interessieren mich auch. Mal sehen, eines von diesen Büchern im Jahr ist wohl zu wenig. Nächstes Jahr wollte ich ja eh mehr Frauen lesen, da geht doch bestimmt was. Jane Eyre ist so ein Name, der mich immer mal anlacht :D

    Oha, voller Einsatz hier! Ich bin beeindruckt. Wobei ich mich frage, was für Musik zur Spooky Season passt

    Das ist halt auch eine gute Frage :rofl: Wenn du möchtest tagge ich die die Tage bei dem ein oder anderem Lied im Musik-Thread. Ist auch nicht alles brutal und böse, versprochen :saint:

    Setze ich mal auf meine to-read-Liste. Bei Frankenstein und Co bin ich gleich dabei :D

    In dem Fall sind meine Empfehlungen bei Moers "Der Schrecksenmeister" und "Die Stadt der träumenden Bücher". :) Generell mag ich aber alles von ihm, mit wenigen Abstrichen.

    Nachtrag:

    Zitat

    Wenn du das Buch gelesen hast, sage ich dir, wie ich es fand :D

    Ja, gerne! Aber vorher nicht :D

    Der Wanderer Perfekt, das gebe ich mir morgen zum Frühstück :thumbup: