B. Traven Das Totenschiff - Ich hab das Buch mal spontan letztes Jahr für 3 € oder so als Mängelexemplar gekauft, weil der Titel interessant klang. Jetzt les ich das so nebenbei immer wieder mal ein bisschen. Sowohl der Autor als auch der Hauptcharakter haben eine höchst interessante Geschichte. Beim Autor stehen auf dem Buchrücken zwei unterschiedliche Geburtstage und Orte - ganz so, als wüsste man das nicht. Bei Wikipedia steht was drittes...? Vielleicht liegt das darin begründet, dass der Autor Anarchist (auch Herausgeber einer anarchistischen Zeitschrift) war und in der Zeit zwischen den Weltkriegen auch Theaterschauspieler und zudem noch auf der Flucht und selbst womöglich nie mit seinen Verlegern persönlich verhandelt hat und auch wollte, dass seine Person ein Mysterium blieb. Daher gibt's bei Wikipedia ne ganze Reihe an Vermutungen, die im Laufe der Jahre aufgestellt wurden, wer dieser B. Traven denn wirklich sei. Ich find's cool.
Nun zu dem Buch: Es geht um einen amerikanischen Seemann, der zu Beginn der 1920er Jahre in Antwerpen sein Schiff verpasst und ohne Papiere nun also in Europa gestrandet ist. Gefühlt sofort gerät er in den Konflikt mit der Polizei und wird von dieser ins nächste Land abgeschoben, damit sie selbst keine Probleme oder Arbeit mit einem angeblich amerikanischen, mittel- und ausweislosen Seemann haben. Dort wiederholt sich meist das gleiche Spiel und so wandert er durch mehrere europäische Länder, gibt sich dann als Deutscher aus, ohne je in Deutschland gewesen zu sein und nimmt alles - sogar seine mehrfache Verurteilung zum Tode - mit einer gewissen Leichtigkeit und sarkastischem Humor. Die "normalen" Menschen, die er trifft, sind häufig nett, verständnisvoll und verzichten darauf, ihm Geld abzunehmen, da er offensichtlich nicht viel hat, obwohl sie selbst auch nicht viel besitzen. Brot, Käse, Wurst und Wein wird überall geteilt.
Es ergibt sich in diesem leichten Stil dann eine Erzählung, die teilweise absurd anmutet, aber einfach schön zu lesen ist und immer wieder ziemlich starke Sätze hervorbringt, die seltsam aktuell anmuten, auch wenn die durchscheinende anarchische Haltung nicht zu verleugnen und doch etwas einseitig ist.
Meine bisherigen Lieblingspassagen, manche lustig, manche eher zum Nachdenken anregend:
"Meine Herren! Das war ein Essen, das nenne ich Kunstwerk. Dafür lasse ich mich jeden Tag mit Freuden zweimal erschießen."
"Kein Wunder, das Land hatte ja an dem Kriege für die Freiheit und Demokratie der Welt nicht teilgenommen. Deshalb hatte der Krieg hier die Freiheit nicht gewonnen, und die Menschen hatten sie nicht verloren. Es ist so unerhört lächerlich, dass alle Länder, die von sich behaupteten, sie seien die freiesten Läner, in Wahrheit ihren Bewohnern die geringste Freiheit gewähren und sie das ganze Leben hindurch unter Vormundschaft halten. Verdächtig ist jedes Land, wo soviel von Freiheit geredet wird, die angeblich innerhalb der Grenzen zu finden sei. [...] Wo man so laut schreien muss: Wir sind ein Volk von freien Menschen!, da will man nur die Tatsache verdecken, dass die Freiheit vor die Hunde gegangen ist [...]"
"Das ist das Militärgefängnis", sagte er mir.
"Aber warum schreien denn die Leute so herzzerreißend?"
"Die Leute? Das sind keine Leute. Das sind Kommunisten."
"Die brauchen doch nicht zu schreien, wenn sie Kommunisten sind."
"Ja, verstehen sie denn nicht? Die werden jetzt geprügelt und gefoltert."
"Warum denn aber?"
"Das sind doch Kommunisten. [...]"
"Sind das denn Verbrecher?"
"Nein, aber Kommunisten."
Ach, eigentlich könnte ich hier direkt ein ganzes Kapitel abtippen... aber das ist dann vielleicht doch zu viel Jedenfalls gefällt mir das Buch sehr gut.