Beiträge von Korus im Thema „Auf der Spur ...“

    „Wir können kaum unsere eigenen Leute ernähren, geschweigen denn die Stadt wieder aufbauen. Glaubt ihr in diesem Zustand können wir es uns leisten, Kesara irgendwie zu unterstützen?“ Cifer konzentrierte seinen blick auf die Dienerin, die durch den großen Saal lief und dafür sorgte, dass die Becher der Gäste stehts gut gefüllt blieben. Es war wahrscheinlich das interessanteste, was in diesem Raum geschah. Seit Tagen, nein Wochen waren sie hier. Und seit Wochen schien sich das Gespräch im Kreis zu drehen. „Wir erfrieren hier.“ Gefolgt von „wir haben euch Kleidung gebracht.“ Gefolgt von. „deshalb schulden wir euch noch lange keine Rohstoffe.“ Gefolgt von „Wir haben auch einiges von den Elfen abbekommen.“ Es erinnerte ihn ein wenig an die Gespräche, die er als Kind zuhause gehört hatte, auch wenn weitaus weniger Bierkrüge flogen. Jeden Morgen konnte der Gestaltwandler die Kälte des Winters etwas stärker spüren, wenn sich die Gruppe von ihrer Unterkunft aus zur großen Halle auf den Weg machte um dem hin und her zwischen Sans Vater und dem Statthalter zu lauschen. Heute morgen hatte er die ersten Schneeflocken gespürt, was bedeutete, dass sie so oder so bis zum Frühjahr hier festsitzen würden. Ob mit oder ohne Rohstoffen, die Rückreise würde durch den Schnee deutlich anstrengender und gefährlicher werden. Das würde den Soldaten sicher gefallen, wo sie es doch waren die mehr oder weniger vor den Toren von Aalfels ihre Lager aufschlagen mussten. Und Cifer konnte auch Unmut in der kleinen Gruppe spüren, die ihn überhaupt hierher gebracht hatte. San genoss die Zeit, die er an der Seite seines Vaters und Bruders verbringen durfte, aber es war dem jungen Mann anzusehen, dass er auch seine Mutter und Schwester gerne wieder gesehen hätte. Neneve war unmissverständlich ein Teil der Gefährten, aber Cifer war sich nicht sicher, wie sie in diesem komplett menschlichen Umfeld zurecht kommen würde. Vielleicht hatte sie sich einfach noch nicht klar gemacht, dass es eine Weile so bleiben würde, bis sie in ihre Heimat zurückkehren konnte, ohne als Königsmörderin beschimpft zu werden. Vielleicht war sie es von ihren bisherigen Reisen sogar schon gewohnt. Dann waren da Caspar und Gyahara, die beide immerhin ein Leben vor all dem gehabt hatten, wenn auch kein besonders tolles. Gerade in dem Moment bemerkte Cifer auch, wie sich die Dämonin von der Sitzung entschuldigte und verschwand, er konnte es ihr nicht verdenken. Für einen Moment überlegte er, ihr zu folgen, aber es war nicht wirklich seine Aufgabe, ihr gut zuzureden, und ihren Gastgeber würde es sicher nicht erfreuen, wenn die halbe Gefolgschaft des Generals einfach verschwand. Als er der Dienerin winkte und sie um etwas mehr Tee bat, bemerkte er allerdings, dass Caspars Blick noch immer an der Tür hing, durch die die Dämonin verschwunden war.

    Eine dünne Schneedecke hatte sich über die Landschaft und die Stufen zur großen Halle gelegt, als die Gefolgschaft an diesem Abend nach draußen trat. Cifer ließ seinen Blick schweifen und musste nicht lange suchen, bevor er die vermummte Gestalt etwas entfernt auf dem Friedhof der Stadt stehen sah. „Vielleich sollte ich…“ der Henker führte den Satz nicht zu ende, als er schon in die Richtung marschierte. Für eine Sekunde blickte Cifer ihm hinterher. Er verdankte ihnen sein Leben. Jedem in dieser Gruppe wirklich. „Wenn ich mich jemals revanchieren kann, sagt bescheid ja?“ Caspar wandte sich zu ihm um, eine Augenbraue fragend hochgezogen. Cifer zuckte mit den Schultern. „Ich schulde euch mein Leben…“ bevor Caspar etwas erwiderte, wandte der Gestaltwandler ich ab und entschloss, Ent zu suchen. Der Kleine hatte in den letzten Wochen immerhin ein paar Formen gelernt. Nur zum Fliegen hatte er ihn nie wirklich gebracht.

    Es waren vermutlich die letzten warmen Herbsttage, schätzte Cifer, der Winter würde bald über sie hereinbrechen, mit etwas Pech bevor man mit dem Wiederaufbau beginnen konnte, mit noch viel mehr Pech vielleicht sogar schon während ihrer Heimreise, je nach dem, wie sehr sich die Verhandlungen zogen. Alfels, die Nachbarstadt war weit entfernt und hatte wohl nicht die beste Beziehung mit Kesara, auch wenn die letzten offenen Kämpfe Jahrhunderte her sein mussten. Cifer lief hinter dem Rest der Gruppe, gedanklich noch immer zwei Nächte hinter dem heutigen Tag. Was Caspar ihm über mögliche Verräter erzählt hatte, hatte ihm klargemacht, dass er ihnen von Dunedin erzählen musste. Besser sie erfuhren die Geschichte von ihm selbst, als von einem Außenstehenden der die Information nutzen könnte um sie auseinander zu bringen. Wenn sie es hingegen von ihm selbst erfuhren würde das das Vertrauen vielleicht sogar stärken. Er brauchte nur noch einen Plan, wie er die Geschichte angehen sollte. Er würde ganz bestimmt nicht hier auf der Straße darüber sprechen wo jeder mithören konnte. Auch wenn es keine große Neuigkeit war, war es immer noch etwas sehr privates. Vielleicht würden sie auf der Straße ja in einer Taverne rasten. Cifer hoffte darauf, immerhin war Sans Vater doch irgendwo ein Edelmann. Dann könnte er die Geschichte immerhin in einer ruhigen Kammer loswerden. Caspars herzhaftes Lachen erschreckte ihn mit seiner Plötzlichkeit und ließ ihn zum ersten Mal an diesem Tag aufblicken. Auch Neneve und Gyahara wandten die Köpfe. San war rot angelaufen. Caspar wischte sich ein paar Tränen aus den Augen. „Schwerter und Schankmägde… meine Güte, San.“ Murmelte der Henker nur grinsend. Doch Cifers Blick wanderte an dem Henker und dem Jungen vorbei und blieb an einem der Holzwägen vor den Beiden hängen. Die reicheren Stadtbewohner hatten die absurdesten Dinge zum Tauschhandel gespendet, aber er war sich sicher, dass keiner von ihnen eine Katze aufgegeben hatte. Das schwarze Tier hockte auf dem Holzstapel und ließ den Blick übe die Karawane streifen, als suche es jemanden. Er schlenderte zu dem Wagen vor und wie erwartet blieb der Blick des Tieres an ihm hängen. Er erinnerte sich wieder an die seltsame Frage, die ihm Ent der Novize gestellt hatte, lange bevor sie die Stadt erreicht hatten und ihn mit den anderen in einer vorläufigen Unterkunft abgeliefert hatten. „Aber du weißt das Katzen nicht plötzlich Flügel wachsen können, oder?“ meinte er beiläufig. Die Katze neigte den Kopf leicht. „Wenn du fliegen lernen willst, solltest du bereit sein ein paar neue Dinge auszuprobieren, meinst du nicht auch?“ Er blickte dem Tier jetzt direkt in die Augen „Ähm… Cifer?“ hörte er die Dämonin hinter sich. „Ja?“ fragte er, ohne den Blick abzuwenden oder zu blinzeln. Vermutlich dachte sie er hatte den Verstand verloren. Vermutlich hatte er das auch. „Du redest mit einer Katze.“ Wies sie ihn vorsichtig auf sein Verhalten hin. Bevor er antworten konnte blinzelte das Tier und sprang vom Wagen auf den Weg. Im Fallen schien es größer zu werden, sein Fell verschwand und Haut kam zum Vorschein. Irgendwie ironisch, aber Cifer hatte so eine Verwandlung noch nie von außen erlebt, weshalb er fast wie angewurzelt stehen blieb. Im nächsten Moment landete der Novize vor ihm. Seine Kleidung schien er irgendwo zurück gelassen zu haben, etwas was ihm als Kind auch oft passiert war. Er blinzelte überrascht. Es war ein Schuss ins Blaue gewesen, der Gedanke fast zu gut um wahr zu sein. Ein weiterer Gestaltwandler. Für die Assassinen musste diese Gabe wie ein vierfacher Sechser beim Würfeln gewesen sein. Für ihn war es viel mehr, nichts was sich mit einem simplen Gewinn beim Glücksspiel vergleichen ließ. Er wollte sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er länger dort ausgebildet worden wäre. Aber das hieß auch, dass es Aufzeichnungen über seine Familie geben musste, in dem Buch, dessen Wichtigkeit er noch vor ein paar Tagen mit San debattiert hatte. Eine weitere Ironie. Er war sich vage bewusst, wie die Karawane neben ihnen weiterzog, auch wenn ihre kleine Gruppe angehalten hatte und wie der Wind ihm durchs Haar strich, aber seine Konzentration lag voll und ganz bei dem Kind vor ihm. Er konnte das Verhalten des Novizen nun verstehen und der jüngere hatte nicht halb so viel Zeit damit verbracht, sich zu fühlen als sei er der einzige seiner Art. Dann erinnerte er sich, wie kalt es inzwischen war. Sein Mantel war für den Jungen umständlich lang, deshalb streifte er sich kurzerhand sein Hemd über den Kopf und reichte es dem Novizen. Es bildete immerhin schon eine halbwegs wärmende Tunika. Vielleicht würde Cifer später einen Blick auf die Spenden der Städter werfen und sehen ob darunter auch etwas passende Kleidung war. „Na dann,…“ meinte er schließlich sich die Hände reibend, als sich der kleinere Gestaltwandler angezogen hatte und Cifer plötzlich klar wurde, dass er keine Ahnung hatte, wie er ihm solche Dinge beibringen sollte. Er wusste nur wie er sie gelernt hatte. „Vielleicht solltest du aufhören mich so anzusehen und auf deine Umgebung achten.“ Er deutete nach oben in die Bäume, wo einige Vögel hockten. „Da sind deine Lehrer. Die Assassinen haben dich gut auf Haustiere geschult, aber sehen wir mal wie gut du die hier imitieren kannst.“ Der Junge nickte ruckhaft, mehr als befolge er einen Befehl, als einen Rat, dann verschwand er zwischen den Wagen der Karawane, vermutlich um sich ein gutes Betrachtungsexemplar zu suchen."Und verlier dein Hemd nicht wieder, es wird ganz schön kalt."rief er ihm noch hinterher. Grinsend drehte Cifer sich zu seinen Gefährten um, die wohl selbst nicht sicher wussten, was sie aus der Szene machen sollten. „Unglaublich, oder?“ Ein paar hochgezogene Augenbrauen signalisierten ihm, dass offenbar keiner der anderen richtig verstand, was diese Entdeckung ihm bedeutete. Egal, er würde es später erklären. War da nicht noch etwas, was er hatte erklären wollen? Erst später an diesem Tag, als er sich fröstelnd tiefer in seinen Mantel wickelte und mit den Fingern dabei über die Narben strich, die das Mal unter anderem auf seiner Brust hinterlassen hatte und er sich fragte, ob irgendeiner seiner Begleiter das Mal jemals richtig gesehen hatte, fiel es ihm wieder ein, aber zum wahrscheinlich ersten Mal verschaffte der Gedanke seiner Euphorie keinen kompletten Dämpfer.

    Cifer zog sich schon bald nach dem Abendessen in das Zimmer zurück das Jered ihm und Caspar schon bei ihrer Ankunft zur Verfügung gestellt hatte, auch wenn im Haus noch ihre Rückkehr gefeiert wurde. Sie waren erst am Morgen dieses Tages in Kesara eingetroffen und hatten einen großen Teil des Nachmittags damit verbracht eine passende Unterkunft für die Novizen zu finden und Soldaten, die bei ihnen blieben. Die Ruhe war genau das was er jetzt brauchte um über den weiteren Verlauf seiner Reise nachzudenken. San hatte zugestimmt sich der Karawane anzuschließen. Natürlich wollte er erstmal bei seinem Vater bleiben. Und auch der Rest der Gruppe schien der Idee nicht abgeneigt. Und warum sollten sie es auch sein? Neneve würde sich wohl in den nächsten Dekaden nicht mehr im Elfenreich blicken lassen dürfen, oder zumindest solange bis die ganze Geschichte um Zuminas Tod irgendwie aufgelöst worden war, Caspar war ihm nie wie jemand vorgekommen, der seinen Beruf mit besonderem Elan ausübte, obwohl er ihn natürlich nie wirklich bei der Arbeit erlebt hatte und alles was Gyahara zuhause erwartete waren vermutlich ein paar Gräber, die ausgehoben werden mussten. Keiner von ihnen hatte etwas zu dem er zurückkehren konnte, genau wie er. Aber sich deshalb Hals über Kopf in die nächste Arbeit zu stürzen? Er lehnte sich auf das Fensterbrett und ließ seinen Blick über die Stadt streifen, vom Adelsviertel aus war sie gut überschaubar. In vielen Häusern brannten Lichter, auf einem Platz spielte ein Barde und Menschen feierten, vermutlich das Ende des Krieges mit den Elfen, oder man hatte sie über die Assassinen informiert, oder reiche Menschen neigten einfach dazu zu mehr Feste zu feiern. Sein Blick schweifte weiter zu den dunklen Elfenvierteln. Für die Menschen und Elfen dort schien sich wenig geändert zu haben, sie hatten immer noch alles verloren. Vielleicht konnte er nicht gut machen, was in Dunedin geschehen war, was er getan hatte, aber er vielleicht konnte er Wiedergutmachung leisten, wenn er ihnen half. Der Gedanke fühlte sich großkotzig an. Er war nicht für das Wohlbefinden all dieser Menschen zuständig. Ein Geräusch auf dem Dach lenkte ihn ab. Vor dem Fenster hockte eine schwarze Katze. Ein edles Tier, einem adeligen Haushalt würdig, das ihn interessiert musterte. Vielleicht lag es daran, dass er die letzten Tage mit den stummen Novizen verbracht hatte, aber der Blick löste ein ungutes Gefühl in ihm aus. Er erinnerte ihn an Ent, wie die Soldaten den Jungen getauft hatten, weil er ihm immer nachgelaufen war wie ein Entenküken. Er wollte die Hand austrecken und die Katze irgendwie auf ihre Echtheit überprüfen, auf Fehler, auf wasauchimmer, als sich die Zimmertür schwunghaft öffnete und sie verschreckte. Caspar trat ein, musterte ihn kurz und hockte sich dann auf sein Bett. Er roch nach Wein. „Schon bereit abzuhauen?“ Er deutete vage aufs Fenster. Cifer schüttelte den Kopf und bewegte sich ebenfalls zu seinem Bett.“ Ich dachte nur… Ist egal.“ Er ließ sich auf den Rücken fallen und starrte an die Decke. Es war ein dummer Gedanke gewesen, der ihm kurz beim Anblick der Katze durch den Kopf geschossen war. „Aber du willst abhauen, oder?“ als er aufblickte saß der Henker immer noch auf seiner Bettkante und musterte ihn trübe. “Du hast dich nicht zu der Sache mit der Karawane geäußert.“ Er zuckte mit den Schultern. “Kann sein, dass ich noch etwas anderes zu klären habe. Vielleicht komme ich mit, vielleicht gehe ich meinen eigenen Weg.“ Caspar wirkte ein wenig verletzt durch seine Offenheit deshalb fügte er hastig hinzu. “Aber ich sage euch bestimmt bescheid. Ich werde nicht einfach irgendwann in die Nacht verschwinden.“ Nochmal. “Versprochen.“ Caspar nickte nur ruckhaft. Er schien kurz mit sich zu ringen und Cifer war sich nicht sicher welcher Teil von ihm gewonnen hatte als er meinte. “Hör mal, es gibt da etwas… ich meine vielleicht ist nichts dran… Gyahara dachte….“ Die Stille zog sich ein wenig und Cifer fragte, ob es am Wein lag, oder ob er einfach nur seine Gedanken ordnen musste. “…Egal“ Der Gestaltwandler nickte. „Dann gute Nacht.“ Er hatte sich schon auf die Seite gerollt und begonnen sich zu fragen, welche Aussage der Dämonin ihm so viele Schwierigkeiten bereiten könnte als der andere wieder zu sprechen begann, diesmal bemüht klar und schnell. “ Ghya und Neneve haben überlegt ob es vielleicht Mitwissser gab. Jemand der die Assasas..Asin… den Orden gewarnt hat.“ Er konnte den Blick des Mannes in seinem Rücken spüren und für einen Moment überkam ihn Panik. Hatte er irgendwie von Dunedin erfahren? Hatte er ihn auch hierfür in Verdacht, was immer auch hier passiert sein mochte? Hatte er deshalb nach seinen Plänen gefragt? Stattdessen kam nur ein müdes aber besorgtes. “Glaubst du, dassowas passieren könnte?“ Cifer nickte, obwohl es in der Dunkelheit natürlich nicht erkennbar war. Ein Schnarchen vom anderen Bett informierte ihn, dass er sich die Antwort sparen konnte.

    Noch Tage lang konnte man die Rauchschwaden von den Ruinen der Enklave aufsteigen sehen. Es war nicht unpraktisch für den kleinen Trupp Soldaten sowie San und Cifer, die die Rauchsäule für ihre Orientierung nutzen konnten. Auch wenn es wahrscheinlich jede lebendige Person im Umkreis von zehn Meilen alarmierte. Cifer verbrachte einen großen Teil der Rückreise, wie auch schon auf dem Hinweg in der Luft. Am Anfang hatte seine Fähigkeit dazu gedient Wege und Feinde auszumachen, nun nutze er sie um etwas Zeit allein verbringen zu können und den Kopf frei zu bekommen. So langsam hatte er begonnen zu begreifen, dass nun alles vorbei war. Die Assassinen waren ein für alle Mal erledigt. Es ging keine Gefahr von ihnen mehr aus. Die Gruppe war zum ersten Mal sicher. Und er selbst lag nicht mehr im Sterben. Er war frei. Konnte wieder gehen wohin er wollte, tun was er wollte nur, irgendwie auch nicht. Irgendwie landeten seine Gedanken wieder bei Dunedin. Er hatte gehofft das das alles vorbei gehen würde, dass ihn die Alpträume von lebenden Schatten und seinen vermutlich toten Gefährten verlassen würden. So wie er auch schon lange nicht mehr von blutigen Schlachtfeldern geträumt hatte. Nach allem was in den vergangenen Monaten passiert war, nach allem was er getan hatte hatte er die Erlösung doch verdient, oder?

    Abends kehrte er an die Lagerstelle zurück, mit zwei Hasen, die er als Adler erlegt hatte. Seine Jagdkünste verbesserten sich immer mehr, auch wenn er am Aussehen des Vogels noch etwas arbeiten musste. Die Soldaten nahmen das Abendessen dankend an, ihr Proviant ging langsam zur Neige, vor allem mit den extra Personen. Zwanzig Novizen zwischen zehn und sechzehn hatten sie insgesamt aus den Unterkünften geholt, fast gezerrt. Die meisten hatten sich gewehrt, aus Angst vor Bestrafungen durch „die Meister“, einige waren fest überzeugt gewesen es handle sich um einen Trick um ihre Loyalität zu prüfen. Die Soldaten blickten müde drein. San hatte sie gewarnt, dass es in diesen Bergen wilde Raubtiere gab, doch die größte Bedrohung schien von diesen Jugendlichen auszugehen. Erst zwei Abende zuvor hatte sich einer aus den Fesseln gelöst, die sie ihnen zur Sicherheit angelegt hatten und hatte einen der Männer mit seinem eigenen Schwert erstochen. Doch die meisten wirkten eher geschockt, als aggressiv. Cifer blieb nicht beim Feuer, sondern gesellte sich zu San, der etwas abseits auf einem Fels hockte und die Novizen im Auge behielt. „Schon Glück mit einem von ihnen gehabt?“ Der junge Assassine schüttelte den Kopf. Er hatte die letzten Abende versucht auf jede erdenkliche Art Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Etwas entfernt saß einer der Jungen auf dem Boden und starrte Cifer an. Das war alles was sie taten. Sie mussten schreckliche Dinge durchgemacht haben. San wusste welche, aber er sprach nicht darüber. „Es ist so ungerecht“ murmelte er plötzlich. Der ältere Mann blickte den jüngeren fragend an. „Sie sind ihr ganzes Leben lang belogen worden, von zuhause weggeholt worden. Die haben sie zu eiskalten Mördern ausgebildet. Und trotz allem tun sie so als wären wir die Monster.“ Er wandte den Blick ab aber Cifer glaubte trotzdem zumindest die Andeutung von Tränen erkannt zu haben. Er verspürte den Drang ihm den Arm um die Schulter zu legen, aber durch die höhe des Felsens wäre er nur bis zu Sans Knie gekommen. “Sie können nichts dafür.“ Versuchte er es beschwichtigend. „Ich weiß“ murmelte San nur. “Das ist ja das Schlimme“. Dann fügte er irgendetwas unverständliches hinzu. „hmm?“ fragte Cifer. “Das Buch.“ Antwortete San, etwas lauter. “Das Buch in dem die Namen der Eltern und die Herkunft vermerkt werden. Es war nicht da.“ „Und was macht es für einen Unterschied ob es da ist oder nicht?“ fragte Cifer, vermutlich etwas grob. “Du kennst ja nichtmal ihre Namen. Und wie soll es dann weitergehen? Willst du durchs Land reisen und Kinder liefern. Oh ja hier ist ihre Tochter, sie sagt nicht viel und es kann vorkommen, dass sie versucht sie im Schlaft abzustechen, aber sonst ist sie ganz die Alte.“ San blickte ihn verletzt an. “Aber sie sollten ihre Eltern…“ „Sie sind nicht in der Verfassung in der Eltern ihr Kind sehen sollten. San. Du hast gerade erst deine eigene Familie gefunden. Konzentrier dich auf sie, bevor du versuchst jeder Waisen im Land mit einem Elternpaar zu verkuppeln.“ Der Assassine rutschte nur flink vom Fels und marschierte an ihm vorbei, hoffentlich um sich an einem ruhigeren Ort Gedanken darüber zu machen, was er gesagt hatte. „Nicht alle, nur zwanzig.“ Murmelte er kaum hörbar im vorbeigehen. Cifer seufzte und lehnte sich wieder an den Fels. „Kannst du mir zeigen wie man fliegt?“ Die Kinderstimme riss ihn aus den Gedanken die gerade dabei gewesen waren sich zu entwickeln und ließ ihn vor Schreck fast auf den Stein springen. Hinter ihm stand einer der Novizen, er war vielleicht zwölf, und starrte ihn aus großen braunen Augen an. „…Äh..wie war das nochmal?“ fragte er dämlich, noch immer etwas neben sich stehend. Doch das Kind schien keinen weiteren Stoff zu dem Gespräch beitragen zu wollen. Stattdessen schaute er ihn noch kurz groß an ging er zu seiner Stelle am Boden zwischen den anderen Jungen und Mädchen zurück und beobachtete ihn weiter. Über die nächsten Tage bildete sich ein Muster heraus in dem der Novize immer irgendwo in seiner Nähe herumschlich und ihn genau beobachtete, beinahe als wäre Cifer ein interessantes Exemplar einer fremden Art, dass er studieren musste. Er hoffte nur, dass sie Kesara erreichten, bevor er das nächste Opfer einer nächtlichen Attacke wurde. Auch wenn er in den Augen des Jungen etwas anderes sehen konnte, als die Angst in denen der anderen Novizen. Er behielt ihn nicht aus Furcht im Auge sondern aus uneingeschränkter Neugier.

    Wachsam hing der junge Assassine in der Felswand knapp unter der Mauer der Enklave, und überblickte den engen Pfad, der sich den steilen Hang hinauf zum Tor wund. Üblicherweise konnte er von diesem Wachposten aus mindestens zwei Kollegen links und rechts von sich erkennen, doch in den letzten Tagen hatte sich die Zahl der Wachen vermindert. Der junge Mann war nicht dumm, er wusste das dies bedeutete, dass im Moment besonders wenig Assassinen in der Enklave waren. Als ob ihm das nicht auch so aufgefallen wäre, auf dem Trainingsplatz und beim Essen. Seit Tagen hielt er nach seinen Brüdern und Schwestern Ausschau, auch wenn ihm eine der älteren Assassinen gesagt hatte, dass diese Aufträge ihre Zeit dauerten. Als ob er das nicht wüsste. Als ob er noch nie dort draußen gewesen wäre. Doch auch jetzt war der Weg leer, das einzige Zeichen von Leben stellte der große Vogel dar, der in den letzten Nächten um das Gebäude der Enklave gekreist war. Der Assassine vermutete, dass es ein Adler war, allerdings kannte er sich auch nicht mit Vögeln aus, sonst hätte er wohl auch die kleineren anatomischen Ungereimtheiten bemerkt. Aus der Nähe betrachtet sah das Tier aus, als hätte man einem Bildhauer befohlen einen Adler zu formen, nur dass der Mann keine Vorlage benutzt und die Stellen bei denen er sich nicht sicher war nach Eigeninterpretation erschaffen hatte. Der Junge folgte mit seinem Blick noch eine Weile dem Vogel, bevor er ihn wieder in Richtung Boden wandte. Der Wind schlug ihm kalt ins Gesicht, der erste Schnee war bereits gefallen und in den weißen Flocken fiel es ihm allmählich schwer, etwas zu erkennen. Dennoch war da plötzlich eine Bewegung, die er aus dem Augenwinkel aufnahm. Er wandte den Kopf leicht und erkannte eine dunkle Gestalt, ein Stück weiter neben sich im Fels. Die Figur hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt und einen Moment lang dachte er, es sei einer seiner Brüder oder Schwestern aus der Enklave bis ihm die Richtung auffiel, in die er kletterte. Von unten nach oben, nicht anders herum, wie es jemand, der von der Mauer zum Wachdienst herunter kam tun würde. Mit einer Hand am Fels zog er mit der anderen seine Wurfmesser, der Eindringling würde nicht weit kommen. Doch als er zum Wurf ausholte, schlug ihm plötzlich eine Wand aus Federn ins Gesicht, Krallen schlugen sich in den Arm, mit dem er sich festhielt. Der Angriff kam so überraschend, dass er nicht einmal Alarm schlug und dann fiel er auch schon. Das letzte was der junge Mann erkannte war, wie die dunkle Gestalt sich über die Mauer schwang, die Weiteren, die weiter unten auf einem Felssims warteten, nahm er nicht einmal wahr, als er lautlos in der Tiefe verschwand.

    „Wenn sie zu viele sind,“ überlegte Cifer laut, nachdem eine kurze Denkpause das Gespräch unterbrochen hatte, „müssen wir eigentlich nur dafür sorgen das, sie unterbesetzt sind.“ Es war ein uralter Trick, den er vor langer Zeit gelernt hatte, in den Straßen und Gassen namenloser Städte, von Dieben und Räubern, die keine Lust hatten, sich mit der gesamten Leibgarde eines reichen Lordes auf einmal herumzuschlagen. Die Ratschläge damals waren mehr in Richtung „Lad sie zum Kartenspiel ein, während dein Kumpan den Rest erledigt“ oder wenn man eine Frau war auch „kauf ihnen ein Bier und sorg dafür, dass der Abend sie vom Haus wegführt“ hinausgelaufen, aber sie hatten sich in der Vergangenheit auch gut in anderen Bereichen anwenden lassen. Der Befehlshaber musterte ihn, mit einem etwas abschätzenden Blick. Cifer hatte viel Zeit auf der Reise mit seinem Sohn verbracht, aber trotzdem war es klar, dass er ihm kaum mehr Vertrauen als Neneve gegenüberbrachte. „Mein Sohn hat soeben erklärt, dass jeder, der sich diesem Ort auch nur nähert verloren ist und nun sollen wir was? Eine kleine Gruppe hochschicken und hoffen, dass sie einen günstigen Moment abwarten, um sie zu dezimieren?“ Cifer musterte den Mann nun ebenfalls, und rief sich ins Gedächtnis, dass er es mit jemandem zu tun hatte, der mehr auf dem Schlachtfeld zu tun hatte, als mit zwielichtigen Nacht und Nebel Aktionen. Er räusperte sich und versuchte seine Idee in Worte zu fassen, die nichts mit früheren Erfahrungen zu tun hatten, oder ihn direkt auf die Straße vor dem Haus befördern würden. „Nein, ich wollte damit sagen, wenn sie in ihrer Stellung unantastbar sind, sollten wir den Kampf zu uns tragen.“ San sah aus, als ob er wieder etwas über die Übermacht der Assassinen einwerfen wollte, doch Cifer ließ ihn nicht zu Wort kommen.“ Die Enklave nimmt immer noch Aufträge an, oder? Während so eines Auftrages ist man sicher auf der Hut, aber man erwartete keinen offenen Kampf, oder dass einem im Zimmer des Opfers eine Gruppe gut trainierter Soldaten erwartet.“ „Ein Hinterhalt also.“ Murmelte der Mann, der nun verstanden hatte und nickte.

    „Wir müssen die Assassinen loswerden“ beantwortete San die Frage seines Vaters. “Sie sind die Wurzel dieses Übels.“ Der Junge strahlte Entschlossenheit aus. „Gut und anschließend muss nur noch jemand die Unruhen zwischen Menschen und Elfen aus der Welt schaffen, eine neue Elfenkönigen ernennen und Hunderten von Flüchtlingen ihr Land zurückgeben.“ Melde sich Cifer zum ersten Mal zu Wort. Es war ein netter Gedanke, dass mit der Zerschlagung des Ordens alle Sorgen der Welt ein Ende finden würden, aber ihnen allen war bewusst, dass es letztendlich doch nur ein netter Gedanke war. Zu seiner Überraschung nickte der General zustimmend „Die Flammen des Krieges zu entfachen ist leicht, wenn das richtige Grundmaterial da ist, sie zu ersticken ist eine andere Sache.Aber das sollte die Aufgabe von Leuten sein, die sich mit den Gepflogenheiten des Feindes auskennen.“ „Wenn wir doch nur jemanden kennen würden, der sich halbwegs mit den Gepflogenheiten der Elfen auskennt.“ murmelte Cifer so leise, dass es nur Neneve ein kurzes Lächeln entlockte. Jered fuhr derweil fort.“ Ich stimme meinem Sohn zu, unser Hauptaugenmerk sollte auf der Bekämpfung dieser Assassinen liegen. Was wissen wir über ihre Unterkünfte? Sammeln sie sich an einem Ort?“

    Sie wussten, dass sie sich auf der richtigen Straße befanden, als sie auf immer mehr Wanderer stießen, die das selbe Ziel suchten. Größtenteils waren es Bauern, die wohl ihr letztes Hab und Gut zusammengepackt und das, vom Krieg gebeutelte Grenzgebiet verlassen hatten, aber Cifer entdeckte auch Söldner, die wohl aus der Schlacht kamen, pilgernde Mönche, Händler und das eine oder andere besorge Gesicht, das versuchte seine langen Ohren unter einer Kapuze zu verbergen. Die meiste Zeit hielten sie sich von den anderen Reisenden fern, zu sehr besorgten sie die dunklen Kapuzen einiger und die misstrauischen Blicke die andere Nyneve zuwarfen. Am Abend fand sich die kleine Gruppe doch irgendwie mit einem Bauern und seiner Familie an einem Lagerfeuer wieder, wo er ihnen von Kesara erzählte und dem Leben welches er sich dort erhoffte. Kesara, die letzte Festung. Ihren Namen erhielt sie von den beiden Flüssen Kesh und Saira. Während so einige andere Städte im Grenzgebiet bereits an die elfischen Angreifer gefallen waren, hielt sie tapfer stand. Eine Standfestigkeit die sie wohl ihrem Herrscher sowie seinen kompetenten Generälen und festen Mauern zu verdanken hatte. In der Theorie hätte sie nie so lange bestehen können. Kesara war ein Monstrum von einer Stadt. In den letzten Jahrhunderten war sie mehrmals über ihre Stadtmauern hinausgewachsen, wodurch es mehrere durch Mauern getrennte Bezirke gab. Für die Gegenden für Höhergestellte, Händler, Adelige und Generäle benötigte man Passierscheine, während im Palast und Tempelbezirk nur Hofgefolge und Kleriker zugelassen waren. „Aber ich hoffe sowieso auf ein Stück Land näher an einem der beiden Flüsse.“ Meinte der Mann grimmig. „Sollen sich die Reichen nur auf ihren Hügeln verschanzen.“ Caspar und Gyahara warfen sich besorgte Blicke zu, während Cifer das Gespräch mit dem Bauern am Leben erhielt, in der Hoffnung noch ein paar Informationen über Kesara zu erlangen. Sie hatten unterwegs ein paar Mal darüber gesprochen, wie viel einfacher es wäre, wenn Al-Dara der Name einer Adelsfamilie war, denn wie viele davon konnten schon in Kesara leben? Mehr als genug, wie sich herausstellte. Ihr letzter Funke Hoffnung verblasste schließlich, als sie die Stadt am nächsten Tag zu ersten Mal erblickten. Sie hatten eine mit Wachtürmen gespickte Hügelkuppe überwunden, eine Art natürlicher Schutzwall gegen Angreifer, und blickten nun auf ein Meer aus Häusern und Wällen hinab. Es wirkte, als hätte ein Riese mehre Städte gepackt und zusammengeschoben, damit sie nicht mehr so im Weg herumlagen. Und sie konnten nicht einmal das gesamte Gebiet überblicken. Cifer pfiff anerkennend. Der Henker ließ seinen Blick über die Stadt schweifen „Sieht aus als hätten wir ein ganzes Stück Arbeit vor uns.“ Er hatte erwartet, dass sich Sans Blick verfinstern würde, im Angesichts der großen Fläche, doch der Junge wirkte entschlossener denn je. „Dann fangen wir besser schnell an.“

    An dem Tor, dass sie erreichten herrschte ein Gedränge aus Reisenden und Flüchtlingen. An einer Ecke stritten Soldaten mit einem Händler über seine Verkaufslizenz und beschlagnahmten seine Waren, an einer anderen wurde ein streitendes Knäuel aus Menschen und Elfen aufgelöst, selbst die Leute die einfach nur darauf warteten, zum Tor vorgelassen zu werden, schafften es unglaublich laut dabei zu sein. Die Gruppe stellte sich ebenfalls in der Schlange an, glücklicherweise löste Caspars Statur bei einigen Wartenden den Reflex aus beiseite zu treten, wodurch sich die Wartezeit auf einen halben Tag in der Menge begrenzte. Nach der Stille der letzten Monate war das genug, um bei Cifer starke Migräne auszulösen. Als sie im Licht der untergehenden Sonne schließlich vor die Kontrolleure am Tor traten überlegte Cifer kurz seine guten Vorsätze in den Wind zu schlagen und die nächstbeste Taverne in der Stadt aufzusuchen. Allerdings nur kurz. „Name?“ der von Soldaten umgeben Schreiber musterte Neneve gelangweilt, anscheinend schien die bewaffnete Elfe keine Gefahr für ihn darzustellen. „Neneve Thalion“ Der Schreiber schaute kurz auf und schüttelte den Kopf. Einer der Soldaten grinste. „Beruf? Nein lass mich raten…. Königsbotin.“ Er schaute sie wütend an, als sie nickte, während sein Bewacher vollkommen die Fassung verlor und zu lachen begann. „Jetzt schuldest du mir schon zwanzig Taler, Elem.“ Ein anderer Soldat, vermutlich Elem seufzte frustriert. Der Schreiber rieb sich die Schläfen und sah Neneve dann direkt in die Augen. „Hör mal Kleine, es ist mir vollkommen egal, wer du bist, oder woher du kommst, alles was ich vermerke sind Name, Beruf und Rasse, das ist meine Aufgabe und darauf basierend erhaltet ihr eure Passierscheine und ob du nun die verdammte Elfenkönigin ermordet hast oder nicht ändert nichts, rein garnichts an der Tatsache, dass du nur in das gottverschissene Elfenviertel darfst und wenn ich hier noch eine blöde Neneve Thalion durchwinken muss die denkt, mit dem Namen recht auf das Betreten des Adelsviertels zu haben dann werf ich mich in den Kesh!!!“ Einige Zuschauer reckten die Hälse, als der Schreiber zum Schreier wurde und anschließend an seinem Tisch zusammensackte und die Gruppe die Gelegenheit nutzte, dass Tor zu passieren. Mit einem Blick über die Schulter sah Cifer noch, wie einer der Soldaten an den erschöpften Mann trat und ihm sanft die Schulter tätschelte.

    Sie brachen sofort auf und schon nach einigen Stunden war die Stadt hinter Büschen und Sträuchern verschwunden, nachdem die Gruppe entschieden hatte, im Wald unterzutauchen und Siedlungen fürs erste zu meiden. Bei einem Königreich, dessen Einwohner größtenteils aus Waldläufern bestand, die sich nur selten in größeren Befestigungen zusammen niederließen fiel ihnen dies glücklicherweise nicht besonders schwer. Die Frage nach dem Ziel war eine schwierigere. Cifer schlug vor, sich eine Weile in der Hütte des Heilers zu verstecken wo sie zumindest einigermaßen durch die Abgelegenheit der Hütte und das Wolfsrudel geschützt wären, doch die Idee wurde schnell abgelehnt. Keiner war sich so sicher ob der Elf unter den Ordensmitgliedern gewesen waren als diese getötet worden waren, doch zumindest waren sie sich sicher, dass die Assassinen seine Unterkunft gekannt hatten. San warf etwas bitter ein, dass der Mann vielleicht sogar mit ihnen unter einer Decke gesteckt hatte, immerhin war er so etwas wie der Vermittler zwischen den Parteien gewesen. Eine Aussage durch die er eine Diskussion mit Cifer vom Zaun brach, welcher sich fast verpflichtet fühlte den Alten zu verteidigen. Schließlich gestand er sich ein, dass es doch im Bereich des möglichen lag, immerhin konnte der Elf unmöglich sein hohes Alter erreicht haben, ohne sich ab und zu die Hände dafür schmutzig zu machen. „Trotzdem.“ Wandte er am Ende doch noch ein.“ Ich glaube nicht das er sich die Mühe machen würde mich zu behandeln, nur um mich dann in den Tod zu schicken. Außerdem war ein den letzten Monaten sehr interessiert an meinen Fähigkeiten und…“ „Genug“ unterbrach ihn Neneve harsch. San wirkte als ob auch er noch ein Argument hervorbringen wollte, doch ein Blick der Elfe brachte auch ihn zum Schweigen. Es war erst ihre zweite Nacht aber sie hatten sich bereits sicher genug gefühlt um ein kleines Feuer zu entfachen um das sie jetzt herumsaßen. „Ich schätze es wäre überhaupt das Beste das Elfenreich zu verlassen.“ Meinte Casper der nachdenklich in die Flammen starrte. „Fragt sich nur ob wir woanders sicherer wären.“ Er schaute San an. “Ich meine die Assassinen haben ihre Leute doch überall wo Menschen oder Elfen sind, oder?“ „Dann ist es ja klar was wir machen.“ meinte Cifer mit Elan „Wer dafür ist, dass wir uns eine gemütliche Höhle suchen und Einsiedler werden hebt die Hand.“ San räusperte sich. „Ja ich verstehe schon, du magst keine Einsiedler.“ Doch San schüttelte nur den Kopf und ging nicht auf Cifers Bemerkung ein. „Ich wüsste da etwas. Oder besser gesagt jemanden.“ Er holte ein zerknittertes Blatt hervor. „Das ist aus den Dokumenten der Assassinen… Ich konnte meinen eigenen Namen entziffern, deshalb dachte ich....“ Er musste nicht weiter erklären. Casper und Cifer gratulierte ihm zu seinem Fund und Ghyahara klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und sogar Neneve, deren Laune sich seit den Ereignissen im Thronsaal nur verschlechtert hatte ließ sich zu so etwas wie einem Lächeln hinreißen. Es fühlte sich fast wie ein Sieg an, den die Gruppe nach langer Zeit einmal gebraucht hatte. Die Unterlagen schienen tatsächlich die Namen von Sans Eltern, sowie seine Herkunft zu enthalten.
    Nun da sie ein tatsächliches Ziel hatten, schienen die Tage viel schneller zu vergehen und die Strecke viel länger zu sein doch sie wollten nicht das Risiko eingehen, irgendwo halt zu machen und sich Reittiere zu besorgen und auch Elfen oder Menschen auf der Straße mieden sie. Cifer fühlte, dass auch sein Körper sich zu erholen begann. Gegenüber Casper meinte er einmal, dass er sich jetzt immerhin nur noch ein halbes Jahrhundert alt fühle. Auch sein Geist fühlte sich klarer an, obwohl das auch daran liegen konnte, dass er mit dem Trinken aufgehört hatte. Er schien plötzlich mehr um sich herum zu bemerken, die Art wie San das Papier immer in Reichweite bei sich behielt und es nicht aus der Hand geben wollte, als hinge sein Leben daran, Gyahara und Casper die miteinander spaßten und die Welt um sich herum zu vergessen schienen und Neneve die gedankenverloren mit ihren Armreifen spielte und dabei doch so nachdenklich wirkte, während sie sie abseits der Straßen und Wege durch ihr Heimatland führte.

    Sie marschierten eine ganze Weile stumm durch den Wald, der Assassine vor Cifer. Der kleinere Mann warf immer wieder nervöse Blicke um sich. Er hatte sich an Fell und Zähne inzwischen fast wieder so sehr gewöhnt wie an Schnabel und Federn und ohne irgendeines dieser Dinge fühlte er sich in Anwesenheit dieser schwarzen Gestalt fast nackt. Seine Fähigkeiten würden ihm im Kampf wahrscheinlich auch nichts bringen. Der Mann wusste von dem Schatten, das hieß er wusste von Dunedin und wenn er von Dunedin wusste, dann ganz sicher auch von dem Gestaltwandler, der damals in der Stadt infiziert worden war. All diese Gedanken brachten Cifer wiederrum in ein vollkommen anderes, wenn auch nicht neues Gebiet von Fragen, die er dem Mann stellen wollte aber sich die letzten zwanzig Minuten verbissen hatte. Er hatte gerade genug Mut zusammengekratzt um ihn nach den Geschehnissen in der Stadt zu fragen, als der Mann stoppte. Sie waren bei einer kleinen Höhle angelangt, eher eine Mulde unter einem Hügel, kaum groß genug für zwei Personen. Cifer war sich fast sicher, dass es immerhin genug war um einen Körper verschwinden zu lassen und macht sich schon für alles bereit, als der Assassine sich niederkniete und einen erdfarbenen Beutel aus dem Loch zog. „Glaub mir, wenn wir euch töten wollten, gibt es einfachere Wege, als euch zu trennen.“ Er sagte es ohne jeden Humor in der Stimme und Cifer konnte sich gerade genug zusammenreißen um nicht zu sagen, dass genug Assassinen es in den vergangen Monaten versucht hatten. „Setz dich hin.“ Forderte der Heiler ihn nur auf, während er etwas in ein Tuch gewickeltes aus dem Beutel zog. Selbst durch das Laken konnte Cifer einen schwachen violetten Schein erkennen. Der Assassine zog das Tuch weg, vorsichtig um das Objekt darunter nicht zu berühren. Cifer zuckte unwillkürlich zusammen, als er den dunklen Stein darunter erkannte. Damit hatte alles angefangen, der Schatten, das Mal… Er erinnerte sich an die großen dunklen Kristalle die er in den Minen unter Dunedin gesehen hatte, die willenlosen von schwarzen Ranken überwucherten Sklaven, die nicht anders konnten als immer mehr davon freizulegen, Geralt und das Schwert, das Thoran ihm hatte durch die Brust stoßen müssen um seinen ehemaligen Lehrmeister aufzuhalten…. „… aber da der Dämon geschwächt ist wird er eher zu seinesgleichen in den Stein zurückgezogen werden, das heißt, wenn du nicht Pech hast und sie die Chance nutzen um auszubrechen.“ Die fast monotone Stimme des Heilers zog ihn in die Gegenwart zurück und Cifer war wieder auf den Beinen bevor er sich versah. „Ich fasse auf keinen Fall diesen Stein an!“ Er wich ein Stück von dem Mann mit dem Stein zurück, dieser nickte nur und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. „Ich sagte nein, ich will nie wieder in meinem Leben so ein Ding-…!„ Bevor er den Satz beenden konnte, packte ihn jemand unsanft von hinten, wahrscheinlich ein weiterer Assassine und presste seine vernarbte Hand für ihn auf den Stein. Der Gestaltwandler fühlte eine seltsame Art Ruck die durch seinen Körper ging, so als ob etwas das sich darin festgekrallt hatte endlich gezwungen war, loszulassen, dann wurde ihm schwindlig. Sein Angreifer war freundlich genug, ihn zu stützen, bis er wieder von selbst stehen konnte, während der Heiler den Stein wieder gut einpackte. „Nun, Wie fühlst du dich?“ fragte er schließlich, als er ihn sicher verstaut und seinem Kollegen den Beutel überreicht hatte. Cifer blinzelte. Um ehrlich zu sein fühlte er sich nicht wirklich anderes. Nach der Behandlung des Elfen hatte er sich immerhin ein ganzes Stück besser gefühlt, aber jetzt? Zugegeben, seine Gedanken kreisten noch immer um den Kristall. Die Tatsache das dieses Objekt wieder so sehr in seine Nähe gekommen war, die Tatsache das es so nahe zu seinen Freunden gekommen war. Vielleicht auch die Tatsache, dass die Assassinen allem Schein nach weiter damit herum experimentiert hatte, obwohl sie von der Gefahr wissen mussten, die davon ausging. Der Heiler nickte nur und Cifer erwartete fast, dass ein weiterer seiner Leute gleich aus dem Geäst springen würde, stattdessen lenkte er nur seinen Blick auf den Boden. „Nun, immerhin hat es funktioniert. Keine Sorge, es wird ein paar Tage brauchen, aber die Natur klinkt sich für gewöhnlich wieder ein.“ Cifer folgte dem Blick des Assassinen an die Stelle, wo eigentlich sein Schatten auf den Waldboden hätte fallen sollen, doch er fand nur den Schatten des anderen Mannes. Als er wieder aufblickte war der andere Assassine mit dem Beutel verschwunden. „Ich schätze mal ihr habt mehrere von denen, ja?“ fragte er in etwas das fast einem Anflug von Ärger gleichen konnte, aber der Assassine wandte sich nur wortlos um und bedeutete ihm, ihm zurück zur Hütte zu folgen und auch für alle anderen Fragen, die Cifer ihm auf dem Rückweg stellte, hatte er nur ein taubes Ohr.

    Das folgende Essen war wohl das ruhigste, das Cifer in den letzten Wochen erlebt hatte. Jedes Mitglied der kleinen Gruppe schien wohl in eigene Fragen vertieft zu sein, hauptsächlich solche, die der Heiler nicht beantworten würde. Auch dem Gestaltwandler selbst waren noch einige Fragen für den Elf aufgekommen, allerdings keine die er vor den Anderen stellen wollte. Nachdem sie fertig waren, blieb er noch etwas in der Küche zurück und half beim Aufräumen, ein inzwischen gewohnter Rhythmus. Dem Heiler schien dennoch aufzufallen, dass ihm Fragen auf der Zunge brannten. “Du weißt, dass du hier alle Antworten erhälts die du brauchst.Du musst nur zuerst fragen.“ Er blickte nicht einmal von den Essensresten auf, die er gerade in einen Eimer kratzte. Für Grimrir und sein Rudel, wie Cifer wusste. „Das war eine… recht imposante Rede vorhin… Und recht überzeugende Argumente.“ Der Heiler seufzte und stellte den Kessel zur Seite, bevor er dem Blick des Mannes begegnete. “Ich meine fast schon spezifisch auf uns zugeschnitten. Was für ein Zufall.“ „Du weißt noch das Sarkasmus sich nicht gut für solche Gespräche eignet, oder?“ Der Elf hatte bereits wieder sein Unschuldslächeln aufgesetzt. Wenn man ihn so ansah fiel es wirklich schwer sein wahres Alter zu erkennen, aber vielleicht war das ja der Plan. “Als wir hier ankamen, war das wirklich so eine große Überraschung für dich?“ Cifer deutete auf den Eimer mit den Essensresten.“ Ich meine du hast hier fast so etwas wie eine eigene Wache, es kann dich nicht überrascht haben, als wir vor deiner Tür standen.“ „Du willst wissen ob ihr irgendeine Wahl in all dem hier hattet.“ Der Gesichtsausdruck des Elfes war fast beleidigend neutral, als er sich den inzwischen gereinigten Tellern zu wandte und begann sie in sein Regal einzuordnen. „Gut, ich wusste schon eine Weile länger, dass ihr unterwegs wart. Ich habe ein paar kleine Vögelchen ausgesandt und mich ein wenig schlau gemacht. Dass ich mich ans Ende der Welt zurück gezogen habe heißt nicht, dass ich nicht informiert bleiben möchte. Technisch gesehen hättet ihr immer allerdings immer noch eure Route ändern können.“ Cifer dachte an den Zustand zurück in dem San und Caspar und auch er selbst gewesen waren und bezweifelte diese Aussage. Der Heiler schien den Gedankengang zu erraten und klopfte Cifer fast kollegial auf die Schulter. “Ich fand es allerdings wirklich erfrischend, mal wieder ein paar Zweibeiner um mich zu haben, wenn das ein Trost ist.“ Er wandte sich wieder dem Regal zu und pflückte einen kleinen Zettel aus einem der Kochbücher die dort gestapelt waren. „Bevor ich es vergesse, hier ist die Mischung für deinen Tee.“ Ein Schauer lief über seinen Rücken, bei dem Gedanken an das Getränk, dass er in den letzten Wochen neben allen möglichen Heiltränken eingenommen hatte. Angeblich sollte er die Giftstoffe in seinem Körper an sich binden und ihn munter halten. Dafür schmeckte er allerdings wie eine Mischung aus Bullenpisse und moosbewachsener Rinde. Ein kurzer Blick auf den Zettel verriet Cifer, dass er immerhin mit einer Zutat richtig lag. „Wie lange muss ich das Gesöff noch trinken?“ „Du musst gar nichts. Du musst den Tee nicht trinken, oder dich bemühen gesund zu bleiben und du musst auch nicht der Enklave helfen. Wie gesagt, es gibt verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten für alles. Und verschiedene Konsequenzen.“ Cifer seufzte und verstaute den Zettel in seinem kaum beschriebenen Notizbuch, bevor er die Küche verließ. Er hatte genug Zeit mit dem Heiler verbracht um zu wissen, dass dieser sich gerne mystisch ausdrückte, selbst wenn nichts wirklich mystisches in seinen Aussagen lag. Auf die Dauer konnte es fast ermüdend sein. Er schnappte sich den Eimer mit den Essensresten und beschloss, dass die Wölfe fürs erste wohl bessere Gesellschaft darstellen würden, sollten sie denn auftauchen.

    Vor dem Haus entdeckte er allerdings die vertraute Gestalt des jungen Assassinen und gesellte sich zu ihm. Der wortkarge Junge war eine ebenfalls angenehme Abwechslung. „Schon bereit, deiner Enklave unter die Augen zu treten?“ Der reflexartige Griff zu seiner Waffe verriet ihm, dass der Junge ihn wohl nicht bemerkt hatte. Vielleicht färbte das Leben in der Einsamkeit aber auch langsam auf ihn ab und der Satz war einfach keine gute Art gewesen, ein Gespräch zu beginnen. Er stellte den Eimer ab, keine Wölfe weit und breit. „Was habt ihr eigentlich mit den Dämonen angestellt? Die hätten euch ja am liebsten gar nicht mehr hergegeben.“ San zuckte nur mit den Schultern. „Verglichen mit unserer Ankunft waren sie schon herzlich.“ Murmelte er nur. Cifer dachte an das was der Heiler über die Familien der Assassinen und besonders die von San gesagt hatte. Im Vergleich zu ihm wusste der Älter wenigstens ungefähr woher er kam, wenn auch nicht genau von wem. Er hatte eine andere Idee. „Willst du mal was Interessantes sehen?“ Der Junge wandte ihm den Kopf zu. Cifer stieß den Eimer um und verteilte den Inhalt vor ihnen auf dem Waldboden, dann räusperte er sich, formte die Hände vor seinem Mund zu einem Trichter und stieß ein überraschend lautes, wenn auch in den Ohren der Wölfe recht schiefes Heulen aus. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis irgendwo ein Ruf antwortete, viel kräftiger als es mit einer menschlichen Kehle möglich war und sie auftauchten, der Rudelführer allen voran. Die älteren Tiere machten sich bereits über die Reste her, während ein paar jüngere wagemutig an die beiden Menschen herantraten und versuchten, sie mit dem üblichen Lecken der Schnauze zu begrüßen. „Weißt du, jedes Rudel hat sein ganz eigenes Geheul an dem sie sich erkennen. Sie können über Meilen in einem Wald verstreut sein, aber wenn auch nur ein anderes Mitglied ihren Ruf erwidert, wissen sie, dass sie nicht allein sind.“ Meinte Cifer während einige der Kleinen aufgeregt an San hochzuspringen versuchten. Vielleicht färbten die Ausdrucksweisen des Heilers ja auch langsam auf ihn ab.

    Der Wald lag ruhig da, kein Vogel rührte sich, kein Wind pfiff zwischen den Bäumen. Einzig ein Wolf trabte durchs Unterholz, wenn auch etwas unbeholfen. Fast als wäre er diesen Körper nicht gewohnt. Das war so nicht ganz falsch. Der Heiler hatte Cifer vor einer Weile Vorgeschlagen eine Übung zu versuchen und möglichst verschiedene Formen zu versuchen. Das hieß, nachdem er halbwegs sicher genug gewesen war, das Bett verlassen zu können. An die Zeit davor wollte er sich nicht erinnern, nicht dass er sich nicht erinnern konnte, an die Versuche das Mal aus seiner Haut zu schneiden und die Heiltränke, die ihm die Speiseröhre verbrüht hatten. Der Wolf blieb kurz stehen und schauderte, dann ging seine Nase wieder zu Boden. Die Spur war alt und vom Regenschauern und Stürmen fast verwaschen, wären es nicht so viele, teilweise verletzte, Personen gewesen die damals hier durchgekommen waren, wer weiß ob er sie überhaupt wiedergefunden hätte.

    Eine gute Übung, pah. Aber der Heiler selbst hatte nur gesagt, dass er sich von den Dämonen nun einmal größtenteils fernhielt. Seine Tonlage hatte angedeutet, dass es nicht einmal wirklich an ihm lag. Wirklich böse sein konnte Cifer dem Mann allerdings auch nicht. Zumindest deswegen nicht. Er hatte ihn immerhin die letzten Monate bei sich aufgenommen, sich um ihn gekümmert und hinter ihm her geputzt, wenn man es so nennen wollte. Er hatte ihm sogar geholfen, sich zu rasieren, als seine Hände zu zittrig dazu gewesen waren. Und alles in allem hatte er wahrscheinlich auch mit dieser Übung sowie mit seinen anderen Ratschlägen recht. Vielleicht würde es für die Zukunft wirklich helfen. So wie er es ihm erklärt hatte, war er theoretisch geheilt, nur das die Krankheit eben jederzeit zurückkehren könnte, im schlimmsten Fall schon dabei war. Gesunde Ernährung, geregelte Schlafenszeiten, weniger Alkohol und mehr positive Gedanken und vielleicht gab es sogar jemanden, der ihn wirklich von dem Fluch befreien konnte. Immerhin bessere Perspektiven als noch vor einem halben Jahr. Dazu kamen die Nachrichten von außerhalb, gewöhnlich von Tieren, die den Heiler regelmäßig informierten, was im restlichen Reich so ablief. Anscheinend hatten sich die Elfen und Menschen bereits auf eine mehr oder weniger stabile Waffenruhe geeinigt. Auf dem Papier nicht mehr oder weniger als vorher schon dagewesen wäre, hatte der Elf gemeint. Und dann war er plötzlich zu ihm gekommen und hatte gesagt, es sei wichtig die Gruppe wieder zurück zu bringen.

    Sein eigenes Magenknurren riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Hase hatte vor kurzem die Spur überquert, vielleicht vor einer halben Stunde. Für eine Sekunde überlegte er, ihm zu folgen, doch dann kehrte die Erinnerung daran zurück, wie schwer es überhaupt gewesen war, dem Geruch so weit zu folgen. Die Verwandlung hatte viel Energie gebraucht, aber er würde später etwas essen. Am besten etwas, das auch ein menschlicher Magen verdauen konnte.

    Die Spur endete schließlich vor einer Felswand. Für einen Moment glaubte er, sie verloren zu haben, bis er eine Spalte erspähte, gerade breit genug, um als Durchgang zu fungieren. Cifer richtete sich langsam auf, während seine Pfoten zu Händen und Füßen wurden und sein Körper wieder menschliche Proportionen annahm. Er überprüfte kurz, ob auch von seiner Kleidung alles am Richtigen Platz saß. Einen Moment lang stand er einfach nur da und starrte auf den Eingang. Die anderen waren dort drin, eindeutig, aber was würden sie sagen? Wahrscheinlich freuen sie sich, dass es dir besser geht. Meinte ein positiverer Teil seines Kopfes. Solche Gedanken waren noch immer selten, deshalb versuchte nicht mit ihm zu argumentieren und trat ein.

    Kühle Nachtluft umstrich Cifer. Er hockte auf einer Lichtung unter dem Sternenüberzogenem Himmel. Alles war ruhig, fast beunruhigend. Er wusste nicht mehr viel aus der Zeit die in seiner Kindheit in umliegenden Wäldern verbracht hatte, aber eines hatte er sich gut gemerkt. Beutetiere konnten erstaunlich ruhig werden, wenn Jäger umherstreiften. Aber diese komplette Absenz jeglicher Geräusche wirkte beinahe unnatürlich. Sein Schatten hockte ihm gegenüber im Schneidersitz, nur schien er einen eigenen Körper zu besitzen, anstatt einfach nur eine Fläche auf einer Wand zu sein. Er hob grüßend die Hand und Cifer spiegelte ihn, unfreiwillig. „Was für eine Tragödie. Du schaffst es fast bis zu Ziel, nur um dann in deinem eigenen Kopf stecken zu bleiben.“ Die dunkle Gestalt schüttelte in gespielter Trauer den Kopf. „Aber keine Sorge, jemand muss ja das Steuer übernehmen, du kannst nicht für immer schlafen.“ Der Gestaltwandler verspürte das Bedürfnis aufzustehen, aber etwas hielt ihn am Boden. Die Augen des Schattens blitzen hinterhältig. „Keine Sorge, ich kümmere mich gut um deine Freunde. Einen nach dem Anderen. Aber zuerst…“ Das Wesen erhob sich und kam langsam näher. Es bewegte sich nicht wie ein echter Mensch, nicht wirklich. Vielmehr schien es zu gleiten, seine Glieder zuckten rhythmisch zu seinem Gang, sein Kopf hing leicht schief. Cifer konnte sich noch immer nicht bewegen, Panik kroch in ihm hoch, als das Wesen nur noch wenige Zentimeter entfernt war und Reihen scharfer Zähne entblößte. Plötzlich hielt es inne. Etwas blendend helles brach zwischen den Bäumen hindurch, das Wesen fauchte. Cifer schirmte seine Augen mit den Händen ab.

    Er erwachte in einem überraschend trockenem Bett, im Haus des Heilers. Als er sich schweißgebadet aufrichtete, bemerkte er, dass der Elf neben ihm saß und ihn kurz misstrauisch musterte, bevor er eine Art Lupe hervorholte und seine Augen zu untersuchen begann. Dabei plapperte er ununterbrochen, für Cifer, der sich erst noch fassen musste und nur halb hinhörte ergab das meiste keinen Sinn.“… wie konnte ich nur so dumm sein… zu viel Juxmohn im Tee…. Ich meine ich war ziemlich lange allein hier, da kann man das wohl verzeihen…. Nein stimmt kann man nicht, ich bin ein Idiot.“ Als er fertig war reichte er Cifer eine Tasse mit einer undefinierbaren braunen Flüssigkeit. Nachdem er daraus getrunken hatte, fühlte er sich immerhin schon klarer. Der Elf wirkte ein wenig wie ein Junge den die Eltern beim Stehlen von Süßigkeiten erwischt hatte. Also gute Eltern, nicht wie Cifers Stiefvater, bei dem er sich wahrscheinlich ein oder zwei bis vier saftige Ohrfeige eingefangen hätte. „Geht es wieder einigermaßen? Ich habe mich schon beim Rest der Gruppe entschuldigt… weißt du ich dachte nur, was wäre schon so schlimm daran, wenn ihr ein bisschen länger bleibt.“ Er ließ den Kopf hängen.“ Vielleicht hätte ich mich mehr auf die Behandlung konzentrieren sollen, es tut mir Leid. Ich meine nur die Verletzungen deiner Freunde würden so oder so eine Weile brauchen bis sie vollständig geheilt sind und ich ahnte nicht, dass ihr es so eilig habt…“ Cifer merkte, dass er noch immer recht wenig von dem verstand, was gesagt wurde, obwohl er jetzt genauer zuhörte. “Der Schatten…?“ fragte er nur etwas fahrig. Der Heiler schien froh über den Themenwechsel. „Was immer da war, ist erstmal verschwunden, aber das bleibt sicher nicht so. Ich empfehle dir, erstmal eine Weile hier zu bleiben und deine Freunde alleine weiterziehen zu lassen. Und das sage ich sicher nicht, weil ich einsam bin.“ Cifer überhörte den letzten Satz. „Aber was ist mit San und Caspar? Ihre Wunden…“ „Wie schon gesagt... ihr seid ein Weilchen länger hier als ihr dachtet… Sie warten unten. Soll ich ihnen bescheid sagen…?“ Der Gestaltwandler schwang sich aus dem Bett, auch wenn sich sein Körper gegen jede Bewegung wehrte. “Nicht nötig. Ich verabschiede mich selber.“

    Tatsächlich befanden sich seine Gefährten im unteren Bereich der Hütte. „Na auch schon wach?“ fragte Nyneve, als er zu ihnen stieß. “Ich kann es nicht erwarten hier endlich weg zu kommen.“ Sie verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen. Caspar schmunzelte leicht. „Gestern hattest du hier doch auch noch Spaß.“ Ein Blick in Gyaharas Gesicht verriet Cifer, dass sie eben so wenig wie er wusste, was los war. Dann bemerkte er, dass er ihr überhaupt ins Gesicht blicken konnte. „Gibt es einen Grund warum du so starrst?“ fragte sie, mit einem leicht bissigen Unterton. “Irgendwas ist anders. Hast du dir die Haare geschnitten?“ „Ich habe meinem Mantel als Pfand für unsere Sicherheit dagelassen, wenn du es genau wissen musst.“ Bei dem Wort da deutete sie in irgendeine Richtung hinter sich, wahrscheinlich zu einem Ort der außerhalb der Hütte lag. Cifer blinzelte kurz. „Dämonen.“ Seufzte sie. „Ein Stamm der hier in der Nähe wohnt und sich bereit erklärt hat, uns aufzunehmen, bis wir wissen wie es weitergeht.“ Der Gestaltwandler nickte und ließ sich neben San auf eines der Sofas fallen. Er wusste nicht wie er die nächsten Worte formulieren sollte. „Na dann viel Spaß, danke fürs herbringen“? Es fühlte sich trotz allem wie ein Verrat an, sie jetzt einfach im Stich zu lassen. Neneve, die einfach nur ihre Heimat schützen und ihrem Reich dienen wollte, San, der durch ihren Feind seine Kindheit eingebüßt hatte und Caspar und Gyahara die unterwegs sicher mehr als einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, für eine Sache die nie wirklich ihr Problem gewesen war. Als ob du jemals eine Hilfe gewesen wärst. Das war nicht der Schatten… „Geht es dir nicht gut?“ riss ihn Sans Stimme aus seinen Gedanken. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Junge deutlich an Farbe gewonnen hatte, ebenso wie der Henker. Cifer ließ den Kopf hängen. “Ehrlich gesagt, nein. Schon eine ganze Weile nicht.“ Wenigstens schleichst du dich diesmal nicht einfach mitten in der Nacht davon. Er hob den Blick „Ich… Ich komme nicht mit. Ich kann einfach nicht mehr… Und ehrlich gesagt… ich wollte nie wirklich so sehr in diese Sache verwickelt werden.“ Er senkte den Blick wieder. „Tut mir Leid.“ „Ach ja, denkst du irgendeinem von uns macht das hier Spaß?“ Es war die Elfe, deren scharfe Stimme die Luft zu zerschneiden schien. “Denkst du ich oder irgendjemand anderes hatte vor so tief verwickelt zu werden?“ Die Dämonin schien etwas sagen zu wollen, aber die Königsbotin fuhr dazwischen. „Neneve …-„ „Wir müssen wirklich langsam los, wo wartet dein Begleiter?“ Und damit verschwand sie auch schon durch die Tür. Gyahara warf ihm noch einen Blick zu der irgendwo zwischen Unbehagen und Mitleid lag und folgte ihr.“Neneve jetzt warte… Neneve!“ Caspar schaute den Beiden nach und kratzte sich am Kinn. “Weißt du, nimm es nicht persönlich, ich glaube sie ist nur immer noch etwas wütend auf den Heiler. Ich meine sie war ziemlich wild, als er ihr das mit der Milch gebeichtet hat, nicht wahr San.“ Der Junge nickte, aber er schien durch Cifer hindurch zu blicken. Er erhob sich und ging, noch immer mit einem leichten Hinken Richtung Tür. Der Henker folgte ihm, drehte sich in der Tür aber noch einmal um. „Wenn es dir bessser geht... und falls du es dir anders überlegen solltest, weißt du ja wo du uns findest.“ Cifer nickte. Er fühlte einen Kloß im Hals, dennoch antwortete er. „Und wenn ihr das Elfenreich gerettet habt, seit so gut und schreibt mir, ob ihr noch lebt.“

    Nachdem auch das letzte Mitglied der Truppe verschwunden war, blieb Cifer noch eine Weile sitzen. Sein Zeitgefühl schien ihn schon vor einer ganzen Weile verlassen zu haben. Als er sich schließlich doch aufraffte um sich wieder nach oben zu schleppen, lenkten ihn ein paar seltsame Geräusche außerhalb der Hütte ab, und er entschloss sich, seinen Weg zu ändern. Der Heiler hockte im Schneidersitz im Gras. Ihm gegenüber saß ein Wolf. Grau, mit kalten blauen Augen und größer als ein normaler Wolf. Das Tier wendete ihm seinen Blick zu und auch der Elf erhob sich. „Ah, darf ich vorstellen. Grimrir, Cifer. Cifer, Grimrir. Er ist der Anführer eines hier ansässigen Rudels und ich habe ihn vor ein paar Jahren von einem schlimm vereiterten Zahn befreit.“ Das Wesen fixierte den Gestaltwandler noch immer, der wiederum kein Geräusch von sich zu geben wagte. “Soweit ich verstanden habe, werden du und deine Freunde verfolgt. Ich habe Grimrir und sein Rudel gebeten, Für eine Weile mehr Zeit in diesem Gebiet des Waldes zu jagen und mich zu informieren, falls jemand auftaucht. Es ist kein so ein perfekter Schutz, wie eine Gruppe Dämonen, aber es wird reichen müssen.“ Er nickte dem Wolf zu und sagte etwas, für Cifer unverständliches. Das Tier deutete eine Art Verbeugung an und verschwand dann im Wald. Der Heiler winkte ihm noch eine Weile nach. „Gut, nachdem das geregelt ist, gehen wir besser rein. Ich fürchte es kommt eine anstrengende Zeit auf dich zu, mein Freund.“

    Falls der fehlende Karren aufgefallen war, so war er dem Bauern wohl nicht wichtig genug erschienen, um ihnen die Stadtwache nachzujagen. Ein kurzer Glückstreffer in einer scheinbar endlosen Pechsträhne, wie es Cifer irgendwann durch den Kopf schoss, als sich die Gruppe relativ sicher war, nicht verfolgt zu werden. Zumindest von keinem Gesetzeshüter. Die Tage danach verschwammen für ihn mehr und mehr und auch die Landschaft schien sich mit jedem Wimpernschlag zu ändern. Mal erwachte er mit der Aussicht auf weite hügelige Graslandschaften, auf denen seltsame rinderähnliche Wesen mit Geweihen grasten, ein anderes Mal umringt von tiefschwarzen Wäldern wo er den hellen Sternenhimmel über sich bewunderte, während San an ihn gelehnt saß und ihm im Schlaf auf die Schulter sabberte und dann verbrachte er selbst wieder Zeit in traumlosen Schlaf. Ein oder zweimal passierten sie ein Dorf, doch sie hielten sich nie länger auf, als es dauerte um irgendwo ein wenig Proviant mitgehen zu lassen. Anscheinend hatte sich die Nachricht dass die Hauptstadt von Menschen belagert wurde sogar schon bis hierher herumgesprochen, denn die Elfen beäugelten die Gruppe seltsam und senkten ihre Stimmen, wenn sie an ihnen vorbei fuhren. San schien die Ruhe und die Medikamente gut zu tun, auch wenn er noch immer Schmerzen und Probleme den Arm zu bewegen hatte, während Casper jedes Mal etwas bleicher schien, wenn Cifer ihn ansah. Gyahara lachte nur bitter, als er sie einmal darauf ansprach. „Naja ich habe auch schon verwelkte Rosen gesehen, die gesünder wirkten als du.“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube seine Wunden sind schmutzig geworden. Ich hoffe wir sind bald da.“ Wenn sie noch etwas sagte, so entging es ihm, denn der Gestaltwandler driftete bereits wieder in den Schlaf ab. Der Schatten hatte irgendwann erwähnt, dass das hieß sein Geist würde nun endgültig Sperrstunde machen. Zumindest vermutete er vage, dass der Schatten es gesagt hatte. Die Grenze zwischen seinen Worten und den eigenen Gedanken verschwamm mit jedem Tag etwas mehr.

    Ein Ruck der durch den Karren ging, weckte den Kranken. Der Wagen stand am Fuße eines bewaldeten Hügels. Es gab keine Straße mehr, nur einen engen Pfad, der sich zwischen den Bäumen den Hügel hinaufschlängelte. Neneve war bereits vom Kutschbock gestiegen und half San und Caspar dabei, wobei sie bei letzterem von der Dämonin unterstützt wurde. Cifer kniff die Augen zusammen und spähte den Weg hinauf. „Das ist es also? Das ist die letzte Chance aber war immerhin eine nette Reise, interessante Leute und so. Die Elfe stützte jetzt auch ihn, als er herunterstieg. „Sieht so aus.“ Er bemerkte tiefe Ringe unter ihren Augen, sie hatte sich wohl die letzten Tage den Wachdienst mit Gyahara geteilt. Ein Teil von ihm war fast gerührt, dass sie ihn und die anderen inzwischen nahe genug war, um das alles mit ihnen durchzumachen, während ein anderer versuchte ihm einzureden, dass sie es nur tat, um den Heiler persönlich treffen zu können. Als er das nächste Mal von seinen Gedanken aufblickte, lag ein guter Teil des Pfades hinter ihnen, die Elfe stützte ihn, während die Dämonin San übernahm und der Henker sich an Vargas anlehnen durfte. Und schließlich standen sie vor einer Art Hütte. Es war mehr ein Baum, als etwas, das von Menschen- oder in diesem Fall Elfenhand geschaffen worden war. Der Stamm war breit genug um vier Karren darin zu parken und ragte hoch auf. Fenster und Tür, die in der Rinde lagen, verrieten, dass das Innere ausgehöhlt sein musste. An einem Ast hing ein Glas voller Glühwürmchen, beim genaueren betrachten konnte man erkennen, dass es unverschlossen war. Die Gruppe blickte sich unsicher an. Dieser Ort war zweifellos seltsam, aber waren sie hier richtig? Neneve war es schließlich, die den Mut fasste einen Schritt vor zu treten und zu klopfen. Ihre Faust hatte kaum das Holz berührt, als auch schon die Tür aufgerissen wurde.

    „Königsbotin! Was für eine Ehre, ich habe seit Jahren keine von euch gesehen. Naja, mehr Jahrhunderte.“ Die Elfe unterdrückte offensichtlich den Drang nach ihrem Schwert zu greifen, als ihr Gegenüber sie in eine feste Umarmung zog. „Weist du, ich war da, als sie die ersten von euch ausgebildet haben.“ Der Fremde ließ Neneve wieder los und ließ ihr Zeit, nach Luft zu schnappen. „Nun, gibt Neuigkeiten aus Ramun… nein warte… ihr nennt es doch heute anders.“ Er schien kurz zu überlegen.“ Die Herzogschaft Ba und Mara… nein warte, das war die Bezeichnung der Menschen.“ In welche Gedanken auch immer er gerade noch vertieft gewesen sein mochte, sie verflüchtigten sich, als sein Blick auf Neneves Begleiter fiel. „Aber warum sagt ihr denn nicht, dass ihr noch mehr seid? Kommt rein, kommt rein, es gibt Gebäck und Tee und vielleicht behandle ich auch die eine oder andere Prellung.“ Mit diesen Worten wandte er sich schon wieder um und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Das innere des Baumes schien mindestens noch ein weiteres Stockwerk zu besitzen und wirkte mehr wie eine seltsame Mischung aus einem Labor und einem recht bequemen Wohnzimmer. Im Kamin flackerte ein Feuer, auf einem Herd pfiff eine Kanne Tee und irgendjemand hatte bereits sechs Becher vorbereitet. Der Elf machte sich daran, Tee auszuschenken, während er Caspar anwies sich auf eine Pritsche zu legen und Cifer hatte zum ersten Mal Zeit, den Heiler genauer zu mustern. Abgesehen von seiner eher unelfisch offenen Art und seinem breiten freundlichen Lächeln schien er überraschend unüberraschend. Zugegeben, in seinen kurzen dunklen Locken hatten sich ein paar Blätter und Zweige verfangen und seine helle, edel wirkende Kleidung schien öfters geflickt und an einigen Stellen ausgefranst aber abgesehen davon unterschied er sich nicht besonders vom Rest seines Volkes. Er kehrte mit einem Tableau voll Tassen zurück und verteilte sie. „Meine Güte, du nimmst eure natürliche Aufgabe wirklich Ernst was?“ meinte er, als er bei Gyahara angelangte. Cifer wusste nicht, was er meinte, aber der Dämonin fiel vor Schreck fast die Tasse aus der Hand. Die Mundwinkel des Elfen gingen nach unten und er winkte beschwichtigend. „Nein nein, tut mir leid… So meinte ich das nicht… ich habe schon eine Weile mit niemandem mehr gescherzt… ich…“ sein Blick fiel auf Cifer und zur Überraschung aller Anwesenden deutete er so etwas wie eine kleine Verbeugung an. „Was für eine Ehre.“ Hauchte er und der Gestaltwandler unterdrückte den Drang sich umzudrehen und zu sehen ob sich womöglich gerade die Königin hinter ihm manifestiert hatte. Bevor er sich doch noch umsehen konnte, hatte der Andere seine Hand ergriffen und schüttelte sie überschwänglich. Wenn die Umarmung vorher genauso fest gewesen war verstand er nun, warum Neneve dabei so unglücklich gewirkt hatte.“ Von euch habe ich schon mindestens seit der dritten, nein zweiten Dynastie nichts mehr gehört. Ich dachte ihr Wandler wäret ausgestorben. Wo habt ihr so lange gesteckt?“ In Cifers Kopf spielte sich eine Reihe von Gedanken gleichzeitig ab und sie reichten von Einer von ihnen offensichtlich in meiner Mutter bis Da sind mindestens drei Verschiedene Variationen von eingetrockneten Körperflüssigkeiten auf meiner Kleidung, damit fühlt man sich nicht wirklich so edel. Aus seinem Mund kam allerdings ein simples. Ähmmm.“ Der Heiler legte ihm die Hände auf die Schultern und spähte ihm in die Augen. „Ah ich sehe es jetzt, du bist noch recht jung.“ Ein Flackern huschte über sein Gesicht.“ Und krank“ fügte er langsam hinzu. „Aber keine Sorge, nichts was man nicht wieder hinbiegen kann.“ Fügte er wieder enthusiastischer hinzu, während er Cifer auf ein gepolstertes Sofa schob, auf dem auch San schon Platz genommen hatte. Gyahara und Neneve folgten dem Beispiel, während der Elf sich die Ärmel hoch schob und einige dünne Klingen, Spritzen und durchsichtige Phiolen aus einem Schrank kramte. „So, jetzt machen wir uns erstmal an die leichteren Fälle und ihr erzählt derweil einem alten Stubenhocker, was es in der Welt so Neues gibt. Cifer entging nicht, dass er vermied, ihn anzusehen

    Der Markt schien auf den ersten Blick zwar groß aber nicht unübersichtlich, wie Cifer schon bald, nachdem er sich bei einem Kräuterstand niedergelassen hatte merkte, in menschlicher Gestalt wohlgemerkt. So ungern er es sich auch eingestand, aber er lief schon lange nur noch auf geborgten Energieresourcen und das bisschen Kraft, dass ihm geblieben war, wollte er sich einteilen. Das Gewirr auf dem Platz, sowie die stechende Nachmittagssonne ließen seinen Kopf schwirren und veranlassten ihn dazu, sich seine Kapuze in die Stirn zu ziehen. Er sehnte sich beinahe nach einer ruhigen Ecke in irgendeiner Taverne. Der Kräuterhändler musterte ihn mehr als misstrauisch, schien dann aber wohl zu entscheiden, dass dieser kränkliche Mensch keine Bedrohung für seine Wahre darstellte und wandte sich wieder mit beinahe unverständlichem Dialekt dem Gespräch mit einem Kunden zu.“ … oft mägsche woll a wengerl meah nemman, des werd mia do in da sun ah lei schlecht, woasche?“ Auf der anderen Seite des Platzes verschwand San gerade in einer kleineren Gasse, kurz darauf folgte eine vermummten Gestalt, vermutlich hatte die Dämonin doch entschieden, dass Caspar auf sich selbst aufpassen konnte. Cifer wandte seinen Blick wieder auf den Stand des Pferdehändlers. Eine ganze Weile passierte gar nichts. Der Elf verhandelte mit einigen edel gekleideten Landsmännern, eine Gruppe Schausteller zog vorbei, der Händler wimmelte einen verärgerten Bauern ab, die Sonne ging langsam unter und Cifer fing sich noch einige misstrauische Blicke vom Besitzer des Kräuterstandes ein, während der Schatten in irgendeiner Ecke in seinem Kopf immer wieder die gleiche Melodie summte. Irgendwann, der Gestaltwandler hatte gerade entschieden, sich doch noch ein ruhiges Plätzchen zu suchen und seine letzten Münzen für einen Krug Bier auszugeben, packte der Händler schließlich doch zusammen und machte sich auf den Weg. Cifer folgte ihm mit etwas Abstand, bis der Mann in einem edel verzierten Haus in einer Seitenstraße verschwand. „Wenigstens weißt du jetzt wo er wohnt.“ Sein Schatten hatte die Gestalt eines Pumas angenommen und musterte ihn mit glühenden Augen, wie Beute. „Deine Arbeit ist getan, entspann dich, erstick an deinem Bier oder so.“ Cifer zog die Augenbrauen hoch, der Schatten war zu fröhlich, er wusste etwas. „Ihr kommt sowieso nie rechtzeitig an… übrigens, deine Nase blutet. Vielleicht solltest du zu einem Arzt gehen.“ Der Puma schnippte spöttisch mit dem Schwanz. Cifer wischte sich mit dem Ärmel über die Nase und beachtete vorsorglich nicht die dunklen Flecken auf dem Stoff, dann wandte er sich um und machte sich eilig aber nicht zu hastig, diese Genugtuung würde er dem Wesen nicht verschaffen, auf die Suche nach seinen Gefährten.

    Er fand sie in einer Taverne nahe dem Marktplatz, zumindest Caspar und Gyahara. Sie mussten wohl schon eine ganze Weile dort sitzen. Ersterer lehnte mehr auf dem Tisch, als dass er aufrecht saß und auch seine Begleiterin hing mehr in ihrem Stuhl. Allerdings wirkte die Totengräberin dabei noch ein wenig lässig. Cifer ließ sich auf einen Stuhl neben dem Henker gleiten und spähte nebenbei in den halbleeren Krug der vor ihm stand. „Und, gibt es Neuigkeiten?“ fragte die Dämonin hoffnungsvoll. „Ich hab mir den ganzen Abend die Beine in den Bauch gestanden, aber wenigstens weiß ich, wo der Händler wohnt. Wenn ihr also noch etwas anderes als Pferde von ihm klauen wollt…“ „Nicht so laut.“ Sie blickte sich misstrauisch um. Elfen waren im Grunde ruhigere Trinker, aber die meisten Besucher der Taverne schienen in ihre eigenen Gespräche vertieft zu sein. “Hast du dich geprügelt?“ fragte der Henker und blickte den Gestaltwandler mit trüben Augen an. Der wischte sich nur nochmal mit dem Ärmel übers Gesicht und winkte ab. “Halb so wild“ Sein „Alles in Ordnung“ Lächeln gelang ihm nicht. „Wie steht es mit San?“ wandte er sich stattdessen an Gyahara. Die zuckte mit den Schultern. “Keine Ahnung, du warst der Erste der hier aufgetaucht ist.“ „Warte…du warst nicht bei ihm?“ Also das war es, was den Schatten so amüsiert hatte. Cifer nahm unbewusst ein paar Schlucke aus dem Krug des Henkers, dem Mann fiel es scheinbar nicht auf. “Nein, ich war den ganzen Tag bei Caspar, wie ich gesagt habe. Warum?“ „Nun, irgendwer der gerne sein Gesicht verhüllt ist vorhin bei ihm gewesen.“

    Sich zu übergeben war ein noch sehr viel unschöneres Gefühl, wenn man schon eine Weile nichts gegessen hatte. Der Morgen graute, während Cifer etwas abseits der schlafenden Gruppe hinter einem Baum lehnte.Die aufgehende Sonne erhellte das Gesicht des Henkers, er wirkte fast bleicher, als noch vor ein paar Stunden, fand Cifer als er zu den Anderen zurückkehrte. Die Dämonin schlief noch und San schien zu Wachablösung aufgebrochen zu sein. Zu seiner Überraschung, war Caspar auch wach, auch wenn sie nur wenige Stunden gerastet hatte. Es war dumm von ihm gewesen, ihm zu folgen, aber einfach so in den Wald zu rennen war wohl in erster Linie keine gute Idee gewesen. "Tut mir Leid, dass ich uns so in die Scheiße geritten habe." "Scheint ein Talent zu sein" Caspar hob abwährend die Hand. "Schon gut, war ja nicht deine Schuld." Cifer schnaubte erleichtert. Nicht zum ersten Mal dachte er daran, was für ein Wunder der Mann war. Als Henker bekam man wohl nicht unbedingt die schönen Seiten des Lebens zu sehen, er hätte jedes Recht dazu gehabt, ein sehr viel bitterer Mensch zu sein, aber er war es nicht. "Vielleicht sollte ich mal nach dem Rechten sehen." schlug Cifer mit dem Blick gen Himmel vor. "Vielleicht eine Route ums Schlachtfeld suchen." Nach allem war der Gruppe wenigstens ein bisschen Unterstützung schuldig. "Ach ja?" fragte der Henker müde. "Und wohin gehen wir dann?" Cifer tastete nach dem Zettel in seinem Mantel und stellte erleichtert fest, dass er noch da war. "Kann sein, dass ich da was weiß. Ich hoffe du hältst noch eine Weile aus." Caspar grinste "Wieso, weil du so an mir hängst?" "Das und Gyahara erwürgt mich wahrscheinlich, wenn dir was passiert... nochmal." Darauf folge eine kurze Stille. Vielleicht war der andere etwas rot geworden, aber Cifer konnte sich auch irren. "Wie hoch kommst du eigentlich?" fragte Caspar nach einer Weile den Blick nach oben gerichtet. Cifer folgt seinem Blick. " Naja schon ein Stück, aber an irgendeinem Punkt fühlt man sich als ob einem die Flügel einfrieren und das Atmen ist da oben auch um einiges schwieriger. " Auf den fragenden Blick des Henkers fügte er hinzu." Was hast du als Jugendlicher nie deine Grenzen ausgetestet?"

    "Wofür teilen wir überhaupt Schichten ein, wenn ihr alle wach seid?" fragte plötzlich eine Stimmung vom Rand der Böschung. Als sie aufblickten, wobei das dem Henker von seiner Position aus schwer fiel, konnten sie die Gestalt der Elfe ausmachen, die den Hang hinunter geschlittert kam. "Ich weiß nicht was er gemacht hat, aber ich habe geschlafen, zumindest ein wenig." meinte Cifer achselzuckend. "Bewusstlosigkeit gilt nicht wirklich als Schlaf." Während die Elfe von ein paar Soldaten erzählte, die sie gesehen hatte, kramte Cifer die Karte hervor. "... weiß ich allerdings nicht, wie es um das Schlachtfeld steht. Lovia hat sich umgesehen, aber alles was sie gesehen hat, waren kämpfende Soldaten." Cifer räusperte sich. " Kann sein, dass wir gar keine elfischen Heiler brauchen. Zumindest keine von hier." Neneve wandte sich ihm zu "Ach sei nicht albern, ihr braucht dringend Hilfe und wenn ich mich mit ihnen unterhalte..." Cifer reichte ihr die Karte. "Dass hat mir einer der Elfen zugesteckt. Weißt du zufällig etwas über die Gegend auf der Karte, oder einen Heiler dort." Die Elfe überflog das Papier und schien plötzlich aufgeregter." Ich habe Geschichten gehört... Aber das kann nicht sein... Von wem hast du das? Wer hat es dir zugesteckt?" Cifer zuckte erneut mit den Schultern "Tut mir Leid. Mit den Uniformen seht ihr alle mehr oder weniger gleich für mich aus." Die Königsbotin seufzte frustriert. "Neneve?" mischte sich jetzt auch Caspar ein, nachdem die Elfe noch einige weitere Sekunden wortlos auf die Kartenmarkierung starrte. "Ich habe von einem alten Kauz gehört, wirklich alt, ein Heiler, der wohl schon eine ganze Weile in Abgeschiedenheit lebt. Er soll Königinnen behandelt haben, die schon so gut wie tot waren. Irgendwann verschwand er. Aber die Geschichten sind uralt..." Sie machte noch eine Pause. "Am besten wir warten bis San zurück und Gyahara wach ist. "

    "Was willst du sagen? Dass ich weg gelaufen wäre?!" Cifer war selbst überrascht über die Wut die ihn überkam, vielleicht lag es daran, dass er dieses eine Mal dachte, das Richtige getan zu haben. Die Entscheidung einzugreifen war so spontan gekommen, dass ihm später bei dem Gedanken daran die Beine weich geworden waren. "Es nimmt dir niemand hier übel." meinte der Henker neben ihm. In der Dunkelheit fiel es Cifer schwer, seinen Gesichtsausdruck zu erkennen aber er glaubte, Zweifel zu erkennen. "Vielleicht weil ich zur Abwechslung einmal nichts verbockt habe?! Ich war genau da, was kann ich dafür, dass ihr so langsam seit?!" "Cifer." "Ich habe mehr als genug Hinweise gegeben, oder?! Kann ich etwas dafür, dass ihr mir nicht glaubt?!" "Cifer!" "Was?!" Gyaharas Stimme riss ihn aus seinem Monolog. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er aufgesprungen war. "Du warst der Rabe, nicht wahr?" Er blickte seine Begleiter an, die wohl zu begreifen schienen. Die Wut war gewichen und machte nun leichtem Scham platz. Er machte eine vage Geste in die Richtung der Dämonin.".... War doch garnicht so schwer oder...?... Wenn ihr mich entschuldigt... ich habe ein paar Geschäfte zu erledigen...." Damit wandte er sich um und lief in Richtung Wald zurück. "Feigling" meinte eine fröhliche sing sang Stimme in seinem Kopf, während er mit zittrigen Fingern die Flasche aus seinem Mantel kramte.

    Seine Stirn klebte von kaltem Schweiß, als er zusammen mit der kleinen Gruppe durch das Unterholz pirschte. Die Truppen sollten sich anscheinend zwischen den Bäumen sammeln und aus dem Schutz des Waldes heraus einen erneuten Angriff ausüben. Cifer war froh, dass sie so weit vom Lager entfernt waren, auch wenn die Hitze der flackernden Feuer, sowie die Schreie der sterbenden Männer selbst durch das dichte Geäst drangen. Das klirren der Schwerter schien so unglaublich nah und doch so fern. Er merkte erst, dass er sich die Hände auf die Ohren gepresst hatte, als Caspar ihn sanft anstieß. Der Gestaltwandler zuckte zusammen und nahm die Hände langsam runter. Die Geräusche waren verstummt und die kalte Nachtluft stach ihm ins Gesicht. Der Henker klopfte ihm nur kurz aufmunternd auf die Schulter, bevor er weiter Sedar folgte, welcher die Gruppe anführte. Die Dämonin folgte ihm wortlos aber zumindest drehte sie Cifer noch einmal die Öffnung ihrer Kapuze zu, was auch immer das heißen mochte. "Wann hast du das letzte mal geschlafen?" Die Stimme klang so ungewohnt besorgt, dass er eine Minute brauchte, um sie Neneve zuzuordnen. Aber die Elfe wartete nicht auf eine Antwort, sondern bedeutete ihm nur, weiter zu gehen. Gute Frage. Wann hatte er das letzte Mal mehr als eine Stunde schlaft? In den letzten Tagen war ständig unterwegs gewesen, von einem Doktor zum anderen. Und überall hatte ihn nur das gleiche steinharte Gesichte erwartet, welches ihm höflich aber betont zu verstehen gab, dass sie ihre Heilmittel bald für wichtigeres verwenden würden müssten. Der letzten Elfe hätte er liebend gerne eine runtergehauen, wenn er die Kraft dazu gehabt hätte. Die Nächte waren vielleicht noch schlimmer gewesen, umgeben von Dunkelheit, während er spürte, wie seine letzten Kräfte seinen Körper zu verlassen schienen. Wäre Cifer ein gläubiger Mensch gewesen, hätte er sie wahrscheinlich damit verbracht, den Himmel und die Götter zu verfluchen, so hatte er sie allein am Feuer verbracht, sich bei jedem Sonnenaufgang fragend, ob dies sein letzter sein würde. Und was würde danach passieren?

    Nur ein paar Stunden war es her, dass ihn einer Elfen verschwörerisch vom Rest der Truppe weggeführt und ihm eine Karte zugesteckt hatte. Darauf war eine Stelle markiert, sehr weit im Norden. "Er ist ein bisschen verrückt, aber er kann sicher helfen." hatte er nur gemurmelt und war dann wieder verschwunden. Cifer fragte sich, ob der Mann noch lebte, als er unterbewusst nach dem Stück Papier in seiner Tasche tastete. Mit genug Vorräten und einem guten Reittier würde er es vielleicht sogar bis zu der ominösen Stelle schaffen, die der Andere markiert hatte.

    Sedar stoppte die Gruppe mit einem Handzeichen und deutete auf etwas weiter vor ihnen zwischen den Bäumen. Eine Menge dunkler Gestalten huschten umher, Äste knackten und Metall klapperte. San wandte sich seinen Gefährten zu und ging in die Hocke. Mit einem Ast kratzte er einen Kreis in den Waldboden. "Ich schätze es sind neun Leute." "Sieben." korrigierte ihn Gyahara knapp."Sie scheinen gerade ihre Ausrüstung aufzuteilen." Der junge Assassine warf ihr einen überraschten Blick zu, nickte und zeichnete sieben Punkte in den Kreis. "Am besten wir greifen von Südosten an, damit treiben wir sie zurück ins Lager. Neneve, Caspar am besten ihr..." Er brach ab, auch die anderen lauschten, als Schritte aus der Richtung erklangen, aus der sie gekommen waren. Als sich acht weitere versprengte Soldate näherten, hatte sich die Elfe hinter einen umgebrochenen Baumstumpf gekniet, währen San und Gyahara sich einen Busch teilten und der Henker hinter dem Rest des Baumes platz gefunden hatte. Ein Rabe hockte unschuldig auf einem Ast über der Truppe. Zwei der Männer schauten sich misstrauisch um. "Ich schwöre dir, ich hab Leute gesehen. Gordolf doch auch, nich wahr Gordolf?" "Mhmmm." "Klar, ihr Blödmänner, ihr habt unsere Leute gesehen." San schien aus dem Busch heraus, den Anderen Ziele zuzuordnen. Neneves deutete ihm es bleiben zu lassen. "Und was ist mit dem Trampelpfad im Gebüsch? Haben unsere Männer alle den selben Weg benutzt?" Jetzt mischte sich auch ein anderer Soldat ein, während der Assassine und die Elfe aus ihren Verstecken heraus wohl eine lebhafte Diskussion zu führen schienen. "Und was ist das für Gekritzel auf dem Boden?" Einer der Hinteren klang beschwichtigend."Kommt vielleicht von einem Fuchs oder irgendeinem anderem Tier. Wer weiß, was was alles in diesem verfluchten Land kreucht und fleucht... weißt du noch diese fette fliegende Ratte die wir..." der Mann vor ihm lachte verächtlich."Klar, verdammt talentierte Viecher, diese Füchse. Am Ende stammt das Kunstwerk von diesem fetten Raben." Ein Blick auf seine Begleiter, verriet Cifer, dass sich jetzt auch Caspar eingemischt hatte und versuchte mit beschwichtigenden Gesten, die Situation zu retten, während die Dämonin wohl das Gesicht in ihren Händen begraben hatte.

    Plötzlich beugte sich der Erste vor und hob etwas vom Boden auf. Mit Schrecken erkannte Cifer seine Flasche. Er musste sie bei der Verwandlung verloren haben, das letzte Mal als ihm so etwas passiert war, war er vielleicht zwölf gewesen. "Haben sich die Füchse einen hinter die Binde gekippt oder...?" Der Soldat stockte und starrte in den Busch vor sich, direkt in das Gesicht einer Dämonin. Wie ein Schatten schoss Gyahara aus dem Gebüsch, dem Mann blieb nicht die Zeit, seine Waffe zu ziehen, seinen Gefährten jedoch schon. Sie wirbelte schon zu ihrem nächsten Opfer an ihrer Seite San, der schnell in einen zackigen Dreikampf verwickelt war. Neneve hielt den Hintermann auf, der die Flucht ergreifen wollte, sein Kumpane war bereits verschwunden. Nach einer Sekunde entdeckte Cifer auch den Henker, welcher ein Stück weiter wohl mit dem Anführer der Truppe rang, zu vertieft in den Kampf, um die Gestalt zu bemerken, die sich von hinten näherte, er glaubte in ihm den Mann zu erkennen, welcher vorher den "fetten Raben" bemerkt hatte. Der achte Mann schrie auf, als eine dunkle Wolke aus Federn seine Sicht verdeckte und Klauen ihm das Gesicht blutig kratzten. Der Laut lenkte den Anderen lange genug ab, damit Caspar die Oberhand gewinnen konnte, wie Cifer bemerkte, während er sich fast mit einem Gefühl der Genugtuung in etwas festkrallte, das wohl eine Augenhöhle war und der Soldat blind vor Schmerz mit seinem Schwert wild um sich schlug.

    Damora war nicht die Hauptstadt des Elfenreiches, aber Cifer fand, dass die Festung locker mit ihr konkurrieren konnte. Laut Neneve war die Stadt noch nie eingenommen worden, einerseits weil sie so tief im Landesinneren lag und sich schon lange vorher auf Angreifer vorbereiten konnte, andererseits dank ihrer günstigen Lage auf einem Hügel und dem stufenartigem Aufbau mit verschiedenen Häuserebenen. Dazu kamen die breiten Mauern, die äußerste war die dickste aber auch die, die innerhalb die Ebenen voneinander trennten waren nicht gerade dünn. Vielleicht lag es auch daran, dass eine große Menge Soldaten hier ausgebildet wurden. Die Stadt thronte oberhalb der Baumwipfel, von der Palastebene aus konnte man einen großen Teil des Landes überblicken. Dort oben hockte Cifer auf der steinernen Palisade und ließ seinen Blick über das Gebiet streifen. Der Rest der Truppe war drinnen irgendwo und lauschte wahrscheinlich Neneve, die die Anliegen ihrer Königin vortrug.

    Der Gestaltwandler hatte es vorgezogen draußen zu bleiben, wo er sich jederzeit hinsetzten konnte, wenn ihn wieder das Gefühl in seinen Beinen verließ oder sein Kopf sich entschloss eine Pause zu machen. Zuerst hatte er geplant sich in eine der vielen Tavernen zu schleppen, aber auf dem Weg durch die Stadt waren nicht nur ihm die vielen feindseligen Elfengesichter aufgefallen. Die Elfen hier schienen noch weitaus unerfreuter über Menschen zu sein und Cifer hatte sich entschlossen das ein Krug abgestandener Met das Messer im Bauch nicht wert war. Und zur Not hatter er schließlich immer noch seine Flasche. „Weißt du ich bewundere deine Hartnäckigkeit, aber denkst du nicht auch, dass es an der Zeit ist, loszulassen?“ Die Stimme des Schattens schien an seiner Hirnrinde zu kratzen, die Temperatur sank um einige Grade, zumindest für Cifer. “Ich meine, so weit wie du es geschafft hast kann dir wirklich niemand vorhalten versagt zu haben. Manche Kämpfe kann man nicht gewinnen, das muss ich dir doch nicht erklären oder?“ Diese fast sanftmütige Art des Schattens war neu. „Immerhin ist es ein schöner, fast sonniger Tag, die Vögel singen, warum sollte das nicht deine letzte Erinnerung sein?“ „Und was willst du mit meinem Körper, wenn ich nicht mehr da bin?“ Die Frage schien den Dämonen aus dem Konzept gebracht zu haben. „Was?“ bellte er, „Was soll ich schon mit deinem nutzlosen kaputten Körper?“ Er gab sich Mühe, aber das spöttische Lachen klang zu falsch, seine Stimme zu schnell. Cifer zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nur, auf dem Schiff als es so aussah als ob man uns alle bald wegen Verrat hinrichten würde, hattest du keine Probleme zu helfen. Du scheinst mich mit Kopf sehr viel lieber zu mögen. Du scheinst für mich einen sanften oder zumindest weniger verunstaltenden Tod weitaus vorzuziehen“ Es war etwas, worüber er sich die letze Zeit einige Gedanken gemacht hatte. Was das Wesen dass ihn so verabscheute sich davon erhofft hatte, ihm zu helfen. Für einen Moment hatte er fast gehofft, den Schatten damit ruhigstellen zu können. Stattdessen lachte er, ein bitteres Lachen. „Du stirbst sowieso aber weißt du, hättest du dich nur ein wenig mehr mit deinen Fähigkeiten befasst, dann wüsstest du was für eine Verschwendung dein Leben wirklich war.“ Cifer wollte Einwende erheben, doch der Schatten fuhr ungeniert fort. „Ja, ja ich weiß, du hast dich dein ganzes Leben damit befasst, mit Tieren, nutzlosen dreckigen wilden Tieren, besser als Menschen aber immer noch ein so winzig unbedeutsamer Teil des Universums!“ Cifer war inzwischen von der Palisade gerutsch und hatte sich die Hände auf die Ohren gepresst, wenn auch mehr aus Reflex. Sein Kopf fühlte sich an als wolle er zerplatzen. „Und sogar vor den meisten von denen hast du heute Angst. Weißt du was ich machen würde, hätte ich deine Kräfte?“ Visionen tauchten vor seinen Augen auf, zu schnell um sie richtig wahrzunehmen aber dennoch ließen sie ein dumpfes Gefühl der Übelkeit in seinem Mund und Magen zurück. „Dann ist es gut, dass du sie niemals haben wirst.“

    In Cifers Kopf hatte die Aussage um einiges heroischer geklungen, in Wirklichkeit kam sie eher zusammen mit etwas Erbrochenem aus seinem Mund. Er würgte noch eine Weile, aber der Schatten verschwand, oder zog sich zumindest zurück, dafür tauchte nach einer Weile ein anderer auf. „Elfisches Bier.“ Cifer machte eine entschuldigende Geste Richtung Sedar. „Was gibt’s?“ Der junge Assassine schaute einen Moment auf den älteren Mann hinunter, der an der Mauer neben seiner Kotze lehnte. „Fürst Alvion hat zugesagt," Die Erleichterung in seiner Stimme zeigte, dass es wohl eine harte Verhandlung gewesen war. "sie organisieren noch heute ihre Truppen. Und Vorräte bringen sie auch“ Der Gestaltwandler richtete sich langsam und mithilfe der Mauer auf. "Haben die auch Heiler." Sedar nickte. "Ich schätze schon." Cifer wischte sich den Mund ab."Gut ich will einen sehen, irgendeinen."

    Cifer fiel es schwer dem Gespräch weiter zu folgen. Gut, die Wirkung des Trankes, was immer das auch gewesen sein mochte hatte langsam nachgelassen, hatte dafür aber dem leisen Bedürfnis Platz gemacht, sich irgendwo, vorzugsweise nicht im Thronsaal, zu übergeben. Dazu kam das brennende Gefühl von kalten Nägeln die sich in seinen Arm bohrten, sowie die zitternden Hände, die er in seinen Manteltaschen verborgen hielt. Kurz gesagt, es ging ihm wirklich dreckig. „… in Damora, nicht weit von hier. Wenn wir dort um Verstärkung ansuchen wird man sich nicht widersetzen.“ Beendete gerade eine, anscheinend ranghohe Elfe neben Zumina die Ausführung eines Planes zur Rettung der Stadt. Den Rest des Gespräches blendete er irgendwie aus, es war ohnehin nicht wahrscheinlich, dass die Elfen einen von Neneves Begleitern um ihre Ideen bitten würde. Und im ungefähren hatte er den Plan auch verstanden. Zumina schickte sie, das hieß, Neneve, in eine nahe gelegene Stadt die noch nicht von menschlichen Truppen umstellt war, um von dort Truppen, Waffen, Vorräte und dergleichen anzufordern. Ungefähr eine halbe Stunde der Planung hatte darin bestanden, zu bestimmen ob sie, die menschlichen und dämonischen Begleiter ausgenommen, noch jemand eskortieren sollte. Am Ende der Debatte hatte man beschlossen, dass eine größere Truppe zu riskant war und die Gruppe, mit Vorräten ausgestattet, noch in der Dämmerung aufbrechen würde. Eine weitere halbe Stunde meines Lebens, die ich nie mehr zurückbekomme. Dachte der Gestaltwandler frustriert. Die halbe Stunde die sie bekamen, um sich auszustatten verbrachte er hinter einem Busch im Palastgarten wo er auch die letzten Reste des Trankes loswurde.

    Die Luft in dem Tunnel, durch den man sie wieder zurückschickte war erstaunlich erfrischend im Gegensatz zu der im Thronsaal. „So viel zur Dankbarkeit des Reiches“ meinte der Henker hinter ihm während er sich durch den Gang duckte. „Wir hatten nicht mal richtig Zeit uns auszuruhen.“ Irgendwo dahinter erklang auch die Stimme der Dämonin.“ Ich könnte auch eine Pause vertragen, vielleicht eine warme Mahlzeit, ein kühles Bier.“
    Cifer lehnte sich kurz an die Tunnelwand. Beim Reinkommen war ihm der Gang nicht halb so lang vorgekommen. Caspar sah aus als wolle er ihn etwas fragen, vermutlich wollte er noch einmal versuchen ihn zu überreden zurück zu bleiben und sich auszuruhen, als ob das möglich wäre in einer Stadt, die jederzeit von feindlichen Truppen überrannt werden konnte. „Hört ihr euch eigentlich reden?“ Die Königsbotin klang eine Spur bissiger als sonst, ihr Tonfall brachte sogar Sedar dazu, denn Kopf leicht einzuziehen. “Ich bin hungrig, ich hab Durst, ich will nachhause zu meiner Mami.“ „Hat sie deine Gedanken gelesen?“ „Es geht hier nicht um euch verdammt. Auch nicht um mich. Es geht um das Reich, fällt Zumina, dann fällt alles.“ Sie wandte sich wieder dem Gang zu und marschierte weiter. Eine Weile herrschte Stille. „Warum lasse ich mich immer in solche Riesenaktionen mit reinziehen?“ murmelte Cifer nach einer Weile. „Du hast schonmal ein Königreich gerettet?“ fragte Caspar, ein amüsierter Unterton schwang in seiner Stimme mit. „Ich habe geholfen.“ „Naja, zumindest warst du nicht vollkommen nutzlos für die Beteiligten.“