Kühle Nachtluft umstrich Cifer. Er hockte auf einer Lichtung unter dem Sternenüberzogenem Himmel. Alles war ruhig, fast beunruhigend. Er wusste nicht mehr viel aus der Zeit die in seiner Kindheit in umliegenden Wäldern verbracht hatte, aber eines hatte er sich gut gemerkt. Beutetiere konnten erstaunlich ruhig werden, wenn Jäger umherstreiften. Aber diese komplette Absenz jeglicher Geräusche wirkte beinahe unnatürlich. Sein Schatten hockte ihm gegenüber im Schneidersitz, nur schien er einen eigenen Körper zu besitzen, anstatt einfach nur eine Fläche auf einer Wand zu sein. Er hob grüßend die Hand und Cifer spiegelte ihn, unfreiwillig. „Was für eine Tragödie. Du schaffst es fast bis zu Ziel, nur um dann in deinem eigenen Kopf stecken zu bleiben.“ Die dunkle Gestalt schüttelte in gespielter Trauer den Kopf. „Aber keine Sorge, jemand muss ja das Steuer übernehmen, du kannst nicht für immer schlafen.“ Der Gestaltwandler verspürte das Bedürfnis aufzustehen, aber etwas hielt ihn am Boden. Die Augen des Schattens blitzen hinterhältig. „Keine Sorge, ich kümmere mich gut um deine Freunde. Einen nach dem Anderen. Aber zuerst…“ Das Wesen erhob sich und kam langsam näher. Es bewegte sich nicht wie ein echter Mensch, nicht wirklich. Vielmehr schien es zu gleiten, seine Glieder zuckten rhythmisch zu seinem Gang, sein Kopf hing leicht schief. Cifer konnte sich noch immer nicht bewegen, Panik kroch in ihm hoch, als das Wesen nur noch wenige Zentimeter entfernt war und Reihen scharfer Zähne entblößte. Plötzlich hielt es inne. Etwas blendend helles brach zwischen den Bäumen hindurch, das Wesen fauchte. Cifer schirmte seine Augen mit den Händen ab.
Er erwachte in einem überraschend trockenem Bett, im Haus des Heilers. Als er sich schweißgebadet aufrichtete, bemerkte er, dass der Elf neben ihm saß und ihn kurz misstrauisch musterte, bevor er eine Art Lupe hervorholte und seine Augen zu untersuchen begann. Dabei plapperte er ununterbrochen, für Cifer, der sich erst noch fassen musste und nur halb hinhörte ergab das meiste keinen Sinn.“… wie konnte ich nur so dumm sein… zu viel Juxmohn im Tee…. Ich meine ich war ziemlich lange allein hier, da kann man das wohl verzeihen…. Nein stimmt kann man nicht, ich bin ein Idiot.“ Als er fertig war reichte er Cifer eine Tasse mit einer undefinierbaren braunen Flüssigkeit. Nachdem er daraus getrunken hatte, fühlte er sich immerhin schon klarer. Der Elf wirkte ein wenig wie ein Junge den die Eltern beim Stehlen von Süßigkeiten erwischt hatte. Also gute Eltern, nicht wie Cifers Stiefvater, bei dem er sich wahrscheinlich ein oder zwei bis vier saftige Ohrfeige eingefangen hätte. „Geht es wieder einigermaßen? Ich habe mich schon beim Rest der Gruppe entschuldigt… weißt du ich dachte nur, was wäre schon so schlimm daran, wenn ihr ein bisschen länger bleibt.“ Er ließ den Kopf hängen.“ Vielleicht hätte ich mich mehr auf die Behandlung konzentrieren sollen, es tut mir Leid. Ich meine nur die Verletzungen deiner Freunde würden so oder so eine Weile brauchen bis sie vollständig geheilt sind und ich ahnte nicht, dass ihr es so eilig habt…“ Cifer merkte, dass er noch immer recht wenig von dem verstand, was gesagt wurde, obwohl er jetzt genauer zuhörte. “Der Schatten…?“ fragte er nur etwas fahrig. Der Heiler schien froh über den Themenwechsel. „Was immer da war, ist erstmal verschwunden, aber das bleibt sicher nicht so. Ich empfehle dir, erstmal eine Weile hier zu bleiben und deine Freunde alleine weiterziehen zu lassen. Und das sage ich sicher nicht, weil ich einsam bin.“ Cifer überhörte den letzten Satz. „Aber was ist mit San und Caspar? Ihre Wunden…“ „Wie schon gesagt... ihr seid ein Weilchen länger hier als ihr dachtet… Sie warten unten. Soll ich ihnen bescheid sagen…?“ Der Gestaltwandler schwang sich aus dem Bett, auch wenn sich sein Körper gegen jede Bewegung wehrte. “Nicht nötig. Ich verabschiede mich selber.“
Tatsächlich befanden sich seine Gefährten im unteren Bereich der Hütte. „Na auch schon wach?“ fragte Nyneve, als er zu ihnen stieß. “Ich kann es nicht erwarten hier endlich weg zu kommen.“ Sie verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen. Caspar schmunzelte leicht. „Gestern hattest du hier doch auch noch Spaß.“ Ein Blick in Gyaharas Gesicht verriet Cifer, dass sie eben so wenig wie er wusste, was los war. Dann bemerkte er, dass er ihr überhaupt ins Gesicht blicken konnte. „Gibt es einen Grund warum du so starrst?“ fragte sie, mit einem leicht bissigen Unterton. “Irgendwas ist anders. Hast du dir die Haare geschnitten?“ „Ich habe meinem Mantel als Pfand für unsere Sicherheit dagelassen, wenn du es genau wissen musst.“ Bei dem Wort da deutete sie in irgendeine Richtung hinter sich, wahrscheinlich zu einem Ort der außerhalb der Hütte lag. Cifer blinzelte kurz. „Dämonen.“ Seufzte sie. „Ein Stamm der hier in der Nähe wohnt und sich bereit erklärt hat, uns aufzunehmen, bis wir wissen wie es weitergeht.“ Der Gestaltwandler nickte und ließ sich neben San auf eines der Sofas fallen. Er wusste nicht wie er die nächsten Worte formulieren sollte. „Na dann viel Spaß, danke fürs herbringen“? Es fühlte sich trotz allem wie ein Verrat an, sie jetzt einfach im Stich zu lassen. Neneve, die einfach nur ihre Heimat schützen und ihrem Reich dienen wollte, San, der durch ihren Feind seine Kindheit eingebüßt hatte und Caspar und Gyahara die unterwegs sicher mehr als einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, für eine Sache die nie wirklich ihr Problem gewesen war. Als ob du jemals eine Hilfe gewesen wärst. Das war nicht der Schatten… „Geht es dir nicht gut?“ riss ihn Sans Stimme aus seinen Gedanken. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Junge deutlich an Farbe gewonnen hatte, ebenso wie der Henker. Cifer ließ den Kopf hängen. “Ehrlich gesagt, nein. Schon eine ganze Weile nicht.“ Wenigstens schleichst du dich diesmal nicht einfach mitten in der Nacht davon. Er hob den Blick „Ich… Ich komme nicht mit. Ich kann einfach nicht mehr… Und ehrlich gesagt… ich wollte nie wirklich so sehr in diese Sache verwickelt werden.“ Er senkte den Blick wieder. „Tut mir Leid.“ „Ach ja, denkst du irgendeinem von uns macht das hier Spaß?“ Es war die Elfe, deren scharfe Stimme die Luft zu zerschneiden schien. “Denkst du ich oder irgendjemand anderes hatte vor so tief verwickelt zu werden?“ Die Dämonin schien etwas sagen zu wollen, aber die Königsbotin fuhr dazwischen. „Neneve …-„ „Wir müssen wirklich langsam los, wo wartet dein Begleiter?“ Und damit verschwand sie auch schon durch die Tür. Gyahara warf ihm noch einen Blick zu der irgendwo zwischen Unbehagen und Mitleid lag und folgte ihr.“Neneve jetzt warte… Neneve!“ Caspar schaute den Beiden nach und kratzte sich am Kinn. “Weißt du, nimm es nicht persönlich, ich glaube sie ist nur immer noch etwas wütend auf den Heiler. Ich meine sie war ziemlich wild, als er ihr das mit der Milch gebeichtet hat, nicht wahr San.“ Der Junge nickte, aber er schien durch Cifer hindurch zu blicken. Er erhob sich und ging, noch immer mit einem leichten Hinken Richtung Tür. Der Henker folgte ihm, drehte sich in der Tür aber noch einmal um. „Wenn es dir bessser geht... und falls du es dir anders überlegen solltest, weißt du ja wo du uns findest.“ Cifer nickte. Er fühlte einen Kloß im Hals, dennoch antwortete er. „Und wenn ihr das Elfenreich gerettet habt, seit so gut und schreibt mir, ob ihr noch lebt.“
Nachdem auch das letzte Mitglied der Truppe verschwunden war, blieb Cifer noch eine Weile sitzen. Sein Zeitgefühl schien ihn schon vor einer ganzen Weile verlassen zu haben. Als er sich schließlich doch aufraffte um sich wieder nach oben zu schleppen, lenkten ihn ein paar seltsame Geräusche außerhalb der Hütte ab, und er entschloss sich, seinen Weg zu ändern. Der Heiler hockte im Schneidersitz im Gras. Ihm gegenüber saß ein Wolf. Grau, mit kalten blauen Augen und größer als ein normaler Wolf. Das Tier wendete ihm seinen Blick zu und auch der Elf erhob sich. „Ah, darf ich vorstellen. Grimrir, Cifer. Cifer, Grimrir. Er ist der Anführer eines hier ansässigen Rudels und ich habe ihn vor ein paar Jahren von einem schlimm vereiterten Zahn befreit.“ Das Wesen fixierte den Gestaltwandler noch immer, der wiederum kein Geräusch von sich zu geben wagte. “Soweit ich verstanden habe, werden du und deine Freunde verfolgt. Ich habe Grimrir und sein Rudel gebeten, Für eine Weile mehr Zeit in diesem Gebiet des Waldes zu jagen und mich zu informieren, falls jemand auftaucht. Es ist kein so ein perfekter Schutz, wie eine Gruppe Dämonen, aber es wird reichen müssen.“ Er nickte dem Wolf zu und sagte etwas, für Cifer unverständliches. Das Tier deutete eine Art Verbeugung an und verschwand dann im Wald. Der Heiler winkte ihm noch eine Weile nach. „Gut, nachdem das geregelt ist, gehen wir besser rein. Ich fürchte es kommt eine anstrengende Zeit auf dich zu, mein Freund.“