Beiträge von Schreibfeder im Thema „Beschreibung der Prota“

    Wie ich schon sagte: Die Gewichtung spielt eine Rolle. Gerade wenn jemand aus der Ich-Perspektive schreibt, kann das Aussehen des Titelhelden zweitrangig sein. Und das ganz bewusst (und jetzt nur auf das Ich bezogen). Warum? Nicht, damit der Prota blass bleibt (wobei das die Gefahr sein kann, allerdings sind Äußerlichkeiten zweitrangig, um einen "schillernden" Charakter mit Persönlichkeit zu schaffen), sondern weil der Leser selbst drinstecken soll. Das muss aber gekonnt sein und leider funktioniert das nicht immer (und ist auch nicht immer die beste Wahl).

    Ein sehr gutes Beispiel, wo das geklappt hat, war die Spieleserie Halo. Du hattest dem Protagonisten, der nur mit seinem militärischen Rang (MasterChief) angesprochen wurde. Er war gesichtslos, weil er in einer Ganzkörperrüstung steckte. Die einzigen Charakteristika die man mitbekam, war eine angenehme, kräftige Stimme und das er männlich war.
    Hier hat es tatsächlich gut funktioniert. Es war zwar ein PC-Spiel, kein Buch, aber im Kern vergleichbar. Zwar hat man dann in den folgenen Teile das ganze Potenzial verbraten, aber der erste Teil war tatsächlich perfekt gelungen, was auch die enorme Beliebtheit erklärt.

    Aber das ist eine Gradwanderung. In anderen PC-Spielen, wo man ebenso gesichtslos ist, hat das zum Beispiel nie geklappt. Das lag zum größten Teil aber auch an der völlig bescheuerten Hintergrundgeschichte.

    Wenn ich zu den erwähnten Bestseller-Thrillern zurückkomme: Hier hat die Autorin den Fokus auf die Ermittlungsarbeit gelegt. Das war erfolgreich, aber eine gute Geschichte lebt mitunter auch vom Privatleben und hier gab es dann krasse Logikprobleme, vor allem wegen der fehlenden Beschreibungen.

    Ich kenne einige Bücher, in denen die Protagonisten kaum bis gar nicht beschrieben werden. Manchmal stört mich das, manchmal ist das aber alles andere als tragisch, weil es nicht auffällt oder wichtig ist. Manchmal ist auch nur das minimale Erscheinungsbild (Haare, Größe ...) beschrieben. Auch hier gilt: Manchmal passt es, manchmal nicht. Es kommt auf das Gesamtbild an und wie stark die eigene Vorstellungskraft ist. Möchtest du deinen Charakter äußerlich blass lassen und dich stärker auf das Innenleben und die Handlung fixieren, dann ist das deine Wahl. Das kann wie gesagt gut funktionieren. Spielt das Äußere in irgendeiner Weise eine entscheidende Rolle, würde ich mehr Augenmerk darauf legen.

    Hier würde ich einer anderen Meinung sein. Ich halte es für einen Kardinalsfehler, wenn man einen Prota nicht beschreibt. Meiner Ansicht nach, kann man einfach nicht den Fokus so extrem setzen, dass man überhaupt keine Personenbeschreibung benötigt.
    Das kann ich auch gut begründen.
    Ich hatte das jetzt in einem Thriller ganz extrem: Da waren die Personenbeschreibungen so vage, dass man zum einen kein richtiges Bild vor Augen hatte und zum zweiten, dass die Fähigkeiten munter wechselten (plötzlich waren sie jung und attraktiv, dann wieder alt und diensterfahren).
    Aber auch andere Thriller hatte ich, wo so etwas vergleichbar war. Da war die Protagonisten eine mit 30 Jahren Berufserfahrung, kastanienbraunes Haar und gleichzeitig noch so attraktiv, dass sie mehrere Männer am Start hatte. Wenn ihr das mal durchrechnet, müsste die mindestens 50 gewesen sein.
    Ersteres war Ramsch, letzteres waren übrigens Bestseller. Ich halte aber Bestseller keineswegs für gut genug, dass man über Logiklücken hinwegsehen kann. Mich ärgert so etwas immer, aber vielleicht bin ich da einfach nur zu streng.

    Mag sein, dass eine Beschreibung mittels einem Spiegel ausgelutscht ist, jedoch ist das deutlich besser, als überhaupt keine Beschreibung einzufügen. Gerade weil Nekomimi ja geschrieben hat, dass sie ein Problem damit hat, irgendwie gekünstelt eine Personenbeschreibung einzuführen, wollte ich ihr den Tipp einfach mitgeben. Ich persönlich hab das Problem beim Schreiben ja nicht. Ich beschreibe meine Protagonisten frühzeitig relativ genau. Ich halte das für wichtig, einfach um ein grobes Bild vor Augen zu haben. Auch werden äußerliche Charakteristika bei meinen Geschichten immer wieder eine Rolle spielen. Wenn irgendwer ordentlich Muskeln hat, kommt das am Anfang rein und später immer wieder hoch. Gibt ja zahlreiche Möglichkeiten, wo man das dann wieder braucht (Kampf, Schwimmen, Behandlung von Verletzungen etc)

    Ein weiterer Aspekt ist, dass auch äußerliche Merkmale sich mit der Zeit verändern. Und man würde sich ein enormes Potenzial verspielen, wenn man dieses ignoriert. Wobei das, zugegeben, nicht auf jede Geschichte zutrifft.
    Aber Menschen, die im Krieg waren, kommen meist ausgemergelt und verbittert daraus zurück. Menschen, die von Alkohol abhängig waren, haben vielleicht hochrote, aufgedunstene Gesichter. Bei Drogensucht: Ausgemergelt, zittrige Hände und fibrige Augen.

    Aber sicher ist es Geschmacksache ob man eine Beschreibung detailreich, oder nur grob reinmacht. Sicher auch eine Frage des Stils und ob das Aussehen irgendeine Rolle im Geschehen spielt. Aber nur quasi den Schatten zu beschreiben, halte ich für deutlich zu wenig.

    Sowohl nach drei Seiten, als auch direkt am Anfang passt es gut. Wenn du etwas später die Personenbeschreibung erst einfügen willst und es aus der Prota.-Perspektive schreibst, eignet sich besonders gut, deinen Prota vor einem Spiegel (Schaufenster etc) treten zu lassen. Da hast du dann einem Übergang, der absolut nicht aufdringlich wirkt.

    Aber deinen Protagonisten sollest du auf jeden Fall vor deinem geistigen Auge haben, zumindest dir sehr gute Gedanken über Aussehen und Fähigkeiten gemacht haben. Ansonsten kann es passieren , dass du im späteren Verlauf der Geschichte mit Logiklücken zu kämpfen hast.

    Ich habe jetzt schon mehrere Bücher (Thriller) gelesen, wo die Protagonisten fast gar nicht beschrieben wurden. Man erfuhr nur, ob männlich, oder weiblich, und den Namen. Und auch im ganzen Buch kam höchstens noch die Frisur, oder das die Protagonisten einigermaßen attraktiv sind. Kein Wort zum Alter.
    Das ist nicht viel.
    Eigentlich sogar viel zu wenig.

    Mit anderen Worten: Man hatte dort faktisch gesichtslose Personen, ohne festgelegtes Alter. Also einen absoluten Worst Case.


    Meiner Meinung nach: Eine gute Geschichte lebt davon, dass man solche Details am Anfang einbaut. Nicht zu früh, nicht direkt am Anfang, aber fast. Eher so nebenher die Beschreibungen einfließen lassen. Mit guten Vergleichen und Ausschmückungen. Kleinere Details kommen dann später hinzu, aber immer noch in der "Einführungsszene".
    Wenn die Details später kommen, (gerade wenn es oberflächige Dinge sind, wie das Aussehen) komme ich mir als Leser dann doch arg verkauft vor.
    Etwas völlig anderes ist die Psyche des Charakters. Die darf sich quasi erst mit der Zeit herauskristallisieren.