Wie ich schon sagte: Die Gewichtung spielt eine Rolle. Gerade wenn jemand aus der Ich-Perspektive schreibt, kann das Aussehen des Titelhelden zweitrangig sein. Und das ganz bewusst (und jetzt nur auf das Ich bezogen). Warum? Nicht, damit der Prota blass bleibt (wobei das die Gefahr sein kann, allerdings sind Äußerlichkeiten zweitrangig, um einen "schillernden" Charakter mit Persönlichkeit zu schaffen), sondern weil der Leser selbst drinstecken soll. Das muss aber gekonnt sein und leider funktioniert das nicht immer (und ist auch nicht immer die beste Wahl).
Ein sehr gutes Beispiel, wo das geklappt hat, war die Spieleserie Halo. Du hattest dem Protagonisten, der nur mit seinem militärischen Rang (MasterChief) angesprochen wurde. Er war gesichtslos, weil er in einer Ganzkörperrüstung steckte. Die einzigen Charakteristika die man mitbekam, war eine angenehme, kräftige Stimme und das er männlich war.
Hier hat es tatsächlich gut funktioniert. Es war zwar ein PC-Spiel, kein Buch, aber im Kern vergleichbar. Zwar hat man dann in den folgenen Teile das ganze Potenzial verbraten, aber der erste Teil war tatsächlich perfekt gelungen, was auch die enorme Beliebtheit erklärt.
Aber das ist eine Gradwanderung. In anderen PC-Spielen, wo man ebenso gesichtslos ist, hat das zum Beispiel nie geklappt. Das lag zum größten Teil aber auch an der völlig bescheuerten Hintergrundgeschichte.
Wenn ich zu den erwähnten Bestseller-Thrillern zurückkomme: Hier hat die Autorin den Fokus auf die Ermittlungsarbeit gelegt. Das war erfolgreich, aber eine gute Geschichte lebt mitunter auch vom Privatleben und hier gab es dann krasse Logikprobleme, vor allem wegen der fehlenden Beschreibungen.