Beiträge von Thorsten im Thema „Worldbuilding“

    @Asni

    Ich bin mir nicht sicher ob 'sprachliche Vielfalt' beim Leser so gut ankommt. Ich mach' ja Linguistik als Hobby, und natuerlich sind Sprachen in dem was ich so schreibe prominent vertreten - oft das Uebersetzungsproblem (es kann unmoeglich sein einen Ausdruck in einer Sprache genau in eine andere zu uebersetzen) - mich persoenlich fasziniert das und ich haenge auch viel Zeit in konsistente Phonologie von Namen etc. rein - nur dass jemand (ausser @Katharina die ich nun ueber die Linguistik kennengelernt hatte) positiv kommentiert ist mir leider nicht untergekommen.

    Die Geschichte wird halt schwieriger wenn der Protagonist die lokale Sprache nicht kann, er wird hilfloser und distanzierter vom Geschehen, und wenn er jetzt ueber zwei, drei Brocken nachdenkt die er versteht - moegen viele nicht lesen, haelt die Action auf :)

    Warenstroeme geben natuerlich gut was her - Karawanen, Seehandel, Piraterie, Raeuberbanden, Blockaden im Krieg - das sind alles Themen die daran aufgehaengt werden koennen.

    Nach dem was ich gehört habe ist es aber so, dass in mitteralterlichen Settings die nur die maximale Bewohneranzahl von 50.000 realistisch ist.


    Staedte waren im Mittelalter historisch oft nicht viel groesser - aber das ist jetzt kein fundamentales Problem, in der Antike war Rom sehr viel groesser als das, Byzanz ebenso, die Europaeer standen staunend vor einer Stadt wie Tenochtitlan die um 1500 gut 400.000 Einwohner hatte, viel mehr als sie kannten. Eine nicht-technische Gesellschaft kann schon prinzipiell in viel groesseren Metropolen leben.

    Der Schluessel (und der Punkt den Du vermutlich ausarbeiten musst) ist die Versorgung der Metropole - Rom wurde regelmaessig von Getreideschiffen angelaufen die aus den Provinzen Korn fuer die Hauptstadt herbeischafften - aus dem Umland schafft man es nicht mehr ohne weiteres, solche Staedte zu ernaehren. Das gleiche gilt fuer Feuerholz - der Bedarf des roemischen Reiches an Holz hat tatsaechlich historisch die Waelder Nordafrikas auf dem Gewissen, die wurden abgeholzt und ueber's Meer transportiert, und schon der Hunger der mittelalterlichen Staedte nach Bau- und Feuerholz haette beinahe die deutschen Waelder ruiniert - nur die Industrialisierung und der neue Fokus auf Kohle und Oel als Brennstoffe hat das zufaellig verhindert.

    Ausserdem hilft eine gute Kanalisation Seuchen zu vermeiden - Rom hatte Aquaedukte und das System der Kloaken, Tenochtitlan war in wesentlichen Teilen schwimmend und konnte Abwasser ueber den See entsorgen - eine halbe Million Leute ohne Kanalisation sitzt schnell in ihren eigenen Rueckstaenden...

    Ich gehe davon aus das im Mittalalterlichen Rom außer den Gebäuden(bzw. deren Ruinen) nicht so viel vom alten Rom zu sehen war

    Naja, es war zu Goethe's Zeiten ein Reiseziel eben wegen dem was aus der Antike da war, und ich denke so wahnsinnig viel ausgegraben hatte man damals noch nicht.

    St. Paul vor den Mauern etwa wurde 324 geweiht, und es gibt einen erhaltenen Triumphbogen mit Mosaiken aus dem 5. Jahrhundert wo Personen zu sehen sind. Das ist jetzt eine der Grosskirchen Roms - die kennt ein Reisender schon.

    In den Abbildungen und Darstellungen die mir so einfallen, tauchen auch nicht viele Militärische Motive auf

    Ich wuerde nach Kreuzigungsszenen in Manuskripten fahnden - da sollte Longinus drauf sein.

    Nach 5 Minuten suchen - hIer ist eine Darstellung aus einem Florentiner Fresco von 1400 wo die Ausruestung nicht voellig abwegig ist.

    Nachdem ich grade einen Bildband ueber die Gralslegende aus der Bibliothek da habe, habe ich kurz da auch die Probe aufs Exempel gemacht was man da so sieht. Aus einem Manuskript in einer Klosterbibliothek etwa eine Darstellung des Abendmahls aus dem 5. Jahrhundert - jeder Kopist dieses Werkes muss gesehen haben dass das nicht mehr die Kleidung von heute ist.

    Zwei ganz unterschiedliche Darstellungen von Galahad der an die Tafelrunde tritt aus dem 11. Jahrhundert - eine zeigt die Ritter ganz klar in zeitgenoessischer Hofmode, aber die andere zeigt sie in roemischer (!) Kleidung (und Frisuren).

    Also - auch nach ein bisschen mehr Recherche - ich bleibe dabei, gebildete Leute konnten schon eine Ahnung haben was die in der Antike so getragen haben und was fuer Ausruestung sie hatten - und wussten das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch - es war nur keinem besonders wichtig.


    Auch sind die ganzen Bilder sei das in Kirchen oder später auch auf Leinwand etc. ja eigentlich auch nie von Mönchen gemacht worden.

    Jo - ich meinte schon primaer Illustrationen in Manuskripten - die sind ja von Moenchen gemacht worden. Ich denke Frescos und Mosaiken waren schon der Entwurf des Kuenstlers - der musste den Auftraggeber ueberzeugen, aber dem war historische Genauigkeit eben in der Regel auch egal, und der Kuenstler hat meistens zu den Modellen gegriffen die er hatte. So stell' ich mir das jedenfalls vor.

    Vermutlich waren es bei den Abbildungen eine Mischung aus beidem: Teils der Stil (wobei sich das mit den aktuellen Waffen ja über Jahrhunderte und diverse Stile und Kunstformen zieht), teils fehlendes Interesse und fehlendes Wissen

    Ich denke das fehlende Interesse war ein wichtiger Punkt - die 'innere Wahrheit' einer Geschichte war halt wichtiger als das 'wie es wirklich war' (wenn man heute eine Wagner-Oper anschaut sieht man ja ein aehnliches Thema - die sind normalerweise weniger in historischen Kostuemen inszeniert sondern halt auf das 'heute' getrimmt). Der Illustrator wollte ein Thema fuer seine Umgebung rausarbeiten - und fand es nicht schlimm dazu Motive aus seiner Umgebung zu nehmen (exotischere Settings wie das heilige Land kannten ja auch viele vom Hoerensagen und weniger aus eigener Anschauung) - da malt man den Stall dann lieber so, wie man ihn kennt - war ja nicht wichtig wie es wirklich war.

    Es ist jetzt eine Frage des 'wo' und 'wer' - finnisches Mittelalter war ja wieder ganz anders, da ist 1300 noch nicht viel im Hinterland christianisiert - aber ich denke gebildete und weit gereiste Leute (grade Moenche) hatten schon ein gutes Gefuehl dafuer wie die Antike war - und dass die anders war. Man kann nicht Xenophon 'Anabasis' lesen und auf die Idee kommen dass da ein Ritterheer wie man es kennt beschrieben wird. Wer in Rom war, hatte die Chance Statuen und Mosaiken aus der Antike zu sehen - da kommt eigentlich Kleidung und Alltag der Roemer ganz gut raus.

    Nur - ich denke die genauen Einzelheiten waren nicht so wichtig. Der Punkt an der Geschichte von Sankt Martin war, dass er seinen Mantel geteilt hat - ob der jetzt als roemischer Hauptmann oder Ritter dargestellt wird aendert den Punkt nicht, und kein Rom-gereister Moench haette seinen Kollegen dafuer kritisiert da einen Ritter zu malen weil Roemer nicht so aussahen.


    Was sich da dann auch immer wieder findet, sind ja auch "religiöse" Zahlen und Verhältnisse, allerdings scheint mir da ja was zu jeder Zahl zu existieren


    Ja - aber jede Zahl bedeutet symbolisch was anderes. Aber die 12 ist zum Beispiel fuer die Kirche wichtig das ist goettliche Ordnung - waehrend die 13 gar nicht gehen wuerde - das ist eben die Uebertretung der goettlichen Ordnung/

    Geometrie war ja eine der antiken Wissenschaften die in sehr hohem Ansehen standen - eben weil man der Ueberzeugung war, darin das goettliche Ideal zu sehen (das der Architekt dann, wenn auch unvollkommen, realisieren kann).

    Dass man Sakralbauten im Mittelalter nach Geometrie und Zahlenverhaeltnissen angelegt hat denke ich schon - nur der Rest der Stadt ist da schwieriger. Aber nachdem mittelalterliche Staedte ja oft primaer ummauerte Kirchenansammlungen waren und eigentlich (grade am Anfang) laecherlich wenig Bewohner fuer die Zahl der Kirchen hatten reicht das vermutlich oft schon, um die Geometrie des Stadtplans zu beeinflussen)