Beiträge von Miri im Thema „Verrat (eine Kea-Kurzgeschichte)“

    und wieder ein kleiner - diesmal sehr kleiner - Ausschnitt aus Keas Leben ... :)

    Verrat


    Ich atmete einmal tief ein und blinzelte die Tränen in meinen Augenwinkeln zurück. Mir war nur zu bewusst, dass Lys mich beobachtete und ich wollte nicht, dass er sah was in mir vorging.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch er mich verlassen würde. Wir waren ein Team gewesen. Hatten Höhen und Tiefen zusammen gemeistert, aber es war von Anfang an klar gewesen, dass jeder gehen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Ich hatte nicht gewusst, dass Al bewusst nach einem Weg gesucht hatte, um bei den Füchsen auszusteigen und ein wenig tat es weh, dass er mich und Lys so außen vor gelassen hatte.
    Aber ich verstand ihn zu gut. Was hätte er denn sonst tun sollen? Niemand war gerne Fuchs und dass sich einem von uns jemals die Möglichkeit bieten würde auszusteigen, daran hatte ich nicht mal im Traum gedacht.
    Ich kleisterte mir ein Lächeln ins Gesicht, als Al auf uns zukam, um sich zu verabschieden. Wir sagten nichts. Es brauchte keine Worte. Allein seine Umarmung reichte, um zu erkennen was er fühlte. Glück und Erleichterung, keine Spur von Reue, dass er uns im Stich ließ. Augenblicklich verschloss ich mein Herz vor ihm. Ich liebte Al wie einen Bruder und wahrscheinlich liebte er uns ebenso, doch im Moment kam es mir so vor als wären seine Gefühle nie echt gewesen – oder nicht so stark, wie ich geglaubt hatte.
    Ich unterdrückte ein Seufzen und beobachtete, wie sich Lys und Al voneinander verabschiedeten. Auch Lys lächelte, doch ich konnte in seinen Augen nicht lesen, ob es aufrichtig war.
    Schweigend sahen wir zu wie Al in den Helikopter einstieg, der ihn von uns weg ins richtige Leben tragen sollte.
    Ich unterdrückte ein Seufzen und erwiderte den letzten Gruß von Al, der seine Hand hob und uns ein letztes Mal zuwinkte, ehe der Heli abdrehte und wir aus seinem Blickfeld verschwanden.
    Wir würden nicht mehr als ein vage Erinnerung bleiben, wenn er glückliches Leben außerhalb von Blut und Gewalt führte. Unsere Gesichter würden verblassen. Nichts weiter als Zurückgebliebene. Zurückgeblieben in einer Hölle, die mich innerlich verbrannte. Aber was zählte mein Schicksal, wenn es ihm gut ging? Die Welt war voll von Kollateralschäden. Was spielte da einer mehr oder weniger eine Rolle, wenn es zeitgleich einem weiteren Menschen besser ging?
    „Kommst du?“, drang Lys Stimme an meine Ohren. Er war schon ein paar Schritte gegangen und wartete im Staub der Wüste auf mich. Seine Stimme klang wie immer. Brüderliche Liebe schwang darin mit, aber sie drang nicht an mich. Bald würde auch er mich verlassen. Vielleicht war ich einfach nicht dazu gemacht hier ebenfalls rauszukommen, sondern musste bleiben, um stark für all jene zu sein, die – wie ich – bleiben mussten. Ich zwang meine Schultern sich zu entspannen und meine Füße sich in Bewegung zu setzen. Meine Schritte wirbelten Staub auf, der sich hell auf meine schwarzen Stiefel legte. Lys legte mir einen Arm um die Schultern, als ich ihn erreichte. Auch diese Geste verfehlte ihre Wirkung. Ich hatte mein Herz eingeschlossen in einer Mauer aus Emotionslosigkeit. Und ohne Herz erklang auch meine Seele nicht mehr. Lys schien zu bemerken, dass der raue, in den Untertönen dennoch sanfte Klang, der mich sonst umgeben hatte, verschwunden war. Prüfend sah er mich an.
    „Das geht vorbei“, murmelte er. Ich sah zu ihm auf. Normalerweise ärgerte es mich, dass er mich um eineinhalb Köpfe überragte, aber gerade war es mir egal.
    „Woher willst du das wissen?“
    Lys lächelte rätselhaft und mir fiel ein, dass Al bei weitem nicht der Erste war, den wir hatten gehen sehen – in welcher Weise auch immer.
    Dennoch: Ich hatte Al geliebt und ich hatte geglaubt, dass er das Selbe für uns empfunden hatte. Dass er mit Absicht nach einem Weg gesucht hatte uns zu entkommen fühlte sich wie Verrat an. Auch wenn ich wusste, dass er nicht uns, sondern den Füchsen hatte entkommen wollen.