Hallo liebe Community,
hier ist das vierte Kapitel des Verliesbaumeisters.
Viel Spass beim lesen und kommentieren.
4. Kapitel
Lehrjahre bei den Zwergen, sind...
Wir werden von unseren neuen Freund, der sich als Griesbart vorstellt, in eine monumentale Zwergenfeste geführt. Grob beschrieben besteht sie aus einem ausgehöhlten Berg. Sie müssen sich schon vor Jahrhunderten hier niedergelassen haben.
Niemals wäre das in der Dauer von einem oder zwei Menschenleben möglich gewesen.
Von außen ist sie etwas bescheiden. Gut, an strategisch wichtigen Stellen sind Türmchen und Brustwehre an diesem Berg zu sehen.
Ich male mir gerade in meinem geistigen Auge aus, von wo ich am besten die Feste angehen würde. Mit Belagerungsgerät ist so manches machbar.
Das Gerät den Weg hier herauf zu schaffen ist schon die Hölle und dazu ist man noch in einer direkten Schussbahn. Mir ist aufgefallen, dass manche Türme so platziert sind, um den Angreifer in die falsche Richtung zu locken. Selbst bei Magie sind sie gut gewappnet. Immer wieder kann ich Bannrunen sehen.
Ja, ja, die Zwerge, wenn die nicht wollen, frustrieren die jeden.
Im Inneren ist es alles andere als bescheiden. Mit Kristallen ist vieles gut ausgeleuchtet.
Die Waffen, Rüstungen, Türschlösser und andere Eisenteile zeugen von hoher Handwerkskunst. Steinmetzarbeiten sind einfach und solide gehalten, aber auch da ist viel Geschick und Präzision zu bewundern.
Griesbart hat uns ausdrücklich darauf hingewiesen, nur auf Holzstegen mit hüfthohem Geländer zu laufen. Schon sonderbar. Ein Holzsteg in einem Steingang. Es ist kein Wasser zu sehen. Bestimmt wegen Fallen. Die Stege können jederzeit entfernt werden.
Wie draußen, sind auch hier immer wieder Runen an den Wänden zu sehen.
Mit den Kisten wird es jetzt eine umständliche Schlepperei auf diesen Holzdingern.
In vielen Gängen können wir uns nur geduckt weiterbewegen, heute Abend wird mir bestimmt der Rücken schmerzen.
„Nun Griesbart, du wolltest mich noch aufklären wie die Dinge hier so sind“, forsche ich bei ihm nach.
Sylvana schließt sich dem augenblicklich an: „Ja, das wolltest du. Na komm schon. Was gibt es noch zu wissen? Ja sag mal!“
„Nun ja, so auf die schnelle...“
Nach einer Pause mit Bartzupfen und an der Nase fassen: „Es gibt bei uns ein Clanoberhaupt. Und für Euch gilt, dass er immer Recht hat.“
Spöttisch fragt sie: „Und das wäre alles? Es ist noch nie vorgekommen, dass ich mich zu Hofe einmal blamiert habe. Und ich habe auch vor, dass es so bleibt“, betont sie noch mal mit Nachdruck.
„Das kann bei weitem nicht alles sein. Meister, wenn der uns was vorenthält, steht ihm nichts aus dem Schatz zu. Rein gar nichts.“
Da ist was dran. Wenn die Verhandlungen scheitern, können wir die Verliesbaukunst bei irgendwelchen degenerierten Erdferkeln lernen.
Sylvana fürchtet sich bestimmt mehr sich lächerlich zu machen.
Mein Zwergenfreund bleibt jetzt stehen, dreht sich zu uns um und mustert uns ein Weilchen. Von Kopf bis Fuß. Und erklärend im herablassenden Ton, wie zum Beginn unseres Kennenlernens: „Unserem Clanoberhaupt ist es schon bewusst, dass er es hier mit Barbaren zu tun hat, deren Kultur, wenn man es überhaupt so nennen kann, nicht mal ansatzweise mit unserer mithalten kann. Deswegen wird er selbst bei gravierenden Fehlverhalten mit Euch nachsichtiger sein.“
Ich glaube, mein Täubchen wird sich gleich vergessen und ihm kräftig eine langen.
Ich lege ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Sie entspannt sich erstaunlich schnell. Ich frage ihn: „Wie sieht denn euer Oberhaupt den überhaupt aus? Wie heißt er den?“
Mit stolz geschwellter Brust verkündet er kräftig: „Es ist Gomlan, der Sohn des Lundor, Beschützer der Feste und der Einiger aller Clans.“
Dann fährt er fort: „Ihr werdet ihn daran erkennen, dass er den dicksten Bauch und helle weiße Haare hat. Sagt mal seit ihr Zauberwirker?“
„Nein.“
„Nein.“
„Da bin ich aber beruhigt“
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Früher hätten wir beide uns noch wissende Blicke zugeworfen. Insgeheim wissen wir, dass das uns schon verraten könnte. Mit der Erfahrung haben wir gelernt, uns in der Öffentlichkeit mit Bescheidenheit und Tugend zu maskieren. Zu oft ist bei den anderen arges Unbehagen geweckt worden. Nicht dass wir es richtig nötig hätten, doch es ist immer gut, bei einem Opfer erst Befürchtungen zu wecken, wenn es schon zu spät ist.
„Erregt Schönheit auch den Verdacht der Zauberei? Nicht das ich dich jetzt ängstigen will, Griesbart. Schau mich doch mal genauer an.“, fragt die holde Eitelkeit mit einem selbstgefälligen Lächeln.
„Da kann ich Euch beruhigen meine Verehrteste. Ihr seid nämlich nicht schön.
Schöne Frauen haben bei uns Zwergen einen dünnen Bart am Kinn. Ihr habt keinen.“
„Och...“ Und jetzt wirft sie mir einen Blick zu, als ob der das doch nicht ernst gemeint hat. Ich nicke nur grausam zurück.
„Mir tun so die Füße weh“, nörgelt Sylvana. „Wir sind gleich da“, beruhigt sie Griesbart. Nach vielen Treppensteigen in dem geordneten Labyrinth, mit Stolpergefahren durch die kleinen Stufen, kommen wir zu einem breiten Gang.
Gut mit kunstvollen Fackeln ausgeleuchtet, und leicht mit riesigen Kutschen zu befahren. Das Erscheinen des Ganges dient auch, um eine Gesandtschaft gebührend zu empfangen. Und jetzt, wo ich und meine Dame aufrecht gehen können,
fühle ich mich endlich wieder wie ein Fürst. Teppiche sind nicht ausgerollt. Ein marmorähnlicher Steinboden mit schönen Einmeiselungen macht es mehr als wett.
Die Beleuchtung wird immer heller.
Wir nähern uns einer großen Halle.
„Das ist unsere Clanhalle“, verkündet Griesbart mit großem Stolz.
Die Clanhalle selbst ist atemberaubend schön. Sie hat eine Dachkuppel mit türkisfarbenen Kristallen, die es möglich machen Sonnenlicht reinzulassen.
Durch die Kristalle wird das Licht bläulich, und geht harmonisch fließend in das rötliche goldbraune Licht des Bodens über. Obwohl die Halle fast nur steinern ist, strömt aus dem Boden eine angenehme Wärme. Ob das Magie ist?
Jetzt kann ich an den Wänden viel Bernstein ausmachen.
Die Farben sind perfekt auf das Licht der Fackeln abgestimmt.
Viele Fackelfeuer sind nicht nur auf Holzstielen, sie sind auch auf steinernen Pyramidenblöcken zu bewundern. Weiter oben ist passend zum bläulichen Licht Jadegestein eingesetzt. Selbst bei genauem Betrachten, ist es kaum möglich das Bläuliche vom goldbraunen Licht abzugrenzen. Mal sehe ich nur blaues und dann nur goldenes Lichtspiel.
Die Halle selbst ist mehreckig, viele Treppen führen nach oben und nach unten.
Wappen der jeweiligen Zwergensippen sind an verschiedenen Stellen zu sehen.
Jetzt wird Musik gemacht.
Dumpfes und tiefes Getrommel begleitet mit dröhnenden Hornklängen.
Ein paar meiner Schützlinge mussten sich die Ohren zuhalten.
Diese Klänge sind darauf hin gnädig verstummt..
Die Zwerge haben sich in festtägliche Gewänder geworfen.
Ein paar tragen Roben und Tuniken aus hellen Leinen dass bis zum Boden geht.
Ich sehe auch Zwerge mit weicher und gehärteter Lederkleidung, in denen schöne Steine eingesetzt sind. Viele Zwerge laufen in der Halle erstaunlicherweise barfüsig herum.
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Mit ihren runzeligen Bratapfelgesichtern, mustern sie uns neugierig und misstrauisch.
Ein paar mit sichtlichem Erfreuen. Denn Fremde bringen immer neue und aufregende Geschichten von außerhalb in ihre vertrauten Umgebung mit.
Geschichten die so aufregend sein können, dass sich sogar einer von ihnen mit voller Begeisterung auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise begibt und oft was ganz anderes findet, nur nicht das weswegen er ursprünglich los zog.
Besonders neugierige von ihnen wollen mit uns jetzt nähere Bekanntschaft schließen.
Doch das ist nicht so einfach. Die einzigen, die überhaupt bei dem Andrang die Sprachen übersetzen können, sind bis jetzt nur Griesbart und Sylvana.
Erschwerend kommt noch dazu, dass die kleinen Kinder sich hurtig hinter ihren Eltern verstecken, sobald sie meiner reizenden Sylvana näher ins Gesicht blicken.
Ist sie etwa schlecht gelaunt?
Griesbart helft uns das Gepäck in eine sichtbare Ecke der Halle abzustellen.
Viele der Zwerge haben Bärte, die strubbelig sind, ein paar die geflochten sind und manche sind nur einfach gekämmt. Der Bart kann auch auf eine Clanzugehörigkeit hinweisen. Zwergenfrauen haben an ihrem Kinn Bartansätze,
wie wir ja bereits von Griesbart erfahren haben. Gute Organisation ist bei ihnen zu sehen.
Ich kann mich erinnern, woanders als Gast bei Nachmittagssonne angereist zu sein, und zu essen gab es frühestens bei Sonnenuntergang.
Das ist hier überhaupt nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Wir sind noch nicht sehr lange in der Feste und sitzen bald zu Tisch.
Und jetzt schon von den ganzen Eindrücken erschlagen. Meine Diener sind extrem ängstlich und verstört. Das sehe ich, wenn sie sich eng zusammendrücken, um sich gegenseitig bei Furcht zu wärmen. Sie sind mucksmäuschen still. Kein übliches Geschranze oder Gepiepse wie noch bei mir daheim im Turmkeller.
Nein, ich darf nicht daran denken.
Es ist zu erkennen, bei welchen Zwergen großer Wohlstand zu sehen ist.
Doch anpacken tun sie alle. Ein sehr tüchtiges Völkchen. Ich glaube,
ich kann sogar das Clanoberhaupt unter den Arbeitenden ausmachen.
Hatte der den nicht ganz weise Haare? Und schon sind sie fertig.
Die steinernen und hölzernen Tische sind reichlich mit verschiedenen Köstlichkeiten gedeckt. Trinkgefäße sind klein, einfach gearbeitet und aus Silber und Zinn, Bierkrüge sind aus weißem Stein und Besteck besteht nur aus Löffel aus Ziegenhorn.
Es ist hier bestimmt üblich, das Essen in mundgerechte Stücke zu schneiden.
Die Speisen sind kalt, aber nicht lange. Es werden bereits leckere Fleischstücke im offenen Feuer gebraten. Ein Kesselchen mit frischem Gemüse wird über eine der Fackelpyramiden gehängt.
Nach und nach nehmen die Zwerge auf ihren Sitzstellen platz.
Wir werden auch zu einer Stelle nahe dem Feuer mit den Speisen hingeführt.
Griesbarts Aufgabe ist schon lange erledigt. Er kriegt seinen versprochenen Anteil und ist nicht mehr gesehen. Noch bevor er in die Truhe griff, hatte Sylvana noch ein aufgesetztes Lächeln. Danach als Griesbart die, von mir versprochenen, Handvoll Juwelen einsteckte, ist ihr Lächeln gänzlich verschwunden. Sylvana hatte Griesbart noch nicht richtig kennen gelernt, doch hassen tut sie ihn schon jetzt.
Logisch dass sich das ganze Zwergenreich das Mundwerk, beim Anblick dieser Reichtümer, zerreist.
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Gut ist, daß sie einen Holztisch für Menschen hingestellt haben,
sonst wäre das Sitzen echt eine Qual.
Der Clanoberste lässt auch nicht mehr lange auf sich warten.
Jetzt steht er vor mir. In voller Lebensgröße. Da ich schon platz genommen habe,
können wir uns in die Augen sehen. Genau wie Griesbart ihn beschrieben hat.
Schneeweise Haare und ein Bauch so umfangreich und kugelrund,
dass er ins rollen kommt, wenn er mal stürzen sollte.
Ich habe Mühe nicht sofort anzufangen zu lachen.
Das soll für einen Praktizierer der schwarzen Künste schon was heißen.
Viele von meines gleichen können sich nämlich an ein Lachen nicht mehr erinnern.
Ich dachte auch eine Zeit lang nur aus Schadenfreude lachen zu können.
Wann habe ich eigentlich das letzte Mal richtig herzlich lachen müssen?
Ich kann mich auch nicht mehr erinnern.
Und immer noch mustern wir uns eine ganze Weile. Ich mit der Neugier eines Kindes.
Zwerge können sehr alt werden, er könnte gut meinem Urgroßvater begegnet sein.
Sein Gesicht ist leicht gerötet und hat tiefere Falten, als die anderen Bratapfelgesichter
der Dickschädel. Was es angenehm aussehen lässt. Es sind viel Denk- und Lachfalten zu sehen.
Der schneeweiße Bart hat an ein paar Stellen Zöpfe, die dezent mit Seiden- und Lederschnürchen eingeflochten sind. Auf den Kopf trägt er einen mit Runen besetzten Stirnreif, das ihn wahrscheinlich als Clanoberhaupt autorisiert. Kleidungsstücke sind einfach gehalten. Er trägt eine hellbraune Tunika, die mit einem breiten Gürtel mit runder Schnalle zusammen gehalten wird. Hose ist grau und durch die lange Tunika kaum zusehen. Stiefelchen sind rotbraun und aus ganz weichem eingefettetem Leder.
Er ist mir sympathisch. Er hat so eine kumpelhafte Art an sich. Klar, er ist der König der Dickschädel, aber ich mag ihn. Wir sind uns ein gutes Stück näher gekommen.
Jeder wartet noch darauf bei den Verhandlungen, den ersten Schritt zu machen.
Der erste Eindruck ist immer der Beste oder der Schlimmste und es gibt für ihn keine zweite Chance. Der ist, zum Glück, schon mit den Blicken entschieden worden.
Griesbart hätte ich an einem schlechten Tag mit einem grünen Blitz erledigt.
Mit so einer hochnäsigen Art hat der wenig Freunde. Bei Gomlan kann ich mir es nicht im Geringsten vorstellen.
Und ich bin wirklich nicht für Nettigkeit oder Sinn für Humor bekannt.
Das Ganze scheint noch eine Ewigkeit zu gehen. Ich fühle etwas sehr schweres in der Luft. Und immer noch will keiner den ersten Schritt machen.
Auch nicht Sylvana, die in der Verhandlungskunst eine wahre Meisterin ist.
Ich verstehe, wir haben beide was zu verlieren. Ich die Geheimnisse der Verliesbaukunst und Gomlan den Schatz.
Meine andere Sorge ist, dass meine redselige Dame den Fehler macht, die neue
Menschensiedlung zu erwähnen. Friedheim darf unter keinen Umständen erwähnt werden, das würde meine Verhandlungsposition empfindlich schwächen.
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Er muss sich die ganze Zeit Sorgen machen, dass ich jederzeit die Verhandlungen abbrechen werde, und mit dem Schatz woanders mein Glück versuche.
Darauf kann ich bauen. Schnell darauf hin arbeiten, dass er einschlägt.
Mit Gewalt wird er mich hier nicht festhalten, ich bin hier nicht bei einem Banditenkönig. Die Zeichen stehen gut.
Er wird einschlagen, jetzt gilt es sich so teuer, wie nur möglich, zu verkaufen.
Ich bin gerade dabei meine Lippen zu bewegen, da fängt schon Gomlan an zu sprechen:
"Ich bin äußerst erfreut so einen hohen Besuch empfangen zu dürfen.
Ihr müsst der Bestienmeister aus dem Monsterwald sein. Und das muss ..."
"Sylvana", unterbrach meine Schönheit ihn, und will gerade das Heft in die Hand nehmen. Nun, ich habe gelernt die Initiative zu verzögern.
Und tatsächlich sie legt nun richtig los: "Und ich biete Euch, in aller Bescheidenheit, meine Dienste an. Was immer Ihr für ein Anliegen habt, ich werde es erfüllen."
Sie will ihn gerade einlullen.
Nun wieder Gomlan: "Oh, zu viel der Ehre von einer Dame von solchem Stand und Würde. Ich bin so gerührt, dass ich Euch um etwas bitten möchte. Es würde mich sehr betrüben, wenn Ihr und der Bestienmeister es abschlägt."
Mir kommen die Tränen. Ein Herrscher in dieser Position hat es schon längst gelernt mit
Ablehnung umzugehen. Den Herrschersitz bekommt man niemals gewährt.
Man muss sich ihn erkämpfen, sich ihn verdienen und er ist niemals für einen Schwächling bestimmt. Größe zu besitzen bedeutet auch Einsamkeit ertragen zu können. Und warum soll das bei den Zwergen denn anders sein?
Mich interessiert, was er jetzt mit ihr vorhat. Der Verhandlungstisch ist ihr Schlachtfeld, darum werde ich sie ins Gefecht schicken, denn jetzt steht sie unter meinen Banner und meiner Befehlsgewalt.
"Sylvana wird Euch mit besten Wissen euren Wunsch erfüllen und mit Verlaub, Ihr habt euch noch nicht vorgestellt."
"Oh, verzeiht. Ich bin Gomlan der Sohn des Lundor."
Ich nicke anerkennend, deute mit der Hand sein Anliegen vorzutragen und er ergreift wieder das Wort:
"Als Zeichen meiner besondern Wertschätzung, möchte ich Euch die, große Ehre entgegen bringen, mit mir trinken zu dürfen. Das gewähre ich nicht jedem. Seit ihr damit einverstanden?" Ich zu ihm: "Einverstanden."
Der Zwergenfürst hebt seine Hand. Dann signalisieren seine Wurstfingerchen eine drei.
Und schon kommt eine blonde vollbrüstige Zwergin mit einem Tablett angelaufen, auf der drei weiße Steinkrüge zu sehen sind. Sie lächelt uns, mit großen warmen braunen Augen, lieb an und sagt mit kräftiger Stimme: "Wohl bekommt´s.“
Wir nehmen die Krüge und sie geht wieder zu den anderen Zwergen.
Gomlan meint freundschaftlich: "Um eure Zugehörigkeit zu demonstrieren,
lehrt den Krug mit ordentlichen Schlücken und ihr seit schon so gut wie bei uns aufgenommen."
Wir stehen alle auf und nehmen die Krüge in die Hand. In den Griff passen von mir nur drei Finger rein. Ich schau mir das Gebräu mal etwas genauer an, mit dem wir da anstoßen. Es sieht sehr abgestanden aus. Nur eine dünne Spur von Schaum.
Es muss Bier sein. Es ist so dunkel wie die Nacht, mit einer Spur braun drinnen und mit einem leichtem metallischen Glanz. "Zum wohl mein neuer Freund", sage ich zu ihm, dann zu der Hexe meines Vertrauens: "Zum wohl, Sylvana." Wir stoßen an und leeren die Steinkrüge mit einem Zug. Es schmeckt bittersüß, läuft warm und wie Öl den Hals hinunter. In der Bauchgegend angekommen, wird es immer wärmer und schließlich heiß. Das Wärmefeld bewegt sich in meine Herzgegend, zum Bauch wieder hinunter und dann bleibt es bei mir im Kopf hängen. Hui, ein wirklich starkes Gebräu. Ich fang an alles doppelt zu sehen und trüb dazu.
Ich höre etwas plumpsen und sehe die Hexe nicht mehr. Nanu, wo ist sie den hin? Sie ist noch da am Tisch zusammen gesunken. Ihre Haare haben sich darüber verteilt.
Ich ordne die Haare und gebe ihr einen sanften Schubs. Nichts. Sie ist völlig bewusstlos. Mehr Ehre, als sie vertragen kann. Verdammt, er hat meine Verhandlungskünstlerin ausgeschaltet. Das ist gar nicht gut. Jetzt wird es kompliziert. Was soll ich den jetzt bloß machen?
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Wütend fange ich an, den Krug hart auf den Tisch zu schlagen.
"Bitte verzeiht...", beschwichtigt Gomlan väterlich mit seinen kleinen Händen.
Ich werfe ihm einen bösen Blick zu. Schweigend schau ich nun zu dem großen Ausgang.
Nach einer Weile blicke ich zu meiner Sylvana und fühle, ob ihr Herz noch schlägt.
Ich murmle einen kleinen Lebenszauber, der hilft Vergiftungen zu schwächen.
Mit meiner Hand, von oben zwischen ihre Schultern, berühre ich ihre Haut so, dass man die Hand unter ihrem Gewand nicht leuchten sieht.
Bald bekommt sie wieder einen klaren Kopf. In dem Krug werfe ich einen prüfenden Blick und lasse Gomlan hineinschauen.
Der zupft sich nachdenklich den Bart, um sich eine kleine Rede zurecht zulegen.
In der Clanhalle ist es sehr still geworden. Man kann einen Glassplitter fallen hören.
"Was ist da drin? Das ist kein Bier, wie ich es kenne. Ich höre?"
"Das ist ein großes Missverständnis. Wir haben so selten Besuch von Menschen und dachten nicht im Geringsten daran, dass diese darauf anders ansprechen als wir."
"Was ist in diesem Getränk enthalten?" Uns als Barbaren zu bezeichnen; lächerlich.
In keinem Barbarenstamm musste ich mir so ein Gesöff geben. Dieses üble Gebräu hat in dieser "Hochkultur" einen gewissen Stellenwert.
Darum werde ich es erst mal sein lassen, den Rest im Krug einfach auf den Boden zu schütten. Jetzt fällt es mir wieder ein, für ihre Handwerkskünste sind die Zwerge berühmt, aber nicht für ihr Bier.
Gomlan spricht vortragend: "Die üblichen Zutaten für ein Bier sind Wasser, Hopfen und Malz. Wir haben das Bier noch zusätzlich mit alchimistischen Stoffen veredelt. Da wäre im großen feinster Ziegelsteinstaub, Brandwein und rote Pilze.
Ihr habt hier ein sehr teures Getränk, das noch mal mit einer feinen Briese Bleikristallstaub und einer winzige Messerspitze Asen vermengt ist.
Dieses Bier ist deswegen besonders gut, weil darin keine kleinen glitschigen Brocken enthalten sind. Das wird mit besonderen alchimistischen Bindemitteln gewährleistet, die recht teuer sind."
Als er mit diesen kleinen Vortrag fertig ist, wirkte er wieder etwas glücklicher, mich über ein weiteres Geheimnis seiner Kultur eingeweiht zu haben.
Die bringen uns hier noch um!
Ich schaue auf das Essen und verlange: "Ich möchte gerne den Koch sprechen."
Gomlan winkt nach einem Lakai und teilte ihm etwas, für mich, unverständliches mit.
Wir schwiegen wieder für ein Weilchen. Den lasse ich jetzt ein wenig zappeln.
Ich spreche wieder zu dem Zwergenfürst:
"Ich habe den Eindruck, dass eure Mahlzeiten, sagen wir, ziemlich mineralreich sind.
Bestimmt gebt Ihr euren Kindern als Bonbon Steine zu lutschen. Ist das korrekt Gomlan?" "Ja das ist korrekt, werter Monstermeister."
Er greift in eine Schüssel und reicht mir Lutschkristalle, die ich für Edelsteine gehalten habe. Ich lehne dankend ab und sage: "Der Koch soll beikommen, ich habe nicht vor, mir noch beim Essen die Zähne auszubeißen."
Ein wandelndes Quadrat mit roten Kringellöckchenbart und weißer Schürze kommt mit besorgtem Gesicht angerannt.
Ich zu ihm: "Ihr wisst was Menschen normalerweise zu essen pflegen?"
Er zuckt mit den Achseln. Na wunderbar. Ich werde immer unleidlicher und habe Hunger! Gomlan übersetzt wieder alles in seine Sprache.
Ich fahre fort: "Ihr nimmt ein Hühnchen, etwas Salz und Pfeffer, Karotten, Tomaten, Brokolie, Kartoffeln und kocht es so weich, dass man es mit der Zunge zerdrücken kann, verstanden?"
Ich habe mir das Gesicht dieses Kochs gut gemerkt. Ihm ist das auch aufgefallen.
Er hat mir bei meinen Anweisungen gut zugehört, zumindest ist das besser für ihn,
denn er weiß, dass es sonst gefährlich für ihn werden kann...
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Und wieder werden unsere Verhandlungen gestört. Derselbe Lakai bringt eine Nachricht mit angewidertem Gesicht zu Gomlan. Gomlan schaut mich mit Stirnrunzeln an.
Ich frage ihn: "Was ist los?"
"Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein…"
"Kommt zur Sache! Sprecht frei heraus", ermuntere ich ihn.
"Meinen Untertanen wird durch Euren kleinen Monstern der Appetit verdorben."
"Dem kann abgeholfen werden", lache ich.
"Ich verstehe nicht ganz... "
"Dunkelt die Halle ein wenig ab. Ich und meine Diener mögen es nicht so hell.
Dann schickt die Bastarde unter die Tische. Essen braucht ihr ihnen nicht nachreichen.
Nur ab und zu ein kleiner Happen herunterwerfen, so wie man es bei den Hunden macht. Sollten sie dann noch jemanden auf die Pelle rücken, gebt ihnen ein paar Tritte. Die sind das so gewohnt." Gomlan nickt und übersetzt das Gesprochene.
An den Augen des Lakais spiegelt sich Entsetzen und er wird von Gomlan weggeschickt, um die Anordnung so weiterzugeben.
Kaum hat es der Lakai verbreitet, ist es sehr laut in der Halle geworden.
Stimmen der Empörung, die wiederum mit lauteren Buhrufen übertönt werden.
Ich wieder zu Gomlan: "Was regen die sich denn so auf? Wenn das auch nicht in Ordnung geht, in den Keller mit ihnen. Das sind Bastarde."
Gomlan scheint noch nicht zu wissen was zu tun ist, oder er lässt die Stimmung in Ruhe erstmal abkühlen.
Ich winke Lumpi hierher und befehle ihm, dass er mit den anderen die Schatztruhe herbeischaffen soll. Prompt zur Stelle. Ich öffne sie wieder mit einer Handbewegung und hole ein wenig Geschmeide heraus. Es glänzt so schön im rotgoldenen Licht.
Und siehe da, es wird wieder still und meine verschrumpelten Bastarde können wieder ungestört weiteressen. Warum bin ich den nicht überrascht? Das gewünschte Essen wird auch schon gebracht. Na also, wieder alles im Lot. Ich schmecke noch mal das Zwergenbier ab. Es ist doch nicht so übel. Ich winke die Vollbrüstige zu mir her
und drücke Gomlan ein Krüglein in die Hand. Gomlan grunzt zufrieden und meiner Schönheit ist beim Wachwerden die Schminke verlaufen. Sie scheint noch nicht zu wissen, wo ihr der Kopf steht.
"Sind schon Betten für uns bereit Gomlan?"
"Aber natürlich, mein Freund", prostet er mir zu.
"Dann soll sich meine Holde schon mal zu Bette legen. Wir haben eine anstrengende Reise gehabt." Dankbar nickt sie mir zu und auf meinen Wink, kommt auch schon der Kampfbastard herbei und begleitet sie nach draußen. Ihre Krähe hat sich auf ihren Schultern niedergelassen. Mein kleiner Wasserspeier ist noch im Gepäck, in fremder Umgebung verfällt er zu einer Starre. Ihm ist das Ganze hier nicht geheuer.
Als ob nichts geschehen ist, eröffnet Gomlan wieder die Verhandlungen:
"Werter Meister der Monster, nennt nun Eure Begehren. Was wünscht Ihr für diese edlen Besitztümer?" Und fährt mit der Hand über diese Truhe voller Herrlichkeiten.
"Zeigt mir die Geheimnisse der Festungs- und Verliesbaukunst", verlange ich.
"Ja."
"Nennt mir die neuesten Errungenschaften im Kriegshandwerk."
"Ja, und was noch?"
"Zeigt mir insbesondere, wie man Gänge einsturzsicher macht."
"Ja, natürlich. Ist das alles?"
"Nein, ich möchte wissen, wie man Nahrungsmittel gut einlagern kann, ohne daß sie verderben."
Gomlan nickt zustimmend.
"Anbaumöglichkeiten für Pflanzen, ohne dass sie Sonnenlicht benötigen."
"Ja selbstverständlich."
"Ich möchte wissen, wie tief ich unter die Erde gehen muss ohne an der Oberfläche gehört zu werden."
"Ja, das lässt sich einrichten Meister der Monster. Was noch?"
"Wasserversorgung und Lagerung. Sanitäre Einrichtungen."
"Ja, geht es noch genauer?"
"Ich möchte von den Zwergen die Geheimnisse des Metallhandwerks kennenlernen."
"Ja natürlich."
"Dann diverse Heiz- und Leuchtmöglichkeiten."
Und zeige auf diese Kristalle in der Clanhalle.
"In Ordnung."
Irgendwie sonderbar. Das ist mal wirklich untypisch für einen dieser dickschädeligen Zwerge. Er stimmt mir in allem zu. Einfach nicht zu glauben. Oh wie wunderbar. Das Glück ist mir doch treu geblieben. Für ein bisschen Gold tun die wirklich alles. Und er ist keine Ausnahme. Ich habe diesen Handel so gut wie in der Tasche.
Und das ohne Furchtzauber oder fiesere Geistesbeeinflussungen.
Dieser alte Zausel frisst mir richtig aus der Hand. Ich schlage meine rechte Faust in die linke Handfläche. Ich grinse in mich hinein und reibe mir die Hände.
„Dann Gomlan wäre alles nötige besprochen. Schlagt ein und der Handel wäre besiegelt“, verkünde ich feierlich und reiche ihm die Hand.
„Nein“, sagt Gomlan ernst und schüttelt den Kopf.
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Ich bekomme Visionen. Visionen in denen ich Heerscharen mit einer Kampfkraft führe, wie sie diese Welt nie zuvor gesehen hat. Ich sehe meine Feinde fallen wie überreifes Obst von überhangenen Bäumen, mit Truppen unter meinem Oberkommando.
Niemand wird es in Zukunft erst zu träumen wagen mich aufzuhalten. Sie alle werden um meine Gunst streiten. Keiner wird eine Ausnahme sein. Die Welt wird mein sein, und der Monsterwald wird in alle Ewigkeit unbehelligt bleiben. Als Zeichen meiner Unbesiegbarkeit werde ich einen Turm bauen, in einer Höhe wie sie einzigartig ist. So hoch, um sogar über die nördliche Gebirgskette der Zwerge blicken zu können. Aber Moment, hab ich da nicht eben ein Nein gehört? Ausgeschlossen! Bis jetzt haben die Wenigsten es gewagt, mir zu widersprechen. Und sie wurden dafür zu Asche geblitzt. Wo war ich noch mal stehen geblieben? Ach was; er schlägt jetzt ein und gut ist.
Er schaut zu meiner Hand, die ich ihm reiche, dann mir ins Gesicht und schüttelt tatsächlich den Kopf. Der Blitz soll mich beim … Dieser elende Dickschädel!
Ich erbettle hier nichts und zahle doch gut.
„Nein“.
Da schon wieder. Und so eben rückt die Aussicht, der größte Kriegsherr aller Zeiten zu werden, wieder in weite Ferne. Ich bin schon so gut vorangekommen. Aufgeben steht nicht zur Debatte. Das will ich jetzt genauer wissen.
Ruhig und bestimmt frage ich ihn: „Werter Gomlan, Ihr habt meinen ganzen Vorschlägen zugestimmt, die selbst einem Schwerhörigen nicht entgangen sind. Mir ist natürlich schon bekannt, dass eine Verhandlung Zeit braucht, aber warum verneinst Ihr jetzt auf einmal alles?“
„Ich verneine nicht alles.“
Was hast du vor Gomlan? Mit einem Zeitspiel und dem überraschten Widerlegen von dem vorher Gesagten, hat man gute Mittel dem Gegenüber richtig vor dem Kopf zu stoßen, um dann, wenn er zornig wird, ein leichteres Spiel zu haben, während man selbst die Ruhe behält. Das ist üblicherweise Sylvanas Stil. Es kann auch sein, dass er ein ausgebuffterer Halunke ist, als ich dachte. Ich kenne ihn ja noch nicht einmal zwei Stunden. Es ist generell gefährlich, sich ganz und gar vom ersten Eindruck leiten zu lassen. Ich weiß nicht, was der schon alles getrieben hat und noch weniger, wozu der imstande ist. Viele haben sich vom ritterlichen Erscheinungsbild eines Anderen blenden lassen und sind dann bei den ärgsten Gaunern aufgesessen. Ihm war nicht klar, dass Menschen dieses Gebräu nicht vertragen können. Wirklich?
Nein alter Zausel, um mich zum Narren zu halten, musst du schon mit etwas originellerem kommen. In einem hatte er schon Erfolg, er konnte mich richtig aus der Reserve locken. Jetzt kann Gomlan sich einiges zusammenreimen. Mal sehen was er dazu noch zu sagen hat. Ich spiele jetzt mal den Ratlosen. Betrüger muss man kommen lassen. Man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie Herr der Lage sind. Und da er hier zuhause ist, wird er nicht so auf der Hut sein, wie wenn er so etwas im Monsterwald täte. Das macht das Ganze wieder leichter. Ich stelle ihm mal eine unverfängliche Frage, in der er viel Spielraum hat. Mit etwas Glück wird der alte Zwerg aus der Reserve gelockt:
„Gomlan, seit mir bitte nicht böse, aber ich verstehe den Sinn Eurer Antwort nicht.
Ich weiß jetzt echt nicht was los ist.“
Gomlan meint dazu ernst: „Mit dem Ja-Sagen eine Wertschätzung gezeigt. Auch habe ich Euch damit gesagt, dass ich zuhöre. Und zuletzt ist damit bestätigt worden, zu verstehen was Ihr meint. Das heißt aber nicht, das Ihr hier alles bekommt, was Ihr Euch wünscht.“
„Das erklärt natürlich einiges“, sage ich enttäuscht zu ihm. Ich bin schon wieder frustriert und meine Visionen verblassen immer mehr. Ich will mehr wissen: „Was spricht dagegen?“
„Dagegen spricht eine ganze Menge, Monstermeister. Das sind Kenntnisse, die nicht von heute auf morgen gelernt werden können. Hier kennt auch nicht jeder Zwerg die ganzen Handwerkskünste. Da die Lebenspanne eines Menschen viel kürzer ist, als bei uns, sind wir gezwungen einen anderen Lehrplan aufzustellen. Auch die Bastarde sind nicht für ein ehrwürdiges Alter bekannt. Das ist alles nicht so einfach. Das ist harte Arbeit. Wie lange habt Ihr und Eure Gefolgen überhaupt vor zu bleiben um zu lernen?“
„Am liebsten drei Monde“, lache ich.
„Am besten fünf Winter“, erwidert Gomlan sehr ernüchternd. Das kommt wie ein nasskaltes Tuch ins Gesicht. Jetzt kann ich mich kaum noch erinnern irgendwelche Visionen gehabt zu haben. Typische Scharlatane, die nur freundlich zu meinem Schatz sind, reden nicht so. Von denen hört man, dass das alles ganz leicht wäre und in zwei Monden längst gemacht wäre. Gomlan scheint es ehrlich zu meinen. Dies ist jetzt nicht mehr mein Terrain, ich bin nun auf alles angewiesen, was sie mir hier erzählen.
Da muss ich durch. Wenn von mir jemand wissen will, wie man den Bestien des Waldes begegnet, ist das auch nicht bei einem Krug Bier besprochen. Scharlatane haben deswegen immer so viel Erfolg, weil die meisten Leute es leicht haben wollen.
Viele würden Gomlan deswegen nicht mehr zuhören.
„Gomlan, ich bin alles andere als begeistert. Doch für Erfolg muss nun mal teuer gezahlt werden. Wer nehmen will, muss auch geben. So ist das im Leben. Wann können die Meister der jeweiligen Handwerkszünfte, oder wie man sie hier nennt, zu einer Art Ratssitzung gerufen werden?“
„Wenn Ihr es wünscht schon morgen,“, meint Gomlan, „wenn andere Pflichten getätigt sind.“
„Bei Sonnenuntergang?“
„Bei Sonnenuntergang würde passen Monstermeister.“
„Drei Dinge sollten an diesem Abend geklärt werden, Gomlan. Das erste wäre, wie wichtig es ist, Sprache und Schrift deines Volkes zu lernen. Das zweite, was man Mensch, wie Zwerg oder meinen Dienern gleichermaßen zumuten kann. Das letzte wäre das Lehrgeld. Wie viel Zeit, für wie viel Gold.“
„Korrekt, kurz und prägnant auf den Punkt gebracht“, stimmt Gomlan zufrieden zu.
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„In vielen Verhandlungen zweier Reiche ist es oft üblich, dass jede Seite einen Übersetzer dabei hat. Das hilft um Missverständnisse zu vermeiden. Geht das in Ordnung, daß meine Dame bei den Verhandlungen anwesend ist?“
Gomlan sagt dazu, „Also das ist doch mal selbstverständlich. Warum überhaupt diese Frage?“
„Nun ja, es ist in vielen menschlichen Kulturen üblich, daß eine Frau tut was ein Mann ihr sagt und in manchen nur redet, wenn sie gefragt wird. Ansonsten hat sie den Mund zu halten.“
„Ja richtig. Jetzt wo du das sagst, fällt es mir wieder ein. Ich würde vorschlagen, dass hier“, er dreht sich kurz um, „könnte man vielleicht auch wieder einzuführen. Lässt du sie denn überhaupt zu Wort kommen?“
„Ja, lass ich. Viel Blabla.“ Wir müssen beide lachen und stoßen feste an.
Das kann noch was werden. Von dem einen Übersetzer, in dem Fall Gomlan, habe ich bis jetzt nur die positiven Seiten kennen gelernt. Und doch bleibe ich dabei, ich kenne ihn noch nicht. Den anderen Übersetzer, ich meine die andere Übersetzerin, kenne ich sehr gut und dieser Person ist wirklich jede Verwerflichkeit zu zutrauen. Sobald zu viele Widersprüche auftauchen, weiß ich daß einer von beiden lügt. Ich ergreife wieder das Wort, „Ich würde vorschlagen für heute mal Schluss zu machen. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich hasse es so viel zu quatschen.“
Der Zwerg nickt und ich und der Rest meiner Diener werden in mein neues Quartier geführt. Und wieder das übliche Gängegewirr und Treppensteigen mit Stolpergefahr. Zum Glück hat die Lauferei bald ein Ende und ich komme in einen gemütlichen Gästeraum, der bis auf Fenster mit allem Komfort dienen kann. Der Rest meiner Gefolgschaft scheint in einem Raum gegenüber von mir zu kommen.
Es ist in diesem großen Raum für mich alles da, was einem adligen Gesandten würdig ist. Ein Gemälde, an dem eine schöne Gebirgslandschaft zu bestaunen ist, ein rustikaler Kamin, ein fein gestickter roter Teppich, ein Badezuber aus Kupfer und mit Stichen auf denen Drachen, Hydren und andere edle Fabelwesen zu bestaunen sind.
Und ganz zu meiner Überraschung, ein großes Bücherregal. Ich nähere mich ihm und kann feststellen, daß diese Folianten zum teil sogar in meiner Sprache zu lesen sind. Ich gebe dem Zwerg, der mich hergeführt hat, mit einer wegwinkenden Handbewegung zu verstehen, daß ich alleine sein möchte.
Wissen ist Macht. Darum schaue ich mir die Bücher genauer an. Über Zauberei ist wenig darin zu lesen. In dem oberen Regal sind alle wichtigen bekannten Lehrbücher zu finden, und auf den restlichen Regalen Bücher die der Unterhaltung dienen, wie etwa Märchen, Liebesgeschichten und Gedichtsammlungen. In den Gängen war es eben noch recht kühl, doch hier ist es durch den Kamin angenehm warm. Ich kann noch eine kleine Tür sehen. Ich öffne sie und kann auf den ersten Blick ein Zimmer mit mehreren Stockbetten sehen. Das soll für Wachen und weitere Bedienstete sein. Der Blick reicht mal für das erste. Die Tür wird wieder geschlossen.
Ich war eben noch müde, aber irgendwie ist mir jetzt nicht nach Schlaf zumute. Irgendwas liegt in der Luft. Ich schließe die Augen. Jetzt ist es besser zu hören. Mensch da war doch was. Eine seltsame Frauenstimme ist zu hören. „Seid ihr da? Könnt ihr mich hören? Wie ist es denn euch noch ergangen?“
Das ist Sylvana. Ich öffne die Augen und schau mich um. Nichts. „Ja, ich kann dich hören. Aber nur sehr schwer.“
Lachen ist zu hören.
„Wo bist du, Sylvana?“
„Ganz in der Nähe, mein Meister.“
Ich blicke mich genauer um. Ihre Stimme ist so verändert, als ob ein Geist zu mir sprechen würde. „Sylvana, ich versteh dich so schlecht.“
„Dann kommt in mein neues Gemach. Oder ziert ihr euch etwa? Das ist nicht schlimm. Dort könnt ihr mich besser verstehen.“
Ich und Sylvana verstehen. Je mehr ich es versuche, desto schleierhafter wird es.
Dafür ist sie sehr schön anzusehen. Sie macht mich wieder neugierig. Ich verlasse mein Gästezimmer und betrete wieder den kühlen Gang. Ich nähere mich einem enderen Gemach.
„Ihr müsst schon an der Tür sein.“
Ich zucke.
„Öffnet sie doch, oder habt Ihr etwa vielleicht Angst?“ Sie wird wieder spöttisch.
„Die Angst ist meine Sache, Sylvana. Ich will wissen was los ist.“
„Kommt doch erstmal herein und erzählt mir die Neuigkeiten. Ihr könnt doch auch die Gedankensprache, oder etwa nicht?“
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Ich sage dazu nichts und öffne die Tür. Sie ist schwer. Aus dunklem Holz und mit besten Eisen verstärkt. Klinke ist geölt und nicht ein leises Quietschen ist zu vernehmen. Und nun wie schon erwartet ein weiteres Gästezimmer. Was die Einrichtung angeht, haben die Zwerge einen besseren Blick, als für das Essen.
Es ist ein richtiges Damenzimmer. Der Kamin ist schlanker und graziler.
Ein rosafarbener Zuber ist zu sehen mit einem sonderbaren Lack. Darauf sind Sirenen und andere Meeresbewohner zu bewundern. Der Teppich ist etwas feiner geknüpft als meiner, der Boden ist aus poliertem Edelholz. Der Kronleuchter ist aus Kupfer und graziler als der in meinem Zimmer. Ein heller, lackierter Edelholztisch, drei kunstvolle Stühlen mit roten Samtkissen und ein Kristallschrank mit kleinen erlesenen Speisen und Getränke ergänzen das Gemach. Alles in allem um eine Idee feiner.
Sylvana sehe ich, im weißen, seidenen Nachtgewand zugedeckt und tief schlafend, auf einem hellblauen Himmelbett liegen. Das Bett selbst ist mit kleinen Engelchen geschmückt. Mir fällt wieder ein Sprichwort ein: Wenn du in das Zimmer einer Dame eingeladen wirst, kannst du sie… Ach lassen wir das.
„Da seit ihr ja, mein Meister.“
Ich schau wieder zum Bett. Keine Lippenbewegung. Sie ist mit mir telepathisch verbunden. Ich setze mich und bereite mich auf den Gedankenaustausch vor. Vorher prüfe ich, ob Geister oder andere Dimensionswesen in der Nähe sind. Ich kann nichts feststellen. Es gibt Geschöpfe, die sich richtig in dem Gedankenaustausch hinein bewegen und mit Lügen Verwirrung und Widersprüche stiften. Doch nach langem astralen Spüren kann ich nur Sylvana ausmachen.
Auch Emotionen sind intensiver wahrzunehmen. Hassgefühle und andere starke Emotionen sind äußerst schwer zu verbergen. Das weiß auch die Hexe. Ein weiterer Grund warum Hexen gefürchtet sind. Sie selbst strahlt große Überlegenheit aus. Für mich ist das nicht beunruhigend. Ein Überlegenheitsgefühl kann zu einer großen Selbsttäuschung führen. Faszinierend an ihrem Überlegenheitsgefühl ist die Harmonie und die Leidenschaft, die damit verbunden ist.
Ich spreche zu ihr in Gedanken, ohne auch nur den Mund zu bewegen: „Wie du siehst meine Liebe, bin ich auch dazu imstande. Warum muss das sein?“
Sie lacht geisterhaft. Ihr Körper immer noch friedlich schlafend im Himmelbett.
Ich verstehe. Intuitiv weiß sie die Antwort schon.
„Gomlan scheint euch sehr zu mögen. Warum nur? Was habt ihr bloß was ich nicht habe?“
„Meine Einzigartigkeit.“
„Ihr seit immer so direkt. Wann kann ich mal mit euch ein richtig tiefsinniges Gespräch führen?“
„Ich führe mit dir ein tiefsinniges Gespräch, Sylvana.“
Ein eindringlicher Seufzer ist zu vernehmen. Fast könnte ich schon glauben, dass es in den Gang hinaus schallt.
„Ich gebe es auf. Es hat auch sein Gutes. Da ich das Gefühl habe, das Ihr, entschuldigt, kein großer Kunstkenner seit, könnt ihr leichter den Anblick ertragen, wie die kleinen Bartmännleins eure Schmuckstücke in Einzelteile zerlegen werden. Und jetzt sagt bitte bloß nicht, daß ihr das nicht gewusst habt, Meister. Das würde mich wahnsinnig machen.“
„Ich habe schon verstanden. Das bedeutet nur, daß der Schmuck in der Truhe woanders mehr wert ist, als bei den Zwergen.“
„Aber natürlich, leider…“ Sie wirkt etwas gereizt.
„Werden die Dickschädel noch Schwierigkeiten machen, was meinst du?“
„Bei einer Verhandlung mit ihnen heißt nein eben nein. Natürlich nie aufgeben Meister, nach langem Überlegen werden sie trotzdem nein sagen.“
„Natürlich, diese Festung einnehmen zu wollen wäre Wahnsinn. Sie können es sich leisten stur zu sein.“
„Sie würden auch etwas ablehnen, wenn sie nur einen einfachen Palisadenzaun hätten. Das spielt überhaupt keine Rolle. Den Handel habt ihr aber schon so gut wie gemacht. Ihr Kunstverständnis ist anders als bei uns, deswegen ist es meistens nur der reine Materialwert der Schmuckstücke.“
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„Jetzt machst du mich neugierig. Diese schwarze Kiste stellt doch nicht dein ganzes Vermögen da. Soviel verstehe sogar ich vom Kaufmannswesen. Wie konntest du den in der ganzen Zeit zu so einem großen Vermögen kommen? Jetzt erzähle mir bloß nicht, du wärst jetzt eine Händlerin. Wen hast du geheiratet?“
„Das, mein werter Meister ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse.“
„Du vergesst, daß ich Euch auch eine Menge Geheimnisse gelehrt habe. Es ist Wissen, für das viele gestorben sind, damit es auch verborgen bleibt.“
„Meine Lehrzeit bei euch ist vorbei“, kommt von ihr kurz und schnippig.
„Das ist richtig Sylvana, ich würde mir es normalerweise auch verbieten weiterzufragen. Nur …“
„Nur was?“
Jetzt wird sie ängstlich.
„Geheimnisse haben bedeutet eine große Last tragen und große Risiken einzugehen.“
„Ich verstehe nicht ganz, Meister …“
„Wir haben einen Krieg begonnen Sylvana. Und wir sind uns doch einig diesen Krieg zu gewinnen. Als wir noch im Turm saßen, hattest du doch auch darauf gebrannt mitzumachen. Stell dir mal vor, ich würde dich ganz und gar nicht kennen. Die Geschichte der Kriege ist voll von Fehlbesetzungen. Du wärst so eine Fehlbesetzung, wenn ich aus dir eine Speerträgerin machen würde, und dich dann in ein Regiment einreihen lasse. Und wie soll ich eine gute Strategie entwickeln, wenn mir meine besten Krieger mir wichtige Informationen vorenthalten. Das kann uns allen den Kopf kosten. Das ist kein Spiel Sylvana. Wir haben Krieg. Und es würde mich äußerst beeindrucken wenn eine Schülerin mich etwas lehren kann. Das haben bis jetzt nur zwei in meinem ganzen Leben geschafft. Du kannst jetzt die dritte sein.“
Schweigen.
Ich sehe sie immer noch vor mir tief und fest schlafen.
Jetzt kommt wieder ein vergnügliches Kichern.
„In uns steckt ein Verräter, der Eitelkeit heißt. Als ich mit der Lehrzeit bei euch fertig war, habe ich schnell festgestellt, dass aus mir keine gewöhnliche Frau wird. Und als gewöhnliche Frau wird man sowieso nicht vermögend. Das erste war, was ich machte, mich einer Räuberbande anschließen.
Es war eine schöne Zeit. Ich genoss es wild und gefährlich zu leben. Die Überfälle waren auch ertragreich. Nur war ich realistisch genug, eines Tages ein Rendezvous mit einem Henker zu haben. Dafür war ich mir einfach zu fein um auf dem Richtblock zu enden.
Ich wollte immer noch Dame bleiben. Und so kam ich zu dem Entschluss, dass man es den Leuten auch entlocken kann, statt zu entreißen. Ich studierte die Essgewohnheiten der meisten Stadt- und Dorfbewohner. Und stellte fest, das Weizen am meisten verwendet wird und hatte darauf die Felder vergiftet.“
„Und sie dann, als sie tot waren, in aller Ruhe beraubt, richtig?“
„Warum müsst ihr Männer immer so brutal sein? Warum eine Kuh schlachten, wenn man sie melken kann? Sobald sie immer mehr von dem leicht vergifteten Weizen aßen, merkten sie nicht, daß der Weizen schlecht war und sie wurden alle nach und nach krank. Ich ließ in den größeren Ortschaften Apotheken errichten, und in der großen Auswahl konnte ich auch ein passendes Heilmittelchen verkaufen. Und zwar eins, dass nur wirkt, wenn man es täglich einnahm. Die kleinen Ortschaften habe ich teilweise selbst beliefert; zu höheren Preisen versteht sich. Und sie haben alle bezahlt und jeder war zufrieden. Und das machen sie noch heute. Ich rechtfertige den hohen Pries wegen den erlesenen Zutaten, die nur im Monsterwald wachsen. Und wäre mir doch ein medizinischer Gelehrter auf die Schliche gekommen, hätte er eben einen kleinen Unfall gehabt.“
Ich lache: „Na bin ich froh, daß bei mir kein Weizen verwendet wird.“
„Ihr habt es mehr mit Pilzen."
"Was du nicht sagst ... "
"Und darum bin ich so vermögend. Ich gebe den Leuten das, wonach sie sich am meisten sehnen. Und Ihr glaubt nicht, was eine Mutter zu geben bereit ist, damit es ihren Kindern wieder gut geht.“
So kenne ich sie. Da wo sie schön ist, da ist sie ganz schön. Da wo sie schlau ist, da ist sie ganz schlau. Und da wo sie schlecht ist, da ist sie ganz schlecht.