Beiträge von Tom Stark im Thema „Moralität? Nix wissen! oder: Ich gut, du böse. Basta!“

    @Ralath unterhaltsam und tatsächlich manchmal wahr, deine Analayse

    ABER, wer einen Krieg anfängt nur um einen Mann zu stürzen, oder wer sein ganzes Volk in einen Krieg stürzt nur um seine Familie zu beschützen ist nicht "gut".

    Es gibt das tolle Sprichwort, dass das Böse gedeiht, wo das Gute wegsieht. Der Punkt ist aber, dass das wirklich Gute ganz besonders in der oft überhöhten Sicht des Fantasy, nicht wegsehen kann bei so etwas. Mag es also sein, dass ein "Guter" getäuscht werden kann um gegen einen anderen "Guten" in den Kampf zu ziehen, ja sicher. Aber sobald es ihm bewusst ist, dass er zu Bösen gezwungen wird, obliegt es genau diesem "Guten" sich auch und gerade schmerzhaft weiterhin für das Gute zu entscheiden.

    Anders ausgedrückt: Einzig der besessenen König in deinem Beispiel ist weiterhin der Gute. Alle anderen entscheiden sich aus vielleicht verständlichen Gründen zu Bösewichtern zu werden.

    @Ralath Ich fürchte, du bist in eine ganz moderne (deutsche?) Falle getappt. Nur weil es "menschlich" ist zu handeln, wie man handelt, ist es noch lange nicht ok. Ich will gar nicht den großen moralischen Zeigefinger herausholen, zumal moralische Werte durchaus in der Zeit sich ebenso wandeln, wie die Zivilisationen selbst. Aber es ist eine der stillschweigend geschluckten Erklärungsversuche warum sehr, sehr viele die Augen wegen des Leids einer Minderheit und der Bosheit einer mächtigen Elite "machtlos" waren.
    Nein, waren sie eigentlich nicht. Aber es war menschlich, nicht Leib und Leben auch das ihrer Familie zu riskieren. Zu Guten oder gar Heiligen macht es sie das aber auch im Nachhinein nicht.
    Wir tendieren nur heute dazu hinzuzufügen: Ja, aber auch nicht zu den Bösen.
    Und da lügen wir uns, fürchte ich, in gewaltig die Tasche!
    Sogar Christus, den wir als einer der moralischen Stützpfeiler der "christlichen Abendlandes" selbst als nicht-hardcore-Christ ruhig bemühen dürfen, ließ seine Anhänger schon mächtig schlucken, als er ihnen alles aufgezählt hat, was es braucht um "gut" zu sein, bzw. einem Platz im Himmelreich zu haben. Entweder man ist das erduldende Opfer, oder man tut aktiv Gutes, auch und gerade wenn es wehtut.

    Heute würde er wohl twittern: #wirdieGuten? Sorry, Leute, aber wenn ihr die Guten sein wollt, dann verhaltet Euch entsprechend! Logisch ist der andere Weg bequemer, wurde nie bezweifelt!

    Daher muss der Gute in der Fantasy ganz oft reichlich persönliche Opfer bringen. Und daher erscheint er uns oft auch als nicht "real" und übermenschlich.
    Zusammengefasst: Mir tun zwar auch die Opfer in Fantasy-Romanen leid, aber so ein echter Fantasy-Guter, der muss den Druck abkönnen ohne vom "rechten Pfad" abzukommen ^^ .

    Ich gebe zu, im Verlauf der Diskussion habe ich mal angesehen was ich nach meinem Umzug noch als Romane für High-Fantasy behalten habe.

    Tolkien
    Vergessene Reiche Reihe, (wobei man das auch im LowFantasy- Bereich ansiedeln kann)
    Osten Ard Saga
    den ersten Eragon-Band...
    Throne of Glass (vielleicht auch, weil die Reihe noch nicht durch ist)
    das war's.

    Das Lied von Eis und Feuer
    Buch der Schwerter
    Klingenzyklus
    Askir und Götter-Reihe von Richard Schwartz (obwohl Band 1 der Askir-Reihe habe ich behalten, weil es saugut geschrieben ist)
    und und und

    alles weggegeben, weil ich es wohl nie mehr lese.

    Gut, ich behalte das Meiste, was ich lese ohnehin (Gabe wie Fluch), aber es zeigt an, wie wenig ich von selbst den Besseren wieder lesen würde. Was ich behalten habe, hat aber eindeutige Bösewichter, obwohl ich durchaus auch Alternativen gehabt hätte.
    Schaut man die Romane an, haben sie ziemlich eindeutige Gute und eindeutige Böse. Natürlich gibt es auf beiden Seiten immer wieder Wechsler oder Spione, die sich als anders herausstellen, aber im Prinzip stehen die beiden Seiten recht schnell und unveränderlich fest.

    Bin ich also einfach gestrickt, weil gerade solche Bücher mir besser gefallen?
    Möglich, aber ich hoffe es liegt noch an etwas Anderem:
    Wenn ich High-Fantasy in die Hand nehme, was erwarte ich eigentlich?
    Gesellschaftskritik?
    Politische Verwicklungen oder Verschwörungen im Tom Clansy Stiel?
    Charaktere, die mit sich im tiefen moralischen Zwist liegen und an sich oder der Welt scheitern?

    Um ehrlich zu sein:
    Nein, eigentlich eher weniger.
    Wenn der Roman damit sanft gewürzt ist, super, aber als tragende Teile der Handlung, neee!
    Ich einfacher Geist erwarte Orks, Elfen, Zwerge, Werwesen, Drachen, Feuerbälle, Dungeons, epische Schlachten mit echten Helden, die den Namen auch verdienen.
    Ich erwarte Blut, Magie und Pathos, einen Schurken, den man hassen kann, einen Helden, mit dem man mitfiebert.
    Vielleicht eine Liebesgeschichte, ohne dass es schnulzig wird.
    Witzige Charaktere mit einer ordentlichen Prise schwarzem Humor, ohne dabei lächerlich zu wirken.
    Ich will herzliche Freundschaften und unversöhnliche Feindschaften.
    (Und) Weil ich weiß, dass eine gute Freundin darauf steht, kann ich sogar gut mit einzelnen Einhörnern und einer gewissen Anzahl putziger liebenswerter Helferwesen, wie Feen oder Kobolden, leben ...

    ... und - fast ist es mir peinlich es zu sagen - ich erwarte, dass am Ende die GUTEN gewinnen.

    Jetzt ist es heraus. (ein gutes Gefühl !)
    Ich lese Fantasy, weil da die Guten gewinnen.
    Weil da die Guten auch kräftig draufhauen dürfen, ohne sich moralisch zu Massenmörder zu machen, weil die Bösen eben BÖSE sind und weil das einfach so muss.
    Ich will eigentlich gar nicht, dass High-Fantasy mich zwingt mich selbst zu erkennen, oder die Welt in der ich lebe. Für die Zeit des Lesens will ich im Geiste an der Seite des Helden stehen, ihn mit Feuerball, Breitaxt oder Langbogen unterstützen, ihn für seinen Mut bewundern, wie er beinahe umgebracht wird und trotzdem weiterkämpft und ignorieren, dass jemand mit solchen Verletzungen eigentlich ein Viertel Jahr Krankenhausaufenthalt mit einer folgenden halbjährlichen Reha bräuchte (und diverse Protesen ...).

    Wenn ich den Klappentext lese und da nichts davon steht, sondern von tragischen Figuren in einer Welt, wo Gut und Böse nur eine Frage des Standpunktes ist, wo am Ende eigentlich alles ist wie zuvor und wo der Held nicht sein Mädchen bekommt ...
    ...
    ... stelle ich das Buch zurück ins Regal.
    Nicht meine Intension, wenn ich mir einen oder mehrere dicken High-Fantasy-Wälzer zulege.

    Das heißt nicht, dass ich am Ende nicht sage: Oh, die Charaktere waren aber ziemlich platt.
    Weil: Ich bin Deutscher, ich meckere IMMER ^^
    Wenn aber ein oder zwei Charaktere mir ans Herz gewachsen sind, und sei es nur wegen drolliger Schrullen, unmöglich konsequentem Gutmenschentum oder knallhart durchgezogenem Sarkasmus und wenn am Ende alles wieder gut ist (mehr oder weniger) und die Zukunft strahlend erscheint, bin ich zufrieden. Ich lege die Bücher weg im Wissen, dass die Welt wieder in Ordnung ist.
    Und wenn ich dann im Stau auf der Autobahn mir vorstelle, wie der knurrige Held aus dem Roman nun aussteigen und sich den nervigen Drängler, der mich im Rückspiegel ständig beschimpft, so richtig zur Brust nehmen würde, dann grinse ich breit in dem Wissen, dass es da eine Welt gibt, in der alles Gut werden kann.
    Weil der Gute es richtet.
    Weil das eben so muss!

    Und jetzt nennt mich naiv und anspruchslos, nur zu, ich halte es aus.
    (Halb hinter, halb neben mir mir legt nämlich der weise Magier seine Hand beruhigend auf meine Schulter und wenn ihr es übertreibt, steht er mir mit einer scharfzüngigen Bemerkung zur Seite, die mir ums Verrecken in der Situation nicht einfiele, ihm aber schon ...)


    edit:
    Musste spontan mal wieder eine alte Pur-CD Abenteuerland - der Eintritt kostet den Verstand raus suchen.

    Joe Abercrombies Klingenzyklus lesen.

    ALLE sind darin böse, wirklich ALLE - irgendwie auf ihre Art.
    Man wartet einfach nur drauf, dass es sich enthüllt.
    Der blutige Neuner, der Barbar, der eigentlich von Anfang an als der "Held" erscheint - am Ende halt Doch das Arschl... ^^
    Der scheinbar gütige weise Magus - ein Arsc...
    Der edle Krieger - ach ein A...
    Die unschuldige Schönheit, deren Gesicht absichtlich zerstört wurde. Man denkt doch, DIE wäre das unschuldige Opfer - denkste!
    Der folternde Inquisitor erscheint einem sogar noch als der "Gute"

    Ich fand`s am Ende zu viel, besonders da Abercrombie immer weiter in dem Stil schreibt, aber ich habe Menge über die Bösen in einer Geschichte gelernt. Wichtig ist nämlich die Plausibilität.

    Klar sind die Orks die Bösen. Immerhin hassen sie die Elfen, und die sind die guten, oder?
    Oder sind die Dunkelelfen die Bösen? Aber die hassen die Elfen (ihre Vettern ...), weil diese (angeblich) vor tausenden von Jahren unter die Oberfläche verbannt haben.
    Oder sind nur die weiblichen Dunkelelfen die Bösen, weil immerhin unterdrücken die ihre Männer und opfern die ihrer bösen Göttin, wenn sie nicht spuren.
    Oder halt, eigentlich ist ja die Göttin die Böse, die ihr Volk verführt ...
    Vielleicht ist es aber auch gerade andersherum?
    Die Elfen sind die Bösen, es muss ja einen Grund haben, warum gleich zwei Rassen sie bis aufs Blut hassen. Und mal ehrlich, diese langlebigen Spitzohren behandeln die kurzlebigen Menschen von oben herab. Nur weil jemand der schon 1000 Jahre lebt, alles (vieles) schon kennt und besser weiß.
    Anderseits sind dann auch die Menschen-Eltern die Bösen, die dem kleinen Alrik nicht erlauben Pirat zu werden, was soll denn diese Schikane?!

    Sauron ist nicht eines Tages aufgestanden und sagte: Heute werde ich der Superbösewicht.
    Darth Vader fand nicht plötzlich, dass es mal cool wäre schwarz zu tragen und zwischen jedem zweiten Wort wie ein Tiefseetaucher zu schnorcheln.
    Nicht einmal Luzifer dachte sich: Ich tret' mal Gott gegen das Schienbein, ist bestimmt eine tolle Idee für alle Zeiten der Buhmann zu sein.

    Plausibel! Sind die Gründe dafür, warum einer ist, wie er ist, plausibel, ist alles ok.
    Vader ist böse. Dagegen ist doch gar nichts einzuwenden. Es ist halt so gekommen. Trotzdem ist er DER coole Char in Star Wars,Held und Anti-Held zugleich. (Ok, R2D2 ist der eigentlich coole Held, aber psst, weiß fast niemand ...)
    Bösewichte oder böse "Völker" werden erst öde, wenn sie scheinbar grundlos Böses tun.

    Am Besten finde ich ja die Bösen, die einfach andere Moralvorstellungen haben.
    Was für den einen böse ist, ist für den anderen wertneutral oder sogar gut. Essen ist ja per se erst Mal NIX Böses. Muss man schon, um leben zu können, da führt kein Weg dran vorbei.

    Schon klar, dass Menschen es böse finden, wenn man sie frisst. Also sind Drachen böse.
    Schon klar, dass Bambi es böse findet, dass man seine Mutter erschießt. Also sind Menschen böse.
    Schon klar, dass den Drachen es nicht juckt, dass Menschen und Bambi ihn böse finden, er frisst sie nämlich alle ^^