Beiträge von Asni im Thema „Moralität? Nix wissen! oder: Ich gut, du böse. Basta!“

    ... wenn es nicht das allumfassende Böse gibt, vor dem die Welt gerettet werden muss, würde das ganze Higfantasy-Genre wegbrechen. ich denke für solche Geschichten ist in Bösewicht unabdingbar. Es kommt darauf an, was man aus ihm macht. Ist er einfach böse, weil die Geschichte eben einen Bösen braucht, oder hat er triftige Gründe dafür so zu handeln?

    Ich hab das auch immer so gesehen, dass sich Highfantasy genau durch den epischen Konflikt zwischen eindeutig Gut und eindeutig Böse auszeichnet. Jetzt hab ich letztens irgendwo gelesen, dass irgendwer A Song of Ice and Fire als Highfantasy bezeichnet. Das hat mich kurz irritiert, weil dieser Konflikt nur wenig zutage tritt (überhaupt vorausgesetzt, man sieht die White Walkers als das absolut Böse). Eigentlich spielt es auch keine Rolle, ob das jetzt Highfantasy ist oder nicht, es zeigt nur schön, dass man tatsächlich komplexer schreiben kann als nur den eindimensionalen Helden, der immer das richtige für das Gute tut, und den fast schon nulldimensionalen Schurken und seine Diener, die genau das Gegenteil dessen tun, was der Held eben tut, nur mit dem Unterschied, dass sie am Ende natürlich scheitern.

    Eine weitere Hilfestellung könnte man in einem Dreieck (bzw. Vieleck mit beliebig vielen Ecken) finden. An jede Ecke setzt man einen Charakter (oder eine Fraktion). An die Seiten schreibt man jeweils, wie, warum und wozu die beiden Ecken Gegenspieler zueinander sind. Damit hat man keine Zweiteilung in Gut und Böse mehr, sondern eben drei oder mehr Gruppen mit unterschiedlichen Zielen, Ängsten, Vorurteilen, Wertvorstellungen und was nicht sonst noch alles.
    Durch die Wahl der Erzählperspektive aus nur einer Ecke hätte man dann doch so etwas wie Gut und Böse (oder eher Wir und unsere Feinde), nur dass die Gründe vielleicht weniger platt sind. Also genau das, was du mit deiner Frage auch vorschlägst :)

    Ich vermute mal, es war sein Plan nach der Eroberung Mittelerdes Valinor selbst anzugreifen, um nach dem Sieg über die Valar seinen Herren Melkor zurückzuholen

    Das mag natürlich sein, wobei es für jemanden, der nach Herrschaft und Macht strebt, doof wäre seinen Herren zu befreien :hmm:. So gesehen bräuchte man als Autor darüber gar nicht nachdenken, wenn man von vorne herein weiß, dass die Guten über die Bösen gewinnen. Aber dann geht ein bisschen was verloren.
    Und so off-topic finde ich das gar nicht. Es schwingt doch die Frage mit, was man über die Rolle / Funktion eines Charakters hinaus noch so über ihn noch weiß oder erzählt. Herr der Ringe ist an der Stelle evtl. allerdings doch nicht so gut geeignet, weil Mittelerde doch irgendwo komplexer angelegt ist. Sauron tritt ja auch mal als Annatar (? - Herr der Geschenke) auf und bringt den Elben das Schmieden magischer Ringe bei. Ich bilde mir ein mal gelesen zu haben, dass sich Tolkien-Forscher (! :) ) nicht einig sind, ob Sauron nach dem Fall Melkors nicht eine Zeit lang auch eigentlich gereinigt ist und zu "den Guten" gehört.

    @Asni, bist Du mein verschollener Klon ?

    :D ... äh... danke für die Zustimmung. Ich dachte bisher nicht, dass ich ein Klon wäre, aber wer weiß? Verschollen fühle ich mich gerade eigentlich auch nicht; ich weiß,wo ich bin ;)

    Puh, eigentlich wollte ich so vor ca. 8 Stunden hier antworten... seit dem ist einiges passiert..

    Ich pack mal meine Kommentare zu den Vorpostern in einen Spoiler, sonst wird das ein Endlospost :)

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    Klar, kommen Geschichten auch ohne "designierten Bösen" aus (A song of Ice and Fire zB. da handeln die als "böse" wahrgenommenen Chars ja auch nur wie es Menschen eben tun), was sie nicht schlechter Macht (die Geschichte).

    Hm, bei A song of Ice and Fire frage ich mich aber noch, ob die White Walker nicht trotzdem so etwas wie "das Böse" sind. Was die menschlichen Charaktere angeht hast du aber völlig recht.

    Tolkien, hat sie zum Volk gemacht und die anderen dann die Farben (z.b. Dunkelelfen) eingeführt.

    Wobei bei ihm die Unterscheidung der Elbenvölker ja auch sprachliche Hintergründe hat. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann bleiben ja immer wieder Elben in der Wanderung in die unsterblichen Lande aus verschiedenen Gründen zurück. Ich finde, dass das doch etwas ganz anderes ist, als zu sagen "Elben = gut; Dunkelelben = böse".

    Das Klischee mit den hässlichen Ork stammt daher das Sauron an gefangenen Elben Experimente durchführte.

    Ich glaube, @Alcarinque hat schon darauf hingewiesen, dass Orks von Melkor / Morgoth durch Folter aus Elben geschaffen werden.

    Ein absolut perfektes Beispiel (und sehr anmaßend von mir, ihn in diesem Kontext zu verwenden) ist meiner Meinung nach Grenouille aus Das Parfum. Grenouille wirkt so stumpf, so unmenschlich, dann wieder gefühlvoll und intensiv, wo wir es überhaupt nicht erwarten.

    Oh, eines meiner Lieblingsbücher und einer der besten Charaktere! Das Beispiel stammt zwar nicht aus dem Fantasy-Bereich, finde ich aber trotzdem gut, weil es auch zeigt, dass wir bei einer Geschichte nicht automatisch einem eher guten Charakter folgen müssen.

    Joe Abercrombies Kilngenzyklus lesen.

    JAAAA!!! Das kann ich zu 100% unterschreiben! Besser noch, alle Bücher und Kurzgeschichten lesen. Das muss einem nicht mal gefallen, man kann trotzdem sehr viel lernen. Der wichtigste Punkt, den Joe Abercrombie kurz und prägnant formuliert, ist: Good and evil are a matter of where you stand (Ungefähr: Gut und Böse hängen sehr stark vom eigenen Standpunkt ab). Ich versuche alle Charaktere so zu schreiben, dass sie je nach Blickwinkel gut oder böse scheinen können.

    Ich glaube, dass eben dies ein Problem darstellen kann. Es ist schwieriger die Person differenziert handeln zu lassen, anstatt ihr den vorgestempelten Button aufzudrücken.

    Ich denke, das kommt darauf an, was man in der Geschichte sonst noch beschreibt. Nur die wenigsten Menschen handeln von sich aus böse, sondern sie werden aus unterschiedlichen Gründen dazu. Das kann wirtschaftliche Not sein, soziale Gängelung (Bullying), die entmenschlichende Angst während einer Schlacht, die sich im Falle des Überlebens eben an Unschuldigen abreagiert, etc. pp. Wenn man das ausblendet, dann ist es vielleicht schwierig, eine Person differenziert handeln zu lassen. Ich denke, dass man es wenigsten versuchen sollte!

    Ich finde es spannender diese Fragen zu beantworten, als mich "Tatsachen" zu fügen.

    Wenn ich dich richtig verstehe und du mit "Tatsachen" Klischees meinst (Orks sind böse, Elben gut), dann stimme ich dir voll und ganz zu. Allerdings meine ich auch, dass es diese "Tatsachen" nicht gibt. Man kann mal einen Blick in die verschiedenen Threads werfen, in denen Sammlungen von Fantasy-Völkern mit ihren Charakterisierungen entstehen sollen. Ein hehres, aber hoffnungslosen Unterfangen. Solange die Phantasie von Schriftsteller*innen (und damit die Fantasy) noch lebendig ist, sollte so eine Liste nie abzuschließen sein, weil zu viele die Völker eben ein wenig anders betrachten und darstellen.

    Er hat 4-6 Sprachen erfunden für Mittelerde.

    Naja, eigentlich eher andersherum. Tolkien hat es geliebt Sprachen zu erfinden (was auch einer der Gründe war, warum er Sprachwissenschaftler wurde). Mittelerde ist eher für die Sprachen erfunden worden, damit diese gewissermaßen eine Heimat haben. Wie auch immer, ihm ist das jedenfalls hervorragend gelungen.

    Nun zur eigentlichen Frage:

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    Stört Ihr Euch auch an diesen unglaublichen Zuständen? Oder bedient Ihr sie in Euren Geschichten gar selbst? Wenn ja, aus welchem Grund?

    Ja, ich störe mich auch daran, vor allem dann, wenn esplatt und zu offensichtlich ist. Wenn es gut kaschiert ist und dieGeschichte an sich gut geschrieben, dann kann ich schon auch maldarüber hinwegsehen.

    Mich stört besonders, wenn dunkle Herrscher dieeinzigen sind, die machtbesessen sind und dieser Drang nach Machtvöllig unmotiviert ist (Warum sollte man z.B. die freien Völker(meistens Monarchien!) unterwerfen oder auslöschen wollen?).Vielleicht ist aber die Antwort auf diese Frage einepropagandistische? Wir identifizieren uns mit "den Helden".Das sind in vielen Geschichten junge, weiße Waisen, die durchirgendeine Prophezeihung oder was auch immer zum Auserwählten und zuHöherem bestimmt sind. Natürlich haben sie daher auch Fähigkeiten,die alle anderen völlig übertreffen. Und was sie damit erreichen(wollen oder sollen), steht im Einklang mit "unserenWerteüberzeugungen".

    Ich schreibe das in Anführungszeichen, weil ich denke,dass es eher die Werteüberzeugungen von vor 100 (und mehr) Jahrensind. Dazu gehören typische Rollenbilder: der Mann als Beschützer,die Frau als dem Mann Untertan (daher bekommt der natürlichmännliche Held auch immer eine wunderschöne Prinzessin als Lohn,was wiederum erzählerisch nebenbei festlegt, welche sexuelleOrientierung "normal" ist und objektiviert die Frau (Ob sieden brutalen Orkschlächter zum Mann will, dem sie Untertan ist,interessiert nun wirklich niemanden), Weiße sind anderen"Rassen" überlegen (Elfen sind ja meistens von ganz hellerHaut, Orks irgendwie immer dunkel; das sieht man schön in Der Herrder Ringe, wo auch die Menschen aus dem Osten und Süden schlitzäugig bzw. dunkelhäutigund zunächst böse sind) etc.
    Der Held wird damit Stellvertreter für das ganze Volkund der Leser in dem Sinne dieser Ideologie erzogen.

    Zum Glück ändert sich das zur Zeit. J.K. Rowling,George R.R. Martin, Joe Abercrombie, Ursula K. LeGuin u.a. zeigen jadurchaus, dass es auch anders geht.

    Man kann auch mal darüber nachdenken, was "Böse" eigentlich bedeutet. Letztlich ist es nämlich fast inhaltsleer und bekommt seine Bedeutung durch Abgrenzung vom "Guten", d.h. wenn wir die Guten sind, dann sind die Bösen die Fremden (Flüchtlinge in der Rhetorik von Rechtsradikalen oder Trump, Aliens oder Waldläufer, die in HDR auch erstmal von Hobbits als mindestens zwielichtige Gestalten angesehen werden), die Anderen, die, die "unsere" Kultur, Gemeinschaft oder Religion bedrohen (fast egal, wie das jeweils aussieht).

    Puh, ich glaube, jetzt ist wieder der Pseudowissenschaftler in mir mit mir durchgegangen :) Sorry dafür.