Beiträge von Thorsten im Thema „Was ist für euch Kunst?“

    Die Kunst liegt in der Provokation und im Bruch mit Erwartungen. Kunstwerke dieser Art lehne ich aber auch wieder ab, genau wie 4'33 von John Cage, das Musikstück, das nur aus Pausen besteht. Der Kontext gibt den Ton an. Wenn jemand so einen Stunt wiederholen würde, wäre das völlig langweilig, zumindest für mich.

    Ich denke der Kernpunkt hier ist dass Kunst auf verschiedenen Ebenen funktioniert - einmal gibt's eine handwerkliche, man muss was koennen - aber das reicht nicht, sonst ist es halt nur Handwerk. Dann eine aesthetische die mit Dingen wie dem Goldenen Schnitt (Malerei) oder eleganter Sprache (Text) zu tun hat - ein Bild sieht nicht gelungen aus wenn das Hauptmotiv an den rechten Rand geklatscht ist, ein Text liest sich nicht gut wenn der Autor immer den gleichen Satzbau und Wortschatz verwendet.

    Dann gibt's aber auch eine Kommunikationsebene- wie wirkt ein Werk denn in seine Zeit hinein, wie spricht es Leser an - das ist die Provokation und/oder das Spiel mit Erwartungen.

    Und (perfiderweise fuer alle die hier eine Definition von Kunst erwarten) gibt es auch eine Metaebene die sich direkt auf Versuche bezieht Kunst zu definieren - wenn jemand einen Satz Regeln aufstellt was Kunst ist, dann ist es auch immer Kunst genau diese Regeln zu brechen - weswegen es prinzipiell unmoeglich ist eine letztliche Definition zu bringen weil - das Brechen von der waere ja auch wieder Kunst.

    Jedes Kunstwerk kann man versuchen auf diesen vier Ebenen zu verstehen (moeglicherweise gibt's auch noch mehr...) - 'Fountain' zum Beispiel ist sehr stark auf der Meta-Ebene, sehr mau auf der handwerklichen und aestehtischen Ebene. Die Mona Lisa auf der anderen Seite ist handwerklich und aesthetisch sehr stark und so weiter.

    Das mit den Regeln-brechen der Meta-Ebene ist aber eben genauso wie das Regeln der Erzaehlkunst brechen um einen Text interessanter zu gestalten - das funktioniert praktisch nur wenn man die Regeln die man brechen will sehr gut beherrscht und man das dem Zuschauer/Leser/Publikum demonstriert hat.

    Es ist halt nicht genial ein Pissoir zu installieren - ein Installateur macht so was schon mal - sondern das wird erst dadurch interessant dass es jemand macht von dem man was ganz anderes erwartet weil der eben auch was ganz anderes machen koennte und jeder das weiss.

    Das 'das Gegenteil der Definition von Kunst ist auch Kunst' sieht nach kompletter Willkuer und komplett subjektivem Empfinden aus - in Wirklichkeit ist es aber alles andere als das. Wer als Jungautor alle Regeln der Erzaehlkunst verletzt wird sehr sehr wahrscheinlich nicht wegen seiner Genialitaet gefeiert werden - sondern gesagt bekommen dass er keine gute Erzaehlung zustande bringt. Mit der Meta-Ebene zu spielen ist sehr sehr schwer (bei Texten hatte ich die Diskussion in den Deutschstunden mit den Kindern ueber 'Das Parfum' - inwiefern ist das Buch in der zweiten Haelfte spannend wenn es fast perfekt symmetrisch zum ersten Teil ist und man daher wissen kann was passieren wird - und inwiefern ist sowas schlimm?)

    Und nein, Kunst muss den Leser nicht immer aesthetisch ansprechen - auf der Kommunikationsebene kann sie ihm einfach eine Reaktion abverlangen, ein Text den ich total eklig finde ist auch gut - er spricht mich an, wenn auch nicht aesthetisch.

    Weil Kunst (und Schönheit) immer nur subjektives Empfinden des Betrachters ist.

    Irgendwie... jein.

    Natuerlich gibt es subjektive Elemente. Aber genauso gibt es eher objektive Elemente. Dass eine Bildaufteilung die den Goldenen Schnitt verwendet als besonders passend wahrgenommen wird ist mehr als eine Geschmacksfrage - dieses mathematische Verhaeltnis scheint recht hart in den menschlichen Wahrnehmungsapparat verdrahtet zu sein.

    Dass Homer nach 3000 Jahren noch bekannt ist waehrend viele seiner Zeitgenossen das nicht sind ist mit ziemlicher Sicherheit kein Zufall, sondern liegt schon daran dass hier Kunst geschaffen wurde die es ueber viele Jahrtausende geschafft hat Menschen anzusprechen.

    Fuer die Frage was an aktuellen Werken 'Kunst' ist sind wir vielleicht zu nahe dran - wir tun uns schwer aus unsere Zeit und ihren Moden rauszusehen oder so. Aber ich denke eine etwas einfachere Frage ist was nicht Kunst ist.

    (Generell hat das eher wenig damit zu tun was Dir gefaellt... DAS ist eine rein subjektive Frage)