Beiträge von Tom Stark im Thema „Weltuntergang (beziehungsweise Untergang des ganzen Universums/Existenz) - warum?“

    Götter oder Gott als Schurken oder Helden (böse oder gut) zu sehen hat Haken, den wie ich vermute, sehr viele übersehen, sowohl Leser wie Autoren. Obwohl ich natürlich zugebe, dass das unter Umständen ein höchst philosophisches (theologische?s) Problem sein könnte und für einen Roman letztlich keine Rolle spielt.
    Held oder Schurke, sowie Gut und Böse sind typisch menschliche Wertvorstellungen. Allein schon Fantasy ist vermutlich eine reine menschliche Idee.
    Zwar zeigen erste ernsthafte Untersuchungen durchaus bei Tieren eine Art Moralität, aber bis nicht der erste Elefant, Delphin, Bonobo oder Rabe nicht wenigstens eine Fantasy-Kurzgeschichte veröffentlicht hat, halte ich an meiner These fest ^^.

    Man muss sich nun fragen, was für eine Art Gottesbild man in seiner Geschichte darstellen will. Ist es der menschlich handelnde Gott (im Stil eines Thors der sich verliebt, prügelt, säuft und sich über Selbstzweifel und Selbstfindungsprozessen entwickelt, oder sogar degeneriert ...), dann ergeben sich daraus viele leicht nachvollziehbare Motive und die Unterteilung in Gut und Böse gestaltet sich (einigermaßen) leicht.
    Erwartet man aber nun einen allmächtigen Schöpfergott, der nichts weniger als Alles erschaffen hat (für Fantasy schon fast zuviel Gott?), wird man sehr schnell mit der Begrenztheit der eigenen Weltsicht konfrontiert. Jemanden, der alles kennt, alles erschaffen hat und vielleicht sogar einen großen Masterplan hat, kann man einfach nicht plausibel mit menschlichen Motivationen beschreiben. Natürlich wird es denoch versucht und sobald das geschieht (sowohl in der Fantasy als auch in der realen Welt) entwertet man diesen Gott indem man ihn auf etwas reduziert was er "unter anderem" geschaffen hat.

    Um den Bogen zum Thema zu bekommen:
    Wenn ein asgardscher Gott die Welt vernichten will, kann man ihm ohne zu Zögern unlautere Motive unterstellen, weil es eben ein Gott mit deutlichen menschlichen Stärken und Schwächen ist. Er spiegelt eigentlich nur den Menschen wider.
    Sobald man aber einen wirklich allmächtigen Gott hat, der buchstäblich die ganze Welt "in seiner Hand" hält, und der (immer mal wieder?) die Welt untergehen lässt, kann man getrost alle menschlichen Motive vergessen.

    Leider machen viele "moderne" Geschichten (einschließlich Bibel) hier einen Spagat.
    Einerseits soll der Gott allumfassend sein, andererseits aber bitte auch so menschlich, dass man ihn versteht. Ein Gottes(Menschen-)Sohn, wie in der christlichen Lehre, ist solch ein Versuch zu vereinen, was eigentlich unvereinbar ist.
    Wobei ich durchaus einräume, dass ein allmächtiger Gott vielleicht echt den Wunsch hat seiner Schöpfung näherzukommen und zu solchen Mitteln greift. Der Punkt ist nur, ihn deshalb zu vermenschlichen, ihm menschliche Motive zu unterstellen und ihn deshalb durchschaubar zu machen ist ziemlich gewagt.
    In der Edda haben wir kein Problem mit einem Ragnarök (zumal ja auch ein Neubeginn damit angedeutet wird). Und wir haben auch kein Problem mit typisch menschlichen und brutalen Göttern. Aber das sind eben Götter im alten Sinne, mächtige Wesen, aber nicht allmächtig.
    Immer wenn die christliche Vorstellung eines Allmachtgottes in einer Fantasy-Story auftaucht, geraten wir sowohl als Leser, als auch als Autoren ins Schwimmen.

    Ein letzter Gedanke dazu:
    Ist es nicht das angestammte Anrecht der Fantasy so kniffelige Fragen ungeklärt zu lassen? Muss ich wirklich nachvollziehbar machen, warum ein (über)mächtiger Bösewicht so ist, wie er ist? Interessiert es mich wirklich, ob Sauron eine miese Kindheit hatte, in der Götterschule gemobbt wurde und anschließend in schlechte Gesellschaft geraten ist?
    Muss ich wirklich wissen, warum einer unter 10000 Orks mit der Seele eines Poeten, dem Herzen eines Paladins und der Emphatie eines Betazoiden geboren wird?
    Heißt Fantasy nicht genau, dass es einfach Dinge gibt, weil es so muss?
    Weil die gut erzählte Geschichte es so braucht?
    Weil WIR es so brauchen?

    Ich sag nur

    Ein gutes Omen

    Terry Pratchett & Neil Geilman

    Apokalypse, bzw. die Apokalypse der Apokalypse
    Die letzten 11 Jahre der Welt mit einem belesenen Erzengel, einem Dämonen im Bentley, einem nicht ganz so antichristlichen Antichristen ,einer Hexe, vier(drei) apokalyptischen Reitern zu Fuß und noch weiteren schräge Gestalten.

    Ach, wer hat behauptet, das Apokalypse-Thema hätte sich ausgelutscht ...? ^^

    Die Zahl der wirklich todernst zu nehmenden Romanen, in der ein echter Weltuntergang das oberste Ziel des Bösen ist, scheint mir überschaubar, gerade wegen der oben genannten Motive.
    Natürlich kann man anstatt: "Wenn ich sie sie haben kann (die Frau), dann soll sie niemand haben ...!" auch "Entweder ich herrsche über die Welt oder sie soll mit Euch allen zur Hölle fahren ..." schreiben. Die Kernaussage unterscheidet sich doch nur vom Grad der eigenen Verbitterung (oder des Egos^^).

    Im Kino erscheint mir die Weltuntergangbedrohung zudem weitaus sinnvoller als im Roman, oder sagen wir lukrativer.
    Filmemacher wie Roland Emmerich lassen auch regelmäßig die Welt untergehen, manchmal sogar mehrfach in einer Filmreihe.

    Ich vermute hinter der Anlage einer Weltauslöschung ohnehin nicht das Problem eines übersteigerten Schurken , sondern einerseits das heutige Bedürfnis es immer toller, weiter, extremer zu treiben. Und die Spezialeffekte bei einem totalen Untergang können eben auch bombastisch werden. Warum würde das Restaurant am Ende des Universums sonst immer ausgebucht sein ?

    Andererseits spiegelt es den Wunsch nach einer allumfassenden Rahmenhandlung wider, ein Problem, dessen Lösung alle angeht und für das auch die unterschiedlichsten Charaktere (Rassen, Nationen, etc) ihre Differenzen glaubhaft beiseite schieben können.
    Meine persönliche Momentaufnahme der Welt zeigt mir (leider) an, dass die Menschheit selbst angesichts einer globalen Katastrophe nicht "plötzlich" zusammenarbeiten kann. In Romanen oder Filmen, besonders wenn sie unterhalten sollen und nicht allzu kritisch rüberkommen wollen, wird natürlich die optimistische Variante gewählt.
    Machen wir uns da lieber nichts vor. Nur Superwenige lesen Fantasy ,um am Ende der Story weise und traurig den Kopf zu senken und zu murmeln "Ja, trifft es voll auf dem Punkt, wir sind alle im Arsch ..."


    Es ist also vielleicht nicht nur eine Frage, ob der Leser das passiv wissen will, sondern ob er nicht sogar aktiv ein Buch nicht mehr lesen würde, weil es einfach viel zu deprimierend ist, wenn sich erwachsene Leute gegenseitig abschlachten, obwohl sie so viel gemeinsam haben, sich gegenseitig verstehen und mit etwas Diskussion auch zu einer friedlichen Koexistenz gelangen könnten.

    Genau.

    Wenn man also dazu noch versucht in seiner Unterhaltungsliteratur ein kleines bisschen moralisch oder lehrreich zu wirken, ist die Einstellung zu vermitteln, dass wir an unsren Differenzen (lies: charakterlichem Unvermögen) letztlich scheitern, nicht gerade förderlich.