Beiträge von Asni im Thema „Weltuntergang (beziehungsweise Untergang des ganzen Universums/Existenz) - warum?“

    Wobei ich den Helden da gar nicht mal unbedingt als den Bösen hinstellen würde, eher als jemand der halt an den Traditionen festhält und alles Neue schlecht findet. Wenn das gut geschrieben ist fiebert man dann mit dem Helden mit und erkennt erst auf den zweiten (oder dritten) Blick was für ein verbohrter Traditionalist der (oder die) ist.

    Ist das letztlich nicht sehr häufig ein Grundmuster in vielen Geschichten? Die Ordnung wird durch etwas fremdes bedroht und könnte "untergehen". Wobei ein wortwörtlicher Weltuntergang eher selten das Problem ist. Aber schon eine Horror- oder Gruselgeschichte könnte völlig glaubhaft darstellen, dass der Einbrecher (das Monster aus dem Keller,...) die geschützte Ordnung im Haus und die Familie bedroht. Das könnte man in alle möglichen Richtung aufladen und bräuchte nur 4 Charaktere: Vater, Mutter, Kind und das fremde Element (wie auch immer das dann aussieht).
    Da könnte der Held der Vater sein, der den Vampir (der vielleicht auch gleichzeitig der geheime Liebhaber der Mutter ist :grinstare: ; hier könnte man dann auch schön die Frage diskutieren, ob eine "abgeschlossene" Ehe traditionalistisch, altmodisch und unzeitgemäß ist oder für das gesunde Aufwachsen der Kinder nicht eine Notwendigkeit; egal wie man dazu steht, könnte der Vater auch ein verbohrter, überaus strenger, rechthaberischer Mann sein, so dass sich letztlich ein komplexes Bild ergibt, in dem man irgendwie alle Motive nachvollziehen und verstehen kann) aus dem Keller vertreibt. Oder die Tochter ist die Heldin, die im gleichen Szenario, mit Hilfe des alten, weisen Beraters (ihres Vaters) die böse Hexe abwehrt, die der Mutter im Tausch gegen die Tochter ewige Jugend und Schönheit angeboten hat. Oder oder oder...

    Kommt natürlich ganz darauf an, wie man das schreibt und evtl. mit entsprechenden großspurigen Metaphern auf das Level eines "Weltuntergangs" hebt. So großspurig muss es wohl auch gar nicht sein, sondern eher psychologisch, weil wenn ich mich in die Situation eines Vaters versetze, dessen Frau die Tochter an eine Hexe verscherbelt, dann glaube ich, dass das durchaus der Zusammenbruch der Welt sein kann.

    Ob die Motive eines Bösewichts nachvollziehbar sind oder nicht, kann dem einen Leser wichtig, aber dem anderen Leser eher egal sein.

    Das ist zweifellos richtig. Ich sehe hier aber noch einen wichtigen Punkt: je weniger man seinem Feind ähnlich ist, sprich: ihn verstehen und seine Motive nachvollziehen kann, desto leichter fällt es, ihn zu vernichten oder seinen Tod in Kauf zu nehmen.
    Wenn ich @Sensenbachs Text oder etwas ähnliches hernehme und in einen Film wie Der Herr der Ringe einbaue, dann ist das lustige Spiel, dass Gimli und Legolas spielen, plötzlich gar nicht mehr so lustig. Sie töten ja schließlich Wesen mit durchaus verständlichen Gefühlen, die ja theoretisch auch Familienväter sein könnten, auch wenn das bei den Uruk-Hai Sarumans im Film explizit dargestellt wird, dass diese aus seltsamen Erdblasen schlüpfen. Hier fällt mir gerade eine Parallele zur Klonarmee in Star Wars auf. Noch besser sind aber ja auch Storm Trooper, die eigentlich auch nackt durch die Gegend hüpfen könnten, weil ihre Rüstung eh nichts bringt, oder die völlig entmenschlichten Droiden, die sich nur seltsamerweise so verhalten wie sehr tölperlhafte, dumme Menschen.

    Ganz in diesem Sinn würde ich sagen, dass die Eigenschaft des Antagonisten absolut böse zu sein (und die ganze Welt zerstören zu wollen) die Funktion hat, Gewalt durch die Guten gegen ihn rechtfertigt.
    Der Herr der Ringe ist da auf einer Ebene ziemlich schlau, weil der Ring der Macht ja Macht symbolisiert. Um weiterhin gut sein zu können, müssen Gandalf und Galadriel, um nur zwei zu nennen, der Versuchung der Macht widerstehen. Boromir scheitert auch zunächst daran, dass er glaubt, dass der Ring der Macht auch aktiv als Waffe gegen den machthungrigen Sauron eingesetzt werden könne.

    Es ist also vielleicht nicht nur eine Frage, ob der Leser das passiv wissen will, sondern ob er nicht sogar aktiv ein Buch nicht mehr lesen würde, weil es einfach viel zu deprimierend ist, wenn sich erwachsene Leute gegenseitig abschlachten, obwohl sie so viel gemeinsam haben, sich gegenseitig verstehen und mit etwas Diskussion auch zu einer friedlichen Koexistenz gelangen könnten.

    Würde jemand eine Geschichte lesen wollen, indem der "Gute" den "Bösen" bekehrt...oder zumindest versteht und von dannen ziehen läßt...

    Vermutlich derzeit nicht. Wobei... Kommt es nicht eher darauf an, was für Geschichten man gewohnt ist? Gerade wenn ich jetzt an einen religiös-biblisch-christlichen Hintergrund denke, dann könnte der Konflikt zwischen dem "Guten" und dem "Bösen" tatsächlich dadurch gelöst werden, dass der "Böse" sich eben auch bekehren lässt. Oder vielleicht auch, dass der Gute vom Bösen getötet wird, aber der Gute trotzdem "gewinnt", weil er in seiner richtigen Überzeugung gehandelt hat. Daran sieht man vielleicht auch, dass die Überzeugungen der Leserschaft eine große Rolle spielen.

    Und jetzt bin ich schon wieder bei Joe Abercrombie: Da gibt es über verschiedene Bücher hinweg eine Rache-Story, in der Shivers den Mörder seines Vaters und seines älteren Bruders, Logen Ninefingers, immer wieder töten könnte, d.h. die Rache vollziehen, die er eigentlich anstrebt, aber alle Gelegenheiten verstreichen lässt. Sie treffen sich dabei nicht nur zufällig, sondern Shivers reist quasi durch die halbe Welt, um Rache zu nehmen und lässt dann den aus seiner Sicht bösen von dannen ziehen. Wäre das der einzige Erzählstrang, dann wäre die Story wohl tatsächlich enttäuschend. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass wir gewohnt sind, dass eine klassische Rachestory damit endet, dass der Held sich rächt und es ihm danach besser geht. Vielleicht geht es ihm dann auch nicht besser, aber der Gerechtigkeit wurde genüge getan und das ist uns natürlich wichtig. Vielleicht sogar wichtiger als Vergebung.

    Das ist natürlich keine Antwort, aber ich denke, es lohnt sich mal darüber nachzudenken, welche Muster wir beim Lesen und Schreiben unreflektiert einfach so als "das ist so / das muss so sein" annehmen. Das ist in meinen Augen auch genau das, womit dieser Thread angefangen hat: Müssen die Bösen immer gleich so absolut böse sein, dass sie die ganze Welt beherrschen oder vernichten wollen?

    Genauso gut kann man auch mal fragen, ob der Ritter die Prinzessin immer vor dem Drachen retten muss; oder ob nicht auch mal die Prinzessin den Drachen vor dem Ritter retten kann. (Fantastischer) Tierschutz und so! ^^

    Kommt also alles auf den Standpunkt an!

    Absolute Zustimmung!
    Zitat von Joe Abercrombie: Good and evil are a matter of where you stand!

    Meistens könnte man nämlich auch da das Ganze für den Leser etwas logischer gestalten, allerdings behaupte ich jetzt einfach mal ganz frech, fehlte einigen zum Zeitpunkt als sie die Geschichten schrieben schlichtweg der Skill. Klingt vielleicht etwas arrogant,

    Ich finde das nicht arrogant. Es ist einfach, den Antagonisten das "absolut Böse" sein zu lassen. Aber es ist halt auch ein bisschen unlogisch, wenn es sich bei Antagonisten um menschliche Wesen handelt.
    Wobei man hier vielleicht noch differenzieren kann: Ist der Antagonist tatsächlich objektiv böse oder ist das nur eine Darstellung der anderen? Also ganz so, wie @Sensenbach das mit der Elbenpropaganda meinte. Wenn wir mal an die reale Welt und den "bösen Wolf" denken, dann wird schnell klar, dass der Wolf keine Schafe reißt, um den Menschen zu schaden, sondern weil er sie halt frisst. Aber es fällt dem Menschen wesentlich leichter, etwas auszurotten, was böse ist, als etwas was eine sinnvolle, aber vielleicht auch für den Menschen schmerzhafte Aufgabe hat. Und man muss ja auch mal so sehen, dass es in (High-)Fantasy-Romanen oft darauf hinausläuft, dass der Held den Gegner vernichtet. Wenn der nachvollziehbare, vielleicht sogar verständliche Motive hat, dann ist der Held ja weniger heldenhaft (und nicht unbedingt mehr gut) wenn er den mal eben gewaltsam um die Ecke bringt.