#3 Miriam Müller, 24 Jahre, Friseurin
Miriam Müller befand sich gerade in keiner guten Lebensphase. Eben war ihr gekündigt worden, weil sie angeblich zu viel Metal im Gesicht trug. Außerdem wurden ihre Tattoos im Frisiersalon „Zum letzten Schnitt“ als zu düster angesehen.
Zu allem Überfluss musste sie entdecken, dass sie auf dieser Liste stand, von der alle im Moment redeten. Den Mathestudenten hatten sie gestern Nacht ja erwischt.
Schon immer hatte Miriam Müller das Gefühl gehabt, dass sie in ihrem Leben noch eine ganz besondere Rolle spielen würde. Dass sie für etwas besonderes vorgesehen wäre. An eine Hauptrolle bei einer öffentlichen Hinrichtung hatte sie aber ganz sicher nicht gedacht.
Der Tod sah den Namen auf dem Bildschirm blinken.
Miriam Müller
Rabengasse 11
Hastig griff Gevatter Tod zu seiner Sense. Sie wäre ihm beinahe aus der Hand gerutscht, er war das Trinken nicht mehr recht gewohnt.
„Warte!“, schrie Steffen Beruf auf. Aber da war der Tod schon weg.
Als er sich rematerialisierte, schallte ihm laute Heavy Metal Musik entgegen. Das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren und dem Kapuzenpullover saß im Schneidersitz vor einem blinkenden Weihnachtsbaum.
Miriam Müller!
Der Tod machte eine Bewegung auf das Mädchen zu, dabei stolperte er über den Teppich und riss die Sense unbeholfen nach oben.
Mehr aus Versehen erntete er die Seele der jungen Frau und die des Weihnachtsbaums gleich mit dazu.
Der Astralleib der Frau drehte sich um, sie blickte irritiert auf den Tod. „Hey, ich bin doch noch gar nicht tot!“
Beinahe gleichzeitig erschienen der Weihnachtsbaum, Miriam Müller und Gevatter Tod in der Wohnung des Todes.
Der Teufel konnte sich jetzt gar nicht mehr beruhigen vor Lachen, selbst Gott konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Des is mid no nie passiad! Wia unangenehm!“, flüsterte der Tod fassungslos.
„Erst zu spät und jetzt zu früh. Erst zu spät und jetzt zu früh“, kicherte der Teufel.
Miriam Müller sah sich neugierig um und wurde von den anderen jauchzend empfangen. Reinhard Kühne stellte den Tannenbaum an einen schönen Platz und inzwischen war auch die Gans fertig. Nachdem Gevatter Tod sich einigermaßen gefasst hatte, nahm das Fest wieder Fahrt auf. Der Teufel feilschte mit Gott um die beiden Seelen, es war eine Freude ihnen dabei zuzusehen. Es war beinahe wie früher!
Alles in allem wurde es ein gelungenes Weihnachtsfest in der Wohnung des Todes.
„Wos machn mia den 'etz mid da Miriam?“, fragte der Tod besorgt. Die beiden Kapuzenträger hatten sich inzwischen angefreundet.
„Ja, ich weiß auch nicht, der Form halber müssen wir dich wohl zurückschicken Miriam“, sagte Gott nachdenklich. „Nur, wie wir das praktisch bewerkstelligen sollen, ist mir noch nicht ganz klar.“
„Hmm.“ Der Teufel rückte näher an Miriam heran und flüsterte ihr etwas zu.
„Wirklich?“, rief die junge Frau erfreut aus. Der Teufel nickte heftig.
Miriam beugte sich zum Tod hinüber, die beiden tuschelten aufgeregt miteinander.
„Jo, wenn 's noch ma ginge, ma waarad 's recht!“, lächelte der Tod erfreut.
So kam es, dass Miriam Müller der erste Lehrling des Todes seit tausend Jahren wurde.
Wenn ihr also plötzlich Heavy Metal Musik vernehmt, und bei euch eine junge Frau in einer schwarzen Kutte mit einer Sense in der Hand auftaucht. Dann seid nachsichtig, das Mädel übt noch!
-Ende-
PS: Fröhliche Weihnachten und ein erfolgreiches Neues Jahr!