Beiträge von jon im Thema „Der Frühling in den Bergen“

    Hallo Lehaidin,

    hast'es rumsen hören, als mir der Stein vom Herzen fiel, weil du meinen Kommentar so verstanden hast, wie ich ihn meinte?

    Ja klar ist "freidecken" verstehbar. Das Gedicht operiert aber ansonsten nicht mit Wortschöpfungen, deshalb der Hinweis.
    Bergklee? Wieder was gelernt.
    Ich kenne die Formulierung mit "lieb", sie findet sich aber meist in eher kitschigen Gedichten (*), fiel mir hier also als nicht zum Stil passen auf. Auch "über Stock und Stein" ist so sehr üblich, dass es fast schon ein Klischee ist; stört mich aber weniger als das "lieb".
    Das alles (zusammen mit der schon erwähnten Reise auf dem Glück) sind Elemente, die völlig im Ermessen des Autors liegen; und wenn sie (nach Nachdenken darüber) so bleiben sollen, dann ist das völlig okay für mich.

    Bei dem Komma muss ich dich allerdings korrigieren: Es steht frei bei "bergigen(,) steilen Hängen", weil sich dann beide Adjektive grammatisch letzlich auf "Hänge" beziehen. Bei "bergig steilen Hängen" bezieht sich "bergig" jedoch den Regeln der deutschen Sprache folgend auf "steil".

    Nochmal zu
    "Und bald schon sieht man ihn nicht mehr----------------------rhythmisch besser: bald schon sieht man ihn nicht mehr"
    Die Metrik wird nicht nur von der Silbenzahl bestimmt, auch die Betonung spielt eine Rolle. Bei deiner Version liegt die erste Hauptbetonung auf der zweiten Silbe der Zeile, bei meiner auf der ersten – so wie allen anderen letzten Zeilen der Strophen. Ein bewusster Bruch dieses "letzte Zeile vorn betont" hat ohne Frage auch seinen Reiz, ich würde ihn dann aber noch markanter machen.


    * Kitsch ist übrigens - zumindest meiner Meinung nach, viele sehen es anders - nicht per se schlecht, auch wenn das Wort negativ belegt ist. Im Unterhaltungsbereich oder bei bestimmten Empfindungen hat ein gewisses Maß an Kitsch durchaus seine Berechtigung. Aber das ist ein anderes Thema …

    Gruß von
    jon

    Gut, der Reihe nach:


    Warum wir uns (bzw. unser „Werk“) messen lassen müssen? Na weil wir es schlicht und einfach nicht verhindern können. Wann immer ich dir (ich benutze das mal statt „jemandem“) einen Text von mir zeige, wirst du ihn (hoffentlich) lesen und automatisch in deinen Erfahrungsschatz mit anderen Texten (und mit den Dingen, in denen es um den Text geht) einsortieren. Ihn in Beziehung setzen. Ihn vergleichen. Ihn messen. Ich kann das nicht verhindert, es dir nicht verbieten. Ergo muss ich es zulassen.

    Was ich zugebenermaßen nicht muss: Ich muss weder die „Messergebnisse“ als relevant für mich betrachten noch Konsequenzen aus diesem Urteil ziehen.


    Und das hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, wie „perfekt“ oder „unperfekt“ ich bin. (Gegenfrage: Aber welchem Perfektionsgrad wäre das Messen denn erlaubt? Und wie ermittelt man diesen Grad – so ohne zu messen?)


    Dieses Messen passiert immer, nicht nur und noch nichtmal vor allem bei Lyrik. Lyrik ist nur meist deutlich kürzer als Prosa und deshalb neigt der Messende eher dazu, mehr als nur ein pauschales Urteil abzugeben.


    Sich messen/vergleichen zu lassen ist – wie eben ausgeführt – unvermeidbar. Und es nicht dasselbe, wie aufgefordert zu werden, etwa Ähnliches oder Gleiches zu tun/schaffen. Denn im ersten Schritt wird immer die Wirkung gemessen/verglichen. (Erst im zweiten schaut man auf die Details, die diese Wirkung erzeugen.) Wenn also dieses Gedicht hier ähnlich/gleich stark auf mein Empfinden wirkt wie die berühmten Verse mit des Frühlings blauem Band, dann werde ich den Teufel tun und wesentliche Änderungen anregen. Dass Kritik sich grundsätzlich gegen Individualität richtet, ist eine gern aber völlig zu unrecht geschwungene Keule. (Deine Texte sind auch individuell, Cory Thain, und sie schneiden beim Messen ausgesprochen gut ab.)


    Zur Metapher mit dem Reisen auf dem Glück: Man kann auf der Woge des Glücks reisen. Aber okay, ja, auch der Frühling hat eigentlich keine Bänder, die er flattern lassen könnte. Trotzdem würde ich hier an dieser Stelle konkreter/„realistischer“ bleiben, weil das ganze Gedicht „realistischer“ ist. Aber das wäre wirklich nicht der Punkt, an dem ich mit dem Autor streiten würde, die anderen haben mich mehr gestört.


    … ich weiß nicht, ob jemandem aufgefallen ist, dass ich oben schrieb „Bei dem hier hakt es noch ein bisschen.“ Wozu also der Sturm im Wasserglas?

    Ich entschuldige mich vielmals dafür, dass ich annahm, in einem Autoren-Forum zu sein, in dem man sich gegenseitig hilft, bessere Texter zu werden.

    Sobald man mit etwas in die Öffentlichkeit geht, muss man sich immer messen lassen. Wenn man das nicht will, muss man seinen Kram in der Schublade lassen.

    Nur weil man etwas selbst nicht (besser) kann, heißt das nicht, dass man quasi verpflichtet ist, es gut zu finden. Wer von uns kann schon Eier legen - dürfen wir deshalb den Geschmack und die Frische von Eiern nicht kritisch unter die Lupe nehmen? Oder (weniger drastisch) seit wann ist "Ich könnte keine TV-Show machen" ein Argument bei der Diskussion um Dschungelcamp & Co.?

    Es gibt so viele Frühlingsgedichte, da muss man sich an echt starken Texten messen lassen. Bei dem hier hakt es noch ein bisschen:


    Der Frühling in den Bergen

    Die Sonne leckt den schweren Schnee
    Von den bergig, steilen Hängen ------------------------------kein Komma nach bergig
    Sie deckt schnell frei den lieben Klee-----------------------"frei decken"? "aufdecken" kenne ich. // Wieso "lieber"? Und: Klee an Berghängen?
    Holt ihn aus den kalten Fängen

    Wasser plätschert Wege suchend
    Hinunter in das ferne Tal
    Frühling seinen Namen rufend
    Kommt wieder auf ein neues Mal

    Gämse hüpfen bald schon wieder----------------------------Gämsen
    Über Stock und Stein der Berge------------------------------Okay, Frühling ist immer auch ein bisschen Klischee, aber "über Stock und Stein"
    ---------------------------------------------------------------------ist mir zu viel davon
    Lila leuchtet bald der Flieder
    Über einem Gartenzwerge-------------------------------------Die Verbiegung des Wortes wirkt unbeholfen.

    Neben Sonne und viel Wärme
    Ist auch das Leben bald zurück
    Da sind schon die Vogelschwärme
    Reisend auf dem sonnigen Glück-------------------------------rhtytmisch wäre "sonn'gen" besser. // Man kann auf Glück nicht reisen, das Bild
    -----------------------------------------------------------------------funktioniert nicht.

    So kommt der Frühling in das Land
    Und treibt den Winter vor sich her
    Er löst seine eisige Hand
    Und bald schon sieht man ihn nicht mehr----------------------rhythmisch besser: bald schon sieht man ihn nicht mehr