Beiträge von kalkwiese im Thema „Die Akte kalkwiese: Gesammelte Verbrechen“

    Ah, es ist schön, mal was hochladen zu können. xD

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    Dieses Mal gibt es eine kleine Geschichte aus dem Himmelsjäger-Universum, in dem meine Hauptgeschichte spielt. Da ich im Moment nicht die Zeit für ein großes Projekt habe, kann die die Welt und gewisse Figuren ja mit solchen Dingen etwas ausarbeiten. Außerdem macht Schreiben ja auch Spaß. :)
    Ich habe mir Mühe gegeben, die nötigen Informationen für die Geschichte zu erklären oder auch nur zu implizieren und damit offensichtlich zu machen. Die Hauptgeschichte muss also nicht bekannt sein. :) Have fun! :3

    Ein Freund

    Ihr Fuß hakte sich unter einen Wurzelbogen und warf sie der Länge nach auf den Waldboden. Der Staub schmeckte nach Sand und Blut. Zappelnd kämpfte sie sich wieder auf die Beine, immer wieder zwischen allen Vieren und ihren Hinterbeinen, und setzte ihren Spurt fort.
    Das Herz raste und pumpte kalten Schweiß aus ihren Poren. Die Schritte hinter ihr konnten keine Einbildung sein. Niemand war zu sehen, aber zu hören sehr wohl. Es lag ein böser, verzerrter Hall auf ihren Schritten, der die Geräusche mit schnellerer Frequenz zu ihr zurück schleuderte.
    Oder dort war tatsächlich jemand.
    Sie bemühte sich ihre Füße zu heben, um nicht wieder zu stürzen, aber ihr Körper wurde langsam müde und schlaff und rutschte immer mehr in einen hechelnden, schleppenden Trab. In der Ferne hing seit einer Ewigkeit ein Licht am Horizont – ein Unterschlupf, ein Dorf, Zeltlager? – das Rettung nicht versprach, aber darauf hoffen ließ, und das partout nicht näher kommen wollte. Scheinbar. Nun endlich war es nur noch fünfzig Bäumte entfernt. Dreißig. Zwanzig. Zehn. Fünf. Die Bäume flogen an ihr vorbei, die neue Hoffnung beflügelte ihren Geist. Aber nicht die Beine.
    Ihr Fuß hakte sich unter einen Wurzelbogen und warf sie der Länge nach auf den Waldboden. Dieses Mal schmeckte sie auch Gras.
    „Guten Abend, junge Dame“
    Gequält schaute sie auf. Da saß ein alter Mann am Feuer, mit offenem Mund, dass man nicht sagen konnte, ob er überrascht war oder gerade in das Karnickelläufchen beißen wollte.
    „Du kommst doch nich, um mich zu überfallen?“
    Ein schmerzhaft wahnwitziges Lachen kratzte sich aus ihrer Luftröhre.
    „Neinneinnein, ganz gewiss nicht! Ich bin nur auf der Durchreise …“
    „Durch die nördlichen Wälder?“, er hatte noch immer nicht von der Keule abgebissen, „Zu so später Stunde solltest du nich durch den Wald rennen, da brichst du dir ja noch das Genick. Setz dich doch ans Feuer und wart bis morgen.“

    „Das Falkengebirge? Sag, bist du völlig verrückt geworden!“, lachte der alte Mann entsetzt. „Du kennst doch die Gegend gar nich, du bist ganz allein unterwegs, und bist du überhaupt für die Höhe gewappnet? Da wird‘s arschkalt!“
    „Jaaa“, seufzte sie leise, „Es ist nicht ganz freiwillig.“ Dann wurde sie plötzlich stumm und still, errötete vom Dunkel und dem Feuerschein verdeckt. Endlich das halbe Läufchen geschafft kniff der alte Fremde die Augen zusammen.
    „Du bist geflohen, was? Bestimmt von nem Hof in Waldenfeldt, und bist den ganzen Weg hier hoch bis in die Wälder gewandert. Beeindruckend. Bist du allein?“
    Sie zierte sich sichtlich, knabberte nur stumm an den fettigen Kaninchenfetzen.
    „Ich werd dich schon nicht verpfeifen. Bevor ich hier auf nen Menschen treffe, der sich für nen entlaufenen Sklaven interessiert, wärst du eh schon über alle Falkenberge … na gut, vielleicht nich alle Falkenberge. Aber was hätt ich schon davon, wenn du wieder auf nem Acker schuften müsstest? Eher nichts.“
    Zustimmend, aber vorsichtig nur, brummte sie. „Es war ein Wagen, von dem ich gesprungen bin. Wir sollten nach Gramsburg auf den Markt gebracht werden, aber ich konnte entkommen, bevor wir die Moorwind überquerten. Meine Kleider habe ich aus einem Dorf gestohlen, den Rucksack aus einem anderen … Und ansonsten halte ich mich nördlich, um dem Kaiserreich zu entkommen. Hier in den Wäldern haben sie kaum Einfluss.“ Nun endlich zeigte sich der schelmische Stolz der jungen Frau.
    Der Fremde lauschte ruhig und mit leisen Schmatz- und Genussgeräuschen.
    „Ich glaube nich, dass man nach dir sucht. Ein entflohener Sklave is nich das Ende der Welt, besonders, wenn er noch nich verkauft is. Eigentlich könntest du dich in irgendnem Dorf niederlassen und niemand würde dich finden.“
    Noch während er sprach schüttelte sie den Kopf.
    „Quatsch. Dass ich nicht aus dem Reich komme, sieht man doch an. Meinem dunklen Haar, die Gesichtsform … und wenn ich zurück in Falkenfelsmark gehe, kommen sie bald auch mein neues Dorf und nehmen alle mit. Ich muss in die Berge. Oder mich hier im Wald verstecken. Woanders kann ich nicht hin.“
    „Sind die in Waldenfeldt nich nett zu ihrn Sklaven? So mit eigenem Zimmer und Familie und sowas. Klingt doch nich schlecht.“ Der Alte zuckte mit den Schultern. „Ich mein ja nur.“
    Ihr Mund wurde ganz schmal.
    „Ich hatte Haus und Hof und Familie und eines nach dem anderen hat man mir genommen. Soll das nun in Ordnung sein, nur weil es schlimmer sein könnte? Wer sagt, dass mich in Gramsburg nicht ein Grabscher mit harten Händen kauft, alter Mann?“
    Beschwichtigend warf er die Hände in die Luft.
    „Na gut, hast ja recht, hast ja recht. Ich dacht nur, das wäre vielleicht besser als hier im Wald und dann noch so ganz alleine, das ist doch nicht schön. Und dann noch hier im nördlichen Wald. Du kennst doch die Geschichte vom Alpträumer?“
    Der Alpträumer. In ihrem Dorf in der vom Kaiserreich gebeutelten Falkenfelsmark erzählte man sich viele Märchen. So auch die Geschichte vom Alpträumer, jener wahnsinnigen finsteren Gestalt, die durch die Wälder tanzt, sich an die Fersen von Reisenden heftet und niemals ruht, auch nicht, wenn sie die Opfer getötet hat – oder die Opfer sich selbst. Stumm nickte die dem Fremden zu und leckte ihre fettigen Finger ab.
    „Vorhin dachte ich schon, er wäre hinter mir her.“ Ein kurzes Lachen brach hinter ihren Zähnen hervor. „Der dunkle Wald macht mich ganz kirre. Ein Glück, habe ich dich hier gefun-“, sie verstummte.
    Entsetzt spuckte er einen Knochen ins Feuer und bleckte sich hastig die Zähne. „Ich bin nich der Alpträumer! Auf keinen Fall bin ich das!“
    Und was machst du dann hier ganz allein in den nördlichen Wäldern, alter Mann?“ Ihre Stimme forderte und ihre Hände nahmen mehr Kaninchen.
    „Ich leb hier, das mach ich hier! Meine Frau und ich sind hier zu Hause!“
    „Aha. Und bist du dem Alpträumer schon mal begegnet?“
    „Ne.“
    „Und warum willst du mir unbedingt Angst mit einem Märchen einjagen?“
    „Was? Gottverdammich. Du bist nich die erste Reisende hier an meinem Feuer, aber du bist die erste, die die Hosen nich gestrichen voll hat! Verstehst du?“
    „Mh. Ich denke, ich verstehe.“ Müde lehnte sie sich zurück, fühlte mit den Fingern das kühle Gras. „Der Alpträumer ist also ein Märchen?“
    Lachend schüttelte der Alte den Kopf und schnaubte. „Das will ich schwer hoffen. Hier war der jedenfalls noch nicht. Meine Frau hat den auch noch nicht gesehen.“
    Sie gähnte. „Wo wir gerade von ihr sprechen, ist euer Haus weit weg von hier? Sicher sorgt sie sich um di-“ Ihre Arme erschlafften und ein kalter Schauer durchfuhr sie, als sie begriff. „Du hast mich angelog…“ Dann fiel sie unsanft auf die Seite, die Augen erst brodelnd, dann immer schwächer ins Feuer starrend.
    Der alte Mann erhob sich von seinem Platz und war kein alter Mann mehr. Plötzlich trug er ein zerlumptes Wams und eine löchrige Hose, beides in dunkler Farbe, und er hatte langes dunkles Haar, das er teilweise ins Wams gestopft hatte, als wollte er verschleiern, dass er eine Frau war, ganz wie sie selbst … Er hockte sich vor sie, und sie sah in ihr eigenes Gesicht.
    „Hast wohl nich gedacht, dassn alter Sack einfach lügen würd, hm? Mach dir nichts draus. Du bist nich die Erste, die mir aufn Leim geht. Dich mocht ich sogar etwas. Warst leider allein, also kann ich dich jetz nich laufen lassn. Hättste noch wen dabei gehabt, hätt ich dir was geboten, und wie! Zum Schrein hätt ich dich gebracht, jawohl.“
    Beim Versuch zu sprechen entfuhr ihr ein langer, feuchter Hauch.
    „Meine Frau gibt’s auch nich. Ich bin hier ganz allein. Aber es war nich alles umsonst. Aus dir und deinen Vorgängern bau ich mir nen Freund!“

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    Schuachu, Leute! Vor diesem Post ist ja alles alt, was jetzt kommt, ist der neue Abschnitt. Hier kommt meine Geschichte vom letzten Wettbewerb. :) Ich bin recht stolz auf sie und finde sie nach wie vor toll, auch wenn sie im Wettbewerb nicht gut funktioniert hat. Ich denke mal, dass dieser Typ Geschichte da generell nicht so gut zieht, außerdem war Skadis "Es stinkt" einfach mordsmäßig gut. D:

    Bei den Wettbewerben bekommt man ja kein oder kaum Feedback, das mMn immer etwas schade, deswegen gebe ich dem Geschichtchen hier nochmal die Möglichkeit, kommentiert zu werden. :)

    Röschen und der Zauberer

    Als wir das Gelände betraten, braute es sich bereits zusammen. Über unseren Köpfen tummelten sich Herbstwetterwolken, ein neckischer Wind strich über unsere Nacken und die Sonnenstrahlen zogen sich langsam zurück.
    Ein kühler Schauer durchfuhr mich, ich drückte Wolfs Hand noch fester. Das ganze Jahr hatten wir für den Zirkus gespart, diesen Abend würden wir uns nicht nehmen lassen, sollte es noch so gießen und kübeln. In Wolfs Werkstatt gab es seit der Besatzung einige Schwierigkeiten, weil die Armee immer wieder Güter anforderte, allerdings zu ihren Preisen. Die Geschäfte litten.
    Wenn der Dickkopf mich nur etwas helfen lassen würde. Armer Trottel.
    „Ach, Röschen, schau dir nur all die Darsteller an! Was das für ein Leben sein muss?“
    Natürlich war der Zirkus nicht zum ersten Mal in unserer Stadt und natürlich spazierten wir nicht zum ersten Mal über den Zeltvorplatz. Wolf gab sich alle Mühe, seine Aufregung nicht offen zu zeigen, dennoch konnte ich die Begeisterung in seinen Augen ablesen. Wirklich allerliebst.
    „Ein Bunteres, Wolf. Und Lauteres, ganz sicher“, murmelte ich zu ihm herauf, kurz darauf stolperte ein Dummer August an uns vorbei. „He da! Meine Nase!“, rief er und hatte die Hände nach einem roten Ball ausgestreckt. Die halbe Schminke fehlte ihm, ein Hosenträger war von der Schulter gerutscht und seine Füße stießen den Ball immer wieder fort – es war ein Fest. Neben uns feixten Kinder am Wegesrand über seine tollpatschige Erscheinung, dass mir warm wurde. Ja, Kinder … Kinder zu haben wäre schön.
    Sicher dachte Wolf das Gleiche, er sprach nur nicht darüber.
    „Für zwei Personen“, rief durch das Fenster am Kartenschalter und die Frau in der Kabine musterte uns ausdruckslos. Dann riss sie Karten von der Rolle und schob sie uns zu.
    „Viel Spaß bei der Vorstellung.“ Sofort wandte sie sich den nächsten Gästen zu.
    Ich wartete, bis wir außer Hörweite waren und murmelte, „Die wirkte vielleicht steif.“
    Wolf brummte zustimmend. „Sie macht hier die undankbarste Arbeit. Der Kartenschalter steht weit ab vom Rampenlicht.“
    „Und was ist mit den Buben, die die Gehege ausmisten?“
    „Wer sagt, dass sie das nicht auch macht?“
    Wir lachten kurz, dann bestaunten wir stumm das Zeltinnere:
    Die bunten, weiten Zeltwände, die sich immer wieder im Wind wölbten.
    Die Masten, die mächtig und unnachgiebig im Boden verankert schienen.
    Die Seile, die sich zwischen den hohen Plattformen und Strickleitern spannten.
    Und die Tribüne, auf der sich bereits so viele Menschen tummelten, dass der aufgeregte Lärm echte Gespräche verhinderte.
    Die oberen Reihen waren den Armen vorbehalten und kosteten nur wenige Groschen – dafür war die Aussicht furchtbar. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie eine ältere Frau später immer wieder ihre Begleitung anbrüllen würde: „Was passiert denn da, Heinrich? Nimm doch mal Rücksicht, auf deine arme Oma!“ Den Geräuschen nach hat sie ihn geschlagen. Armer Heinrich.
    Niemand, der sich eine Karte auf den unteren Rängen leisten konnte, hätte freiwillig für so einen Platz bezahlt.
    Die ersten drei Reihen gehörten Adeligen, Damen und Lebemännern, eben allen, die für die beste Sicht die nötigen Münzen parat hatten. Natürlich war ich neidisch, auf diese Leute. Wie konnte es sein, dass Wolfs und meine harte Arbeit nicht für einen vorderen Platz ausreichte? Es ergab keinen Sinn, und ich wusste, dass mein Ärger nichts daran verändert hätte, darum schwieg ich nur und versuchte zu lächeln.
    So nahmen wir Platz und bald begann die Vorstellung.
    Zuerst kamen die Jongleure. Sie marschierten im Kreis, die Wirbelwinde aus Bällen und Keulen in ihren Händen konnten beinahe die steifen Schritte vertuschen. Mehrfach änderten sie ihre Formation und Wurffiguren, deuteten eine an und taten eine andere, dass mir schwindelig wurde.
    Von da an war ich versunken. Es folgten Wahnsinnige – der Direktor nannte sie „Artisten“ – auf Seilen, andere Wahnsinnige, die Feuer spuckten oder auf ihren Händen hüpften oder Messer auf Ihresgleichen warfen. Die Bewegungen treffsicher, zielgenau, immer exakt, war ich so beeindruckt, dass mir das, was hier faul war, völlig entging.
    Der Dumme August von vorhin betrat die Bühne für eine kurze Vorstellung. Er bat um einen Freiwilligen und neben mir schnellte Wolfs Hand in die Luft. Ich sah zu ihm auf, er teilte meine Begeisterung, aber wollte er sich wirklich von einem Clown vorführen lassen?
    Der Clown wählte jemand anderen – ein Glück! – und ich bin sicher, dass Wolf froh war, doch nicht nass gemacht worden zu sein. Es mag unwichtig erscheinen, aber heute wünschte ich, ich hätte ihn damals gefragt.
    Es folgte der Zauberer. Zwar war es nicht der Höhepunkt der Vorstellung, für mich aber sollte es das Ende sein – dieses Mal wurde Wolf erwählt. Sein freudiges Lächeln ließ mir das Herz aufgehen.
    Zielsicher wurde Wolf auf ein kleines Podest geführt. Über ihm wurde langsam ein Käfig herunter gelassen und Wolf legte seine Hände an die Gitterstäbe. Der Zauberer wies ihn kurz zurecht, Wolf ließ los und stellte sich mittig auf die Plattform. Oh, mein Wolfram.
    „Meine Damen und Herren, liebes Publikum!“, intonierte der Magier hölzern, „Zu Beginn werde ich unseren lieben“, er musterte Wolf mit einem mir undefinierbaren Blick, „Besucher verschwinden lassen. Vor aller Augen! Es wird nichts übrig bleiben, nicht ein Haar. Seht her!“
    Eine Decke fiel. Erst auf den Käfig. Dann auf den Boden. Der Magier riss sie beiseite und vom Käfig fehlte jede Spur.
    Mein Wolf war fort.
    Die Leute stöhnten erstaunt auf, ich jedoch konnte mich nicht vom Zauberer lösen. War das ein Akzent in seiner Stimme? War er Ausländer? Warum bewegte er sich so … ungelenk?
    „Doch fürchtet euch nicht! Der arme Teufel bewegt sich gerade zwar in anderen Sphären, aber es kostet mich bloß …“, er platzierte wieder die Decke, wo er sie entfernt hatte, „… ein Fingerschnippen!“ Und der Stoff wuchs wieder in die Höhe.
    Wahrscheinlich eine Falltür unter dem Käfig, das Erstaunen der anderen Leute wusste ich leider nicht zu teilen, doch mir war längst unwohl, meine Finger schwitzten, Wolf sollte zu mir zurückkommen!
    Die Decke hob sich, mein Schatz war zurück, es regnete Beifall. Blutleer verbeugte sich der Zauberer, ließ seinen Lohn um sich auf den Boden prasseln. Mit einer kurzen Geste wies er Wolf zu gehen an, und bat sofort um einen neuen Freiwilligen. Niemand achtete mehr auf meinen Ehemann, der etwas verkrampft zu mir zurück stakste.
    Je näher er kam, desto eisiger wurde mir. Seine Züge, die Bewegungen – ich sah die Jongleure wieder vor mir, es war als käme der Zauberer selbst auf mich zu.
    „He, Wolf, ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so blass“, fragte ich ihn leise.
    „Oh, Röschen“, sprach seine Stimme kühl, „Alles ist gut. Leider habe ich nicht viel gesehen.“ Dann setzte er setzte er sich neben mich, als sei das Gespräch beendet.
    Meine stechende Ahnung wollte es nicht dabei belassen, doch die Aufführung nahm keine Rücksicht. Ein neuer Freiwilliger aus den vorderen Rängen stolperte auf die Bühne – ich beobachtete ihn und den Zauberer genau – und legte sich in einen Holzkasten. Mir kam er einem Sarg gleich, die Säge des Zauberers blitze bedrohlich.
    Der Deckel schloss sich, dann wurde der Mann langsam vor unser aller Augen zersägt und wieder zusammengeleimt.
    Ich sah zu. Und je weiter der Abend fortschritt, desto mehr ergab alles Sinn –

    Nun liegen wir im Bett. Das Herz schlägt mir bis zur Kehle, mein Atem ist ohrenbetäubend und schwerfällig. Der Heimweg ist unerträglich gewesen und dauerte eine quälende Ewigkeit.
    Doch nun bin ich mir sicher.
    Ich höre seinen Atem nicht. Keinen Herzschlag.
    Mein Ohr an der Matratze aber vernimmt ein fernes Geräusch, ein feines leises Rattern, eine winzige Uhr.

    Ich weiß gar nicht, was ich zu so positivem Feedback sagen soll, außer dass mir dabei das Herz aufgeht, wenn meine Worte jemanden so berühren konnten. D: Dann hat diese Geschichte genau das geschafft, was ich damals wollte.
    Ich hoffe, die Klausurenphase ist bald vorbei, damit ich mal wieder zum Schreiben komme. xD
    Kurzgeschichten sind bei mir immer nur entstanden, wenn mir die Geschichte richtig unter den Nägeln gebrannt hat. :hmm: An sich würde ich aber auch gerne mal wieder eine machen.

    Das sehe ich schon allein daran, dass mir der Rahmentext gefallen hat...

    Hab gerade nochmal drüber geschaut. Der Rahmentext an sich ist eigentlich wirklich in Ordnung, denn es gibt dem Leser nochmal so eine Distanz zu der Geschichte. Das war, was ich damals wollte und es funktioniert mMn gut. Aber die Frage am Ende, wer nun wirklich der Dämon war, finde ich etwas zu viel. Das solle man wirklich kapiert haben, ich muss es einem nicht nochmal so ins Gesicht drücken. xD

    Aber weil ich deine Stories generell mag, werd ich weiter in deinen Werken rumstöbern.

    Naaauw, ich werd ja ganz rot. :blush:

    Huhu, Tariq! Ich schreib am Handy, deswegen dieses merkwürdige Zitieren von mir. Besser bekomme ich es gerade nicht hin.

    Das es dir gefällt, freut mich. :D Die Geschichte ist schon so alt für mich, da könnte ich mit allem, was ich mittlerweile gelernt habe mal wieder drüber.

    Diesen Stilbruch am Ende habe ich tatsächlich gemacht, weil ich diesen Satz so gerne haben wollte und es beim Abwägen gegen den vollständigen Verzicht verloren hat. :rofl: Das würde ich auch im Nachhinein so lassen, denke. Aber es fiel mir wirklich sehr schwer.

    Inhaltlich ist das mMn plakativ wie sonst Nichts von mir. Gerade der Rahmentext hämmert es noch dem letzten ein, der es nicht kapiert hat! Bei einer Überarbeitung würde es dem an den Kragen gehen :paladin:

    Danke für das Lob zum Stil, sowas war mir lange Zeit das Wichtigste beim Schreiben. Mittlerweile sehe ich ein, dass eine gute Geschichte aber mehr braucht. Ich hoffe einfach immer, dass es davon auch genug gibt. xD

    Zu den Sachen im Spoiler:
    Beim Ersten sehe ich das auch so, das kann man wirklich besser formulieren. Beispielsweise könnte ich sagen, dass "man" die Engel sind oder sowas.
    Beim Zweiten widerspreche ich dir aber. Sie kann das sehr gut und ich brauche auch nicht viel Fantasie dafür. Sowas metaphorisches mache ich gerne (und lese ich auch gerne) und da mag ich es durchaus, wenn man hin und wieder stolpern muss (warum auch immer ich das mag. Gibt mir wohl den Eindruck, dass es nicht zu glattgebügelt ist).
    Jedenfalls bedeutet es eigentlich nur, dass sie furchtbar zu heulen abfängt. :hmm:

    Danke für's Lesen, ich denke immer, dass dieses alte Ding doch eh keiner liest. xD

    @Tnodm0309
    Haha, mit der Aufmerksamkeit für diese Geschichte, habe ich nach der Zeit nicht mehr gerechnet. :D
    Naja, ich finde die nicht ausreichend überarbeitet, das letzte Mal liegt schon zwei, vielleicht drei Jahre zurück.
    Gerade den Rahmentext, also die Antithesem am Anfang (Licht und Schatten, etc.) und die Frage am Ende stören mich mittlerweile. Die wirken auf mich klischeehaft und subtil wie ein Backstein. :D Außerdem sind da bestimmt noch einige Dinge drin, die ein bisschen gestutzt werden sollten - vorsichtig und mit viel Liebe natürlich. :hmm:
    Aber damit ich das jetzt nicht machen muss, hol ich mal mein Todschlagargument raus: Klausurenphase. :D Ich kann es mir gerade nicht leisten, an meinen Geschichten zu basteln.

    Dass sie dir so gut gefällt, gibt mir aber Hoffnung, dass ich vielleicht doch Kurzgeschichten schreiben kann. xD

    @Xarrot
    Interessant, dass du gerade diese alte Geschichte hier als erste kommentierst. :D
    Ich habe hin und wieder an diese Geschichte denken müssen und mir schoss jedes Mal durch den Kopf, dass sie wahrscheinlich eine Überarbeitung vertragen könnte. Mal abgesehen davon, dass ich sie jetzt für ziemlich plakativ halte (die Frage am Ende kann ich mir eigentlich sparen. Wer hier der Böse ist, ist ja mehr als offentsichtlich. xD).
    Damals war das aber für mich eine recht wichtige Geschichte, mit der ich zumindest stilistisch für mich einen neuen Maßstab gesetzt habe.
    Es freut mich, dass sie dir gefällt, auch wenn sie so alt ist und ich damals auf viele Dinge noch nicht geachtet habe, die mir jetzt vielleicht auffallen würden. ^^

    Ich weiß nicht, in wie weit es hier Praxis ist, aber mit dieser Geschichte bin ich bereits beim letzten Wettbewerb angetreten (Danke für deine Stimme @Kisa D: Es freut mich, dass sie jemandem gefallen hat). Aber das ändert nichts daran, dass sie eine vollwertige Kurzgeschichte ist, in die viel Arbeit und Träume geflossen sind, die mitunter auch sehr persönlich angehaucht ist. Ich hoffe ihr versteht, dass ich da gerne ein oder zwei Meinungen zu hören möchte. xD Ich habe ein kleines bisschen die Farbsymbolik ausprobiert, die der Deutschunterricht mal angeschnitten hat :whistling: .
    Beim Wettbewerb sind leider die Kursivbuchstaben verlorengegangen, die ich für die Gedanken der Charaktere verwendet habe. :/ Ich hatte nicht dran gedacht, dass der Text ja aus der PN kopiert wird und der Code für Kursiv damit nicht übernommen wird. Sicher wird das verwirrt und den ersten Eindruck etwas gestört haben. Ein Hinweis dazu wäre für die Wettbewerbsinformationen sicher nicht schlecht, damit das anderen nicht auch passiert. :/
    Jetzt aber genug davon. Denen, die sie noch nicht gelesen haben, wünsche ich noch viel Spaß mit dem Text. :3
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    So blau, so schwarz, so leer schien es ihr, dass sie zu schweben glaubte. Sie konnte nicht denken, was es nun war, das so leer schien, doch ihr Gefühl wusste es. Und dieses Gefühl trug sie, so erdrückend es auch war.
    „Wahnsinn…“, murmelte sie und setzte sich nach einiger Zeit lethargischen Halbschlafes in ihrem Bett wieder auf.
    War es Wahnsinn? Seit sie alle gegangen waren boten selbst das vertraute Zimmer und die lieblichen Erinnerungen an Früher keinen Halt mehr und diese Schwebe war ihr unbegreiflich. Sie war eine bleierne Feder, doch noch nicht fähig zu fallen. Was war dieser Widerspruch, wenn nicht wahnsinnig? Vielleicht grausam.
    Mit einem Seufzen setzt sie sich auf die Bettkante und erhob sich langsam. Das Mondlicht fiel kalt durch das Dachfenster über ihrem Bett und schnitt in die bläuliche Düsternis des Hauses hinein. Aufmerksam betrachtete sie die Möbel und die gerahmten Lichtabbildungen, die an den Wänden hingen. Mit ihnen konnten die Elfen mittels Magie ein Geistesbild festhalten. Sie erinnerten sie an die längst vergangene Zeit, denn immer wieder erschienen dort die alten Gesichter im Lichte einer Erinnerung. Dunkel war es hier also mit Sicherheit nicht. Und doch lag ein schaler Geschmack in all der Süße.
    Während sie die Treppe hinabschritt, kam es ihr wieder in den Sinn. Wie sie gern an die eine Liebe in ihrem noch jungen Leben zurückgedacht hatte. Die sie mal gelebt hatte. Der sie mal vertraut hatte. Und von der sie verletzt worden war. Sie wusste noch, dass es geschmerzt hatte, aber der Wärme, die in dem hoffnungslosen Schwärmen lag, hatte sie nicht widerstehen können.
    Doch das lag nun weit weg, war längst verblasst und tat schon lang nicht mehr weh. Dieser Gedanke beruhigte sie, während sie die Lichtbilder betrachtete, die die Treppe entlang die Wand zierten und die im Halbdunkel dieser klaren Nacht einen weißkalten Schimmer hatten.
    Sie erreichte das Erdgeschoss und der weite Flur führte sie wieder in die Leere zurück. Schuld daran war wohl die verspielte Architektur der Elfen, die hier besonders ausgeprägt war und wegen der sie sich fehl am Platz fühlte. Es war nicht einfach gewesen, als sie und die anderen her gekommen waren. Allein als Menschen unter Elfen… Doch nun fehlte selbst von ihnen jede Spur. Die Elfen verschwanden, von einem Tag auf den anderen. Ihre Freunde ebenso, bis auf einen. Er zog damals los, die Menschen und die Elfen zu suchen, die noch übrig waren. Vor über fünf Jahren. Wahrscheinlich tot.
    Es kamen keine Händler mehr. Keine Fahrzeuge. Und sie hatte keine Flugmaschine mehr am Himmel gesehen. Nichts. Nicht einmal das Silber eines Kondensstreifens am Himmel. Sie hatte lange Zeit Ausschau gehalten.
    Ich erinnere mich noch gut an diese Tage, stelle sie fest, als sie nur in ihrem Nachthemd auf die Straße trat. Und in diesem Moment kam das blauschwarze Gefühl zurück und ließ sie schweben. Und sie wusste es: Es war die Welt, die Leer war. Eine Leere, die auch sie immer mehr ausgehöhlt hatte.
    Vor ihrer Haustür stehend, wandte sie sich nach links und betrachtete den vagen Umriss der Elfenstadt. Sie lag noch so da wie am ersten Tag, nachdem die Elfen diese Welt verlassen hatten. Keine Risse in den Straßen und Gebäuden, keine Grashalme in den Fugen. Als wäre es gerade erst einen Augenblick lang her gewesen. Rundherum lag der Waldesozean, wie die Elfen den uralten Wald genannt hatten. Er bedeckte einmal den halben Kontinent und in seinem Herzen lagen die wenigen Städte der Elfen. Es war den Menschen geschuldet, dass einige dieser Städte nun seinen Rand markierten.
    Ein Schmerz ergriff sie bei jedem Anblick der Ruinen und so wählte sie den rechten Weg, in die Fluten des Waldesozeans. Bis sie sie umfingen, hielt sie den Blick gesenkt. Und auch als sie längst eingetaucht war, hob sie den Blick erst, als die Stadt hinter ihr kaum noch in Sichtweite war. Und Stille. Die Tiere waren nicht verschwunden, dennoch schwiegen sie, als wären fünf Jahre Trauer erst der Anfang aller Buße. Doch warum büßten immer die Unschuldigen? Warum hatte man sie zurückgelassen?
    Einen kurzen Augenblick lang glaubte sie, ein Rascheln von hinter sich gehört zu haben, doch als die herumfuhr strich ihr nur der Wind ihre dunkelblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Gleichzeitig trug er ein weiteres Stückchen in ihr ab und ein hohles Gefühl der Kälte drohte sich in ihr breit zu machen. Sie machte sofort kehrt und rannte davon, aber es jagte sie, so sehr sie es auch abzuschütteln versuchte.
    Sie wusste nicht wohin sie lief und weder nahm sie die Welt um sich herum wahr, noch spürte sie die Schritte, die sie tat. Machte sie sie überhaupt, wo sie doch schwebte? Und das so leicht und teilnahmslos durch die Schatten der Bäume, bis sie auf eine Wiese lief und vor einem Abhang Halt machte. Und wieder zu Boden glitt. Das Gras an den nackten Füßen kitzelnd, blinzelte sie in die Tiefe. Was sich dort viele Fuß unter ihr erstreckte, war wahrhaftig ein Ozean. Er spannte sich weit über den Horizont, von links nach rechts, ohne den Waldrand in Sicht. Vereinzelt waren die Umrisse einer anderen Stadt zu erahnen, die man leicht auch mit einer Ansammlung älterer, größerer Bäume verwechseln konnte. In der leichten Brise der Nacht wogten die Baumkronen gleichmäßig, wie die Wellen einer sanften See.
    Sie hatte diesen Anblick oft gesehen und doch war sie jedes Mal erneut überwältigt von diesem Ausmaß, dass sie auf eine winzige Größe zusammenzuschrumpfen drohte. Mit tränenden Augen fiel sie auf die Knie, den Oberkörper halb über den Abhang ragend. Sie war allein, ganz allein in diesem Ozean. Und ihr Herz fror.
    Wozu noch? Wozu weitermachen? Für wen? Es ist sinnlos. Ich… bin sinnlos.
    Der Klang ihrer Gedanken vergiftete ihren Verstand, machte sie rasend, ließ sie atemlos nach Luft schnappen. Und während ihr der Schmerz heiß und nass die Augen herunter lief, wurde es ihr bewusst.
    Ich schwebe nicht mehr…
    Und da lächelte der Abgrund freundlich.
    Zögerlich erhob sie sich wieder, die Augen weit offen, auf ihn gerichtet. Sie konnte erkennen, wie er langsam seine Arme ausbreitete. Einladend. Und wie ihre Ehrfurcht vor der Tiefe immer weiter schwand, während sie mit den Füßen an der Kante stand. In ihrem Rücken spürte sie die Brise und sie wünschte sich, dass ihr Flügel wuchsen. Die Augen schließend, ließ sie sich nach vorn fallen, vom sanften Wind tragen. Und als da keine Flügel waren, entfuhr ihr nur ein Seufzer. Und der Wind in ihrem Haar.
    -
    Blinzelnd öffnete sie die Augen, sah noch einer Träne nach, die in die Tiefe fiel und die im kalten Mondschein glitzerte. Sie atmete ruhig und tief und dennoch sah sie ungläubig an sich herunter. Zwei Arme schlangen sich eng um ihren Bauch. Plötzlich bemerkte sie auch, wie sich ein Gesicht warm und feucht an ihre Schulter drückte.
    „… Bist du das etwa...?“, flüsterte sie hauchend.
    Eine Bewegung an ihrer Schulter. Ein Nicken.
    Schweigen.
    Es zog sie zurück, ohne Widerstand ließ sie es zu. Zusammen fielen sie in das weiche Gras, nebeneinander. Die Tränen versiegt, drehte sie ihren zerzausten Kopf zu ihm und betrachtete sein verquollenes Gesicht, das die eigenen Tränen wohl noch immer nicht bemerkt hatte. Es starrte sie mit geröteten Augen blinzelnd an, als seien die Pupillen nur ein Punkte und der Blick aus Nadeln. Langsam und etwas rasselnd holte er Luft.
    „Ich bin zurück… allein.“
    Sie nickte vorsichtig.
    „Dann sind sie also…“
    „Ja… allesamt. In den Dörfern, den Städten… niemand ist mehr hier.“
    Enttäuscht, doch gleichzeitig erleichtert über die Gewissheit, sah sie zum Himmel auf, auf dem sich deutlich die Sterne abzeichneten. In der Ferne ließ sich bereits der Tag erahnen.
    „Ich bin noch eine Weile gewandert, um ganz sicher zu sein… Die Große Steppe ist völlig verdorrt, fast schon eine Wüste. Und die letzten Zeitungen in den Städten berichten, dass der ganze Osten verstrahlt sein soll…“, flüsterte er langsam und zittrig bemüht, sich zu beherrschen.
    Sie wusste, dass er ihr Gesicht durch die Tränen nur schwer erkannte und dass er darauf Frustration erwartete. Zu ihrer eigenen Überraschung aber wog die Verblüffung über seine Rückkehr schwerer, so dass ihr Gesicht von einer irritierten, subtilen Freude erfüllt war. Und letztendlich konnten sie diese Worte nach fünf Jahren der Stille nicht mehr erschüttern.
    „Es tut mir Leid… Ich hätte dir so gern mehr als das mitgebracht…“
    „Nein, ist schon gut“, sagte sie kopfschüttelnd. „Das ist schon mehr als ich erwartet hatte…“
    Vorsichtig drehte sie ihren Kopf wieder zu ihm auf die Seite und sah, wie er sich mit der Hand die Tränen vom Gesicht wischte.
    „Natürlich bin ich zurückgekommen. Ich hasse mich dafür, dich so lange warten gelassen zu haben, aber ich wollte nichts unversucht lassen… und ging bis an die Küste.“
    Seine Züge wirkten mit einem Mal ganz ruhig und bitter.
    „Ich hatte schon fast befürchtet, du wärst nicht mehr… Ein Glück, dass ich mich geirrt habe.“
    Ein müdes, schiefes Lächeln deutete sich auf seinem Gesicht an.
    „Wenn auch nur zum Teil. Du wolltest dich also wirklich…“
    Beschämt und auch etwas schuldbewusst wandte sie den Blick von ihm ab und sah dem Horizont hinter dem Abgrund entgegen. Die ersten Sterne verblassten im Licht und der Himmel färbte sich langsam kupfern.
    „Ich dachte, du seist tot… oder gegangen. So wie alle gegangen sind“, murmelte sie. „So konnte ich einfach nicht mehr…“
    Langsam schüttelte er den Kopf.
    „Es gab keinen Tag, an dem es mich nicht hier her zurück gezogen hat. Vielleicht erinnerst du dich… An dieser Stelle haben wir uns damals verabschiedet.“
    Aufmerksam setzte sie sich etwas auf und blickte sie sich auf der Wiese um, in die verschwommene Erinnerung vertieft. Es stimmte, hier war es gewesen. In den düsteren Gedanken der Stille war diese Erinnerung irgendwann untergegangen. War sie vielleicht deswegen hier her gegangen, ohne darüber nachzudenken?
    „Ich mag fort gewesen sein, aber mein Geist ist immer hier geblieben. Und als ich dann endlich hier ankam, hat mich der Blick auf den Ozean so gefesselt… da hatte ich die Zeit völlig vergessen. Und dann warst da plötzlich du.“
    Er schaute sie noch immer an, hatte seine Fassung aber wieder zurückerkämpft. Nach einemkurzen Augenblick bemerkte sie seinen Blick und wandte sich ihm wieder zu. Da lag noch immer eine gewisse Taubheit auf ihr, dem Staub der Jahre geschuldet, aus der sie noch nicht völlig erwacht war. Ohne einen einzigen Gedanken zu denken, nahm sie ihn sanft in den Arm.
    Und sagte nichts. In ihrem Rücken erhob sich langsam die gelbe Tageshelle, die Hand in Hand mit der Morgenröte ging. Die Leere war langsam aus ihr gewichen, für den Moment zumindest.
    Du bist wie einer von ihnen, stimmt es? Sie kommen immer zurück, auch wenn man sie am Tage nicht sehen kann. Du warst weg, aber wärst du ein Stern gewesen, du hättest über mich gewacht.

    Wo auch immer du warst, wir haben beide den gleichen Himmel gesehen.
    Von der Umarmung noch mehr verunsichert legte er langsam auch seine Arme um ihren Körper. Die Augenlider fielen ihm müde zu.
    „Es ist schön, zurück zu sein…“

    Ich habe mir die Zeit genommen und die Wortwiederholungen (hoffentlich) ausgemerzt. Hinzugefügt habe ich noch das Bild, das ich gerne als eine Art Cover ansehe. Schließlich sollten Geschichte und Artwork eine Art Einheit bilden und so sehe ich es bei diesem auch.

    Die Erkenntnis, dass jede Geschichte durch ihre Handlung eine grundlegende Aussage besitzt, hat mich letzten Endes dazuveranlasst, diese Geschichte zu schreiben. Es war das erste Mal, dass ich das Bedürfnis hatte, mich auszudrücken. Das war sehr spannend für mich und ich hat eine Menge Spaß daran. Vorallem bei der Verwendung der Metaphern, die es vielleicht etwas schwerfällig machen. Aber mir gefällt es so. :D Inspiriert von Zusaks "Die Bücherdiebin".

    melli: Die ersten Fehler kommen wohl vom vielen Bearbeiten. :/ Da hat man drei Ideen, einen Satz zu schreiben und am Ende landen zwei statt einer darin.
    Die Wiederholungen muss ich mir wohl nochmal ansehen :D

    Ja, die Perspektive. Natürlich wollte ich keine Sage schreiben, das wird ja mit dem Titel des Manuskrips klar. Trotzdem sollte es sich ähnlich anfühlen, wehalb ich z.B. auf Dialoge verzichtet habe. Anscheinend hat es funktioniert :D

    Kelamith: Ein interessanter Ansatz, so habe ich das noch nicht gesehen xD . Das Böse in ihm war doch schon zum Vorschein gekommen, bevor Amelie in sein Leben trat. Letztendlich hatte der Schreiber den Dämon in ihr geweckt, nicht anders herum. D:

    Huhu, Loits und Loitessen! :hi2:
    Meine Hauptgeschichte pausiert im Moment und ich fürchte, dass ich sie vielleicht ganz neu aufsetzen sollte. Während ich mit meiner Praxisphase beschäftigt bin habe ich dafür leider nicht die Zeit, darum pausiert das Projekt jetzt erstmal. Stattdessen versuche ich mich im Moment an Kurzgeschichten, weil ich das Schreiben ja immer noch liebe und nicht einrosten will, aber auch um mich etwas auszuprobieren. :)
    Die ersten beiden Geschichten im Thread werden alte Kurzgeschichten von mir sein, die schon lange hier im Forum sind. Außerdem kommen Wettbewerbsgeschichten dazu und was auch immer mal anfallen sollte, während ich an meinem Handwerk arbeite. Was ich halte so in Schriftform verbreche.
    Viel Spaß beim Lesen!

    Übersicht

    Edit: Threads wurden zusammengefügt, darum musste ich den Startpost nun über die älteste Geschichte verlegen, damit alles Sinn ergibt.
    Edit2: Nun kollidieren hier am Anfang zwei Threads, deren Posts nach Datum sortiert sind, wodurch man nicht unbedingt weiß, welcher Post sich auf welche Geschichte bezieht. Im obigen Spoiler sind Links zu den Geschichten zu finden, für eine bessere Orientierung


    Die Sage vom Schreiber

    Böse und Gut. Schatten und Licht. Schwarz und Weiß. Unfug.

    Dämonen und Engel. Sie sehen beide auf die Menschen herab, denn sie schweben beide in anderen Sphären und sie nehmen beide Einfluss auf die Menschenwelt, angeblich. Selbst ihr Handeln ist sich ähnlich, führen sie doch nur himmlische oder teuflische Befehle aus. In ihrer Welt gibt es keine Farben. Weder Dämonen noch Engel haben ein Herz, sie richten, verführen und manipulieren. Sie lassen die Schachfiguren andere schlagen oder opfern sie, angeblich zu einem höheren Zweck. Doch wenn selbst der Teufel ein Werk Gottes ist, dann stehen Dämonen wie Engel letzten Endes auf der gleichen Seite. Es gibt kein Schwarz oder Weiß, es gibt nur Grau.
    Sind sie Werkzeuge? Nur konstruiert um zu funktionieren? Wahrscheinlich.
    Doch was, wenn das Werkzeug einen Makel hat? Einen Konstruktionsfehler? Könnte es dem vorgesehenen Druck standhalten oder würde es zerbrechen?

    Es war ein Schreiber bei Nacht am Kaminfeuer. Nun war es bereits Stunden nach der Mitternacht, doch noch schlief die Sonne, der Schreiber nicht. Seine Feder schwebte über dem Pergament, aber die Tinte an ihrem Kiel war bereits getrocknet. Er starrte durch das Pergament hindurch und rieb sich die trockenen Augen. Sie hatten einen Fluss geweint, jetzt lag das Flussbett in ihnen trocken. Doch im Hause war es wieder still, endlich konnte er seine Gedanken hören. Alles müsste in bester Ordnung sein, warum also wollten die Worte nicht fließen?

    Schon als Kind las er für sein Leben gern Bücher. Romane, Gedichtbände, Novellen. Wenn er Worte las, versank er darin. Eine Welle erfasste ihn und trug ihn in fremde Welten davon. Sätze bildeten Rahmen und zeichneten Umrisse, Metaphern erfüllten sie mit Farben und Leben. Ja, dem geschriebenen Wort wollte er sein Leben widmen.
    Als Junge begann er kurze Gedichte zu schreiben und wurde dafür belächelt, denn sie waren dilettantisch und klischeehaft. Sein Vater machte sich Sorgen, dass aus seinem Sohn kein anständiger Mann würde. Zwar schlug er ihn regelmäßig, aber es änderte Nichts. Sein Sohn hatte ein Dichterherz.
    Die Zeit ließ ihn wachsen und so widmete er sich als junger Erwachsener den Geschichten und später sogar den Romanen. In jeder Hinsicht war eine Reifung zu spüren. Die Konturen wurden klarer, konkreter und die Farben leuchtender, echter.
    An der Hochschule, an der er studieren sollte, sprach sich sein Talent schnell herum. Beflügelt von dem schmeichelhaften Getuschel wagte er sich an neue Themen und Textformen und konnte bald auch mit ihnen geradezu spielend umgehen. Es dauerte nicht lange, da konnte er von seinen Werken leben und gab das Studium auf. Er zog in ein eigenes Haus und nahm seine Muse mit, ihr Name war Mathilda. Was immer er schrieb, schrieb er für sie. Was immer er für sie schrieb, wurde erfolgreich.
    Die ersten sechs Jahre ihrer Ehe verliefen viel zu schnell, aber glücklich. Doch ihre Familie war noch nicht vollständig, etwas Entscheidendes fehlte ihnen. Nur sollte es sie nicht fröhlich stimmen, sondern das klare Wasser ihres Lebens trüben.
    Seit Jahren schon wünschten sie sich ein Kind und schwanger war Mathilda viele Male gewesen. Beim ersten Mal war sie so glücklich gewesen, dass der Schock sie umso stärker lähmte. Das Kind war tot, bevor es auf die Welt kam. Das zweite Mal war sie natürlich froh über den Kugelbauch, doch die erste Schwangerschaft lag wie ein dünner, düsterer Schleier über ihr. Er sollte noch dunkler werden, als sie die zweite Totgeburt zur Welt brachte. Sie wagten einen dritten Versuch, aber Mathilda hatte bereits eine Vorahnung. Es sollte ihnen nicht vergönnt sein. Beim Vierten Mal wollte sie nicht mehr, auf Zureden Albrechts, des Schreibers, aber, versuchten sie es erneut. Das Ergebnis war so offensichtlich wie zermürbend.
    Die fünfte Schwangerschaft war nicht beabsichtigt und sie beide glaubten nicht mehr an Wunder. Nicht nach all dem. Und doch schenkte man ihnen ein Kind. Ein starkes, wunderschönes Mädchen, so nannte Mathilda es.
    Durch die Schwangerschaften seiner Frau hatte Albrecht jedoch kaum noch Zeit zum Schreiben gefunden oder war nicht mit dem Herzen bei der Sache. Er hatte zwar viel Geld zurückgelegt, aber diese Reserve ging nun langsam zur Neige. Um seine Familie ernähren zu können, beschloss er, intensiver an seinen Werken zu arbeiten als jemals zuvor. Es sollte ein Beschluss bleiben, denn wenn er sich mit seiner Feder an das Pergament setzte, hörte er das Schreien seines Kindes. Er konnte sich nicht konzentrieren, seine Hand zitterte, die kleine Stimme pochte in seinem Kopf.
    Konnte Mathilda das Balg nicht beruhigen? Er brauchte Ruhe, nur etwas Ruhe… Aber der Schreihals hörte nicht auf zu brüllen…
    Seit das Kind auf der Welt war verhielt sich Albrecht zunehmend anders. Zuerst zog er sich immer öfter für Stunden in sein Zimmer zurück und wollte niemanden sehen. Doch die Schreie seiner Tochter waren noch immer laut und deutlich durch die schwere Eichenzimmertür zu hören. Später warf er seine Frau aus dem Schlafzimmer, sie schlief nun mit dem Kind auf dem Sofa. Natürlich brachte auch das nichts. Dafür machte er sie verantwortlich, da sie das Kind nicht beruhigen konnte und damit sein Schaffen störte. Dass seine Schläge das nicht ändern konnten, verdrängte er.
    Unter größten Anstrengungen beendete er sein Buch in wenigen weiteren Monaten und brachte es zu einem Verleger in eine Nachbarstadt. Frau und Kind nahm er mit sich, wie gewöhnlich fuhren sie in einer eigenen Kutsche. Sie ahnten ja nicht, was Albrecht mit ihnen vorhatte.
    Der Wald wurde immer dichter und dichter und man konnte kaum tiefer als einige Meter durch die Bäume blicken. Da blieb die Kutsche stehen.
    Auf Nachfragen von Mathilda beruhigte der Schreiber sie und meinte, dass das sicher einen Grund haben musste. Das Kind war in ihren Armen eingeschlafen.
    Schritte waren zu hören und der Kutscher riss die Tür zu Seite. Blitzschnell beugte er sich hinein und Griff nach dem Kind. Mathilda schrie hysterisch auf. Sie würde niemals auf die Idee kommen, dass Albrecht den Kutscher für die Entführung angeheuert hatte. Doch während sie beide um das Kind rangen, machten sich Zweifel in Albrecht breit und brachten seine Abneigung gegen dieses nutzlose, schreiende Bündel zu Fall. Es hatte ihm alles genommen, was er wirklich liebte. Und das war seine Gabe zu schreiben. Sie machte ihn aus, ohne sie hatte er keine Bedeutung, war er ein Nichts. Doch das konnte er Mathilda nicht antun. Er stieß den Kutscher zur Seite, ergriff das Schwert, das dieser an der Seite trug. Verwirrt hielt der Kutscher inne. Stellte sich sein Auftraggeber gerade gegen ihn? Das Zögern wurde ihm zum Verhängnis, Albrecht schlug in seiner Verzweiflung auf ihn ein.
    Mathilda musste mitansehen, wie ihr Mann zum Mörder wurde, sie zitterte am ganzen Leib. Sie verwandelte sich in ein lautes Heulen. Das Kind erwachte und fing sofort an zu schreien. Dieses schreckliche Schreien, dieses infernale Geplärre! Es pochte in seinem Schädel.
    Sie atmete auf und verfluchte den Kutscher für sein schmutziges Vorhaben mit dem Kind. Er war ein böser Wolf gewesen. Doch Albrecht schwieg. Seine Hand schloss sich fester um den Schwertgriff.
    Als die Kutsche am Abend den Wald verließ, transportierte sie nur den Schreiber. Kein Mensch hatte ihn bei der schrecklichen Tat gesehen, aber er ahnte nicht, dass er beobachtet wurde.

    Nun saß er am Kaminfeuer, gewillt sein Meisterwerk zu verfassen. Es war wieder ruhig, niemand störte ihn mehr. Die grobe Handlung hatte er schon im Sinn, sie musste nur noch zu Pergament gebracht werden. Doch die Worte flossen nicht. Sie kamen nicht aus ihm heraus. Es war noch immer wie vorher, mit dem Balg. Heiße Tränen tropften auf das Pergament. Er hatte seine Gabe verloren und seinen Glauben an sich selbst.
    Langsam schleppte er sich durch den Raum zur Kommode. Auf ihr lag das Schwert, auf dessen Klinge sich die Kerzenflamme spiegelte. Entschlossen umfasste er seinen Griff. Drei Menschen hatte er damit getötet. Es wäre nur recht, wenn er auch durch diese Klinge sterben würde. Zögernd stellte er den Kerzenhalter auf der Kommode ab und richtete die Schwertspitze gegen sich selbst, bereit zuzustechen. Wenn zu leben Bedeutungslosigkeit bedeuten würde, wollte er lieber sterben.
    Doch eine Stimme erklang in seinem Kopf und durchdrang die Dunkelheit seiner Gedanken. Es war eine Frauenstimme, sie kam von hinter ihm, engelsgleich und doch düster. Sie wusste, was ihm zu schaffen machte. Sie wusste von der Angst, nur ein Tropfen im Ozean zu sein. Seine Worte konnten einmal in Stein gemeißelt werden, aber was war jetzt noch davon übrig? Nicht einmal mehr der Abglanz seiner Größe. Sie schwor, dass sie helfen könne.
    Zögerlich wandte er sich zu ihr um. Sie war jung und schön, hatte aber einen fast kindlichen Charakter. Über ihr lag ein diffus leuchtender Schleier.
    Er fragte, wer sie sei.
    Lächelnd antwortete sie. Ihr Name sei Amelie und dass sie hier sei um ihn zu retten.
    Albrecht fragte, ob sie ein Engel sei, doch sie schwieg. Verwirrt setzte er nach. War sie ein Dämon?
    Da lächelte sie nur herzerwärmend und legte ihre Arme um seinen Körper.
    Sie würde ihm seine Größe zurückgeben und forderte dafür nur eine einzige Gegenleistung. Albrecht war wie erstarrt. Was wollte sie? Seine Seele? Ein Menschenleben? Ein kalter Schauder durchzog ihn, als sich ihre Lippen seinem Ohr näherten.
    Liebe mich.

    Müde fiel der Schreiber in seinem Stuhl zurück. In der Nacht, in der Amelie zu ihm kam, hatte er nicht geschlafen, er hatte sofort mit dem Schreiben begonnen. Zwei weitere Nächte war er wach gewesen und hatte nicht zu schreiben aufgehört. Amelie hatte ihm regelmäßig Wasser und Wein gebracht, auf feste Nahrung hatte er in der Zeit völlig verzichtet. Aber das war alles unwichtig, denn er war im Begriff gewesen sein bisher größtes Werk überhaupt zu verfassen. Er schrieb und schrieb und mit jeder Zeile ließ er sein altes Leben ein Stück weiter hinter sich. Jedes Wort war mit seiner Vergangenheit gefüllt und je mehr Worte auf das Pergament flossen, desto mehr verließ davon seinen Körper. Als er die Feder endlich beiseitelegte, hatte er alles zurück gelassen. Mit einem Grinsen im Gesicht und dem Kopf auf der Schreibtischplatte, schlief er ein. Er war sich sicher, jetzt würde er erst wirklich glänzen können.
    Er ruhte zwei Tage lang, bis er wieder erwachte. Amelie hatte das Manuskript bereits zum Verlag gebracht. Es wurde zum Druck in Auftrag gegeben und nach wenigen Wochen wurden die ersten Kritiken veröffentlicht. Man spekulierte, dass der Schreiber während seiner künstlerischen Pause mehrere Werke geschrieben hatte und jetzt nach und nach veröffentlichte. Nur so war zu erklären, dass er ein paar Monate zuvor bereits ein Buch der Öffentlichkeit präsentiert hatte. Doch im Gegensatz zu seiner ersten Veröffentlichung seit Jahren, die ohne Frage weit unter dem Niveau des Schreibers lag, war seine Zweite ein voller Erfolg. Einige feierten es als Veröffentlichung des Jahrhunderts und prophezeiten dem Schreiber künstlerische Unsterblichkeit.
    Beflügelt vom Erfolg rief er Amelie zu sich. Er wies sie an Koffer zu packen und die Pferde bereit zu halten. Sie würden eine Reise machen, zu den großen Orten dieser Welt. Denn wenn er sich weiter übertrumpfen wollte, dann benötigte er Inspiration. Wissenschaft, Kunst, Geschichte, Philosophie, alles solle sein werden. Denn er war dazu bestimmt Gott über das Wort zu sein, davon war er überzeugt. Und Amelie nickte verträumt. Sie würde auf eine Reise mit ihm gehen, ihr Traum würde wahr werden.
    So zogen sie aus, in fremde Länder und ohne die Aussicht in absehbarer Zeit zurückzukehren. Für gewöhnlich besichtigten sie eine Stadt und wenn der Schreiber in ihrer Atmosphäre einen besonderen Geist einfing, dann blieben sie für einige Wochen. Länger dauerte es für ihn nicht ein neues Buch zu schreiben, denn die Worte quollen einfach hervor. Sie kamen nicht aus dem Inneren, aus seinem Herzen oder seinem Kopf, sie kamen von weit weg, aus dem Kosmos. Er war nur der, der die Idee festhielt, die Geschichten aber lagen in der Luft und der Erde. Er konnte sie atmen.
    Doch obwohl alles so vielversprechend aussah, war Amelie nicht glücklich. Wenn der Schreiber in ihrer Wohnung war, dann schloss er sich in seinem Zimmer ein. Er schrieb und schrieb und ließ sie nicht zu ihm. Sie hatte Verständnis dafür, hatte sie es ihm doch ermöglicht wieder schöpferisch tätig zu sein. Er schrieb aber nicht jeden Tag, hin und wieder ging er in die Stadt, um sich wieder inspirieren zu lassen, zumeist von Büchern, Gebäuden und den Geschichten, die dahinter steckten. Sie wollte mit ihm gehen, doch er bat sie jedes Mal seine Texte noch einmal durchzusehen. Er würde bald zurück sein. Amelie konnte nicht anders, sie hätte alles getan um seine Anerkennung zu erhalten. Zu ihrer Verzweiflung kehrte er nie vor Mitternacht zurück.

    Eines Tages hatte sie genug. Sie verstand die menschliche Natur kaum und mit dem Gefühlsrausch der Liebe konnte sie nicht umgehen. Sie wollte, dass auf dem Acker ihres Herzens Freude und Dankbarkeit sprossen, doch letztendlich erntete sie nur Frust. Jetzt war Schluss damit, sie würde sich nehmen was sie wirklich wollte, denn sie wollte es sofort.
    Als sich der Schreiber wieder einmal für den Abend verabschiedete, tat Amelie zunächst wie immer. Er trug ihr auf, die neuen Schriften durchzulesen und ihm dann später ihre Meinung dazu abzugeben. Es war reiner Perfektionismus und er wollte höher springen als jemals zuvor. Alles musste genauestens durchdacht sein, wenn er das Manuskript in ein paar Tagen zum Verleger bringen wollte. Jede Kante, jede Unreinheit und jeder Felsen, der den Lesefluss hinderte, war beabsichtigt. Nickend setzte sie sich an den Schreibtisch und überflog die ersten Stücke Pergament. Mit einem Grinsen wandte er sich von ihr ab und ging. So naiv. Die Tür fiel ins Schloss.
    Einen Moment hielt sie inne, die Ohren gespitzt. Ein Schritt, zwei, drei… Erst als ihre dämonischen Ohren sie nicht mehr vernehmen konnten, erhob sie sich vom Tisch und folgte ihm.

    Amelie war nicht wie die anderen, das hatte sie schon immer gewusst. Seit ihrer Erschaffung hatte sie auf die Menschen herabgesehen und sich gewundert. Was war das, was da passierte? Eine Umarmung, ein Kuss? Ein Kind und eine Mutter? Was es war wusste sie, aber was war ihre Bedeutung? Sie stellte Fragen, die anderen lachten sie aus. Tränen flossen, sie war allein. Allein in der Masse und der Unsterblichkeit. Man setzte sie gleich mit dem Menschendreck, zertreten zog sie sich zurück und wollte sterben.
    Lange lag sie da, kraftlos und träge, und sah auf die Welt hinab. Auf den Menschendreck. Auf die Mütter und Kinder. Auf die Jungen und Mädchen. Was sollte das? Warum, warum das alles? Sie verstand nicht. Da war ein junger Mann, der las einem Mädchen vor. Von einem Stück Pergament. Sie verstand den Sinn der Worte nicht, sie waren unklar und ungewöhnlich, doch etwas regte sich in ihr. Sie schufen Bilder und Klänge, ihr Herz begann zu rasen. Das war es! Genau das! Aber was war es? Diese Worte hatten eine Kraft, eine Energie… so rein, unschuldig und warm. Klein und doch groß genug, dass es sie einnehmen konnte. Das war es, was ihr fehlte. Wer war nur dieser junge Schreiber?

    Als der Schreiber durch die Straßen der Stadt ging ahnte er nicht, dass Amelie nicht am Schreibtisch saß, sondern längst zu seinem Schatten geworden war. Leise, auf Füßen aus Luft, schwebte sie unbemerkt über den Dächern und beobachtete ihn. Es dauerte nicht lang, da blieb er stehen und grüßte jemanden. Es war eine Frau, die beträchtlich jünger als der Schreiber zu sein schein. Amelie nickte. Um den Geist der Umgebung einzufangen sollte man auch mit den Menschen der Stadt sprechen. Das hatte er einmal gesagt.
    Sie gingen ein Stück spazieren und sprachen über belanglose Dinge, bis sie sich entschieden ein Wirtshaus zu betreten. Stundenlang sprachen und lachten sie miteinander, Amelie schwebte neidisch vor dem Fenster. Niemand konnte sie sehen.
    Später, lange nachdem die Sonne untergegangen war, erhoben sie sich wieder vom Tisch und gingen eine Treppe hinauf. Was sollte das? Amelie verstand nicht. Verwirrt stahl sie sich in das Lokal und glitt ihnen hinterher. Niemand hatte sie bemerkt.
    Die beiden betraten ein Zimmer und schlossen die Tür hinter sich. Fluchend schob Amelie sich an die Tür. Zuerst war sie irritiert, doch schnell begriff sie, was sie dort hörte. Gelähmt sank sie zu Boden, zuckend, schluchzend, zertreten blieb sie dort liegen. Vater, warum? Wieso? Warum hast du mich erschaffen? Erneut drohte das Feuer in ihr, der Wille, zu erlöschen. War sie etwa nur ein Versuch, eine Laune? Eine Flut von Fragen vergiftete ihren Verstand. War das alles vielleicht ein großer Fehler gewesen? Zerbrochen kroch sie zurück, die Last zog sie an Ketten hinter sich her.

    Als der Schreiber seine Wohnung wieder betrat, brannten noch alle Lichter. Irritiert sah er sich um. War Amelie noch wach? Eilig verwischte er das Lippenrot an seinem Hals, doch sie war nicht zu sehen. Erleichtert betrat er sein Arbeitszimmer und entdeckte Amelie, die zusammengesunken an seinem Schreibtisch, mit dem Gesicht auf der Tischplatte. In ihrer Suche nach Zerstreuung, hatte sie das neue Manuskript des Schreibers gelesen.
    Vater war es, der dem Schreiber die Worte und Bilder schickte, die er festhalten sollte und so war es auch dieses Mal gewesen. Aber warum ließ er ihn so etwas schreiben?
    Scheinbar besorgt trat der Schreiber an sie heran, doch Amelie konnte seine Lügen hören, nein, sie konnte sie sehen und fühlen. Seelenlos erklärte sie, dass sie gehen werde und dass sie ihn zurücklassen würde, als wäre sie nie da gewesen. Da erstarrte der Schreiber zu Stein. Sie wollte gehen? Mit der Gabe?
    Entsetzt sprach er drauflos. Dass sie ein Loch in ihm zurücklassen würde. Dass er nicht mehr er selbst sein könne. Dass es sein Leben beenden würde. Amelie verhalf es nur zu einem müden Lächeln. Müde vom Leben. Ihre Entscheidung stand fest.
    Verzweifelt nahm er sie in den Arm, schloss sie ein. Sie durfte nicht gehen! Als sie die Umarmung erwiderte, lachten seine Gedanken dreckig. Er hatte nicht gedacht, dass er es wirklich würde tun müssen, doch es funktionierte. Sie war so naiv wie ein Kind. Sanft beugte er sich vor und flüsterte in ihr Ohr. Sie liebte ihn doch, richtig?
    Bedrückt schlang sie sich enger um ihn. Richtig.
    Das klebrige Grinsen überzog sein ganzes Gesicht. Kaum merklich wich alles himmlisch Teuflische aus Amelie, bis sie wie ein einfaches Mädchen zu sein schien. Wieder flüsterte er.
    Und wenn du mich liebst…, setzte er leise an.
    Ihre Augen weiteten sich, sie sah das Unheil über ihnen schweben.
    …dann stirb heut Nacht!
    Sein Messer drang in ihre Seite und riss ihren Körper auf. Kraftlos und enttäuscht ließ sie es zu, ja, sie hieß das Ende willkommen. Der Mensch in ihr starb. Zufrieden ließ er sie los und nahm Abstand. Seinem Schaffen durfte nichts im Wege stehen, da konnte er auf niemanden Rücksicht nehmen, auch nicht auf sie. Doch das war jetzt vorbei.
    Müde wandte er sich vom Amelie ab und seinem Manuskript zu. Die letzten Kapitel hatte er in dem intensivsten Rausch geschrieben, den er je gehabt hatte. Doch konnte er sich nicht mehr an den Ausgang der Geschichte erinnern. Merkwürdig. Verwundert überflog er die letzten Seiten. Mit jedem Absatz sammelte sich mehr Schweiß auf seiner Stirn. Was war denn das? Hatte er das geschrieben? Unmöglich. Für den Roman hatte er zwar sein eigenes Leben als Vorlage benutzt, aber es sollte mehr eine Parodie auf sich selbst sein. Selbstironie. Und nicht das. Langsam ließ er den Stoß Pergament auf den Tisch sinken. Von hinter sich hörte der Schreiber dumpfe Schritte. Dann tränkte sich das Manuskript im seinem Blut.
    Nur der Titel war später noch zu erkennen gewesen. Dort prangte „Die Sage vom Schreiber“.


    Und die Farbe Grau gilt nicht nur für Dämonen und Engel, sondern ebenso für die Menschen. Sie handeln weder gut noch böse, sondern nur in ihrem ganz eigenen Sinne. Doch betrachten wir den Schreiber und Amelie: Wer von beiden war dann wirklich der Dämon?

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    Diese Geschichte ist schon ein paar Monate alt, trotzdem fallen mir immer wieder Stellen auf, die ich überarbeiten möchte. Meist sind es nur Kleinigkeiten oder Flüchtigkeitsfehler.
    Eure Meinung?

    Hier im Dateianhang: Das inoffizielle Cover, gezeichnet von jemandem, dem die Geschichte offensichtlich gefallen hat. :3 Dass es Amelie darstellen soll, passt mir auch gut mit meiner Intention in den Kram. Der Charakter, um den es mir in erster Linie ging, war nicht der Schreiber.