Beiträge von Asni im Thema „Links zum Schreiben und zum Drumherum“

    Heute wieder einmal ein Link über "den Buchmarkt", allerdings mehr über die geschichtliche Entwicklung. Genauer geht es im folgenden Artikel darüber, wie die Paperback- / Taschenbuchausgabe von "Der Herr der Ringe" den amerikanischen (und damit auch den weltweiten) Buchmarkt verändert hat.

    How Tolkien and The Lord of The Rings changed publishing forever (in englischer Sprache auf tor.com)

    Eine knappe Zusammenfassung:

    Es geht vor allem den Rahmen, in dem Der Herr der Ringe veröffentlicht wurde. 1954/55 als Hardcover in England erschienen, war Tolkiens Werk erstmal vor allem bei (relativ) wenigen Fans beliebt, aber zu teuer für die breite Masse. Das änderte sich, als der Verlag Ace Books 1965 eine Taschenbuchausgabe der drei Bände herausbrachte. Sie taten das, weil sie der Meinung waren, dass hier eine Lücke im Copyright vorlag, so dass der Verlag Tolkien keine Tantiemen zahlen brauchte. Die Fans (und die Öffentlichkeit) waren da aber dann anderer Meinung, so dass Ace Books ihre Edition zurückziehen mussten. Ballantine Books brachte im gleichen Jahr dann eine "authorisierte Version" heraus, die sich auch sehr gut verkaufte.

    Es stellt sich natürlich die Frage, warum LotR so gut ankam. Einerseits stellt der Artikel heraus, dass es preisliche Gründe waren und von der breiten Masse eher Paperbacks und Pulp-Magazine (Pulp bezieht sich auch auf die billige Qualität des Papiers, auf das gedruckt wurde) gekauft und gelesen wurden. Andererseits traf LotR aber in den 60ern auch einen Nerv der Zeit. Mit dem für Amerika kulturell tief prägenden Vietnam-Krieg, den gesellschaftlichen Veränderungen durch Hippies, die Love-and-Peace-Bewegung, Rock-and-Roll sowie die Abschaffung der Rassendiskriminierung war es wohl für die Leser besonders attraktiv, dass in der Story gut und böse ganz klar definiert sind. Außerdem steckt in LotR viel christliche Moralität, die auch den damaligen Zeitgeist getroffen hat. Der Artikel erklärt noch ein bisschen mehr, welche Themen in den Büchern gut ankamen.

    Die Folgen für den Buchmarkt: In den 50er und 60er Jahren waren Fantasy- und Science-Fiction-Romane in Buchläden wohl eine Rarität. Das änderte sich anscheinend durch LotR und eröffnete beiden Genres den Weg zu der heutigen Popularität. Gerade was High-Fantasy (im Artikel nennen sie es Epic Fantasy) angeht, wurde aber auch der Grundstein für die "Tradition" gelegt, Fantasysagas in Trilogien zu publizieren. Wenn ich mich richtig erinnere (das steht nicht in dem Artikel), war Tolkien eigentlich dagegen, dass LotR in drei Bände aufgeteilt werden würde. Aber da damals eher kürzere Romane publiziert wurden, musste das dann wohl so geschehen. Witzig fand ich, dass Ace Books ein Format - Ace Double genannt - herausbrachte, in dem quasi zwei Romane in einem Band verkauft wurden. Das gibt's heute zwar auch immer noch, aber doch eher selten (zumindest ist das mein Eindruck).

    Soweit für heute.

    Ich weiß nicht, ob der folgende Link zu einem Essay hierhin passt, aber ich versuche es einfach mal:
    Schwere Zeiten für die Kleinverlage (tor-online.de)

    Wie der Titel schon nahelegt, geht es nicht ums Schreiben, sondern ums Drumherum, diesmal um den Buchmarkt. Dort gibt es - wenn ich das richtig verstanden habe - in Deutschland Großverlage wie Piper oder Heyne, Kleinverlage wie den Verlag Thorsten Low oder Feder&Schwert, natürlich Buchhändler, bei denen man in den Laden schlendert, aber auch Buchgroßhändler und Buchhandelslieferservices wie Libri oder KNV. Der Essay beschäftigt sich damit, dass Libri das Angebot an Werken aus Kleinverlagen ohne erkennbare Not massiv eingekürzt hat. Für die Kleinverlage bedeutet das massive finanzielle Einbußen und Rückzahlungen. Für Kunden im Laden manchmal, dass ein Buch, das man gerne hätte, als "vergriffen" nicht mehr lieferbar ist, obwohl es noch genügend Bücher beim Verlag gäbe.
    Ich fand den Essay ganz spannend, weil er einen Blick "hinter die Kulissen" eröffnet, den ich vorher noch nicht so kannte. Wirklich relevant in dem Sinne, dass die Informationen darin konkret weiterhelfen, ist er vermutlich nur für Autor*innen, die sich gerade überlegen, ob sie ihr Werk bei einem Kleinverlag veröffentlichen möchten. Und da wohl auch nur bedingt. Wer allerdings einen Anstoß zum Nachdenken über das eigenen Buchkaufverhalten und dessen Konsequenzen haben möchte, für den ist das eher etwas. ^^

    Eigentlich will ich dir gar nicht widersprechen, weil das nur zu einer sinnlosen Diskussion mit dir führt, auf die ich keine Lust habe. Aber...

    Ich find's also schon mal problematisch wenn jemand davon ausgeht dass es automatisch Sinn macht einen Ork mit einer real existierenden Rasse zu vergleichen.

    Ich sehe das genau andersherum (bzw. nicht unbedingt ich persönlich, aber die Position, die ich gerade vertrete). Jedes Individuum einer Gesellschaft kann sich doch fragen, ob und wie es sich in Produkten der Kultur (in einem weitgefassten Sinn) repräsentiert findet. Das kann tatsächliche politische Interessensvertretung sein (etwa die Anliegen von Kleingartenbesitzern in Großstädten) oder eben alles was mit Identität und Selbstverständnis zu tun hat. Wenn man als Frau zum Ende der 50er Jahre bemerkt, dass Frauen immer als Hausfrauen & Mütter, als Prinzessinen die gerettet werden müssen oder als alte verbitterte "Hexen" dargestellt werden (nur eine exemplarische, eingeschränkte Auswahl), dann könnte man schon auf die Idee kommen, dass da vielleicht was falsch ist (wobei ich auch genug Frauen kenne, die damit kein Problem haben; heute ist das ja aber auch anders). Zugegeben, Geschichten in Büchern sind nur ein winziger Teil unserer Kultur, aber sie sind dennnoch ein Teil und zeigen eben auch auf, wie wir als Gesellschaft mit unseren verschiedenen Teilgruppen umgehen.
    So, wenn ich jetzt als dunkelhäutiger Mensch, der vielleicht "echten Rassismus" tagtäglich erlebt, mich frage, welche Rolle und welchen Platz ich eigentlich im Leben habe, dann lese ich jede Geschichte (wiederum in einem weitgefassten Verständnis) durch die Augen meiner Erfahrungen. Und auch Fantasy-Romane können (müssen aber natürlich nicht, da stimme ich dir zu), dann als (unbewussten?) Ausdrucks des Umgangs dieser Kultur mit verschiedenen Individuen gelesen werden. So, wenn man sich darauf mal einlässt und danach sucht, wo die Merkmale, die einem im realen Leben von anderen zugeschrieben werden (da sind wir dann bei realen Vorurteilen und Stereotypen wie dunkle Hautfarbe, Teil einer wilden Kultur, fremd, exotisch, barbarisch, unzivilisiert...), repräsentiert werden, dann findet man vielleicht nichts (weil es eben nur um Weiße geht, was in einem historischen Roman über Wikinger mMn auch völlig gerechtfertigt ist) oder Orks (und andere Monster) oder tatsächliche dunkelhäutige Menschen wie bei Lovecraft, die auch dort die bösen sind. Gut, Lovecraft hatte auch im realen Leben etwas verquere, rassistische Ansichten geäußert. Problematisch wird es halt da, wo unreflektiert "dunkel" für "böse" steht und das in einer Absolutheit ausgeführt wird.

    Echter Rassismus ist, wenn ich in der Realitaet in Worten oder Taten jemand aufgrund seines Aussehens benachteilige

    Ich hoffe, ich konnte oben ein bisschen aufzeigen, dass der Ausschluss von Menschen an kultureller Teilhabe aufgrund von "Rassenmerkmalen" auch rassistisch ist bzw. möglicherweise problematisch ist. Wichtig: ich möchte dadurch keinem Autor unterstellen, dass er rassistisch ist. Es geht dabei auch weniger um einzelne Beispiele - deswegen bringt es überhaupt nichts, die Intention Tolkiens ein ums andere Mal aufzuführen - sondern um Muster und generelle Tendenzen. Außerdem sollte man dazu fähig sein, auch den Entstehungskontext eines Werkes mit in die Diskussion einzubeziehen, was - da stimme ich dir völlig zu - leider nicht immer gemacht wird. Ich meine damit jetzt, dass z.B. Werke von Astrid Lindgren in "neutraler Sprache" (?) übersetzt werden, d.h. Wörter wie "Neger" vermieden werden. Das finde ich tatsächlich bei "alten Werken" irgendwie falsch, auch wenn ich gerade nicht genau begründen kann, warum. :hmm:

    Ich verstehe gut, dass man da ein bisschen Bauchgrummeln hat. Das geht mir ja nicht anders.

    @Thorsten: Der Punkt ist nicht, dass man als Autor bewusst seine Fantasy-Bösen an realen Vorbildern orientiert, sondern dass man unbewusst und unreflektiert die vielleicht genauso unreflektierten und unbewussten Vorurteilsmuster, die man im Alltag hat (und die auch eine psychologisch nicht ganz schlechte Funktion erfüllen), in die eigenen Geschichten übernimmt, ohne zu merken, dass man damit z.B. rassistische Gedanken darstellt. Insofern würde ich auch nie auf die Idee kommen, im Spezial- und Einzelfall Tolkiens das als "Parabel" zu deuten. Für mich ist eine Parabel immer bewusst in eine Geschichte hineingeschrieben.
    Für mich sind das einfach zwei Paar Stiefel.

    Genauso sehe ich es eigentlich bei der politischen Korrektheit: Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man ein bisschen sensibel dafür ist, manche Problematiken sieht und anerkennt und für sich einen Weg findet, mit seinen Mitmenschen umzugehen, möglichst ohne diesen ständig auf den Füßen herumzutrampeln oder ihnen auf den Sack zu gehen.

    Heyho allerseits,

    beim Weltenbau haben wir einen Thread "Allgemeine Links zum Weltenbau". Für das Schreiben an sich und das Drumherum um das Hobby / den Beruf Schriftsteller gibt es so etwas bisher in der Form nicht. Ich lese immer wieder irgendwo Artikel, Essays, Kommentare etc. die gut in einen solchen Thread passen würden, daher dachte ich, ich fange einfach mal damit an und schaue, was sich dabei so ergibt.
    Ich stelle mir das so vor, dass man immer kurz etwas zu dem Link schreibt, das auch inhaltlich etwas aussagt. Also nicht "Guckt mal, voll cool!", sondern eher so wie unten.

    Wenn das Mod-Team oder Forenuser der Meinung sind, dass das auch gut zum Weltenbau passt, dann kann man das auch gerne zusammenlegen. ^^

    So, starten wir mit dem ersten Link:
    Was ist Sensitivity Reading - tor-online.de

    Unter dem Link findet ihr einen Essay über Sensitivity Reading. Für mich fällt das unter das Drumherum bzw. es betrifft vielleicht auch eher nur AutorInnen, die ihre Werke auch tatsächlich auf dem Buchmarkt veröffentlichen (können). Es geht dabei darum, dass ein spezieller Lektor die Geschichte aus dem speziellen Blickwinkel einer Minderheit, Randgruppe etc., die Diskriminierungserfahrungen machen / gemacht haben, liest und dem Autor Tipps zur authentischen Darstellung oä gibt. Konkretes Beispiel: Wenn man als Weißer dunkelhäutige Charaktere einbaut, kann man im Allgemeinen nicht aus eigener Erfahrung wissen, ob man subtile, typisch rassistische Darstellungen verwendet. Es geht also irgendwie darum, dass ein Lektor dem Autor sagt: "Hey, mit dieser Darstellung verletzt du die Gefühle anderer Menschen, schreib das doch an den und den Stellen so und so."
    Oder wie es der Artikel formuliert:

    Du möchtest Geschichten schreiben, die nicht unabsichtlich Stereotype und Vorurteile beinhalten? Cool – Sensitivity Reader helfen gerne dabei.


    Aus meiner Sicht lohnt es sich, mal kurz in den Artikel, vor allem in den Abschnitt, "Was hat das mit Fantasy zu tun? Oder auch: Orcing", reinzulesen. Hier ist der wesentliche Punkt, dass auch Fantasywesen durch die reale Welt inspiriert sind und deren Denkmuster teilweise unbewusst übernehmen. Zwei Beispiele: Einhörner sind eine Kombination aus Pferden und Magie. Elfen sind eine Kombination von Menschen und Magie. Und Orcs?

    Orks sind irgendwie menschlich, haben die Grundeigenschaften von Menschen, aber keinen freien Willen, sind aggressiv, barbarisch, dreckig, unzivilisiert und werden bestenfalls versklavt oder getötet.

    Das stimmt natürlich nicht für alle Fantasyromane, aber es passt doch häufig zu vielen Fantasywelten. Das Problem aus Sicht des Sensitivity Readings ist, dass diese Eigenschaften genau die gleichen Eigenschaften sind, die man zu Kolonialzeiten dunkelhäutigen Menschen zugeschrieben hat. Dass das problematisch sein kann, brauche ich glaube ich nicht zu erläutern.


    Soweit mal die Zusammenfassung. Ich bin mir ehrlich gesagt noch nicht so ganz sicher, was ich davon halten soll. Einerseits kann ich dem oberen Zitat nicht widersprechen. Das klingt einfach sinnvoll. Gleiches gilt ja ohne dass sich jemand darüber aufregt bei Naturwissenschaften: Wenn ich keine Ahnung von Virologie habe, aber im Labor erzeugte Viren die Schlüsselrolle in meiner Geschichte spielen, dann frage ich jemanden, der sich damit auskennt, ob die Darstellung "richtig" oder zumindest "glaubwürdig" ist. Andererseits fände ich es schöner, wenn man sich einfach öfter mal mit Menschen anderer Gruppen unserer Gesellschaft unterhält und dadurch selbst sensibel für die Themen und die Darstellung wird. Ob das so natürlich funktioniert, ist eine andere Frage.

    Passend dazu lese ich gerade "Der Berg" von Dan Simmons (ein US-Amerikaner) und da stolpere regelmäßig über eine sehr klischeehafte Darstellung "der Deutschen" als kalt(herzig), militärisch, herrisch, unnahbar, unfreundlich und allgemein halt als "böse Nazis". Egal was deutsche Bergsteiger in dem Buch tun oder wo immer sie auftreten, alles wird mit aus meiner Sicht platten "historischen Schnippseln" aus der (Vor-)Geschichte des dritten Reichs und der NSDAP verbunden. Ganz nach dem Motto:
    Wo trifft man sich mit einem deutschen Bergsteiger? Natürlich im Bürgerbräukeller in München.
    Was trägt ein deutscher / bayerischer Bergsteiger 1924 typischerweise? Natürlich ein braunes SA-Hemd und eine passende Armbinde.
    Was trinkt er? Natürlich hat er schon mindestens ein Maß Bier getrunken, bevor der Engländer ankommt, dann trinkt er nebenbei eine, während der Engländer spricht und dann bestellt er nochmal eine, wenn er mal nach 5 Minuten Gespräch nachdenken muss, bevor er antwortet...

    Auf mich wirkt das gerade unfreiwillig komisch, aber es ist nicht die Intention des Buches, humorvoll zu sein. Insofern könnte ein deutscher Leser sich durch die Darstellung auf den Schlipps getreten fühlen (was ich aber eigentlich nicht tue). Bemerkenswert platt und etwas nervig finde ich es aber dennoch.