Beiträge von Polarfuchs im Thema „Die dritte Ebene“

    Hallo Burk,

    ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen, bei der Beschreibung des Monsters fühlt man sich an Lovecraft erinnert. Durch den hohen Gebrauch an Metaphern (unheilige Krypta) verbirgt sich diese Kreatur jedoch ebenso im Schatten der Wahrnehmung des Protagonisten.

    Als Henrys Gesicht unter der Haut auftauchte und er etwas zu sagen versuchte, ist es mir für einen Moment kalt den Rücken heruntergelaufen. Diese Szene hast du wirklich schauerlich gestaltet.

    Mir persönlich ging die Sache mit dem Dynamit jedoch etwas zu schnell. Die Kreatur schleift Mahsoud in den Tunnel und gleich darauf rennt der Protagonist mit einer Sprengladung hinterher. Nach all der Anspannung, die er fühlt, wäre ein Fluchtversuch seinerseits doch plausibler gewesen als eine Attacke auf die Kreatur. Du hast geschrieben "Bis jetzt und heute bin ich mir nicht sicher, welcher Wille mir an diesem Ort und zu jener Zeit das Bewußtsein erhielt, noch woher ich die Geistesgegenwart nahm…", da deutest du den Impuls zum Handeln bereits an, da hätte ich mir etwas mehr Zwiespalt gewünscht. Vielleicht könnte der Protagonist einen Fluchtversuch unternehmen, stößt währenddessen auf das Dynamit und kehrt um, um das Monster damit zu töten. Das wäre noch ein bisschen dramatischer.

    Im Nest des Monsters habe ich etwas die Action vermisst. Das liegt aber vermutlich daran, dass ich so etwas gerne lese und mich nur schwer mit der puren Darstellung von Situationen zufriedengeben kann. Ein Tentakel, das nach dem Bein der Protagonisten greift, ein Stolpern über menschliche Überreste, ein größer werdender Riss in einer Höhlenwand, etc. Das hätte die Szene für mich noch intensiver und lebendiger gemacht als die Beschreibung des puren Grauens und die Reglosigkeit des Protagonisten. Das ist aber wie oben bereits erwähnt meinem Geschmack geschuldet. Die Szene überbringt auch ohne Hektik eine ekelerregende Atmosphäre. (In diesem Fall ist das ja etwas Gutes! ^^)

    Ein paar kleine Anmerkungen:

    Eine Erinnerung an jene modrigen Kleiderfetzen im Tunnel hinter mir blitzte in mir auf.
    War das, was sich hier meinem entsetzten Blick darbot, vielleicht schon früher einmal aus seiner Höhle gekrochen?

    Für mich war diese Wiederholung und die Überlegung überflüssig. Ich konnte mich noch sehr gut an die Szene mit der Kleidung erinnern.

    Es war der Anblick dessen, was ich im Aufflammen der Leuchtstäbe sah, die ich ohne jedes weitere Nachdenken entzündet und zwischen die gebündelten Dynamitstangen geschoben hatte:

    Ich würde die Leuchtstäbe früher erwähnen. Vielleicht an der Stelle, als du das "fahle, blasse Licht" erwähnst, das die Kreatur in ihrer Höhle beleuchtet. Dann würde das nämlich nicht von "irgendwoher" kommen, sondern von den entzündeten Leuchtstäben. Wäre doch eine plausible Erklärung.

    Jenes von einem namenlosen Entsetzen verzerrte Gesicht meines alten Kollegen Henry nämlich, daß ich nun für einen kurzen Moment direkt vor mir im rotflackernden Licht erblickte

    Das "dass" wird an dieser Stelle mit nur einem "s" geschrieben.

    Die Erkenntnis, welches Schicksal in ereilen würde, wie es vor ihm die Gleisarbeiter ereilt haben mußte, deren entstellte und gräßlich veränderten Leiber nach Jahren unheiliger Reife im Inneren dieser Monstrosität blind in ewiger Finsterns umherzukriechen verdammt waren, wollte mir schier den Verstand rauben.

    Ein absolut fantastischer Satz! Die "unheilige Reife" trifft es wirklich sehr gut!:thumbup:

    Insgesamt hat mir deine Kurzgeschichte wirklich gut gefallen. Sie hat mich unterhalten, die Figuren waren greifbar dargestellt, die Atmosphäre konntest du dem Leser mit trefflicher Wortwahl schildern. Dein Schreibstil lässt sich flüssig lesen und schmeichelt dem "Gaumen" des Lesers mit der ein oder anderen köstlichen Metapher. Die Spannung baut sich bis zu dem Punkt, an dem das Monster erscheint, kontinuierlich auf. Ein ganz besonderer Schockmoment: Henrys Gesicht und die Erkenntnis, dass die Tentakel alle einst Gleisarbeiter waren.

    Wie gesagt, beim Finale hätte ich mir etwas mehr Action gewünscht, aber da kann ich bei einer ohnehin so schön schaurigen Atmosphäre auch ganz gut drüber hinwegsehen. :thumbsup:

    Hallo @Der Wanderer,

    freut mich, dass ich dir mit meinen Vorschlägen etwas weiterhelfen konnte. Der Satz ist so auf jeden Fall verständlicher und dank deiner Erklärung hat sich die Sache mit dem "Allerdings" auch erübrigt. Danke!

    Nun mal zum neuen Teil:

    Jeder meiner Schritte ekelte mich, denn ich hatte das Gefühl, daß ich unter meinen Schuhsohlen unzählige Schnecken zertrat

    Auweia! Hier wittere ich ein Foreshadowing auf menschliche Knochen neben all der Kleidung. Ohne es deutlich zu sagen, baut sich dadurch natürlich weitere Spannung auf.
    Ein Teil der aufgebauten Spannung zerbricht dann mit dem Auftauchen der Kreatur. Unvermeidbar, denn nimmt das Unbekannte Form an, verliert es meistens ein wenig von seinem Schrecken. Die Spannung wandelt sich ab dieser Stelle in Action um. Das Dynamit ist da, die Kreatur und Henry. Der Showdown erscheint unvermeidlich.

    Ich weiß heute nicht mehr, was mich dazu brachte, die Stablampe in jenen versteckten Gang zu richten, aber was das Licht mir dort zeigte, schnürte mir in würgendem Entsetzen die Kehle zu. Nur kurz fiel das Licht auf das Gesicht des Jungen, gräßlich verzerrt und mit starren, toten Augen, die auf grauenhafte Weise ein Spiegel seiner Agonie waren...und dann war es verschwunden in der Dunkelheit.

    Durch das Verschwinden der Kreatur und die damit einher gehende Ungewissheit baut sich erneut Spannung auf, aber dieses Mal weiß der Leser, dass Henry jetzt definitiv in irgendeiner Form agieren muss. Die Beschreibung des toten Mahsoud ist knapp, aber durch die erwähnte Agonie in seinen Augen, reicht es für den Leser absolut aus, sich das aller schlimmste auszumalen.

    Jetzt bin ich gespannt, wie du die Geschichte auflöst.

    Hallo @Der Wanderer,

    eine schaurig schöne Atmosphäre baust du hier für uns auf. Mir ist aufgefallen, dass du die Erzählung des Protagonisten mit allen Sinnen unterstreichst. Die Dunkelheit der Tunnel, der modrige Gestank, der Fahrtwind der vorbeirauschenden Züge, etc. Das macht die Umgebung sehr plastisch und für den Leser greifbar. Es wirkt tatsächlich so, als würde diese Geschichte von einem Überlebenden berichtet werden.
    Das Setting der Londoner U-Bahn und der kurze Teaser zu Beginn haben mich sofort gepackt und ich konnte nicht aufhören, deine Geschichte bis hierher zu verfolgen. Nun warte ich gespannt auf den Fortgang und warum die Explosion ausgelöst wurde. Welcher Schrecken wartet dort im Dunklen auf uns Leser?

    Ein paar Dinge, die mir während des Lesens aufgefallen sind:

    schlohweissen Haare, mit denen mein Spiegelbild mich ansieht.

    Das ist jetzt sicherlich Haarspalterei, aber Haare an sich können niemanden ansehen.

    Allerdings gab es dort unten eine Explosion, doch war es nicht wie geschrieben eine Gasverpuffung

    Hier stolpere ich ein wenig über das "Allerdings". Ein einfaches "Es gab dort unten eine Explosion, doch..." würde für mich weniger gedoppelt klingen.

    da Henries bevorstehende Pensionierung

    Im Text ist mir immer wieder aufgefallen, dass du Henry Namen im Falle eines angehängten "S" als "Henries" schreibst. Da Henry aber ein Eigenname ist, müsste er sich nach meinem Wissen entweder mit Apostroph oder einfachem angehängtem "S"schreiben.

    Darüber hinaus war Mahsoud fast immer gut gelaunt, was ich mittlerweile sehr zu schätzen wußte, da Henries bevorstehende Pensionierung dazu geführt hatte daß er begonnen hatte, sich immer mehr in ein Schneckenhaus zurückzuziehen, was unsere Arbeit in der sinistren Einsamkeit der Bahnschächte nicht unbedingt angenehmer machte. Dieses einsiedlerische Gehabe, daß ihm noch vor einem Jahr völlig fremd gewesen war, hatte mittlerweile dazu geführt, daß wir morgens in unserer Dienstbaracke bestenfalls noch einen gemeinsamen Kaffee tranken und dabei die zu kontrollierenden Streckenabschnitte besprachen.

    Hier ist mir aufgefallen, wie gut es dir mit nur wenigen Sätzen gelingt, die Personen für den Leser in einer Weise zu beschreiben, dass sie durch ihre Eigenarten und persönlichen Geschichten absolut greifbar wirken. :thumbsup:

    Manche unserer Kollegen behaupteten sogar, man könne Henry Warrington ohne Licht und Karte an einer beliebigen Stelle des Netzes aussetzen. Trotzdem würde er an jedem ihm angewiesenen Ort wieder zum Vorschein kommen.

    Dasselbe an dieser Stelle. Die kleinen Details machen eine Person glaubhaft.

    Dies mit Vorliebe an Streckenabschnitten die ausgezeichnet geeignet dazu waren, einem noch jungen Menschen kalte Schauder den Rücken hinabzujagen.

    Diesen Satz habe ich nicht ganz verstanden. Fehlt hier vielleicht ein Wort? Oder fehlt mir ein Zusammenhang? :hmm:

    Das also jetzt ausgerechnet Henry sich jetzt bei dem Gedanken unwohl fühlen sollte

    Ein "jetzt" ist überflüssig.

    während wir uns über die täglichen Belanglosigkeiten unterhielten, mit denen sich überall Männer unterhalten, um nicht von der Monotonie ihrer Arbeit übermannt zu werden.

    Eine treffliche Formulierung! :thumbup:

    Auch Mahsoud schwieg.

    Mit diesem kurzen Satz zeigst du sehr schön, wie angespannt die Atmosphäre ist, denn Mahsoud kennen wir ja als ständig gut gelaunten Menschen. Wieder ein kleines feines Detail, das die Geschichte gut und glaubhaft macht.

    Und jedesmal schien daraufhin die uns umgebende Stille dichter zu werden, uns einzuweben in das Netz aus Schweigen und Dunkelheit. Hier unten schien finster eine Einsamkeit zu herrschen, aus der jede Fröhlichkeit verbannt war.

    Ebenfalls eine wunderbare Beschreibung für die beklemmende Stimmung!

    Und von der Decke über uns tropfendes Wasser von den fahlen Zähnen der ungezählten Stalaktiten, die wie das riesige Gebiss eines unnennbaren Schreckens über uns drohten, in dessen Rachen wir getreten waren. Der Tunnel wurde in unserer Phantasie zum einem Schlund, aus dem es kein Entrinnen mehr gab.

    Hier ziehe ich wahrlich den Hut vor dieser Formulierung. Steven King hätte es kaum besser machen können!