Mundburt
besucht die Insel der Wolfsmenschen und erlebt, wie man aus einem
Schneider Most presst.
Gut genährt
und gut getränkt bestiegen wir die Karavelle, die schon am Hafen für
uns bereit lag. Auf dem Heck stand das Fass, das für den nötigen
Wind sorgen sollte, denn wieder einmal regte sich über dem
spiegelglatten Meer kein Lüftchen. Ich übernahm das Ruder, Gerlind
und Hund ergriffen die Leinen, der Magister öffnete das Spundloch;
der Wind schoss zischend heraus und blähte die Segel.
„Seltsame
Leute, diese Windesser“, murmelte Gerlind, „hätte nicht
geglaubt, dass man von Wind satt werden kann.“
„Ob sie satt
werden, weiß ich nicht, da müsstet Ihr mal jemanden fragen“,
erwiderte der Magister, „aber sie vermitteln durchaus den Anschein
ganz normaler Menschen: Sie sprechen, sie bewegen sich, sie prügeln
sich...“
„Ja schon“,
wand ich ein, „aber ich bezweifele, dass sie zu ausdauernder Arbeit
fähig sind. Wir haben es doch gesehen! Viele Windmühlen stehen
still, weil es ihnen an kräftigen Kerlen mangelt, und sie müssen...
wie soll ich sagen... sie sind auf Gastarbeiter angewiesen. Die
Kraft, die Lebenskraft ist es, die ihnen fehlt.“
„Nicht
unbedingt“, widersprach Kopf, „aus der Bewegung, die in einem
Wind steckt, kann durchaus ein Mensch seine Lebenskraft beziehen. Ich
für meinen Teil halte diese Ernährungsweise überhaupt für die
angenehmere. Flüssige und feste Nahrung führen doch, unter uns
gesagt, nur dazu, dass der Esser ständig pissen, scheißen, zuweilen
sogar kotzen muss und eine Menge Arschlappen und sonst was
beschmutzt. Das alles fällt bei ihnen weg.“
„Und der
lästige Abwasch auch“, meinte Gerlind. „Andererseits kann einem
dieses ständige Furzen, Rülpsen und Niesen ganz schön auf die
Nerven gehen.“
„Was
soll´s“, sagte der Magister, „die Winde müssen raus, sonst geht
es einem noch wie diesem verschämten Kurienkardinal, der aus Angst,
der heilige Vater könnte ihm einen Furz übelnehmen, diesen
unterdrückte und daran starb.“
„Aber die
Fürze und Rülpser der Windesser stinken wenigstens nicht!“,
feixte Gerlind, „im Gegensatz zu euren!“
Bald näherten
wir uns dem Ufer von Lykanthropon; ich befahl, abseits des Hafens,
der sich backbord zeigte, und in gehöriger Entfernung vom Strand,
Anker zu werden. Sobald das Schiff festgelegt war, ließen wir das
Beiboot zu Wasser, und Gerlind, Kynos sowie meine Wenigkeit ruderten
an Land. Kopf, der sich geweigert hatte, sein Leben für einen
„Schnepfendreck“, wie er sagte, zu riskieren, blieb an Bord
zurück.
Wir machten
das Beiboot fest und gingen den Strand hoch. Zunächst war nichts
Interessantes zu sehen, abgesehen von einem rasierten Stachelschwein,
einem hornlosen Einhorn und einem Chamäleon, das bei unserm Anblick
die Farbe verlor. Der Weg war beschwerlich, mit spitzen Steinen und
Felsbrocken übersät; rechts und links wuchsen Dornsträucher und
einzelne seltsam knorrige Bäume. Fast schien es, als sei die Gegend
darauf angelegt, Fremde abzuschrecken.
„Ich
bewundere Euren Mut“, begann Kynos nach einer Weile, „Ihr wollt
reißende Tiere fangen, und zieht doch ohne jede Bewaffnung aus.“
„Mitnichten“,
entgegnete ich, „ich bin bewaffnet, doch Ihr könnt es nicht
sehen.“
„Aha, Ihr
habt die Waffen versteckt! Doch wo, lieber Herr, wenn ich fragen
darf, wo? Eine Pike passt unter kein Wams, ein Schwert in keine
Hosentasche!“
„Da mögt
Ihr wohl Recht haben.“
„Knurr! Also
wo?“
„Das würd
ich auch gerne wissen“, meinte Gerlind.
„In meinem
Kopf.“
Die beiden
sahen mich von der Seite an; in ihren Blicken lagen deutliche Zweifel
an meiner Zurechnungsfähigkeit.
Schweigend
gingen wir weiter.
„Herr Hund“,
sagte ich nach einer Weile, „auch ich hab da mal eine Frage, wenn´s
recht ist. Was hat Euch dazu bewogen, diese Expedition mitzumachen,
denn ungefährlich ist die Sache nicht. Das Großmaul Kopf war ums
Verrecken nicht dazu bereit, also, Missjö, warum gerade Ihr? Und,
sagt´s nur frei heraus, wenn Ihr umkehren wollt, ich würd´s Euch
nicht übel nehmen. Werde schon allein klar kommen.“
„Ach! Mich
zählst du wohl überhaupt nicht!“, kodderte Gerlind.
„Aus
Dankbarkeit, Herr!“, rief Kynos, „Ihr habt mir das Leben
gerettet, und ich brenne darauf, wenn es nötig sein sollte, an Euch
ein Gleiches zu tun, und wenn ich dabei verrecken müsste! Außerdem
bin ich auch nicht ganz wehrlos! Wenn Ihr mir ins Maul schautet,
wüsstet Ihr, wovon ich rede! Dieses Gebiss und meinen Zorn haben
sogar die korrupten Schäfer, von denen ich Euch erzählte,
gefürchtet und mich mit Prügeln verschont.“
„Ihr habt
ein edles Herz, Euer Liebden!“, sagte Gerlind. „Ach, wenn doch
die Menschen auch so dächten!“
Wieder
stapften wir schweigend drauflos. Kynos, nach einer Weile: „Das mit
dem Kopf verstehe ich nicht. Erklärt es mir bitte genauer.“
Ich: „Welchen
Kopf meint Ihr denn? Den Magister oder meinen?“
Unter
dergleichen Geplauder setzten wir unseren Weg fort, als plötzlich,
wie aus dem Boden geschossen, fünf Männer vor uns standen.
„Heda, ihr
guten Leute, wer seid Ihr, und wohin des Weges?“, rief uns ein
breiter Kerl mit einem Federbusch auf dem Kopf zu, „es wird schon
dunkel! Habt Ihr nicht Angst, Euch zu verlaufen?“
„Gott zum
Gruß, Brüder!“, rief ich zurück, „viele Fragen auf einmal! Na
dann! Wir sind arme Schiffersleut und suchen einen Ort, wo wir uns
mit Proviant versorgen können. Angst kennen wir nicht, denn mit uns
ist Gott, und verlaufen werden wir uns nicht, denn Ihr werdet uns
bestimmt den richtigen Weg weisen.“
„Darauf könnt Ihr Gift nehmen“, rief der Kerl – offensichtlich der
Anführer der Bande – „den Weg werden wir Euch weisen, und auf
einen Trunk mehr oder weniger soll es uns auch nicht ankommen. Unsere
Kelter arbeitet Tag und Nacht!“
Die Gesellen
lachten rau und nahmen uns in ihre Mitte.
Während wir
weitergingen, musterte ich sie. Wie Straßenräuber sahen sie nicht
aus – dazu waren sie zu sauber und teuer gekleidet – eher wie
anständige Bürger. Ich sah die Robe eines Advokaten, das Gewand
eines Arztes, den Talar eines Prälaten, die Klappmütze eines
Kämmerers. Als besonderes Abzeichen trug jeder von ihnen einen
offenen Geldbeutel am Leib; dem Advokaten hing er um den Hals, der
Arzt trug ihn am Wanst, der Prälat am Hintern, dem Kämmerer
baumelte er am Gürtel. Ich steckte den Daumen in die Faust und
drückte ihn kräftig. Jetzt keinen Fehler machen, dachte ich, und du
hast das Rudel im Netz! Wenn das keine verkappten Werwölfe sind!
Gerlind trat
näher an mich heran und flüsterte: „Mundburt, hast du ihre Augen
gesehen?“
„Natürlich,
mein Täubchen! Gelb wie Safran! Und hast du gesehen, wie sie
beim Wort 'Gott' zusammenzuckten? Es sind Wölfe in Menschengestalt.
Schließlich bedeutet Lykanthropos Wolfsmensch.“
„Spar dir
deine Belehrungen! Und du bist sicher, dass wir von dieser Insel
wieder heil abfahren?“
„Sehr sicher
sogar! Bisher konnte es nicht besser laufen!“
Inzwischen
waren wir vor einer Burg angelangt. Die Männer führten uns in den
von Fackeln erhellten Zwinggard, das schwere, eisenbeschlagene Tor
fiel zu – wir waren gefangen. „RRRRR!“, machte Kynos, „ich
verspüre Zorn und Tatendrang! Was haltet Ihr davon: Ich gehe dem
Breiten an die Kehle, nehme ihn als Geisel und Ihr, Jungfer –“
„Kynos“,
zischte ich, „Ihr geht niemanden an die Kehle und verhaltet Euch
ruhig! Wehe, Ihr vermasselt mir meinen Plan! Schaut lieber nach
vorne!“
Um eine große
Kelter herum saßen an die zehn struppige Gestalten, die uns finster
entgegen starrten. Es waren die widerwärtigsten Kerle, die mir je
vorgekommen sind.
„Wen habt
ihr denn da?“, schrie einer mit einem fast zugewachsenem Gesicht,
„und sogar eine Jungfer bringt ihr mit! Recht so, Schlagtot,
Jungfernöl ist das beste Öl! Die letzte Pressung
schmeckte
nach diesem Pfaffensack,
und der war gar
nicht nach meinem Geschmack!“
Brüllendes
Gelächter.
„Freunde“,
krähte Schlagtot, „diesmal sind die Gäste arme, halb verhungerte
Schiffersleut, auf der Suche nach Nahrung!“
„Hoho!“,
kam es zurück, „sollen sie haben, die Nahrung, und nicht zu knapp!
Werden sie schon Ver – pflegen, hahaha! Aber zum Teufel, arm sehen
sie nicht gerade aus, und verhungert erst recht nicht! Ein wenig
Druck wird ihnen bestimmt nichts schaden!“
Eine Tür flog
auf, und zwei Kerle schleppten einen zappelnden Menschen herbei, der
mit einer großen Schneiderschere in der Luft herumfuchtelte. „Liebe
Leute!“, schrie er, „ich habe nichts mehr! Hab doch schon alles
gegeben! Der Stadt, der Kirche, dem Kaiser, den mildtätigen Brüdern,
den –“
„Halt´s
Maul!“, schnauzte einer, „ob du nichts mehr hast, wird sich bald
zeigen! Auf die Kelter mit ihm!“
Die beiden
Galgenvögel hievten den Mann auf die Kelter, banden ihn fest und
begannen zu drehen. „Erbarmen!“, zeterte der Schneider, „bei
allen Heiligen, ich hab nichts mehr, auch wenn ihr mich noch so
druckt und presst!“
„Jaja, das
Lied kennen wir! Hab noch keinen Schneider getroffen, der was hatte!
Ihr Handwerksleut müsst nur ordentlich gepresst werden, und schon
rinnt der Most!“
Ein Mann mit
der roten Fellmütze eines Steuereinnehmers trat vor und legte seinen
offenen Geldbeutel vor die Kelter. „Wird sich ja gleich zeigen, ob
du nichts hast!“, röhrte er. „Also, Freunde, dreht wacker und
quetscht ihn ordentlich!“
Tatsächlich,
als der Schneider nur noch so dick wie ein Hammelkotelett war,
klimperte Geld in den Beutel, was die Meute mit höhnischem Gelächter
quittierte. Nun sprang ein Kerl im Talar vor und schrie: „Weg da,
jetzt bin ich dran!“ Mit dem Fuß trat er den Beutel des Steuereinnehmers beiseite und legte dafür seinen hin. Wieder zog die
Kelter an, und etwas Kleingeld fiel in den Beutel. Als der Schneider
so platt war wie ein Buchenblatt, banden sie ihn los, ließen ihn
laufen, doch schon nach zehn Schritten fingen sie ihn wieder ein. Der
Prälat, sichtlich enttäuscht über die geringe Ausbeute, drehte
sich um. „Heda, Ihr Herren und Ihr, Jungfer!“, rief er, „kommt
doch näher! Ich sehe schon, Euer Most gibt einen vorzüglichen
Jahrgang ab!“ Er schnalzte mit der Zunge. „Lecker, lecker, wird
sicherlich ein süffiger Wein! Bei meiner Ehr´, Ihr steht gut im
Futter und könnt ein wenig Druck wohl vertragen!“
„Bei meiner
Ehr´“, raunte Kynos, „ich wollte dem Gesindel keinen halben
Heller bluten.“
Die Situation
begann brenzlig zu werden. Um Zeit zu gewinnen rief ich zurück: „Ich
danke recht schön! Sagt, Hochwürden, habt Ihr nicht noch andere
Trauben, aus denen Ihr solchen Most keltern könnt? Es gibt doch
vielerlei Gewächse, von denen man Beeren lesen kann!“ Ich bückte
mich, tat so, als schlüge ich eine Mücke von der Wade, hob
unbemerkt – was bei dem flackernden Fackellicht nicht schwer war –
einen Stein auf und steckte ihn ein.
„Zum Teufel
nein!“, schrie der Halunke, „sind schon alle bis aufs Blut
ausgepresst!“
„Ha, und
warum legt Ihr den Schneider wieder in den Zehntstock? Den armen Mann
habt Ihr doch schon gründlich ausgekeltert!“
„Wahrhaftig,
um zu sehen, ob man nicht noch etwas aus dem Treber gewinnen kann!“
Wir fiel der
Spruch ein, den mein Vater oft sagte, wenn ihn die Melancholie
ergriff: Homo hominis lupus*. Recht
hat er, der Alte, dachte ich.
„Los
jetzt!“, schrie Schlagtot, „genug geschwatzt! Vorwärts!“ Seine
Spießgesellen kamen drohend auf uns zu –
„Meine
Herren“, sagte ich, „warum so eilig? Ihr presst arme Leute aus,
die von der Hand in den Mund leben, und was kommt letztendlich dabei
heraus? Ein paar schimmelige Heller! Da hab ich etwas, das mehr Most
bringt als tausend dürre Schneider!“
„Große
Worte, Herr, große Worte!“, grölte jemand, „doch von Worten
allein lässt sich schlecht leben!“
„Wenn Ihr
den Schneider laufen lasst, zeig ich Euch, wie man aus einem Stein
feine schlesische Groschen presst.“
„Hihaho! Aus
einem Stein? Das möcht ich sehen!“
Ich hielt den
Stein hoch. „Da seht Ihr ihn!“
„Schon,
schon“, grunzte einer der Gesellen, „den Stein seh ich wohl, aber
nicht die Groschen.“
„Lasst erst
den Schneider laufen, dann seht Ihr auch das Geld.“
„Bindet ihn
los“, rief Schlagtot, „die Fabel fängt an, interessant zu
werden.“ Zu mir: „Wehe du flunkerst, Kerl, dann drucken wir dich,
dass dir das Schmalz aus den Ohren tropft!“
Ich presste
den Stein, und etliche Silbergroschen fielen heraus. Sofort stürzten
sich die Kerle in den Staub und gebärdeten sich wie Maulesel, denen
man eine chinesische Rakete an den Schwanz gebunden und angezündet
hat. Es setzte Püffe, Tritte und Ohrfeigen. Inzwischen waren auch
die anderen herangekommen, alle mit Steinen in den Händen; sie
umringten mich und hielten mir die Steine unter die Nase. Dabei
schrien sie wild durcheinander: „Hier, nehmt meinen zuerst!“ –
„Nein, erst meinen!“ – „Weg da, Affenarsch, hab Frau und
Kinder!“ – „Kotzinschuh, du glaubst wohl...“ – „Ha,
Lausekamm, fahr zum Teufel!“
„Meine
Herren!“, rief ich, „so geht das nicht! Dies ist natürlich kein
gewöhnlicher Stein, wie man ihn auf dem Acker oder hier im Burghof
findet. An Land findet man solche Steine überhaupt nicht, man muss
sie aus dem Meer fischen!“**
„Habt Ihr noch
mehr von diesen Geldsteinen?“, fragte ein großer Mann mit
außergewöhnlich spitzen Ohren.
„Von den
Steinen nicht, aber von dem Geld, das meine Leute daraus geschlagen
haben! Auf meinem Schiff draußen vor der Küste! Ich schätze,
tausendfünfhundert Millionen Silbergroschen und noch einmal doppelt
so viele Peterspfennige werden es schon sein.“
„Ha, das
reicht für alle!“, schrie jemand, „los, was zögert ihr noch!
Auf, zum Schiff!“
Sie rissen die
Fackeln aus den Halterungen, und wir marschierten los, wobei uns
Schlagtot und seine Kumpanen nicht aus den Augen ließen.
„Ich hoffe,
du hast dir gut überlegt, was du da machst“, raunte mir Gerlind
zu, „wenn die merken, dass du sie hereingelegt hast –“
„Dann sind
wir bereits in Sicherheit, mein Schnuckelchen!“
____________
*
Der Mensch ist des Menschen Wolf. ** Anm. d. Hrg.: Sollte der Verf.
Manganknollen gemeint haben? Es ist unwahrscheinlich, wenn man die
Zeit bedenkt, aber ist es, bei alldem, das man schon von ihm erfahren
hat, wirklich unmöglich?
Mundburt fängt
ein Rudel Wolfsmenschen und wird trotzdem nicht froh.
Als wir uns
dem Strand näherten, gab eine Wolke den vollen Mond frei. Sein
Schein übergoss Meer und Schiff mit silbrigem Glanz, was die Bande
außer Rand und Band geraten ließ. „Seht doch, das Silberschiff!“
schrien einige und stießen sich mit den Fäusten in die Seite, „wie
es strahlt und blinkt! Er hat recht geredet! Das Schiff ist voll von
Silber!“
Wirklich, es
konnte nicht besser laufen.
Nach kurzem
Suchen fanden wir das Beiboot. Kaum hatte es die Horde entdeckt, da
stürzten auch schon alle drauf los. „He, ihr Leute!“, rief ich,
„nicht so hastig! Alle auf einmal geht nicht! Das Boot trägt
höchstens acht Personen; wir sind drei, also können zunächst nur
fünf von euch mit hinüber. Die anderen müssen sich schon
gedulden.“
Wieder fingen
sie zu feilschen und krakeelen an.
„Ruhe!“,
rief jetzt der Große mit den spitzen Ohren, „jetzt fahren mit:
Hasenscharte, Plattnase, Schlagtot, Kotzinschuh, Pissdiewandan! Also
ab mit euch. Schimmelpfeng, Springintgut, Kaulquappe, Ochsenbacke und
Nimmersatt fahren als nächste. Alle anderen müssen sich noch
gedulden.“ Er sah mich an, und ich schwöre, sein Blick ließ mir
das Blut in den Adern gerinnen. „Kerl“, zischte er, „wenn du
kein reelles Spiel spielst, ist es aus mit euch! Dich und den Hund da
zerreißen wir, und die leckere Jungfer –“
„Warum
sollte ich?“, gab ich zurück, „außerdem, Ihr habt doch gesehen,
wie das Silber aus dem Stein fiel! Ist das nicht genug Beweis und
Exempel, dass ich´s reell meine?“
„Na schön,
dann fahrt in drei Teufels Namen!“
Während wir
einstiegen, flüstert ich Gerlind und Kynos zu: „Wenn ihr an Bord
seid, nimmt jeder von euch sofort einen Hammer aus dem Backkasten,
geht zum Ankerspill und haut kräftig drauflos. Aber achtet darauf,
dass euch die Kerle dabei nicht sehen. Wenn die Klappe zur Bilge aufs
Deck knallt, hört ihr damit auf. Keine Fragen jetzt! Tut, was ich
sage!“
Kurz vor dem
Schiff rief ich: „Hoiho, Herr Magister, wir kommen mit ein paar
lieben Gästen! Sind alles gute Leute! Lasst das Fallreep herunter!“
Das Boot legte
bei, wir kletterten an Bord, ich als erster. Oben gelang es mir noch,
dem Magister ein paar Worte zuzuflüstern, bevor der erste
Halunken-Schopf über der Reling erschien: „Stellt jetzt keine
Fragen und tut das, was ich Euch sage! Als erstes dreht Ihr das
Schiff mit einigen kräftigen Windstößen so, dass der Mond durch
die geöffnete Klappe hinunter in die Bilge scheinen kann. Wenn alle
unten sind, löscht Ihr die Laternen, lichtet den Anker, dann das
Schiff gewendet und unter starkem Wind schleunig umgekehrt und zurück
zur Insel der Windesser!“
Sobald die
„Herren“ sämtlich an Bord waren, sprach ich sie folgendermaßen
an: „Meine Herren! Willkommen an Bord des Silberschiffs! Wahrlich,
die Gier nach Silber ist keines von den allerschlimmsten Lastern, sie
wird noch übertroffen –“
„Was klingt
da?“, schrie Plattnase.
„Meine
Feinschmiede! Sie schlagen Münzen aus dem Silber, dass aus den
Steinen .“
„He, du
Schrägscheißer“, grunzte ein anderer und stampfte mit dem Fuß
auf, „quatsch nicht so viel, sonst passiert noch was! Wo liegt das
Geld, antworte, aber dalli!“
Durch weiteres
„Gequatsche“ wollte ich ihre Ungeduld soweit steigern, bis sie
vor unbändiger Gier blind wären. Doch der Versuch misslang, denn
auf einmal hatte Plattnase ein Messer in der Hand und fuchtelte mir
damit vor der Nase herum. „Höre, du Narr!“, röhrt er, „tätest
besser daran, uns jetzt das Geld zu zeigen! Dieser Kamerad hier ist
ein verdammt guter Kämpfer und liebt ganz besonders das Blut von –“
„Schon gut,
Onkel“, wehrte ich ab, „Ihr regt Euch unnötig auf. Also dann,
folgt mir!“
Wir gingen zur
Bodenklappe, unter der die Leiter zur Bilge stand. Ich öffnete sie
und ließ sie aufs Deck krachen. Unten glitzerte das Wasser im
Mondlicht. Die fünf Ganoven beugten sich alle auf einmal über die
Öffnung. „Silber!“, grölte Schlagtot, „Silber, Silber,
Silber!“ Sowie es aussah, war zumindest er bereits blind vor Gier.
„Warum
arbeiten die Feinschmiede nicht mehr?“, fragte jemand.
„Weil alle
Münzen geschlagen sind“, gab ich zur Antwort. „Geht hinunter und
überzeugt euch!“
„Weg da!“,
schrie der Oberganove und stieg hinunter, zwei weitere drängten
nach. „Zum Teufel, was ist das?“, rief Schlagtot von unten, „das
ist ja Wasser!“ Plötzlich brüllte er auf: „O du Satansbraten!
Ich hab´s doch geahnt! Na warte, mein Söhnchen, wenn ich wieder
oben bin –“
Doch so weit
sollte es nicht kommen. Dem einen von den beiden, die noch oben
standen und verblüfft in die Bilge starrten, versetzte ich einen
kräftigen Stoß ins Kreuz; gab dem anderen einen harten Schlag mit
der Handkante in den Nacken; sie fielen vornüber und rissen die
drei, die gerade grölend und fluchend wieder hochstiegen, beim Sturz
mit in die Tiefe.
Krach! Die
Klappe donnerte in die Zarge, der Riegel schoss vor. „Ha!“, rief
ich, „jetzt hab ich euch!“ Die ganze Aktion war schneller
gegangen als ein Falke zustößt.
Unten begann
ein gewaltiges Heulen und Fluchen; kurz darauf erschütterten heftige
Stöße das Deck. Offenbar versuchten die Gefangenen, die Klappe mit
der Leiter aus der Verriegelung zu reißen. „Gebt euch keine
Mühe!“, rief ich, „hört ihr? Auch wenn der Riegel bricht, die
Klappe kriegt ihr trotzdem nicht auf!“
Kynos und ich
rollten das volle Windfass, das als Reserve noch in der Back stand,
über die Klappe, richteten es auf und setzten uns drauf. – Puh,
ihr glaubt nicht, wie schwer das Teil war! Dass Unsichtbares so viel
wiegen kann!
Am Stand wurde
es jetzt laut; allmählich dämmerte den zurückgebliebenen Ganoven,
dass mein Spiel wohl doch nicht reell war, und sie begannen,
schreiend und fluchend hin und her zu laufen; einige dieser
Galgenstricke wateten sogar ins Wasser, meinten wohl, sie könnten
das Schiff zu Fuß erreichen! „Zum Hafen!“, schrie der
Spitzohrige, „schnell in die Ruderboote und hinter ihnen her! Bei
dieser Flaute haben wir sie bald eingeholt!“
„He, du
Narr!“, rief ich hinüber, „das denkst du dir! Warum hab ich wohl
nicht in eurem Hafen geankert? Schau mal her, du Affenarsch! – Herr
Magister, gebt ordentlich Wind!“
„Zu Befehl,
Herr Kapitän!“, rief Kopf fröhlich und zog den Stopfen aus dem
Loch; der Wind füllte die Segel, und unter dem wütenden Geheul der
Ganoven setzte sich die Karavelle in Richtung Heimathafen in
Bewegung.
Mundburt
verwandelt die Wolfsmenschen in Werwölfe.
Aus dem
Windfass zischte und fauchte es, das Schiff neigte sich im Wind, die
weißen Segel leuchteten im Mondschein, die Wellen rauschten – ich
sah und hörte es wohl, aber der herrliche Anblick erreichte nicht
mein Herz, denn die größte Bewährungsprobe stand mir noch bevor.
Als habe Kynos
meine Gedanken erraten, fragte er: „Wie soll es denn nun
weitergehen? Ihr habt Wolfsmenschen gefangen, aber dem Bürgermeister
habt Ihr Werwölfe versprochen.“
„Das ist
zweifellos ein Problem, über das ich noch nachdenken muss“,
orakelte ich, „aber macht Euch keine Sorgen, lieber Hund, bisher
ist alles gut gegangen, und warum sollte es nicht weiter so gehen?“
„Deine
Chuzpe möcht ich haben!“, ätzte Gerlind, die inzwischen statt
meiner auf dem Fass saß, „ich fürchte, das mit Pferd, Harnisch
und Schwert wird so schnell nichts.“
Mittlerweile
hatte das Stoßen unter uns aufgehört, dafür ertönte es jetzt von
achtern. Offenbar versuchten die Ganoven, sich durch das Schott zum
Hinterkastell durchzuarbeiten. Lass sie, dachte ich, wir laufen
gleich ein, und dann ist es egal, aus welchem Loch sie kriechen.
Ich
sagte noch einmal den Spruch auf, von dem die Magd Gudula damals
behauptete, damit könne man bei Vollmond einen Werwolf, wobei man
ihm in die Augen blickt, in einen Menschen zurückverwandeln – und
heute war Vollmond! Der Spruch lautete:
Wolf,
Gott schicke dir Mannsgestalt
sollst
wieder sein wie ein Mann gestalt´t!
Gleich
wirst du verlieren Wolfsgewalt
Wolf,
Gott schicke dir Mannsgestalt.
In
himmelschreiendem Leichtsinn nahm ich an, dass ich nur die Worte Mann
und Wolf vertauschen musste, um den Bannspruch in entgegengesetzter
Weise wirken zu lassen. –
Als die
Karavelle die Pier erreichte, war bereits der gesamte Stadtrat
versammelt. Stadtwächter waren damit beschäftigt, Neugierige
abzudrängen, denn ein zufällig entwichener Werwolf, in seiner
rasenden Wut, da sag ich euch sicherlich nichts Neues, ist ein
unberechenbares Ungeheuer.
Man brachte
die Netze, mit denen die Ganoven einzeln gefangen werden sollten; die
Fänger, vier kräftige Burschen, stellten sich hinter dem Abstieg
zur Bilge auf.
Ich öffnete
die Klappe einen Spalt breit und rief hinunter: „Los, ihr Halunken,
ihr könnt wieder herauskommen, aber einzeln und mit Abstand! Wenn
ihr euch nicht daran haltet, könnt ihr dort unten verfaulen!“
Der Erste
kroch heraus, die Männer warfen das Netz, zogen es zu, der Ganove
war gefangen. Ich stellte mich vor ihn hin, sah ihn fest an und rief:
„Mensch,
Gott schicke dir Wolfsgestalt
sollst
wieder sein wie ein Wolf gestalt´t!
Gleich
wirst du verlieren Menschengewalt
Mensch,
Gott schicke dir Wolfsgestalt.“
Ich wartete –
nichts geschah, außer dass der Gefangene wüste Verwünschungen
ausstieß und wild am Netz herumzerrte.
Ich
wiederholte den Spruch lauter – nichts.
Mir wurden die
Knie weich, das Leuchtfeuer tanzte vor meinen Augen. Aus den
Augenwinkeln sah ich, wie der Bürgermeister und die Herren vom Rat
die Köpfe schüttelten.
„Was zum
Teufel soll das?“, schrie der Kerl im Netz mit Schaum vorm Mund,
„fahr zur Hölle, du gottverdammter Bube du! Ich zähle bis drei,
dann –
Teufel? Hölle?
Gottverdammter Bube?
Plötzlich
wusste ich, wo der Fehler lag! Ich hatte vergessen, das Wort Gott
gegen das Wort Teufel auszutauschen. Rief erneut:
„Mensch,
der Teufel schicke dir Wolfsgestalt
sollst
wieder sein wie ein Wolf gestalt´t!
Gleich
wirst du verlieren Menschengewalt
Mensch,
der Teufel schicke dir Wolfsgestalt.“
Und
tatsächlich! Der Spruch wirkte! Der Ganove – wenn ich recht
erinnere Pissdiewandan – eben noch schwarz im Gesicht, wurde grau,
sein Geschrei verwandelte sich in wütendes Jaulen, und bald hatte er
die Gestalt eines großen Wolfs angenommen. Die Männer schnürten
das Netz fester, zogen es von Deck, luden es in einen Karren und
brachten den frisch gebackenen Werwolf weg. So geschah es auch mit
den anderen.
Ich machte einen
Luftsprung und rief: „Danke, Herr, für deine Hilfe und dafür,
dass du´s mir nicht übel nimmst, wenn ich mich mal mit an den
Teufel wende. Soll nicht wieder vorkommen!“
„Bist du
sicher, dass es wirklich Gott war und nicht der Teufel, der dir
geholfen hat?“
Gerlind stand
neben mir, in meiner Euphorie hatte ich ihr Kommen nicht bemerkt.
„Könnte mir vorstellen, dass der Teufel eher für solche
finsteren Händel zuständig ist!“
„Aber nicht
doch!“, rief ich, „der Herrgott ist dem Teufel einfach
zuvorgekommen!“ Umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf.
Forts. folgt