Nelli schaute Trevor und Esther nach, wie sie das Schiff verließen, die runzelige Stirn noch etwas mehr in Falten gelegt. Ihr Plan wies mehr Falten auf, als eine Scheibe Käse, aber sie hatte auch nicht wirklich eine bessere Idee. Und Zeit zu schinden, damit sie entkommen konnten, war allemal sinnvoller als auf diesen unheimlichen Typen zu warten, dessen Gegenwart selbst ihr Übelkeit verursacht hatte, auch wenn sie es niemandem gesagt hatte.
Die Handwerker waren noch weiter mit der Reparatur des Schiffes beschäftigt, grade der Mast hatte noch wirklich Arbeit nötig. Eigentlich ein Wunder, dass diese Nussschale sie bis hierher gebracht hatte. Ihr Blick ging zu Edmund, der sichtlich genervt auf dem Deck stand, die Arme vor der Brust verschränkt und in seiner üblichen nölenden Art die Arbeiter herum kommandierte.
„Das muss schneller gehen. Und so wird das sicher nicht funktionieren!“ meckerte er, woraufhin sich einer der Arbeiter zu ihm umdrehte. Die Hexe musste sich das Lachen sehr verkneifen, als der ihm einen Hammer in die Hand drückte.
„Dann macht es selber besser“, verlangte er, was den Händlersohn die Backen aufblasen ließ. Nelli konnte die Empörung in seinem Gesicht sehen und beschloss einzugreifen, bevor Edmund auch noch die letzten Arbeiter vergraulen konnte.
„Du bist nicht hilfreich, Edmund. Lass sie einfach ihre Arbeit machen“, schlug sie vor und humpelte auf ihn zu, lehnte sich vielleicht etwas mehr auf ihren Stock als sonst.
„Sagt das alte Weib, was bisher nur auf einem Fass gesessen und zugeschaut hat“, gab er genervt zurück und fuchtelte mit dem Hammer herum.
„Ich hab aber auch nicht so getan, als wenn ich hilfreich wäre. Und es geht sicher schneller, wenn du nicht mit ihrem Werkzeug nutzlos in der Gegend herum fuchtelst“, merkte sie trocken an, schaute kurz zu dem Handwerker, der irgendwas zwischen peinlich berührt und belustigt schien. Wie ein Kind, das zwischen den streitenden Eltern stand.
„Aber er hat es mir doch in die Hand gedrückt anstatt vernünftig zu arbeiten!“, empörte der Schnösel sich, was Nelli ein genervtes Seufzen entlockte. Manchmal fragte sie sich, warum sie Edmund nicht einfach dem Kraken zum Fraß vorgeworfen hatten.
„Gib ihn einfach zurück. Steht dir eh nicht, so ein Hammer.“ Der Blick mit dem Edmund sie betrachtete hätte weniger standfeste Personen in die Flucht getrieben. Ein Morddrohung nur mit den Augen... Dennoch drückte er dem Handwerker das Werkzeug wieder in dessen große Pranken.
„Zurück an die Arbeit und beeilt Euch, ich will hier keine Wurzeln schlagen“, wies er ihn an und wandte sich zum Gehen. Vielleicht sollte sie etwas machen, damit er die Arbeiter in Ruhe ließ, ihn irgendwie ablenken. Sie watschelte ihm hinterher.
„Sag mal, Edmund, hast du schon in das Buch geschaut, was ich dir gegeben habe?“ fiel es ihr siedend heiß ein. Damit würde sich doch was anfangen lassen. Doch Edmund schnaubte nur verächtlich.
„Klar, in den zwei Stunden, in denen ich mal hätte schlafen können“, kam es sarkastisch zurück und die Alte runzelte die Stirn. Kein Grund gleich so pampig zu werden...Wobei, das war Edmund, warum wunderte sie das überhaupt?
„Hätte ja sein können, alter Griesgram“, brummte sie und tat sich etwas schwer, mit ihm Schritt zu halten.
„Klar, eignet sich hervorragend als Einschlaflektüre...Sehr spannend. Nicht“, ätzte er, lehnte sich an die Reling. Nelli entging nicht, wie sein Blick unruhig zwischen dem Hafen und den Arbeitern auf dem Schiff hin und her wechselte. Oh ihr Götter, er war wirklich nervös und angespannt.
„Ha! Also hast du darin gelesen!“ triumphierte sie und grinste ihn frech an. Dann eben so.
„Ich sagte doch, in den zwei Stunden, in denen ich mal hätte ein Auge zu machen können“, brummte er, „Und jetzt grins nicht so blöd.“
„Ist ja gut. Aber du hast rein geschaut, das freut mich. Ich mag eifrige Schüler“, stichelte sie und beobachtete, wie er sie zum ersten Mal bewusst anschaute, ein wütendes Funkeln in seinem Blick.
„Ich bin NICHT dein Schüler!“ fauchte er, was Nelli eine Augenbraue heben ließ. Warum war dieser Kerl nur einfach so voller Widersprüche? Warum musste er dagegen eseln auch wenn es völlig sinnlos war?
„Wenn du das nicht willst, warum hast du dann das Buch gelesen?“ hakte sie nach, was Edmund den Blick abwenden ließ, während er irgendwas von Interesse in seinen nicht vorhandenen Bart nuschelte. Noch immer glitt sein Blick unruhig zum Hafen und gerade als er ansetzte, die Handwerker wieder zur Sau zu machen, griff Nelli nach seinem Ärmel und zog ihn mit sich.
„Hey! Was soll das?“ meckerte er, versuchte ihr seinen Arm zu entziehen, doch Nelli konnte einen sehr unbarmherzig festen Griff haben, wenn sie wollte. Und gerade wollte sie.
„Statt sinnlos auf dem Deck rumzustehen, kannst du mir auch helfen. Dann bist du wenigstens den Handwerkern nicht mehr im Weg“, bestimmte sie, was ihr ein gemurmeltes „Danke! Endlich!“ der Arbeiter einbrachte. Sie zog den Händlersohn unter Deck in die Küche, was ihn leicht panisch werden ließ.
„Entspann dich. Wenn Trevor und Esther entdeckt worden wären, würden wir das auch von hier aus ganz sicher mitbekommen“, stellte sie nüchtern fest während sie einen Topf mit Wasser füllte und versuchte das Feuer zu entzünden, was mit ihren krummen Fingern nicht unbedingt einfach war.
„Um die beiden mach ich mir gar keine Sorgen. Eher um uns“, gab Edmund flapsig zu, tigerte unruhig in der Küche auf und ab.
„Warum? Dass wir nicht rechtzeitig weg kommen?“ Sie zog die Augenbrauen erneut hoch. Für so ängstlich hatte sie ihn nun wirklich nicht gehalten.
„Mal überlegen: Wir beide hocken hier, beide nicht in der Lage etwas gegen Magier auszurichten. Die Einzige, die Schiff und Leute verteidigen könnte, bringt gerade eine Kiste weg, von der wir hoffen, dass ein widerlicher Magier darauf hereinfällt. Was wenn nicht? Das war ein saublöder Plan und wenn der Kerl beschließt uns auszuräuchern, können wir beide nichts machen, außer ihn mit Gold zu bewerfen“, kam es zynisch von dem Händlersohn. Nelli hielt in ihrem Tun inne und lehnte sich auf die Arbeitsfläche.
„Naja, so ganz wehrlos sind wir ja nicht...“ wandte sein, was Edmund ein freudloses Lachen entlockte und ihn die Arme in die Luft werfen ließ.
„Klar, was willst du machen? Ihn bitten, Gift zu trinken? Da kann ich ihn ja noch eher ins Meer locken und ertränken...“
Sie stemmte die Hände in die Hüfte und schnaubte entrüstet. Für wie nutzlos hielt dieser Schnösel sie eigentlich?
„Ich kann auch Pulver herstellen, das ist meistens sogar hilfreicher“, gab sie patzig zurück, widmete sich erneut dem verdammten Feuer. Oh, wo war die Magierin, wenn man sie mal wirklich brauchte? Es herrschte einen Moment Stille, Edmund hatte aufgehört herum zu laufen.
Seine nächsten Worte waren eher etwas gedehnt, als müsste er sich zwingen, sie auszusprechen. „Wenn du mir unbedingt etwas beibringen willst, dann das. Das halte ich für taktisch klüger als irgendeinen Trank.“
Erstaunt drehte sie sich zu ihm um. „Einverstanden, dann das. Wenn du das lernen willst, dann bringe ich dir das bei.“
Er wich ihrem Blick aus, rieb sich den Nacken. „Du willst, das ich das lerne.“
Sie winkte ab, das hatte keinen Sinn darüber zu diskutieren. „Wie auch immer.“
Sie begann ihm die verschiedenen Kräuter, die sie nutzen würden, zu erklären und vorzubereiten. Zwar tat Edmund genervt, aber Nelli merkte, dass er ihr immerhin zuhörte. Schließlich ging sie das alles Schritt für Schritt mit ihm durch, ließ ihn aber dabei das meiste machen. Sie merkte, dass er müde war, gab sich aber wirklich Mühe, ihr zu folgen und ihren Anweisungen zu folgen. Das klappte ja schon überraschend gut.