Zu sagen, dass Edmund nicht begeistert war, weil Nelli ausgerechnet jetzt meinte, ihm irgendwas über Tränke und Pulver beizubringen, wäre untertrieben gewesen. Er hasste es, nicht zu wissen, was um das Schiff herum passierte. Als hätten sie im Moment keine anderen Probleme, als irgendwelche Kräuter zusammenzukippen und seine Töpfe damit einzusauen. Allerdings hatte Nelli seine Unruhe bereits bemerkt und noch weniger als Hexenkram zu lernen, wollte er, dass sie dachte, er würde sich Sorgen machen.
Zugeben, dass er das Gebraue interessant fand und es ihn beruhigte und ablenkte, würde er dennoch nicht.
„Fertig“, verkündete Nelli schließlich.
Edmund schüttelte die Gedanken ab und betrachtete das mehrfarbige Gebräu in seinem Topf.
Es roch ja nicht schlecht, aber … „Was haben wir da eigentlich gemacht?“ Er hob die Augenbrauen und betrachtete die Hexe, die aber nur verschmitzt grinste.
„Anhand der Zutaten, mein Schüler, was meinst du, was der Trank bewirkt?“
„Nenn mich nicht deinen Schüler, altes Weib…“, grummelte Edmund genervt. Wenngleich das Buch interessant war und das Trankmixen dem Kochen ähnelte, gefiel es ihm überhaupt nicht, als Schüler bezeichnet zu werden.
Das erinnert mich an diesen Dreckssack von einem Hauslehrer …
Der Kerl war völlig stumpf gegenüber der Nymphen-Aura gewesen und hatte ihn immer wieder als dumm und unfähig beschimpft. Dabei war der Unterricht genauso spannend gewesen, wie Hornhaut mit dem Bimsstein vom Fuß zu schrubben. Wer konnte es ihm da verübeln, dass sein 10-Jähriges Ich erst gar nicht zum Unterricht erschienen war?
„Keine Ahnung, es verleiht Flügel?“
Nelli verdrehte die Augen und seufzte.
„Nein, das ist ein Vergessenstank.“
„Ein Vergessenstrank?“ In dem Alter braucht die noch einen Trank dafür?
„Es schadet wohl nicht, die Handwerker vergessen zu lassen, was sie hier gesehen haben.“ Nelli grinste zufrieden und rührte in dem Topf herum. „In ein paar Stunden sollte er fertig sein.“
Keine dumme Idee …
Er sollte darüber nachdenken, einen extra Satz Geschirr für Nelli anzuschaffen. Auf Dauer war es nicht gut, wenn er in den gleichen Gefäßen kochte, in denen Nelli ihren Sud zubereitete. Am Ende vergaßen sie beim Essen, was sie aßen.
Er wollte Nelli gerade fragen, als er Schritte hörte.
Als er sich umdrehte, betraten Trevor und Esther die Küche.
„Alles erledigt“, meinte Esther.
Und scheinbar reibungslos, nahm Edmund zur Kenntnis. Er musterte beide. Sie waren unverletzt. Und ohne Verletzungen.
„Was macht ihr da?“ Trevor reckte den Hals zum Topf. Er kniff die Augen zusammen, als würde er überlegen, ob es gut oder schlecht war, dass Nelli und Edmund beisammenstanden, ohne sich zu streiten.
„Wahllos Kräuter zusammenklumpen, die alle gleich aussehen." Ich glaube, das Mütterchen verspottet mich die ganze Zeit, in dem sie mir die gleichen Kräuter immer wieder vorlegt und mir irgendwas anderes Ausgedachtes dazu erzählt.
„Edmund ablenken", meinte dagegen Nelli im gleichen Atemzug.
Er musste nicht abgelenkt werden. Alles hier geschah gegen seinen Willen! „Jetzt, da Trevor da ist, lenk ihn doch ab!"
„Da Trevor den Handwerkern hilft und nicht im Weg herumsteht, muss ich ihn nicht ablenken.“ Nelli kicherte vor sich hin und vollendete damit das typische Bild einer Hexe, die bei Feuerschein in schummerigem Licht in einem großen Topf rührte. In einem Haus im Wald.
„Ich stehe nicht im Weg!“, kommentierte Edmund und verschränkte die Arme. Während sich Trevor in der Enge der kleinen Küche an ihm vorbeidrängte, um neben Nelli zu treten.
„Was soll der Trank bewirken?“, Esther begutachtet neugierig den Topf.
„Der Trank soll uns noch ein paar zusätzliche Minuten verschaffen, wenn dieser Magier, Thomas, den ersten Schwindel mit den Kisten bemerkt.“ Nelli rührte noch einmal, dann legte sie den Deckel auf.
Esther hob die Augenbraue.
„Es ist ein Vergessenszauber für die Handwerker“, erklärte Edmund, was er eben "gelernt" hatte. Kurz erklärte er, was Nelli damit plante. Dann grinste er als ihm ein Gedanke kam. „Und vielleicht müssen wir auch nichts bezahlen … wenn sie von dem Auftrag nichts mehr wissen.“
„Gute Idee“, stimmte ihm Esther zu seiner Überraschung zu. Er wollte gerade fragen, welchem Teil davon sie zustimmte, als ihn bereits ein Hieb am Hinterkopf traf. Ein Schmerzlaut von Esther verriet zudem, dass sie einen ähnlichen Schlag abbekommen haben musste.
„Diese Handwerker dort draußen mussten Edmund die letzten Tage ertragen und ihr überlegt, sie nicht zu bezahlen?“, zischte Nelli. „Abgelehnt!“ Sie schwenkte ihren Stock drohend und wirkte nicht, als würde sie sich umstimmen lassen.
Was heißt denn hier „ertragen“?
„Du hast recht. Dafür sollten wir ihnen sogar noch einen Bonus geben“, gab Esther mit einem schadenfrohen Zucken im Mundwinkel zu.
Fall mir nur in den Rücken, blöde Magierin …
Die blöde Magierin rieb sich den Hinterkopf, dabei war sich Edmund sicher, dass die Alte die Adlige nicht so fest geschlagen hatte wie ihn. Aber mit ihm konnte man es ja machen.
„Das war doch nur ein Witz“, nuschelte er nur, notierte sich die Idee aber dennoch gedanklich.
Trevor grinste derweil vor sich hin und legte Edmund einen Arm um die Schulter.
„Ehe wir uns wieder an die Gurgel gehen, wie wäre es, wenn wir beiden etwas Spazierengehen, Edmund?“
Edmund war verwirrt.
„Spazierengehen?“
Trevor nickte nur.
Edmund war nicht begeistert. „Warum habe ich das Gefühl, dass ihr mich von den Handwerkern fernhalten wollt und ich deshalb keine andere Wahl habe, als ja zu sagen?“
„Gut erkannt“, meinte Nelli mit einem Grinsen, das ihm nicht gefiel.
„Aber wir sollten nicht weggehen. Wenn Thomas hier …“, versuchte Edmund das Unheil abzuwenden. Aber Nelli fiel ihm ins Wort.
„…dann könnt ihr beiden sowieso am wenigsten ausrichten…“
Autsch …
Aber Edmund wäre nicht Edmund, wenn er sich einfach so geschlagen geben würde. Er setzte also erneut zu einem Widerspruch an. Trevor kam ihm aber zuvor, packte ihn und warf ihn über die Schulter wie einen Sack Mehl.
„Sag mal geht es dir noch gut?“
„Du kommst jetzt mit!“, meinte Trevor trocken und verabschiedete sich für die nächsten Stunden bei Nelli und Esther.
„Irgendwie glaube ich nicht, dass du mich in dein Bett trägst … also wo gehen wir spazieren?“
Trevor antwortete darauf nicht, was Edmund jedoch recht war. Schweigend ertrug er, von Trevor vom Schiff getragen zu werden, als wäre er ein – zugegeben sehr schickes – Accessoires.
Erst im Hafen setzte Trevor ihn ab.
„Wir suchen uns jetzt einen Platz und üben dort.“
„Warum machen wir das nicht auf dem Schiff?“
„Willst du, dass Omma es kommentiert?“
Edmund setzte an, konnte das Argument aber nicht entkräften.
Er war sich noch immer nicht sicher, ob er das wirklich konnte und wollte. Ja, er hatte vorgehabt, Trevor um Hilfe zu bitten. Aber konnte er das auch? Wieder mit einem Schwert kämpfen, wenn es sein musste?
„In Ordnung, ehe ich es mir wieder anders überlege.“
Er folgte Trevor durch die Straßen der Hafenstadt.
„Hast du denn eine Vorstellung, wo du-“
Trevor zerrte ihn so plötzlich von der Straße in einen Hauseingang, dass er das Gleichgewicht verlor und in den ehemaligen Piraten krachte. Etwas knirschte und polterte. Dann drehte sich die Welt um die eigene Achse. Das wohlbekannte Gefühl in seinem Rücken, seinen Schultern, seiner Brust und seinem Hintern verriet ihm, dass sie soeben eine Treppe nach unten krachten. Eine Treppe aus Stein, wohlbemerkt. Irgendwo auf halben Weg bekam er Trevors Fuß in die Nieren und seine Schulter in den Nacken.
Er kam zuerst unten an und wurde dann von einem Berg überrollt, der ihn auf den Boden nagelte.
„Ich mag keinen Schmerz spüren“, brachte er hervor. Tatsächlich war ihm lediglich von dem Hin und Her schwindelig. „Wenn du schon auf mir liegst, dann zieh dich wenigstens aus! Ansonsten runter von mir!“
Trevor reagierte sofort.
„Oh entschuldige.“ Er stemmte sich hoch und bewegte seinen Hintern von ihm runter. Dann krümmte er den Rücken und ließ den Nacken knacken. Edmund sprang ebenfalls auf und klopfte die Kleidung ab.
„Was war das denn?!“
„Ich meine am Ende der Gassen einige Männer von unserem neuen "Freund" gesehen zu haben…“ Völlig ruhig blickte Trevor die Treppen nach oben. Lediglich die gerunzelte Stirn verriet, dass er sich Sorgen machte.
„Ähem“, räusperte sich jemand im Halbdunkel.
Edmund sah sich in dem düsteren Kellerraum um, der nur von zwei Fackeln beleuchtet wurde. Es gab mehr Schatten als Licht. Überall standen Kisten und Fässer herum, Regale bis zur niedrigen Decke. Und in Mitten dessen standen fünf Männer, die ihre Waffen auf sie richteten. Zwischen ihnen hockten zwei Gestalten, beide gefesselt. Die Frau hatte einen Sack über dem Kopf und der Mann einen Knebel im Mund. Er wehrte sich heftig gegen die Seile an seinen Händen und starrte aus – DREI! – Augen durch den Raum.
„Wer seid ihr und was macht ihr ihr?!“, zischte einer der Männer. Sein Aussehen war unbedeutend, zu sehr war Edmund von der Tatsache irritiert, dass er einem dreiäugigen Mann ins Gesicht starrte. Das dritte Auge trug er direkt auf der Stirn und war das einzige, das ihn ansah, da die anderen beiden nach außen wegschielten. Und entweder die Wände oder den Bereich HINTER dem Mann betrachteten.
„Das gleiche könnten wir euch auch fragen.“ Trevor verschränkte die Arme und tat als wären nicht sie diejenigen, die gerade unangekündigt in einen Keller gefallen waren.
„Das geht euch nichts an!“, fauchte der Mann hinter der Frau. Er verpasste ihr einen Tritt, was diese aufwimmern ließ.
„Ich denke schon.“ Trevor rückte nicht ab und griff nun seinerseits zu einer der Waffen, die er am Gürtel trug. Verunsichert über die Ruhe, die Trevor dabei ausstrahlte, sahen sich die Männer nacheinander an. Die Zeit nutzte Edmund, um Trevor mit dem Ellenbogen in die Seite zu stoßen.
„Was soll das?“, flüsterte er.
„Ich glaube, die handeln hier gerade mit Menschen.“
„Na und? Lass uns verschwinden.“ Er deutete über die Schulter die Treppe hinauf.
„Er guckt so traurig. Wir sollten ihm helfen.“ Trevor verwies auf die Gestalt mit den vielen Augen.
„Er guckt traurig? Ich bin mir nicht mal sicher, ob eines der Augen überhaupt in unsere Richtung guckt."
„Du hast mir auch geholfen“, argumentierte Trevor dagegen.
„Ich habe dich für ein Kind gehalten.“
„Was es nicht besser macht, wenn ein erwachsener alleinstehender Mann ein Kind kauft."
„Beim nächsten Mal lass ich dich sitzen!"
„Komm schon Edmund, die hier brauchen auch Hilfe.“
Was redete er überhaupt auf Edmund ein? Als würde Trevor seine Hilfe wirklich brauchen!
„Ja, wie wir auch und uns hilft auch keiner! Wir haben augenscheinlich genug eigene Probleme.“ Er winkte ab. Als ob er zwei hässlichen dreiäugigen Leuten helfen würde. Besser sie als andere.
Ihm gefiel der Gedanke nicht, diese Leute hier zu lassen, aber einmischen bedeutete sein Leben für diese Fremden in die Waagschale zu werfen. Oder Gold. Und letzteres hatten sie gerade nicht dabei und erstes wollte er nicht für Fremde über Bord werfen, die kein Augenschmauß waren.
Trevor sagte nichts mehr. Mit einem Grinsen reichte er ihm die zweite Waffe, die er bei sich trug und wohl für ihn und den Übungskampf gedacht war. Ein alter Säbel.
Wo hat er das eigentlich her?
Edmund wich dem Blick aus.
Von dir lasse ich mir kein schlechtes Gewissen machen. Ich helfe denen nicht. Niemals!
Einer der Männer trat näher.
Die Frau wimmerte.
Eines der Augen des Dreiäugigen blickte ihn hilfesuchend an.
„Ich hasse dich...“, murrte Edmund. Warum geriet er immer in Schwierigkeiten, wenn er mit Trevor unterwegs war? Am Ende war er immer betrunken, stand unter dem Einfluss von Pilzen oder seine Kleidung war voller Blut. Wahlweise auch alles davon.
„Du wolltest doch üben."
Edmund entrang sich ein freudloses Lachen. Doch nicht so, du Depp!
„Ja, aber dafür bist du mir was schuldig.“
„Setz es auf meine Rechnung."
„Die Liste wird länger...“ Er nahm den Säbel entgegen, den Trevor ihm reichte. Ein Säbel war deutlich schwerer als ein Degen. Er lag anders in der Hand und wirkte irgendwie gröber.
„Das ist eine Hiebwaffe. Du solltest damit Schläge von oben, unten oder der Seite ausführen. Ich rate dir einen festen aber lockeren Stand - leicht in die Knie gehen. Damit bist du beweglicher und kannst leichter reagieren.“
Edmund rollte die Augen. Was zum Teufel soll ein fester, lockerer Stand sein?
„Noch mehr so hilfreiche Tipps?“, zischte er zu Trevor.
„Ihr wollt also Ärger machen!“, meinte der Mann, der vorgetreten war. Ein Bärtiger, der auch als Bär mit Räude hätte durchgehen können, sah sie finster an. „Die Ware gehört uns!“
Edmund sah den Mann genervt an.
„Er da will Ärger“, er deutete auf Trevor, „und da ich nicht in der Lage bin, ihn aufzuhalten, wünsche ich viel Spaß.“ Grinsend trat er einen Schritt beiseite und ließ Trevor den Vortritt. Der sah ihn kurz an, zuckte dann aber die Schultern.
„Lasst die Leute frei.“
„Und das schöne Geld damit verlieren? Nein.“ Die Männer lachten, dann kassierte der Bär bereits Trevors Faust.
Edmund seufzte, als zwei blutige Zähne an ihm vorbeiflogen.
Wie ein Tier…
Hinter Trevor näherte er sich ebenfalls den Kerlen. Und ehe einer von ihnen - ein Mann mit hässlichen Narben im Gesicht - seinem Freund in den Rücken fallen konnte, mischte er sich in den Kampf ein. Er parierte die Waffe von Narbengesicht. Dabei fiel ihm auf, wie rostig das Ding war, mit dem der Typ kämpfte. Er sollte wohl vermeiden, sich davon treffen zu lassen. Den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, zerrte Narbe seine Waffe zurück, schwankte stark und hieb hektisch von der Seite auf sein Bein ein. Edmund entging dem Angriff, der ihm lediglich den Stoff am Hosenbein aufschlitzte.
„Die war neu!“, gab er von sich.
Rücken an Rücken mit Trevor versuchte er sich mit der neuen Waffe gegenüber dem Kerl zu verteidigen. Was nicht so leicht war, da der Kerl mehr schwankte, als was er stand. Weshalb Edmund sich darauf konzentrierte, in Bewegung zu bleiben und den perfekten Zeitpunkt zu finden. Und irgendwie seine eigene Waffe kennenzulernen.
„Du bist zu passiv“, meinte Trevor. „Du kämpfst wie ein Fechter.“
„Woher willst du das wissen? Hast du Augen am Hinterkopf?!“ Edmund duckte sich unter einem Schlag weg und fuchtelte seinerseits in Richtung des Mannes.
„Fechten sieht immer aus, als würden Krabben einen Balztanz aufführen.“
„Vergleichst du mich gerade, mit einer balzenden Krabbe?“
Irgendwo hinter ihm ertönte das Geräusch von Metall, das durch Fleisch schnitt.
„Ich will nur sagen, dass du aufhören sollst zu tänzeln.“
Ich tänzel dir gleich ins Genick …
Dennoch versuchte er weniger „zu tänzeln“, festigte sich Haltung und bewegte sich nur noch, um auszuweichen und zu parieren. Was ihnen – er würde es nie zugeben – deutlich mehr Raum brachte, da es zu wenig Keller für zu viele Leute gab. Von denen auch noch zwei untätig gefesselt mitten auf dem Boden hockten und er Augen aufhalten musste musste, nicht über sie zu stolpern. Oder sich von Dreiauge ablenken zu lassen, der allen Bewegungen im Raum gleichzeitig folgte.
Sich weniger zu bewegen, sparte also Raum. Dadurch musste er sich aber noch mehr konzentrieren.
Ach, scheiß drauf!
In Ermangelung einer anderen Strategie und weil ihm das taumelnde Narbengesicht langsam auf die Nerven ging, weil er sich nicht treffen ließ, passte Edmund den nächsten Schlag ab und ließ sich von dem herumgewedelten Rostsäbel treffen. Der Säbel bohrte sich in seine Seite, was seinen Gegner genug überraschte, damit dieser verwundert stehen blieb. Entweder war er überrascht, dass er getroffen hatte, oder aber darüber, dass Edmund nicht mal mit der Wimper zuckte. Sein Blick glitt jedenfalls irritiert zwischen Waffe, Wunde und Edmund hin und her.
„Das schöne weiße Hemd“, murrte Edmund, nutzte die Gelegenheit aber und schlug nach dem Arm des Mannes, ehe er es sich anders überlegen konnte. Zwar wäre auch der Oberkörper des Mannes ein hervorragendes Ziel gewesen, aber er wollte Narbengesicht nicht töten.
Da er nicht Trevor war, gelang es ihm zwar nicht, dem Mann die Hand abzuschlagen, aber immerhin schrie dieser schmerzerfüllt auf und taumelte von ihm zurück, wodurch er seine Waffe losließ. Schreiend hielt er seine Wunde.
„Geht es dir gut?“, vergewisserte sich Trevor, während er seinen letzten Gegner entwaffnete. Dessen Schwert flog durch den Raum.
In der Zeit, in der ich mit einem zu kämpfen hatte, hat der Kerl einfach vier Gegner besiegt …
Edmund seufzte und drückte an der Wunde herum, ehe er den Säbel aus seiner Seite zog. Es blutete.
„Sehe ich aus, als würde es mir gut gehen? Meine Kleidung ist voller Blut.“ Womit sich die Annahme wieder einmal bestätigte. Kein Ausflug mit Trevor ohne, dass er dreckig zurückkehrte.
Trevor nahm sein Elend nickend zur Kenntnis.
Dann frag doch nicht.
Trevor packte den entwaffneten Mann im Genick. Einen Atemzug später knackte es und der Mann sackte schlaff zu Boden.
Unter dem Sack schrie die weibliche Stimme auf. Und Edmund konnte sie verstehen. Das Geräusch eines brechenden Genicks, war nichts für schwache Nerven. Und ging mehr durch Mark und Bein als das Schlagen von Metall auf Metall oder wenn Metall durch Haut fuhr.
„Geht das auch etwas sanfter?!“
Trevor sah ihn verwirrt an.
„Man kann ein Genick nicht sanft brechen.“
„Eben!“
Warum bin ich nochmal mit dem befreundet?
„Also ich…“ Narbengesicht wollte sich gerade davon machen.
„Halt die Klappe!“, fuhr Edmund ihn an. „Ich bin noch nicht fertig mit dir, du schuldest mir ein neues Hemd!“, zischte Edmund ihn an. Woraufhin der Mann verstummte. Endlich mal jemand, der machte, was er von ihm wollte.
„Am besten tötest du ihn schnell“, kam es von Trevor hinter ihm. Edmund blickte über die Schulter, wo er erwartungsvoll beobachtet wurde. Was war das hier? Eine Ausstellung?
„Zum einen klingst du als würdest du das zu sehr zelebrieren und zum anderen bin ich kein Barbar.“ Edmund fixierte Narbengesicht und verwies den Mann mit einem Fingerzeig in die Ecke. Kurz verharrte der Menschenhändler, dann wankte er mit gesenktem Kopf davon. Er hockte sich hin, zog sich einen Sack über den Kopf und hielt sich dann die Wunde, während er vor und zurückschaukelte.
Erstaunlich, dass das funktioniert hat.
„Reicht das so oder muss ich ihn töten?“
Trevor betrachtete Edmund einen Moment, dann den Typen und zuckte die Schultern.
„Wenn er uns in den Rücken fällt, gebe ich dir die Schuld.“
Edmund verdrehte die Augen. Er war gedanklich noch damit beschäftigt, warum der Kerl überhaupt auf seine Worte gehört hatte. Das machte sonst niemand. Es erinnerte ihn etwas an seinen Vater. Wobei, dann hätte er ihn umbringen müssen, oder? Bei dem Gedanken schüttelte es ihn.
Verwerfen wir das.
Das Letzte, was er wollte, war in einem dunklen Keller, umgeben von Tod, an seinen Vater zu denken.
„Es ist nun alles in Ordnung. Ihr seid in Sicherheit.“ Trevor wandte sich an die beiden Gefangenen und schritt auf sie zu. Die Frau mit dem Sack über dem Kopf wich hysterisch heulend zurück.
„Tut mir nichts“, flehte sie. „Bitte.“
„Glaubt Ihr, wir haben den Aufwand betrieben, um Euch jetzt etwas an zu tun?“ Edmund verschränkte die Arme. Als würde er seine Kleidung vollbluten und in einem dreckigen Keller kämpfen, um dann eine gefesselte Frau zu verprügeln.
Trevor warf ihm für die Aussage einen Blick zu, der irgendwie wertend wirkte, aber das war sicherlich Einbildung.
„Was?“, zischte er zurück. War seine Einschätzung etwa falsch? Er wollte ihr doch unbedingt helfen.
Trevor schüttelte seufzend den Kopf. Mit langsamen Schritten ging er auf die Frau zu, hob beschwichtigend die Hände – als könnte sie das sehen – und sprach beruhigend auf sie ein. Irgendwas von, sie solle Edmund ignorieren, sie würden ihr nichts tun und würden ihr helfen.
Die Frau wirkte nicht wirklich ruhiger dadurch, aber der Tatsache geschuldet, dass ihr in den letzten Minuten niemand wehgetan hatte, schien zumindest etwas Vertrauen zu wecken. Es genügte, damit sie aufhörte zu wimmern.
„Ich werde dir jetzt den Sack abnehmen.“
Gröber, als Edmund nach dem ganzen Getue erwartet hatte, riss der ehemalige Pirat der Frau förmlich den Sack vom Kopf, wodurch lange blonde Locken zum Vorschein kamen.
Grobmotoriker …
Trevor erstarrte.
Überrascht hob Edmund die Augenbrauen, als er an Trevor vorbeiblickte. Immerhin wusste er nun, warum die Kerle die Frau hatten verkaufen wollen. Nicht etwa, weil sie drei Augen hatte, wie der andere Kerl.
„Es tut mir leid. Hab ich Euch Haare ausgerissen?“, stotterte Trevor plötzlich verunsichert vor sich hin und zupfte die Haare aus dem Sack.
Ach was, dem Sack sind einfach nur endlich Haare gewachsen...
Die grünen Augen der Frau blickten aus einem puppenähnlichen Gesicht ängstlich zu Trevor und dann zu ihm. Erst dann betrachtete sie die toten Männer. Ein Anblick, der sie nicht gerade aufheiterte.
Wehe, du fängst jetzt wieder an zu heulen…
Edmund musterte die Frau eingehender. Ihr Gesicht war leicht verdreckt und sie wirkte etwas abgemagert, was ihrer Schönheit aber keinen Abbruch tat. Ihre Kleidung war zwar zerrissen und dreckig, wirkte aber hochwertig und maßgefertigt und passte nicht in die Umgebung. Vielleicht war sie die Tochter eines reichen Händlers oder eines Adligen?
Das ändert die Situation natürlich.
„Wie wäre es, wenn du der Dame mal etwas Platz lassen würdest“, meinte Edmund und zog den Haufen bemitleidenswertem Stück Mann, der eben noch selbstbewusst vier Typen niedergeknüppelt hatte, bei einer Frau aber zu stottern begann, zurück. „Ich entschuldige mich für die bisherige grobe Behandlung, aber Ihr müsst wirklich keine Angst mehr haben. Die Männer können Euch nichts mehr tun und wenn Ihr erlaubt, nehme ich Euch auch die Fesseln ab.“ Er setzte sein Lächeln auf, von dem er wusste, dass es charmant und freundlich wirkte (und das bei Esther rein gar nichts brachte, außer sie wütend zu machen). „Ich bin im Übrigen Edmund Wendel Vinzenz von Stein, aber Ihr dürft mich gerne Edmund nennen.“ Er deutete beiläufig auf Trevor. „Ach und der grobe Schläger da ist Trevor.“
„Grober Schläger?“, echauffierte sich Trevor. Immerhin erwachte er so aus seiner Starre. Was zog der Kerl beim Anblick von Frauen eigentlich immer den Schwanz ein?
„Die Leute sind ja nicht spontan tot umgefallen.“
„Das macht mich noch nicht zum Schläger.“
„Wenn dir Mörder lieber ist?“
Trevor seufzte lediglich. „Dann weist der grobe Schläger einen gewissen Edmund Wendel Vinzenz von Stein darauf hin, dass man die beiden Gefangen eventuell nach draußen begleiten sollte.“
Edmund warf dem Piraten noch einen bösen Blick zu.
„Dann nehm du dir doch schon mal einen Augenblick und helf dem...da." Beiläufig deutete er auf den Mann, der mit seinen drei Augen … blickte. Trevor rollte mit seinen zwei Augen, kümmerte sich dann aber um den hässlichen Typen.
Er selbst wandte sich wieder an die Frau, hockte sich zu ihr und reichte ihr die Hand, während er beruhigend auf sie einredete. Vielleicht würde der Tag doch noch besser werden.
„Also erlaubt Ihr, dass ich Eure Fesseln abnehme? Ich verspreche auch, Euch nicht weh zu tun.“
Die Frau starrte ihn an, als würde sie etwas in seinem Blick suchen und sich über etwas Klarheit verschaffen wollen. Dabei blitzten immer noch Tränen in ihren Augenwinkeln. Sie nickte.
Vorsichtig nahm er ihr die Seile ab, die ihr in die Haut geschnitten und dort Wunden hinterlassen hatten. Er fuhr kurz mit den Fingerkuppen über Haut und Wunden.
Zarte Haut, keine Narben und nie gearbeitet. Eindeutig keine Bäuerin.
„Wir kennen jemand, die sich die Wunden anschauen kann, wenn Ihr wollt.“
Edmund reichte ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Sie zögerte und schien mit sich zu ringen.
„Habt keine Angst, ich beiße nicht.“
Die Frau holte Luft und nickte dann, ehe sie sich von seinem Lächeln und seinen Worten beruhigen ließ und endlich seine Hand ergriff. Sie war kalt.
„I-Ich danke Euch für Eure Hilfe“, gab die Frau von sich, als sie vor ihm stand und er ihre Hand losgelassen hatte. Ihre Stimme zitterte noch, wurde aber mit jedem Wort fester. Sie knickste leicht und senkte höflich den Kopf. „Diese Männer haben mich vom Hof meines Vaters entführt und hierher verschleppt.“ Sie sah sich um. „Wo auch immer hier ist“, setzte sie geknickt nach. „Mein Name ist Cecilia von Dornburg, Tochter von Herzog von Dornburg und ich danke Euch, dass Ihr mir die Freiheit zurückschenkt.“ Dabei lächelte sie leicht zu Trevor und Edmund. Edmund nickte. Aussehen und Verhalten deckten sich mit seiner ersten Einschätzung. Adel.
Mmhh..
Hinter ihm wurde plötzlich etwas von „Freiheit“ geschrien. Es polterte, dann rannte Dreiauge durch den Raum, fand zielsicher die Treppe mit seinem Rundumblick und war AUGENblicklich aus dem Keller verschwunden.