Beiträge von Dion im Thema „Diversität in Geschichten“

    Das bringt leider Romanzen allgemein noch mehr in Verruf. "Frauengenres" werden an sich schon belächelt und ich würde behaupten, dass es auch Dark Romances gibt, die mehr sein wollen.

    Man sollte halt die Kirche im Dorf lassen: Es ist Eskapismus, nicht mehr und nicht weniger, und wer das lesen möchte (weil es Spaß macht), dem ist kein Vorwurf zu machen. Und mehr aus dem Genre machen? Gut, nur zu!

    Naja, in "Verruf bringen". Der Bad Boy ist ein beständiger Archetypus im Romanzen-Genre und alles andere als neu (z.B. Rhett Butler in Vom Winde verweht). Das weibliche Gegenstück ist die Femme fatale.

    "Dark Romance" hat es in die hiesige Tageszeitung geschafft:

    Zitat

    „Du sollst mich lieben, Freya, süchtig nach mir sein, genauso besessen von mir, wie ich von dir. Nicht mehr lange, dann bist du der einzige Engel in meiner ganz persönlichen Hölle.“ Diese Zeilen werden einem vorgelesen, wenn man den TikTok-Kanal von Maya Lisann Balzar (20) [aus Siegen] und Felice Haase (26) besucht.

    [...]

    Was finden sie daran so spannend, dass sich eine Frau auf einen Bad Boy einlässt und die ganzen Abgründe einer toxischen Beziehung durchlebt? „Ich glaube nicht, dass das Fantasien sind, die man wirklich ausleben möchte“, sagt Haase, „weil es ja auch schon sehr krass ist.“

    Warum dann? „Ich glaube, es spricht einfach junge Frauen an, weil in den Büchern immer sehr attraktive Männer beschrieben werden, die alles für die Frau ihrer Begierde machen würden. Ja, sogar töten würden diese Männer für sie, und die Frauen finden das super toll.“

    Immerhin ehrlich und kein peinlicher Versuch, es als "große Kunst" verkaufen zu wollen.

    Wisst ihr wie das so gehandhabt wird in der modernen Fantasy Literatur?

    Ohne jetzt Verlage von innen zu kennen (da kennen sich andere hier besser aus), aber das ist meine Handhabe:

    Die Sexualität einer Figur (wie auch bei einem richtigen Menschen) ist nur eine der vielen Facetten, die eine Persönlichkeit ausmacht. Sie allein darauf zu reduzieren und ohne Makel auf ein Podest zu stellen, beraubt die Figur erheblich um Tiefe und Glaubwürdigkeit, auch wenn sie in der Regel larger than life sind.

    Inwiefern die (wenn überhaupt) "Abweichung von der Norm" offen ausgelebt und ausgesprochen wird, hängt ganz vom soziokulturellen Setting der Geschichte ab bzw. was man eigentlich erzählen möchte.

    Zitat

    2003/2004 waren noch andere Zeiten

    Kannst du näher ausführen inwiefern das andere Zeiten waren?

    Ich habe nicht ohne Grund das Video von Tim Cain (einer der Köpfe von Troika Games und an der Entwicklung des Spiels beteiligt) verlinkt, in dem er über seine Erlebnisse als schwuler (!) Spieleentwickler berichtet. Hier nochmal mit Zeitstempeln:

    Einmal seine Zeit bei Interplay ab den 90ern (bis 9:39):

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    Ab den 2000ern (Troika Games, bis 11:58):

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    Zitat von Tim Cain

    A lot of people were liberal, but the industry itself was very conservative.

    Wie er auch schon im Gespräch mit Leonard Boyarsky erwähnt, wurde die Entwicklungszeit von Vampire von sechs bis sieben auf dreieinhalb (!) Jahre eingedampft (time crunch). Im oben verlinkten Video erwähnt er, dass es beim zweiten Troika-Spiel The Temple of Elemental Evil Vetos von Seiten des Publishers Atari gab. Cain befürchtete damals, wenn er sich als schwul outet, dass für Troika Games Publishing-Verträge ausbleiben.

    Sorry konnte nicht widerstehen. ^^

    Trotzdem nicht witzig, sorry. :pardon:

    Kontext für Außenstehende ist wichtig.

    Mein Lieblings-Beispiel dafür ist „Vampire the Maskerade Bloodlines“ aus dem Jahr 2004.

    2003/2004 waren noch andere Zeiten, außerdem war die Vanilla-Version des Spiels mit der heißen Nadel gestrickt, wodurch viel Material ungenutzt blieb oder nie realisiert wurde (womöglich durch ein Veto des Publishers).

    Vielleicht hat auch das Lore des ursprünglichen Tabletops eine Rolle gespielt:

    Vampire The Masquerade 2nd Edition, 1997 (S. 11)

    lore.webp

    Timothy Cain und Leonard Boyarsky (Troika Games) [mit Zeitstempel]

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    Vergewaltigung in der Ehe war in Deutschland ja bis 1992 nicht verboten bzw. nicht strafbar, d.h. in rechtlichen Begriffen konnte eine Vergewaltigung nur außerhalb der Ehe passieren.

    Vergewaltigung in der Ehe war strafbar. Sie wurde (schon richtig gesagt) nicht rechtlich als solche geahnet und dadurch wurde das Verbrechen (wenn überhaupt) zu gering bestraft. Der Missstand wurde mit der Reform von 1997 behoben.

    »Die älteren Herren tun sich hart« (DER SPIEGEL 27/1987)

    Zitat

    Eine Emnid-Umfrage förderte zudem einen blamablen Zustand zutage: Fast ein Fünftel der Befragten wußte gar nicht, daß Vergewaltigung in der Ehe als Nötigung oder Körperverletzung jetzt schon unter Strafe steht. Ein Viertel ist in seinem Urteil über die Strafbarkeit unentschieden. Der Anteil der Schwankenden steigt mit höherem Alter.

    Wie gesagt: Das Mittelalter ist ein weites Feld.

    Sechs Lebensalter im Mittelalter (beliebte Einteilung, die auf Augustinus zurückging, der wiederum auf die römische Überlieferung von Lebenseinteilungen zurückgriff (S. 12), jedoch nicht standardisiert.

    • Infantia [Frühe Kindheit]: Die ersten sieben Lebensjahre
    • Pueritia [Jugend] : Bis 14 Jahre bzw. endet mit Erreichen der jeweiligen Mündigkeit laut Kirchenrecht
    • Adolescentia [Junges Erwachsenenalter]: Bis 28 Jahre
    • Iuventus [Mittleres Erwachsenenalter]: Bis 50 Jahre
    • Gravitas/Senectus [Alter]: Bis 70 Jahren
    • Senectus/Senium [Greisenalter]: Ab 70 Jahren

    Aber das ist klar: Westeros oder generell eine Fantasy-Welt ist nicht das "europäische Mittelalter".

    Man nimmt sich das, was sich für den Weltenbau eignet. ;)

    Ja, das stimmt, Ausnahmen gab es immer wieder. Man darf das Kalkül bei politischen Ehen nicht vergessen.

    Aber wie du sagst, auch nicht im bäuerlichen.

    Was man auch bedenken muss, dass das Gebiet "Mittelalter" (von der Zeitspanne und Quellenlage her) ein weites Feld ist und es von Land zu Land, von Gesellschaft zu Gesellschaft, unterschiedlich war.

    Videospiele machen meiner Meinung nach riesige Schritte vorwärts.

    Deswegen wurde auch ein Spiel wie Concord nach zwei Wochen (!) vom Markt genommen, entwickelt mit einem Budget von 200 Millionen Dollar (!!). Nur 162 Spieler weltweit auf Steam und insgesamt nur 25000 Einheiten verkauft.

    Das ist ein Riesenflop!

    Mir gefällt auch der polygame Druide „Halsin“ aus „Baldurs Gate3“ der seinen offenen Umgang mit Sex als Erweiterung seiner Freiheit versteht und auch homosexuelle Beziehungen mit „As Nature intended“ kommentiert. Er dient eben der Natur und „Regeln“ wie Beziehungen angeblich zu sein haben sind menschengemacht. Polygamie unterstützt die Präsentation der Figur und ist nicht einfach ohne Sin und Verstand drangehängt.

    Liest sich imho wie eine Rechtfertigung von Biologismus, was ich bedenklich finde.

    Zu BG3 generell fällt mir nur das hier ein:

    cover14.jpg

    Den Entwicklern hätte eine kalte Dusche gut getan. ;)

    Wir reden bei Dany allerdings über ein Fantasy-Buch, das vom Mittelalter inspiriert ist - wie die meisten.

    Das Mündigkeitsalter im Mittelalter nach Kirchenrecht war bei Mädchen 12 Jahre, bei Jungen 14 Jahre. Man darf nicht vergessen, dass die Lebenserwartung in dem Zeitalter nicht gerade hoch war. Ansonsten, wie auch heutzutage, fand das Leben einen Weg.

    Aber in den vergangenen Zeitaltern, als das noch so ziemlich überall Gang und Gebe war, dass Frauen mit 12-16 verheiratet wurden, denke ich nicht, dass das Bewusstsein da war, dass das Kinder sind.

    Vom Spätmittelalter bis zur frühen Moderne war es eigentlich üblich, ab Mitte der Zwanziger zu heiraten. Auch waren es eher einfache Leute, die blutjung heirateten, während Gutbetuchte es später taten.

    Keiner will in eine Schublade gesteckt werden, trotzdem bauen wir immer mehr Schubladen, in die wir dann irgendwen reinstecken, nur damit alles klar definiert ist. Gay, Hetero, cis-Mann/Frau, non-bi, reich, arm, schwarz, braun, weiß, gelb, rot (tötet mich). Ich weiß bei sowas gar nicht mehr, was ich selbst dann eigentlich noch bin.

    Auch ein Aspekt der Janusköpfigkeit der heutigen Zeit: Von allen Seiten wird Toleranz und Verständnis geheuchelt, aber imho haben Oberflächlichkeit und Vorurteile gegen alles und jeden Hochkonjunktur. Die Gräben werden gefühlt immer tiefer.

    Vergewaltigungen sind mittlerweile kein Tabuthema mehr, sondern werden in vielen Dark-Romance Büchern als das "Verliebt nach dem ersten Fick"-Stilmittel missbraucht.

    Spricht für die Janusköpfigkeit der Zeit. Kann mich noch entsinnen, wie die sogenannten "Progressiven" gegen das Stilmittel Sturm gelaufen sind.

    "Eurasien war nie im Krieg mit Ozeanien". :pardon:

    (Es liegt jedoch auf der Hand, dass man es nicht als billige Exploitation einsetzen sollte)

    Was alle Frauen natürlich wollen. Den Softie ...

    Wie hatte mal eine Leserin bei Spiegel Online treffend über den Softie in den 90ern geschrieben (sinngemäß wiedergegeben): "Der Softie wurde in den Himmel gehoben, am Ende ging es doch in den Steven-Seagal-Film."

    Politische Korrektheit und Wirklichkeit waren noch nie die besten Freunde.

    Viele Fantasy, die von weißen Männern geschrieben ist, erhält gar keinen bedeutenden Backslash, abseits von ein paar "uurgh, ich find das schrecklich"-Kommentaren, die vom Autoren gut ignoriert werden können. Es gibt einfach keinen Zwang irgendetwas zu ändern.

    Warum sollten sie auch? Es sind ihre Visionen, ihre Werke. Sie schreiben, was sie schreiben möchten. Kunst ist keine demokratische Veranstaltung. Alles auf Linie bügeln zu wollen, ist kleingeistig und spießig.

    Bzgl. Male Gaze:
    Why we look at pretty faces

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    Heroine Chic

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    Zitat

    “The reward system [in our brain] is involved in generating the experience of pleasure when, for instance, we enjoy tasty food or happen to win a lottery. It turns out that the same system is also engaged in creating the feelings of pleasure when we look at a pretty face”

    [...]

    “Previous research has established links between facial attractiveness and several factors important for the evolutionary propagation of our species, such as health and good reproductive potential. We can speculate that there is an evolutionary reason behind our brain enjoying to look and wanting to look more at an attractive face[”]

    Tolkien hätte mehr Diversität in seinen Büchern haben sollen. Das hätte den Herr der Ringe besser gemacht.

    Seine Bücher sind gut so, wie sie sind. Mit seinem gewaltigen Passionsprojekt hat er Maßstäbe gesetzt, die nur wenige schwer erreichen können.

    Dazu passend, was Tolkien selbst in seinem Werk gesehen hat:

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    Marcel Reich-Ranicki sagte etwas ähnliches: "Die Literatur kennt nur zwei Themen: Die Liebe und den Tod. Der Rest ist Mumpitz."

    Nichts ist öder und spießiger als zeitgenössische Konformität. Sie legt sich wie Mehltau über Kreativität.