Beiträge von Sabrina im Thema „Der Tag an dem alles begann“

    Super Jessy, dass hast du ja toll hinbekommen! Jetzt hält er dich für eine glatte Idiotin! Mit einem Seufzer stimmte Jessy ihrem Unterbewusstsein zu und hackte das Thema Jungs fürs erste ab.
    Draußen empfing sie das nasskalte Wetter. Der feine Nieselregen spiegelte ihre Gemütsstimmung wieder, trist! Sie sah zum Wolkenverhangenen grauen Himmel. Es sah auf jeden Fall nicht so aus, als wenn sich das Wetter bald aufklaren würde. So ein Mist! Und ausgerechnet heute hatte sie den Regenschirm daheim gelassen, das war wieder einmal so typisch.
    Einen Moment überlegte Jessy ob sie den Bus nehmen sollte, verwarf die Idee aber sofort. Das aneinander Gedränge von mies gelaunten Leuten in überfüllten Busen, dafür hatte sie heute keinen Nerv. Da nahm sie lieber den Regen in Kauf. Mit hochgestelltem Kragen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen machte sie sich auf den Weg.
    Wenig später bereute sie fluchend ihren Entschluss. Der Regen ließ nicht nach, sondern nahm im Gegenteil noch zu. Wohl oder übel sah sich Jessy nach einem Unterstand um. Ein Hauseingang und der Balkon im ersten Stock darüber, boten etwas Schutz. Dort hatten sich bereits zwei Leute untergestellt. Eine ältere Dame und ein etwa achtjähriger Junge.. „Hallo, was für ein Regen…“
    Jessy schlug die Kapuze zurück, der Regen lief ihr dennoch ins Gesicht. „So ein Mistwetter…“ „Nicht nur die Blumen brauchen Wasser. Vergess nie, es ist ein Lebenselixier, Kind. Regen schenkt Wasser und Wasser schenkt Leben…“ Die Worte der älteren Dame kamen Jessy seltsam vertraut vor, so als hätte sie die Worte schon einmal gehört, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort...
    Sie musterte die Dame die ihr freundlich zulächelte. Abgesehen von einem durchsichtigen Regencape, dass sie trug, wirkte ihre Kleidung seltsam, altmodisch…
    Sie konnte ein schwarzes geschnürtes Mieder darunter erkennen und einen weit fallenden bunten Rock… Wer trug denn solche Kleider? War sie auf einem Kostümfest gewesen oder auf einem Mittelalter Markt? Aber selbst dort wäre sie mit dieser Kleidung aufgefallen. Der Stoff des Rocks war alt und zerschlissen, reichte bis zum Boden. Der Saum war dunkel von Flecken, voll gesogen vom Wasser.
    „Wie bitte? Was haben Sie eben gesagt?“ Dieses angedeutete Lächeln wurde noch herzlicher. Tiefe Lachfältchen entstanden rund um ihre Augen. „Du hast mich verstanden, Kind! Es wird Zeit…“ Wieder empfand Jessy dieses seltsame Kribbeln, das Gefühl die alte Dame zu kennen. Nur woher?
    „Terren braucht dich… Nur du allein findest einen Weg…“ Diese Worte hallten in Jessy´s Kopf wieder. Alles um sie herum drehte sich plötzlich in einem wilden Strudel, riss ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie hatte das Gefühl zu fallen, tiefer und tiefer…

    Auf den Fluren des Schulgebäudes herrschte das übliche Gedränge. Nach der achten Stunde hatten die meisten der höheren Klassen Schluss und jeder versuchte so schnell irgend möglich die Schule zu lassen. Wie die Mäuse auf einem sinkenden Schiff, dachte Jessy Kopfschüttelnd. Ihr gingen die Worte von Herrn Stein noch einmal durch den Sinn.
    Was hatte er damit gemeint? „Wir werden sehen, Jessy, was das für Dinge sind, die sie ablenken? Vielleicht gibt es da ja Dinge, die wir gemeinsam haben? Wir werden sehen…“ In Gedanken durchlebte noch einmal die letzten Minuten im Klassenraum, fühlte das seltsame Kribbeln, als er ihre Hand festgehalten hatte…
    Sie war so vertieft, dass sie die “Blondies“ erst bemerkte, als es bereits zu spät war. „Freak“, zischte ihr Petra zu, während sie Jessy zur Seite rempelte. Der Stoß kam so unerwartet, das Jessy zwei Schritte zur Seite taumelte und sich gerade noch abfangen konnte. Die anderen “Blondies“ quittierten die Aktion ihrer Anführerin mit höhnischem Gelächter. Mit finsterer Miene sah Jessy zu, wie Petras blonde Ebenbilder kichernd ihre Anführerin einholten und ihr anerkennend auf die Schulter klopften, ehe sie um die nächste Ecke bogen. Blond und Strohdoof… Waren es diese gackernden Hühner den nicht irgendwann Leid, andere zu Schikanieren und dabei immer nach Petras Pfeife zu tanzen?
    Jessy bückte sich nach ihrem Rucksack, der bei Petras Aktion zu Boden gefallen war und kam gerade wieder hoch, als sie die Stimme hinter sich hörte. „Hey, alles in Ordnung mit dir?“ Überrascht wirbelte sie herum und hätte um ein Haar den Jungen umgerissen, der hinter ihr stand. Er konnte sie gerade noch festhalten, sonst wären sie beide gestürzt. Sie sah in überrascht aufgerissene Azur blaue Augen.
    Oh Nein! Sebastian! Warum ausgerechnet er? Der einzige Typ in der ganzen Schule, für den sich auch Jessy interessierte. Und sie hatte ihn mit ihrer Tollpatschigkeit beinahe zu Boden gerissen. Mensch war das peinlich. Die Röte stieg ihr heiß in die Wangen und sie senkte schüchtern den Blick. Ausgerechnet er stand direkt vor ihr. Warum tut sich den hier kein Loch im Boden auf und verschlingt mich, dass würde mir diese Peinlichkeit ersparen. Doch niemand tat Jessy den Gefallen.
    „Entschuldige, dass eben…“, stammelte Jessy hastig. Als er nichts darauf sagte, riskierte sie einen kurzen Blick, nur um abzuchecken ob er sauer auf sie war. Doch er schaute nicht einmal zu ihr. Sie folgte seiner Blickrichtung und sah dass er wütend den Gang entlang starrte, wo die „Blondies“ verschwunden waren. Mit gerunzelter Stirn drehte er sich wieder zu ihr und begegnete ihrem Blick, prompt lief Jessy abermals rot an.
    „Geht es dir gut? Ich hab gesehen was passiert ist.“ In seinen blauen Augen spiegelte sich aufrichtige Besorgnis und etwas dunkleres was Jessy nicht zuordnen konnte. War er wütend auf sie, auf die Blondies? Seine Augen schienen von innen zu glühen. Schüchtern senkte sie den Blick. Ihre Kehle war vor Aufregung wie zugeschnürt und sie schluckte nervös.
    „Es geht schon… “ , brachte sie als heißeres Flüstern hervor. „Man sollte Sie beim Rektor melden“, in seiner Stimme schwang die Wut mit. Also war er sauer auf Petra? „Wenn du willst kann ich mitkommen.“ Wohin, zum Rektor? Er wollte sie begleiten? Sie fühlte seinen Blick auf sich gerichtet und blinzelte zu ihm hoch. Oh Gott, sind diese Augen blau…
    Jessy musste sich beherrschen ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. Er sah wirklich gut aus. Das blonde Haar kurz geschnitten, nur eine Strähne fiel ihm etwas länger in die Stirn. Schon am ersten Schultag hatte sie die Mädchen von Bastian schwärmen hören. Anfänglich hatte sie darüber gelacht, bis sie ihn das erste Mal auf dem Schulhof sah.
    Halt, Stopp Jessy! Das ist Sebastian Krüger und du spielst bei weitem nicht in seiner Liga! Schmerzhaft rief es andere Erinnerungen wach. Unwillkürlich musste sie an Michael denken und an seine verletzenden Worte… Halt dich von ihm fern, das ist die einzige Möglichkeit! Las ihn nicht so nah an ihn ran. „Nein! Nein, mir fehlt nichts…“ Sie schulterte den Rucksack und wartete darauf, dass er ihr aus dem Weg ging, ihr Platz machte, doch das tat er nicht. Deutlich konnte sie den forschenden Blick auf sich gerichtet fühlen. Wieder sah sie zu ihm hoch.
    Er hatte die Stirn gerunzelt und selbst dieser halb verärgert, halb fragende Ausdruck machte ihn nur noch attraktiver. Sie musste hart schlucken, doch ihr Mund war Staub trocken und das Herz pochte ihr wild in der Brust. Konnte er es vielleicht hören? Sie musste hier weg.
    „Du heißt Jessica, nicht wahr? Wir haben zusammen Physik und Chemie.“ Einen Moment wusste Jessy nicht, ob ihr die Stimme gehorchen würde. Nach einem räusperte sie sich nervös ehe sie antwortete. „Ja..“
    Um seine Mundwinkel zuckte es leicht. „Du bist nicht gerade sehr gesprächig.“ Machte sich der Kerl etwa über sie lustig? Wut blitzte in ihrem Innern auf und half ihr die Nervosität zurück zu drängen. „Warum?“ Er runzelte die Stirn, was ihn nur noch attraktiver machte.
    „Warum was?“ „Warum soll ich…“, Jessy holte tief Luft. „…viel reden?“ Wollte er, dass sie hier im Gang anfing zu stottern? Wollte er etwa das? Er zuckte leicht irritiert mit den Schultern. Seinem Blick konnte Jessy ansehen, dass er nicht wusste warum sie ihn jetzt wütend anblitzte. Entweder kapierte er wirklich nicht oder er ist ein hervorragender Schauspieler! „Na dann, sehen wir uns Morgen?“ Jessy starrte ihn verwirrt an. „Morgen im Physikunterricht?“
    Er musste sie wirklich für eine komplette Idiotin halten! Völlig durch geknallt! Eben ein Freak… „Ja, Morgen…“ Bastian hatte sich bereits umgedreht und strebte dem Ausgang zu. Ganz toll gemacht, Jessy!

    Fieberhaft überlegte Jessy, was sie noch über das Thema der Stunde wusste. Wenn sie sich jetzt weigerte, würde sie sich totsicher im Büro des Rektors wiederfinden. Dieser Vorgang war ihr leider nur allzu sehr vertraut. Also raffte sie ihren ganzen Mut zusammen.
    Sie wollte sich nicht noch mehr blamieren. So schlimm kann es nicht werden… Ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, auf dem Weg zum Lehrerpult und der Tafel. Herr Stein und die Blicke der anderen Schüler folgten ihr nach vorne. Auf der Tafel waren in seiner gradlinigen Schrift physikalische Formeln aufgemalt. Um Zeit zu gewinnen nahm sie das Kreidestück. Verdammt, sie hatten über Energie Einsparungen gesprochen aber mehr viel ihr nicht ein…
    Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe.
    Bei dem schrillen Klingeln, die das Unterrichtsende verkündete, hätte Jessy beinah aufgejubelt. Allgemeines Stimmengewirr setzte ein, jeder räumte seine Bücher und Hefte vom Tisch. Ein schriller Pfiff setzte dem ganzen Durcheinander ein Ende. Jessy erstarrte in der Bewegung, als sie erleichtert die Kreide weg legen wollte. Herr Stein stand noch immer mit verschränkten Armen gegen ihren Tisch gelehnt. Und er machte nicht den Eindruck, als wäre der Unterricht für ihn zu Ende. „Es ist unhöflich, jemanden nicht zu zuhören. Ich dachte das hätten alle verstanden, anscheinend nicht… Wir sehen uns alle gemeinsam nach Unterrichtsende in diesem Klassenraum wieder!“ Dabei warf er Jessy einen seiner intensiven Blicke zu.
    Ein allgemeines Aufstöhnen ging durch die Reihen. Jessy war klar, wem ihre Mitschüler die Schuld für das Nachsitzen geben würden. Ihr, wem den sonst.

    In der Pause redete kaum jemand mit ihr. Sie saß wieder einmal allein in einer ruhigeren Ecke des Schulhofs. Ihr fiel der Zeitungsausschnitt ein und sie kramte ihn heraus. Die orange Neonfarbe hob die Anzeige künstlich hervor. Sie suchte die Adresse, die dort angegeben war. Die Wendstraße lag wirklich nicht weit von der Buchenallee, wo sie mit ihrer Mutter wohnte. Der Laden lag viel mehr auf ihrem Heimweg von der Schule. Wieder so ein Zufall?

    „Na, wenn haben wir denn da? Ich war… ich war so in Ge…Ge…Ge danken…“ Jessy tat so, als hätte sie die hämischen Worte nicht gehört. Blond und strohdoof, wiederholte sie wie ein Mantra in ihrem Kopf. Blond und strohdoof, immer wieder. Doch es half nichts. Mit einem tiefen Seufzer öffnete Jessy die Augen. „Was wollt Ihr von mir?“ Sie standen im Halbkreis um sie herum. Und Petra, ihre Wortführerin stand in ihrer Mitte, mit einem fiesen Grinsen im Gesicht. „Wir haben uns gefragt, wann du zu stottern anfängst. Wenn du nervös bist? Oder passiert dir das nur bei Jungs? Ist das der Grund, warum dich keiner anschaut? Was meint ihr?“ „Na eine die stottert, will doch keiner. Überleg mal, die fängt an zu stottern im Bett? Da vergeht den Jungs doch alles... Oder ist es nicht so?“ Stroh im Kopf… Blond und doof…. Dennoch trafen die Worte eine empfindliche Stelle bei ihr und taten höllisch weh. Sie ließ es sich nicht anmerken.
    Tatsächlich kamen sie nah an die Wahrheit heran. Sein Name war Martin, seit dem zweiten Schuljahr hatte sie für ihn geschwärmt, aber sich nie getraut ihn anzusprechen. Er war beliebt, gefragt, zumeist der Erste, denn man in die Schulmannschaft wählte. Sie hingegen war ein Einzelgänger, Sonderling, in den Schulmannschaften meist die Letzte, die niemand wollte. Jessy hatte sich immer damit begnügt, ihn aus der Ferne anzuhimmeln.
    Doch als dann letzten Sommer sich die Trennung ihrer Eltern anbahnte und immer mehr die Rede davon war, dass sie in eine andere Stadt ziehen würden, hatte Jessy sich ein Herz gefasst und ihn angesprochen. Die Nervosität brachte sie mehr zum Stottern als normal. Es hatte sich schrecklich angehört. Und Martin, er hatte nur dagestanden, sie geschockt angestarrt und dann hatte er los geprustet.
    Er hatte gelacht, über sie!
    Bei dem Gedanken daran stieg die Wut hoch, kochend heiße, alles verschlingende Wut auf alles und jeden. Und sie suchte sich das Ziel, dass gerade greifbar war. „Die Blondies“ „Ihr seid alle so was von doof, dass es zum Himmel schreit! Hört ihr euch eigentlich selber reden? Das ist so ein Mist, denn ihr hier labert, dass es mir wie ein Wunder erscheint, dass ihr die Schule besuchen dürft!“
    Jessy war aufgesprungen, hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. Sie zitterte am ganzen Körper von dieser Wut, die immer noch in Wellen durch ihre Adern rauschte. Selten war sie so wütend auf irgendjemand gewesen, vielleicht mit Ausnahme ihres Vaters! Die Mädchen wichen mit schreckgeweiteten Augen vor ihr zurück. Selbst Petras Augenlider zuckten nervös, als sie ihr Platz machte. Jessy atmete tief durch und versuchte ihre Gefühle wieder ins Lot zu bringen. Es fiel ihr schwer, noch nie hatte sie sich so lebendig gefühlt.
    Das Nachsitzen bei Herrn Stein beschränkte sich auf einen zwei seitigen Aufsatz zu dem Thema `Aufmerksamkeit im Unterricht, dessen Notwendigkeit und ihre Folgen´. Nach Abgabe konnte man gehen.
    Als Jessy ihren Aufsatz abgeben wollte, hielt Herr Stein sie am Handgelenk fest. Es fühlte sich wie ein Stromschlag an der durch ihr Handgelenk hoch in den Arm bis zum Schultergelenk zuckte. Jessy unterdrückte einen Aufschrei. Es erinnerte sie an den gestrigen Abend, an den Stromschlag, denn sie bekommen hatte, als sie das Aufblitzen in der Karte sah. Dem intensiven Blick von Herrn Stein entging ihre Reaktion nicht.
    „Wir werden sehen, Jessy, was das für Dinge sind, die Sie ablenken? Vielleicht gibt es da ja Dinge, die wir gemeinsam haben? Wir werden sehen…“ Dieses unheimliche Gefühl machte ihr abermals die Kehle eng. Diese blauen Augen erinnerten sie an etwas… Was es auch immer war, es bedeutete nichts Gutes. Davon war Jessy überzeugt, als sie hastig die Klasse verließ.

    Danke justme und melli! Schön das euch die Fortsetzung der Geschichte gefällt. Werd jetzt mehr darauf achten, denn Lesefluss nicht zu stören. :D
    Mal sehen ob mir das gelingt. Zeichensetzung ist ja bekanntlich nicht meine Stärke. :thumbup:
    Aber ich geb mir Mühe!!!!!
    Jessy erinnert mich immer mehr an mich, wieso denn das..? ?(:D

    Die Physikstunde zog sich für sie endlos dahin. Ob es an der monotonen Stimme von Herrn Stein lag, oder an dem „interessanten“ Thema des Impulserhaltungssatzes und seiner Bedeutung, wusste sie nicht. Vielleicht lag es auch an dem seltsamen Ereignissen vom gestrigen Tag, dass ihre Gedanken immer wieder vom Unterrichtsthema abschweiften. Sie dachte an Masur, an die Welt mit den zwei Sonnen… dem Ferreongebirge, die engen Gassen von Terren und an Aman...
    Seine dunklen haselnussbraunen Augen zwinkerten ihr aus der Erinnerung verschwörerisch zu. Er war ihr ständiger Begleiter gewesen, ihr treuer Freund, der sie des öfteren aus gefährlichen Situationen gerettet hatte.

    Ein Gassenjunge von etwa acht Jahren, den sie in den Straßen von Terren kennengelernt hatte.
    Sein dunkles schulterlanges Haar umrahmte das gebräunte Gesicht. Er trug in ihrer Erinnerung eine bestickte Weste und bunte Pluderhosen.
    Zwangsläufig drängte sich Jessy der Vergleich mit Märchen aus Tausend und einer Nacht auf. Als wäre er den Märchen entstiegen... Kein Wunder, Sindbad der Seefahren oder Aladin, waren damals ihre Lieblingsserien im Fernsehen gewesen. Sie stellte sich vor, was Aman zu dem Vergleich mit einer Zeichentrickfigur sagen würde.

    „Dürfte die Klasse und ich vielleicht erfahren, was sie gerade so erheiternd finden, Jessy?“ Die Stimme von Herrn Stein war direkt vor ihr erklungen. Sie zuckte zusammen und sah hoch. Der Blick aus blitzenden blauen Augen traf sie wie ein kalter Guss. Er hatte die Hände auf der Tischpult gestützt und sich ihr entgegen gebeugt. Ihr Physiklehrer sah keineswegs amüsiert aus, gerade im Gegenteil. Die dunkle Hornbrille ließ ihn noch strenger wirken.

    „Es würde sicher alle deine Mitschüler und mich brennend interessieren, was an unseren Unterrichtsthema so lustig ist?“ Zustimmendes Gemurmel war von der Klasse zu hören. Innerlich stöhnte Jessy auf. Sie hasste so im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen. Aber Herr Stein war noch lange nicht fertig mit ihr.
    Seine dunklen Augenbrauen zogen sich dichter zusammen. Oh, oh er war richtig sauer… „Oder finden sie meinen Unterricht so langweilig, Frau Kraft, dass sie sich mit anderen Dingen während meines Unterrichts befassen? Lassen sie uns daran teilhaben!" Der Kloß in Jessy Kehle nahm immense Dimensionen an. In ihrem Magen rumorte es Geräuschvoll.

    Oh nein! Jetzt saß sie ganz schön in der Patsche. Ihre Mitschüler in der vorderen Bank beugten sich zur Seite, um an ihrem Lehrer vorbei, einen Blick auf sie zu erhaschen. Sie sah aus dem Augenwinkel wie die "Blondies" kichernd die Köpfe zusammen steckten und immer wieder zu ihr sahen. Ihr Mund war staubtrocken, sie hatte Mühe ruhig zu atmen. Verdammt, dass hatte ihr gerade noch gefehlt. Mit ihrer Träumerei im Unterricht lieferte sie diesen Dumpfbacken auch noch Material um über sie herzuziehen.
    Herr Stein wartete immer noch auf eine Antwort von ihr, dabei ballte sich seine Stirn zu einer wahren Hügellandschaft zusammen. Je länger sie mit ihrer Antwort wartete, umso schlimmer wurde seine Laune.
    Jessy vermied es aus gutem Grund im Fokus des allgemeinen Interesses zu stehen, denn immer wenn das geschah, brachte sie kaum ein verständliches Wort heraus, geschweige denn einen Satz. Sie atmete tief durch. „Es tut mir leid… Herr Stein. Ich war…mit meinen Ge… Gedanken woanders…“ Sie hörte das leise Kichern der „Blondies“. Strohdoof, nichts im Hirn… nichts außer Stroh!

    Die zerfurchte Hügellandschaft, an die Herr Steins Stirn erinnerte, glättete sich nicht. Sie blieb zerfurcht und wurde von einer zusätzlichen Denkerfalte in der Mitte geteilt. „Das habe ich gesehen. Dennoch würde mich der Grund nach wie vor interessieren.“ Er sagte das auf eine so intensive Art und Weise, dass Jessy ein eisiger Schauer über den Rücken rollte. Zum ersten Mal war ihr Herr Stein unsympathisch und nicht nur das, sondern auch unheimlich. Er unterbrach den intensiven, forschenden Blick und Jessy atmete erleichtert auf.
    „Nun, wenn sie uns den Grund nicht mitteilen wollen, wie wäre es dann, wenn sie mit dem Thema der Stunde fortfahren?“ Er deutete mit der ausgestreckten Hand zur Tafel. Jessy hatte wirklich gedacht, es könnte nicht schlimmer kommen. Sie hatte sich geirrt!

    Jessy stöhnte. Das durfte doch jetzt einfach nicht war sein! Ihre Hand ertastete das Bord oberhalb ihres Bettes und drückte die Off Taste ihres Weckers. Das nervige Geräusch erstarb und Jessy atmete tief durch. Sie hörte neben sich ein vertrautes Schnurren. Weiches kuscheliges Fell schmiegte sich an ihre Seite. Mischa! Mit einem erneuten Seufzer öffnete sie die Augen. Sie lag bäuchlings auf ihrem Bett. Den einen Arm nach vorn gestreckt um an den Wecker zu gelangen. Mattes Licht viel durch die zugezogenen dunkelgrünen Vorhänge. Nur durch einen Spalt der in der Mitte klaffte viel helles Licht.

    Jessy sah feine Staubpartikel die in der Luft tanzten. Sie erinnerten an Schneeflocken nur winzig klein. Das Zifferblatt des Weckers zeigte Siebenuhr. Noch eine Stunde bis Unterrichtsbeginn. Der Gedanke an die Schule ließ Jessy aufstöhnend den Kopf in den Kissen vergraben. Mischa gab ein missmutiges miauen von sich. „Ist ja schon gut!“ Jessy gab sich geschlagen, drehte sich zu ihm hin. Der schwarzweiß gefleckte Kater war gerade dabei sich zu strecken. Kluge grüne Katzenaugen sahen sie abwartend an. Sie kraulte ihn unterhalb des Kinns. Mit geschlossenen Augen den Kopf nach oben gestreckt schnurrte er laut.

    „Du wirst nicht glauben von was ich geträumt habe!“ Sie wurde von einem nachdrücklichen Klopfen an der Türe unterbrochen. „Jessy? Bist du wach? Ich muss los auf Arbeit!“ „Ja, Mam! Wir sehen uns heut Abend.“ „Viel Spaß In der Schule.“ Sie lauschte auf die eiligen Schritte im Flur. Ihre Mutter hatte die neuen Stöckelschuhe an, sie hörte es an den Klick klack der Pfennigabsätze auf dem Linoleumfußboden. Es klimperte leise ein Schlüsselbund, dann viel die Wohnungstür ins Schloss. Mischa beobachtete sie dabei die ganze Zeit, als wollte er sagen: „Worauf wartest du denn?“ „Ist ja schon gut!“
    Wenig später saß sie am Küchentisch. Die Schale mit Cornflakes hatte Jessy kaum angerührt. Ihre Gedanken drehten sich um die verschwundene Postkarte, wie auch diesen seltsamen Traum. Sie sah auf den kleinen Zeitungsartikel hinunter, denn ihre Mutter farbig mit einem Textmarker umrandet hatte. „Omas Stübchen! Antiquitäten zum halben Preis! Nur noch heute! Lassen sie es sich nicht entgehen!“ Darunter war in schwarzen Druckbuchstaben die Adresse angegeben. Kein Foto nur eine kleine Anzeige, dennoch stach sie dank ihrer Mutter ins Augen. Der Textmarker war Orange Neonfarben. Mamas Lieblingsfarbe. Wenn sie sich nicht irrte leuchtete die Farbe selbst im Dunkeln. Ihre Mutter hatte ihr die Zeitungsseite der heutigen Tageszeitung unter die Cornflakes Schale auf dem Küchentisch gelegt. Welch ein Zufall! Nach Jessys Geschmack ein Zufall zu viel. Ihr war das gehörig auf den Magen geschlagen. Erst die Postkarte, dann der seltsame Traum und jetzt die Anzeige!

    Mischa schnurrte laut und strich um ihre Beine. Die Uhr zeigte Viertel vor Acht. Allerhöchste Eisenbahn, wenn sie nicht zu spät kommen wollte. Der Rucksack lehnte am Stuhlbein. Sie griff danach, dabei ruhte ihr Blick auf dem Zeitungsartikel. Das Orange der Umrandung leuchtete ihr entgegen. Mit einem Seufzer faltete sie die Seite auf dem Weg zur Wohnungstür zusammen und steckte sie ein.

    Erst jetzt bemerkte Jessy die Kleidung, die sie an hatte. Ihre Finger strichen über den Brustpanzer mit den silbernen Insignien der Stadt Terren. Lederne Riemen verbanden die einzelnen Platten. Der Waffenrock bestand aus ledernen Streifen, die ihr von der Tallie bis zu den Knien reichte und mit silbernen Platten verstärkt waren. Mit der Kleidung darunter hätte sie locker und leicht in jedem Monumental Film mitmachen können. Die dunkelblaue Tunika erinnerte eher an ein römisches Gewand. Ihre Füße steckten in geschnürten Stiefeln, die ihr bis zu den Knien reichten. Jessy war alles vertraut und doch so fremd. Es war schon Jahre her, das sie an ihre Fantasiewelt gedacht hatte.

    Irgendwann war sie einfach zu alt dafür gewesen, noch an ferne Welten zu glauben, die ja nur in ihrer Fantasie existierten. Dennoch war hier alles, bis ins kleinste Detail genauso, wie sie es sich in ihrer kindlichen Fantasie erträumt hatte. Mit einem Unterschied und der stand genau an derselben Stelle wie zuvor. Seine grünen Katzenaugen ließen sie nicht aus dem Blick. Soweit sie es beurteilen konnte, hatte er sich nicht bewegt, mit Ausnahme des Schwanzes der leicht hin und her zuckte. Es war ein schönes Tier, dass musste Jessy zugeben. Sein blau-schwarzes Fell schimmerte im hellen Sonnenlicht. Die Ohren waren nach vorn gestellt. Sie konnte die etwas hellere Schattierung um seine Barthaare sehen. Ein schwarzer Panther! Sie konnte es immer noch nicht fassen. Schon immer war sie fasziniert von diesen Tieren gewesen. Doch es war ein Unterschied eine Tier Dokumentation im Fernsehen zu schauen oder einen in echt gegenüber zu stehen. Ohne Zaun oder Glasfront, wie vielleicht im Zoo. Der hier war real und Jessy hatte den Eindruck, dass er nicht gerade erfreut über sie war. Sein Schwanz zuckte, ehe er ein lautes Fauchen ausstieß. Dabei konnte man wunderbar das Raubtiergebiss mit den längeren Reißzähnen bewundern.

    Sie keuchte und beeilte sich noch mehr Distanz zwischen sich und dieses wunderbare Geschöpf zu bringen. Dabei stieß sie mit dem Rücken an etwas Hartes. Es war eine der acht Säulen die das Kuppel Dach des Wachturms trugen. Mit geschmeidigen Bewegungen näherte sich der Panther, ließ sie aber weiterhin nicht aus dem Blick.
    Hektisch schaute sich Jessy nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch das einzige was sie fand, war eine kleine Luke im Boden und um dort hin zu gelangen, musste sie an dieser wunderschönen Miezekatze vorbei.

    Bingo, und jetzt? Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie dachte an alle Tierdokus über Großkatzen, die sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Aber ihr viel nur ein, was man über ihre Ernährung gesagt hatte. Viel frisches Fleisch!
    Ein Kloß würgte sie in der Kehle, während die Raubkatze Schritt für Schritt näher kam. Und sich in aller Seelenruhe, zwei Schritt von ihr entfernt, hinsetzte. Ihren Schwanz ließ sie dabei auf dem Boden hin und her zucken. Wäre es ein Hund gewesen, hätte man es als freudiges Schwanzwedeln bezeichnet aber ein Panther? Der Kopf legte sich leicht schief und dann passierte einfach etwas Unglaubliches. Er sprach zu ihr. „Du verhältst dich einfach lächerlich! Du hast doch nicht etwa Angst vor mir? Nein, dass glaub ich nicht… Jessy?“ Ihre Beine zitterten, vor Schreck war ihr alles Blut aus dem Kopf gewichen und der Wachturm drehte sich um sie. Das konnte nicht sein! Der Panther sprach und das mit einer menschlicher Stimme. Sie konnte ihn verstehen und seine Worte machten nicht den Eindruck, als wenn er Jessy als seine nächste Mahlzeit auserkoren hätte.

    „Was? Das ist doch jetzt nicht war! Ich träume das alles nur! Gleich wach ich auf. Du bist nicht real! Ich lieg zuhause in meinem Bett und du bist nicht echt…“ Das ungehaltene Fauchen was sie in ihrem Redefluss unterbrach, hatte nichts an sich was unecht klang. Der Panther was nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. „Für dein kindisches Verhalten haben wir keine Zeit! Das alles passiert hier nicht ohne Grund! Also reiß dich zusammen, Masur braucht deine Hilfe!“ Und genau in diesen Moment klingelte Jessys Wecker.

    Ein Geräusch riss sie aus dem Schlaf. Es klang wie ein fernes Donnergrollen. Erst Regen dann Sturm und jetzt noch ein Gewitter! Durch ihre geschlossenen Augenlider schimmerte Licht. Hatte sie vergessen die Lampe auszuschalten? Sie war sich ziemlich sicher, dass sie es vor dem schlafen gehen ausgeschaltet hatte. Ihre Hand tastete nach dem Lichtschalter und fand ihn nicht. Stattdessen ertasteten ihre Finger einen glatt polierten Untergrund auf dem sie bäuchlings lag. Was sie aus dem Bett gefallen?

    „Was..?“ Der Boden war hart und kalt, sie musste schon länger hier liegen. Jessy Füße waren ganz taub, als sie sich auf die Seite drehte. Etwas Weiches stieß gegen ihre Hand. Mischa, dachte sie erleichtert. Sie tastete nach seinem Fell aber es fühlte sich anders an, als sonst. Struppiger, einfach fester von der Haarstruktur nicht so weich wie sonst. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Sie blinzelte in das grelle Licht. Einstweilen gab sie ihre Suche nach dem Lichtschalter auf und beschattete stattdessen mit der Hand ihre Augen. Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse. Und mit jedem Detail, das sie in ihrer Umgebung mehr erkannte, wurde ihr klarer das dass nur ein Traum sein konnte. Die Landschaft auf die sie blickte, schien zu fantastisch um wahr zu sein. Und sie wusste augenblicklich wo sie sich befand.

    Ihr Rückzugsort, ihre geheime Welt! Sie hatte ihr den Namen Masur gegeben. Hierhin hatte sie sich als Kind geflüchtet, jedes Mal wenn die Stimmen ihrer streitenden Eltern zu laut wurden. Wenn sie das hänseln in der Schule nicht mehr ertragen konnte. Ihr Ort der Stille und des Friedens. Ein Ort, an dem alle in Frieden lebten, voller Eintracht. Die Stadt Terren lag eingebettet ins grüne Tal. Hinter ihr erhob sich die Bergkette des Fereeongebirges dessen Gipfel im zeitlosen Weiß schimmerten. Am Himmel sah sie die zwei Sonnen, die sich gegenseitig überschnitten. Jessy stand auf und ging die wenigen Schritte zum Bogendurchlass um besser sehen zu können. Sie selbst befand sich in einen der Wachtürme hoch über der Stadt. Von der Stadt aus das wusste Jessy, ähnelten sie mit ihrem Kuppel Dach und ihren geschwungenen Bogenfenstern einem Alkoven.


    Das alles war ein Traum, ihr Traum! Ein Körper, der sich an ihre Seite drückte, machte ihr klar, dass sie zu mindestens nicht allein diesen Traum durchlebte. „Zumindest du bist hier!“ Ihre Hand strich durch das Fell, erstarrte, ehe sie den Blick auf ihre Katze senkte. Mit einem Schreckenslaut zog Jessy ihre Hand zurück. Gelbgrüne Katzenaugen sahen sie beinahe straffend an. Nichts erinnerte mehr an ihren kleinen Hauskater. Sein Schwarzblaues Fell glänzte geschmeidig in der Sonne und sein Schwanz zuckte nervös. Sie wich mit langsamen Schritten vor dem schwarzen Panther zurück, der sie keinen Moment aus den Augen ließ. Sein anklagender Blick folgte ihr weiter, doch er machte keine Anstalten ihr zu folgen.

    Ich danke dir Maitreya, dass sie dir gefällt.
    Mischa hat in der Geschichte auch eine besondere Rolle, dass wird man schon sehr bald herausfinden.
    Mir macht es viel Spass die Geschichte zu schreiben. Übrigends lieb ich Katzen! :D
    Sie haben ihren eigenen Kopf, leider hab ich seit meiner letzten Schwangerschaft ne Katzenhaar Allergie! Seufz ;(

    Sabrina

    Für einen Moment glaubte Jessy, sie hätte die Karte an der falschen Stelle gesucht. Doch selbst nach eingehender Suche, auf allen vieren unter dem Küchentisch, fand sie die Karte nicht mehr. Sie war und blieb verschwunden.

    Nachdenklich saß Jessy wenig später am Küchentisch. Das Gesicht, in die Hände gelegt, sah sie ihrem Kater beim fressen zu. Mischa verschlang heißhungrig den Inhalt seines Napfs und leckte ihn anschließend akribisch sauber. Ihm hatte es geschmeckt. Jessy hingegen war der Hunger vergangen. Mit aufgerichteten Schwanz und die Barthaare sauber leckend kam Mischa zu ihr herüber geschlendert. Er strich um ihre Beine forderte ihre Aufmerksamkeit.

    Geistesabwesend strich sie ihm über das Fell. Wie konnte es sein, dass die Karte einfach so verschwand? Hatte sie sich das alles nur eingebildet? Diese Möglichkeit konnte sie ausschließen. Ihre Mutter hatte ihr ja bestätigt, dass diese Karte existierte. Schließlich hatte man sie ihr, in der Kaufhalle gegeben. Wenn also die Karte keine Einbildung war, warum fand sie die Karte jetzt nicht mehr? Zum zigsten Mal suchte sie mit den Augen den Küchenboden ab. Ihre Mutter hatte schon vorhin komisch geschaut, als sie die Tüte mit dem Altpapier durchwühlte.
    „Was suchst du denn, Jessy? Kann ich dir helfen?“ Etwas hielt sie davon ab ihrer Mutter die Wahrheit zu sagen. Ist ja kein Wunder, dachte sie im Stillen.

    „Mam, in der Karte hat irgendetwas aufgeblitzt. Ich hab es deutlich gesehen. Außerdem, hatte ich so ein komisches Gefühl und meine Finger haben gekribbelt. Wie bei einem Stromzaun den man anfasst. Nein Mam, ich brauche keinen Arzt! Mir ist nicht heiß, ich hab auch kein Fieber!“ Jessy konnte sich alles bildhaft vorstellen. Nein! Besser wars sie behielt das mit der Karte für sich.

    Wenig später, zurück in ihrem Zimmer, saß sie an ihrem Lieblingsplatz. Draußen waren die Straßenbeleuchtungen angesprungen und gab der nassen Straße einen glänzenden schwarz-silbernen Überzug. Der Berufsverkehr hatte nachgelassen und nur noch vereinzelt sah man ein Auto, das die mit Linden gesäumte Allee entlang fuhr. Sie lehnte ihre Stirn an die kühle Scheibe. Mit geschlossenen Augen dachte sie nach. Die Worte ihrer Mutter fielen ihr wieder ein. „Ich hab gleich gedacht, der Laden ist doch was für dich. Schließlich kannst du nicht genug davon bekommen, in alten Sachen zu stöbern.“ Damit hatte ihre Mutter nicht Unrecht. Schon immer hatten sie alte Sachen fasziniert. Sie liebte es, sich vorzustellen welche Geschichte dahinter steckte. Was der ehemalige Besitzer damit erlebt hatte. Stundenlang konnte sie durch so einen Laden schweifen. Manchmal wusste der Besitzer des Ladens auch über die Geschichte der Gegenstände Bescheid. In ihrem Kopf nahmen die Geschichten dann Gestalt an, wurden lebendig für sie real. Es gelang ihr dadurch für wenige kostbare Stunden der Wirklichkeit zu entfliehen. Seltsam das ihr bisher der Laden nicht aufgefallen war. Sie runzelte nachdenklich die Stirn. Besonders da Jsie die Nebenstraßen alle kannte. Ein Antiquitätenladen wäre ihr mit Sicherheit aufgefallen.

    Sie wurde aus den Gedanken gerissen, als etwas neben ihr in den Kissen landete. Der warmer weicher Katzenkörper drängte sich an ihren Oberschenkel. Erklomm ihren Schoß und rollte sich dort zu einer Fellkugel zusammen. "Mischa, ah möchtest du jetzt deine Schmuse Einheiten?"

    Danke ihr Beiden. Ich weiß auch noch nicht wo es mich die Geschichte hinführt. Zur Zeit kommen meine Ideen zimlich wahrlos und ich nehm sie wie sie kommen.
    Was dann später draus wird werdet ihr lesen. Für den Hauptcharakter hat meine Tochter Pate gestanden. Ihre Ideen fließen mit ein. Schön das es euch geflällt das ich etwas ruhiger an die Sache heran gehe.
    Bleibt also am Ball! :thumbsup:

    Sa :D brina

    Mischa gab ein leises Miauen von sich. „Na hast du Hunger, mein Guter?“ Mischas kluge Augen sahen sie unverwandt an. Seine Ohren stellten sich nach vorne. „Ich denke mal das heißt ja.“ Sie kraulte ihn noch einmal unter dem Kinn und er gab ein genießerisches Schnurren von sich. „Na komm, schauen wir nach ob sich die Sturmwolken verzogen haben.“ Wenigstens innerhalb der vier Wände, fügte Jessy hinzu. Draußen vor dem Fenster bogen sich die Baumwipfel, der anderen Straßenseite entgegen. Sie hörte den Wind um die Häuserecke Pfeilen. Er trieb die ersten gelben Blätter an die nasse Scheibe ihres Fensters. Anhand der Form und Maserung von einer Linde. Vielleicht die vor dem Haus? Wer konnte das sagen? Der Regen hatte mittlerweile nachgelassen. Wasserfontänen spritzten von der Straße auf. Jessy sah das im Scheinwerferlicht, der entgegenkommenden Autos.


    Mischas miauen vom Flur her, trieb sie nur Eile an. „Ich komm ja!“ Schon im Flur hörte sie die Lieblingsmusik ihrer Mutter. Das verbesserte ihre Chancen um ein vielfaches, das ihre Mutter bessere Laune hatte und ein gute Gelegenheit nach Mischas Katzenfutter zu fragen. Ihre Mutter stand mit dem Rücken zu ihr und verstaute die Einkäufe im Kühlschrank. „Wie wars in der Schule? Irgendwas Besonderes?“ Jessy überlegte kurz, wog die Antworten und ihre Konsequenzen ab. Sollte sie von dem neuen Physiklehrer erzählen, oder von den Sprüchen der „Blondies“? Oder noch schlimmer, über ihren ganzen Frust über die jetzige Situation? Das würde nur wieder zu hundert prozentiger Sicherheit im Streit enden. Oder, sie ließ das Thema einfach aus und hatte stattdessen ihre Ruhe. Jessy entschied sich für die zweite Möglichkeit.

    „So wie immer!“ Dabei gab sie ihrer Stimme einen gelangweilten Ton. „Und wie war dein Tag?“

    Die Frage war mehr oder minder rhetorisch gemeint. Jessy kannte bereits die Antwort. Es waren eigentlich immer die gleichen Fragen am Abend und dieselben Antworten, die man bekam. Während ihre Mutter von den Leuten im Büro erzählte, half Jessy ihr mit den restlichen Einkäufen. Den Inhalt einer vollen Plastiktüte stapelte sie auf die Arbeitsfläche. Unter anderem das heiß ersehnte Katzenfutter. Mischa strich schon die ganze Zeit um ihre Beine. Als letztes entnahm sie der Tüte, das neuste Werbeprospekt und den Kassenbon. Sie legte beides auf den Einkauf, und wollte gerade nach dem Katzenfutter greifen, als ihr Blick auf die Karte fiel.

    Sie ragte nur wenige Zentimeter aus dem Werbeprospekt heraus und dennoch veranlasste sie ein merkwürdiges Gefühl danach zu greifen. Ein kribbeln durchrieselte ihre Finger, kaum das sie die Karte berührte. Vor Schreck hätte Jessy die Karte beinahe fallen lassen, tat es aber nicht. Sie hatte die Größe einer Postkarte, war rotbraun, an den Rändern vergilbt. Es zeigte die Vorderfront eines Ladens. Über der Eingangstür erkannte man ein Schild. „Antiquitäten“ las Jessy dort in Blockschrift. Darunter stand in geschwungenen Lettern „Omas Stübchen“. Man hatte das Foto des Ladens auf alt getrimmt. Rechts und links der Eingangstür sah man große Schaufenster, in denen die Auslage dekoriert war. Quer über die ganze Postkarte war ein Banner geklebt. Ausverkauf! Alles zum halben Preis! Las Jessy, während das seltsame Gefühl die Karte näher zu betrachten, immer mehr zunahm. Etwas lenkte ihren Blick auf die Auslagen des Schaufensters und in diesen Moment blitzte es dort auf. Nur mit Mühe unterdrückte Jessy einen Aufschrei. Sie ließ die Karte fallen und diese segelte unter den Küchentisch wo sie liegen blieb.


    „Jessy, was ist los?“ Einen Moment konnte sie sich nicht rühren, geschweige den sprechen. Was war da eben gerade passiert?

    „Geht es dir gut?“ Der drängende Ton ihrer Mutter zwang sie sich umzudrehen. „Alles gut..“ Ihre Stimme etwas atemlos war nicht gerade überzeugend. „Mam, diese Karte..“ Jessy deutete mit dem Finger darauf. Ihre Mutter runzelte die Stirn, dann nickte sie lächelnd. „Ja, die hab ich fast vergessen. Ich hab gleich gedacht, dass ist etwas für dich. Schließlich kannst du nicht genug davon bekommen, in alten Läden zu stöbern. Er macht Räumungsverkauf und es ist nicht weit von hier. Zwei Straßen weiter, hat die Frau gesagt.“

    „Welche Frau?“ „Die mir die Karte mitgegeben hat!“ Ein mulmiges Gefühl lies Jessy zu der Karte schauen. Der Platz wo die Karte gelegen hatte, war leer!

    Hay Leute! Nun ein ganz anderer Versuch und eine ganz andere Geschichte. Versprochen hier spuckt kein Robin Hood durch die Seiten! :D
    Die Idee zu der Story kam mir Gestern, als das Sturmtief draußen vor dem Fenster tobte. Weiß noch nicht wo mich Jessy hinführen wird, ich lass mich einfach überraschen! Viel Spass beim lesen und ich hoffe es gefällt! :D

    Der Tag an dem alles begann

    Der Regen prasselte unaufhörlich gegen das Glas der Fensterscheibe. Draußen sah man wie sich dunkle Wolkenberge auf türmten. Sie tauchten die Häuserlandschaft in ein graues Szenario. Irgendwie unwirklich, schließlich war es noch nicht einmal Kaffeezeit. Das Prasseln der Regentropfen wurde jedes Mal lauter wenn der Wind auffrischte. Große und kleine Tropfen trafen die Scheibe flossen zusammen und wurden zu kleinen Rinnsalen, die sich dank der Schwerkraft einen Weg über das Glas nach unten suchten. Jessy fuhr eine dieser glänzenden Rinnsale mit der Fingerkuppe nach. Das Wetter passte, zu diesem Tag und zu ihrer Stimmung. Sie saß an ihrem Lieblingsplatz, der mit Kissen ausgepolsterten Fensterbank und sah hinaus in das Grau in Grau vor ihrem Fenster. Der Wetterdienst hatte dies Mal Recht behalten. Sturmböen und Dauerregen, aber ihr war es egal.
    „Doofes Wetter!“ hatte ihre Mutter geflucht, als sie klatschnass und schlecht gelaunt, mit zwei Einkaufstüten bepackt die Wohnungstür aufschloss. „Du hättest ja auch mal tragen helfen können, Jessy!“ Natürlich wie denn? War sie Hellseher? Aber das war wieder klar. Sie bekam für alles was schief ging die Schuld. Für das Wetter, dem unfreundlichem Verkäufer an der Supermarktkasse und natürlich war auch sie dran Schuld, das ihre Mutter dank einer verpassten Straßenbahn erst jetzt zuhause war.

    Immer bin ich dran Schuld! Dabei war ihr Tag auch kein Zuckerschlecken gewesen. Aber danach fragte ja keiner. Herr Krüger ihr neuer Physiklehrer gehörte keineswegs in die Kategorie „Typ mit dem man Pferde stehlen kann“. Das hatte er ein für alle mal klar gestellt. In seiner zehn Minütigen Standpauke vor der Ganzen 10a hatte er allen klar gemacht, was er im nächsten Halbjahr von den Schülern erwartete. „Leistungssteigerung“, dass war sein Lieblingswort. So oft wie er es erwähnt hatte. Jessy schaute versonnen nach Draußen. Dabei hatte alles so toll mit ihm angefangen. In den ersten Wochen hatte er ganz und gar nicht so übermäßig streng gewirkt. Dazu kamen auch noch die Anmachsprüche von den „Blondies“, wie sie die Mädchenklicke, ihrer Klasse nannte. Der Name passte. Alle Mitglieder waren blond, langhaarig und Strohdoof. Außer vielleicht Petra die Wortführerin des Rudels. Sie schaffte es immer wieder Jessy aus der Reserve zu locken. Dabei hatte Jessy wirklich geglaubt, es würde in der neuen Schule besser werden. Nur aus diesem Grund, hatte sie dem Umzug in eine andere Stadt zugestimmt. Doch jetzt war beinahe alles so wie vorher. Beinah, mit einem entscheidenden Unterschied. Sie war mit ihrer Mutter alleine in die kleine drei Zimmerwohnung im Dachgeschoß eines Mehrfamilienhauses gezogen. Ihre Eltern hatten sich vor einem halben Jahr getrennt.

    Noch immer war es für Jessy schwer das zu akzeptieren. Ihre Eltern hatten es ihr damit erklärt „Wir haben uns auseinander gelebt!“ Was für ein Schwachsinn! Und was war mit ihr, dachte den keiner an sie, bei der Trennung? War sie nur ein Nebenprodukt dieser Beziehung? Sie erinnerte sich gut an ihre unsagbare Wut an diesem Abend im April. Vier Tage vor ihrem Fünfzehnten Geburtstag. Toller Geburtstag war das gewesen. Sie hatte ihrem Vater zugeschaut wie er die Koffer packte und anschließend ging.
    Unvergesslich, wie ein Geburtstag ja auch sein soll. Vielen Dank!

    Etwas Weiches drückte sich an ihre Seite und gab ein unverwechselbares schnurren von sich. Wie war dass, Tiere haben für die Stimmung ein Gespür? Bei Mischa traf diese Aussage eindeutig zu. Schon vom ersten Augenblick, als Jessy das Katzenjunges gesehen hatte, war der kleine Stubentiger ihr ein und alles. Sein Schwarzweißes Fell war weich. Er schmiegte sich an Jessys Seite und schnurrte genussvoll. „Wenigstens dein Tag war Klasse! Na, was hast du alles getrieben?“ Seine klugen grünen Augen sahen sie mit schräg gelegtem Kopf an. Sein leises „Mia Mhrrr“ war wie Musik in ihren Ohren. „Wenn ich dich nur verstehen könnte.“ Jessys Finger strichen durch sein Fell, kraulten die richtigen Stellen, denn fest drückte sich der Körper an ihre Fingerspitzen.