Die ersten Sonnenstrahlen wecken mich aus meinen unruhigen Träumen. Schweißgebadet wache ich auf. Ich blicke hoch zu den Dachbalken über mir. Ich brauche einen Moment ehe mir klar wird wo ich bin. Nicht weit von hier bin ich geboren. Zuhause, dass Wort hört sich fremd an. Mein Gedanken schweifen zu der Frau die ich liebe, Katleen. Heute werde ich sie wieder sehen. Ich fass an meine Seite und spür das Schwert neben mir im Stroh. Wie immer liegt es neben mir. Ich habe es mir über die Jahre hinweg so angewöhnt. Man muss auf alles gefasst sein, sowohl auf den Schlachtfeldern, wie auch im Lager, wenn man überleben will. Diese Lektion habe ich als eine der Ersten gelernt. Die Narben, auf meinem Rücken, schmerzen bei der Erinnerung.
Sie waren zu viert, kamen in der Nacht. Zerrten mich aus dem Zelt, hielten mich fest. Ich versuchte mich gegen sie zu wehren aber es waren zu viele! „Wir werden dir zeigen was wir mit solchen tun, die sich auf eine Stufe mit Uns stellen.“ Man fesselte mich, band mir Hände und Füße. Jemand legte meinen Rücken frei und dann hörte ich das Zischen der Peitsche. In ohnmächtiger Wut balle ich meine Fäuste. Die Erinnerung tut weh. Es sind Wunden tief eingebrannt in meine Seele.
Der Umhang ist über Nacht getrocknet. Leise raschelt das Stroh, als ich das Pferd sattle und aus der Scheune führe. Das erste Licht des Tages legt einen goldenen Schein über Wiesen und Felder. Tief atme ich die feuchte Luft ein. Jetzt bei Tag weiß ich in welche Richtung Durham liegt. Jetzt da ich meinem Ziel so nahe bin überrollen mich Zweifel. Wie werden sie auf mich reagieren? Einst war ich ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch ich ließ all das hinter mir für den König. Ich lenke das Pferd mit Schenkeldruck, es kennt den Weg. Früher oder später muss ich mich meiner Vergangenheit stellen. Ich habe damals an den König geglaubt. An seine Worte, seine Versprechungen. Wieder schüttle ich den Kopf, darüber wie naiv ich damals war. Voller Ideale, was ist daraus geworden? Wollte ich damals die Wahrheit nicht sehen? Er ist auch nur ein Herrscher, jemand der um seine Ziele zu erreichen über Leichen geht. Ganz egal was es kostet, skrupellos. Diese Illusionen von Ihm verlor ich schon bei meiner ersten Schlacht. Ich sehe sie noch immer vor mir, Nachts in meinen Träumen. Ihre grauenhaften Schreie. Sie haben niemanden verschont, weder Frauen noch Kinder. Nur weil sie wagten ihm dem König und seinem Heer zu trotzen. Ich konnte nichts tun, er hatte mich in der Hand. Drei Jahre lang, jetzt kehre ich Heim. Der Wald heißt mich willkommen. Ich kann es fühlen. So war es schon immer und ist es noch. Hier habe ich viele Jahre gelebt. Im Schutz des Waldes. Ich war ein Rebel, lehnte mich auf gegen alle Regeln. Wollte den Menschen Hoffnung schenken. Wie lange ist das her? Wieder frage ich mich, wer ich jetzt bin?
Die Straße nach Endestal führt an Durham vorbei. Ich lasse die Zügel locker. Nicht treibt mich zur Eile. So viele Erinnerungen habe ich an diesen Wald. Im Geiste höre ich die Worte von Marc. „Ian, dass kann nicht dein Ernst sein? Du willst für Ihn kämpfen? Für diesen König? Wieso? Denk daran was Sie uns alles genommen haben. Wie kannst du das vergessen? Ich kann es nicht!“ Leben sie noch immer hier im Wald? Kämpfen sie immer noch für die Ideale für die auch ich einstand? Marc, Sam, Bran und Tay. Kai ist mit Katleen nach Durham zurück gegangen. Aber was wurde aus den Freunden? Ein Geräusch aus dem Unterholz lässt mich zum Schwert greifen. Suchend schaue ich mich um. Breitbeinig versperrt ein Mann mir den Weg. Einen gespannten Langbogen im Anschlag. Ich erkenne ihn auf den ersten Blick. Ich stehe Marc gegenüber. Er hat mich noch nicht erkannt. „Keine Bewegung, sonst ist es deine Letzte! Gebt mir was ihr habt und Ihr könnt den Weg passieren!“ Für ihn bin ich ein Fremder. Wie oft stand ich an seiner Stelle und erleichterte die Adligen um ihr Geld. Selbst ein Kampf mit guten Absichten braucht Geld. Mein Blick gleitet über die Büsche und Bäume in der Nähe. Es fällt mir nicht schwer, die Bewegungen in den Zweigen zu sehen. Er ist nicht allein. In Marcs Stimme schwingt die vertraute Ungeduld mit. Er wird langsam wütend, weil ich nicht reagiere wie er es sich denkt. „Nun wird’s bald, oder wollt ihre es drauf ankommen lassen?“ Mit einer Bewegung schieb ich die Kapuze des Umhangs und die Kettenhaube nach hinten. Seine Augen werden groß. Selten habe ich Marc sprachlos gesehen. „Hallo Marc.“ Ich weiß nicht was ich anderes sagen soll. Zu lange haben wir uns nicht gesehen. „Ian..?“ Ich nicke stumm. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Was denkt er über mich? Blätter rascheln, Äste knacken, dann sehe ich die Freunde. Sie treten aus der Deckung hervor auf den Weg. Bran, Sam und Tay. Ihre Gesichter sind ebenso ungläubig wie Marcs. „Bist du es wirklich?“ Bran kommt langsam näher. „Bei allen Göttern und Heiligen!“ Er küsst seinen Talisman dass er immer an einer Lederschnur um den Hals trägt. „Wir hörten du wärst gefallen bei Menaar. Das haben Sie uns erzählt.“ Zögernd greift er nach meiner Hand. Ich sehe das Zittern seiner Finger. Seine Augen glänzen feucht „Ich bin es wirklich.“ Meine Stimme ist rau. Ohne es zu wissen hat Bran einen wunden Punkt getroffen. Die Erinnerung an Menaar ist noch zu frisch. „Die Götter seien gepriesen!“ Er freut sich wirklich. Ich zwinge mich sein Lächeln zu erwidern, doch mir ist nicht danach. Tuck hat alte Wunden aufgerissen. Menaar! Der blutige Kampf um die Stadt und dann als die Stadtmauern gestürmt wurden, die Schreie der Menschen in ihren brennenden Häusern. Der König hatte es so befohlen. „Verschließt die Türen und steckt die Häuser in Brand. Nie wieder werden sie gegen mich kämpfen.“ Nein, das würden sie nicht, denn sie waren alle Tod! So viel Schmerz, Tod und Leid! Drei Jahre können die Hölle sein! Ich verdränge die Erinnerung sie schmerzen zu sehr.Tay steht neben meinem Pferd und grinst zu mir hoch. Auch in seinen Augen glänzt es feucht. „Eigentlich hätten wir es uns denken können. So ein Teufelskerl wie du, überlebt jeden Kampf. Es tut gut dich zu sehen.“ Sein bärtiges Gesicht strahlt. Der schweigsame Sam begnügt sich mit einem nicken in meine Richtung. Ich erwidere es. Wir verstehen uns auch ohne Worte, so wie es schon immer war. Nur Marc steht mit verschränkten Armen Abseits. Das Gesicht spiegelt seine mühsam unterdrückte Wut. „Du hast es also überlebt. Und was nun? Willst du jetzt so tun als wäre nichts passiert?“ Seine Stimme überschlägt sich. „Drei Jahre! Weißt du was alles in dieser Zeit geschehen ist? Du...du hast uns im Stich gelassen, während wir dich am nötigsten gebrauchten.“ Bitterkeit höre ich aus seinen Worten. „Marc nicht! Er ist doch gerade erst angekommen.“ „Von mir aus, kann er auch gleich wieder gehen, Tay! Ich brauch ihn nicht!“ Seine Worte tun weh. Aber ich kann ihn verstehen. Er hat an mich geglaubt und ich habe dieses Vertrauen enttäuscht. Ohne ein weiteres Wort verschwindet er unter den Bäumen. Ich schaue Ihm hinterher. „Du musst seine Worte entschuldigen, Ian. Er meint es nicht so.“ Tays Blick ist traurig. „Ich kenne Marc gut genug, um zu wissen das er immer das sagt was er denkt! Und ich kann es ihm noch nicht einmal übel nehmen. Aber er braucht keine Angst zu haben, dass ich bleibe.“ Tay runzelt die Stirn. „Du hast nicht vor zu bleiben?“ Stumm schüttele’ ich den Kopf. In seinen Augen erlischt der Hoffnungsfunke. „Es tut mir leid, Tay. Ich bin auf dem Weg nach Durham.“ Seine Augen weiten sich, ehe er den Kopf abwendet. Der Sekundenbruchteil hat ausgereicht. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Ein seltsam vertrautes Gefühl beschleicht mich. Angst! „Tay, was ist los?“ Noch immer weicht er meinen Blicken aus. Jetzt weiß ich, dass hier etwas nicht stimmt. Ich gleite aus dem Sattel und stelle mich vor ihn. Meine Angst schlägt in Wut um. „Verdammt noch mal Tay, sieh mich an!“ Sein Blick trifft mich wie ein Schlag. „Das Gut Ian...und das Dorf es existiert nicht mehr!“