Unterschiedliche Erzählperspektiven

Es gibt 59 Antworten in diesem Thema, welches 7.490 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (19. Dezember 2024 um 19:29) ist von Thorsten.

  • In der letzten Zeit ist mir aufgefallen, dass mit dem Wörtchen »auktorial« recht verschwenderisch umgegangen wird, obwohl oft etwas anderes gemeint ist, wenn man den Kontext berücksichtigt – nämlich narrative Distanz. Da das ein kleines Lieblings-Ärgernis für mich ist, habe ich mich dazu entschlossen, einen (hoffentlich?) informativen Beitrag rund um Erzählperspektiven zu verfassen. Vielleicht gelingt es mir sogar, das ein oder andere Missverständnis zu beseitigen. Ganz ohne theoretische Ausführungen geht das nicht, weswegen ich im Folgenden Franz K. Stanzels Ansatz zu Erzählperspektiven umreißen möchte.


    Typologisches Modell der Erzählsituationen nach Franz K. Stanzel

    Franz K. Stanzels typologisches Modell der Erzählsituationen hat seit den 1950er Jahren weite Verbreitung in der Literaturwissenschaft gefunden und ist eines der gebräuchlichsten Modelle zur Unterscheidung von Erzählperspektiven. (Anmerkung: Freilich gibt es Kritikpunkte, die man gegen Stanzels Ansatz vorbringen könnte und die für die Verwendung eines anderen Modells sprächen. Das würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Bei Interesse an einer näheren Auseinandersetzung mit dem Thema würde ich für den Einstieg einen Blick auf die Erzähltheorie nach Gérard Genette empfehlen – sein Modell findet in der Literaturwissenschaft ebenfalls häufig Anwendung.)

    Bei Stanzel ist der Begriff der »Mittelbarkeit« zentral. Gemeint ist damit, dass die Welt in einer Geschichte nicht unmittelbar, sondern eben mittelbar dargestellt wird – Trägermedium ist dabei die Sprache (oder: der Text).* Die Erzählsituation wird durch die Triade von Modus, Person und Perspektive konstituiert. Für diese drei Konstituenten lassen sich wiederum binäre Oppositionen formulieren.

    *Was den Begriff der »Mittelbarkeit« angeht, möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich eine Definition von Gérard Genette einbringen, mit der wir den Aspekt der narrativen Distanz genauer fassen können.


    Konstituens: Modus

    Binäre Opposition: Erzähler/Nicht-Erzähler

    Bedeutung: Reflektor

    Der Erzähler kann verschiedene Haltungen einnehmen, aus denen heraus berichtet wird. Ich finde es hilfreich, mir dabei verschiedene Kameraeinstellungen vorzustellen. Diese Analogie geht nicht zu 100% auf und ich bin nicht sonderlich versiert, was das Medium »Film« anbelangt, dessen bin ich mir bewusst. Es ist nichts weiter als eine persönliche Eselsbrücke – also bitte mit Vorsicht genießen.

    Schwebt die Kamera weit über dem gesamten (!) Geschehen, kann sich aber zu jeder Zeit auf einen Aspekt fokussieren? Auktorialer Erzähler.
    Beispiel: Wir schauen von oben auf Bob, Bobo und Bobette herab, die eine gemeinsame Wanderung unternehmen. Die Kamera kann an jede der drei Figuren heranzoomen oder auch zu Bobline schwenken, die mit einer Erkältung im Bett liegt und bedauert, dass sie ihre drei Freunde nicht begleiten konnte.

    Ist die Kamera hinter einem der Charaktere zentriert? Personaler Erzähler.
    Beispiel: Die Kamera ist hinter Bobo zentriert. Wie weit entfernt sie hinter ihm zentriert ist, wird im Abschnitt »Narrative Distanz« eine Rolle spielen. In jedem Fall sehen wir nur das, was Bobo sehen kann.

    Wird die Kamera von einem der Charaktere geführt (Typus found footage)? Ich-Erzähler.
    Beispiel: Bob hält die Kamera. Auch hier sehen wir nur das, was Bob sehen kann. Er nimmt im Gegensatz zu Bobo aber eine doppelte Funktion ein: Er ist Akteur und Kameramann (oder: Erzähler) zugleich.

    Im Grunde gibt es entweder eine Erzählerinstanz/-figur, die dem Leser die Handlung vermittelt (auktorialer Erzähler oder Ich-Erzähler) oder aber eine Reflektorfigur, die vom Erzähler getrennt ist (personaler Erzähler).

    Ein auktorialer Erzähler ist allwissend – er weiß also alles über die handelnden Figuren, die Orte und die zeitlichen Zusammenhänge in einer Geschichte. Das heißt aber nicht, dass seine Draufsicht auf das Geschehen neutral sein müsste. Ganz im Gegenteil kann der auktoriale Erzähler Werturteile über die Figuren vornehmen und den Verlauf der Handlung kommentieren (manchmal auch mit einer direkten Ansprache des Lesers).

    Ein personaler Erzähler weiß dagegen nicht alles, sondern beschreibt die Geschehnisse aus der Sicht einzelner oder mehrerer Figuren. Diese Point-of-View-Charaktere werden nach Stanzel als »Reflektorfiguren« bezeichnet. Folgerichtig kann der personale Erzähler nur das wissen, was auch die Reflektorfigur weiß (Erzählerwissen = Figurenwissen). Kommentare und Interpretationen hinsichtlich der Handlung können vorkommen, sind aber ebenfalls auf die Perspektive der Reflektorfigur beschränkt.

    Der Ich-Erzähler gibt das Geschehen in der Ich-Form weiter. Diese Erzählhaltung kann wiederum Merkmale der anderen Perspektiven aufweisen (dazu später mehr).


    Konstituens: Person

    Binäre Opposition: Identität/Nicht-Identität

    Bedeutung: Seinsbereiche des Erzählers und der Figuren

    Die Seinsbereiche (oder: Erlebniswelten) von Erzähler und Figuren können miteinander identisch (Ich-Erzähler) oder voneinander getrennt sein (personaler Erzähler oder auktorialer Erzähler). Man könnte auch fragen: Ist der Erzähler zugleich eine der handelnden Figuren? Oder ist er eine separate Instanz, die von dem Geschehenen berichtet, aber nicht aktiv beteiligt ist?


    Konstituens: Perspektive

    Binäre Opposition: Innenperspektive/Außenperspektive

    Bedeutung: Perspektivismus/Aperspektivismus

    Bei einem Bericht aus der Außenperspektive liegt ein auktorialer Erzähler vor, bei einem aus der Innenperspektive ein Ich-Erzähler und bei einer Mischform ein personaler Erzähler.

    Achtung: Diese Einteilung ist nicht normativ zu verstehen! Das Modell ist dazu gedacht, als Werkzeug zur Textanalyse verwendet zu werden. Es geht also darum, die Erzählperspektive zu beschreiben, nicht darum, irgendein Ideal zu postulieren, nach dem sich ein jeder Autor nun richten müsse. Infolgedessen ist es nicht überraschend, dass wir in individuellen Texten Abwandlungen und Mischformen beobachten können.


    Der auktoriale Erzähler

    Ein auktorialer Erzähler ist nicht selbst an der Geschichte beteiligt, die er erzählt – vielmehr ist er ein Urheber und Vermittler, der von außen auf die dargestellte Welt schaut. Dabei ist er allwissend: Er kann zeitübergreifende Zusammenhänge herstellen – etwa mit zukünftigen oder vergangenen Ereignissen –, Kommentare und Bewertungen des Geschehens vornehmen, die zeitgleich erfolgenden Handlungen unterschiedlicher Charaktere an verschiedenen Orten schildern, etc. In der Konsequenz weiß der auktoriale Erzähler mehr als die Charaktere in der Geschichte, denn er kennt die Gedanken und Gefühle aller Figuren (Erzählerwissen > Figurenwissen).

    Tritt der auktoriale Erzähler in seiner reinsten Form auf, ist es für den Leser offensichtlich, dass er Rezipient einer Geschichte ist, die ihm von ebendieser Erzählinstanz geschildert wird. Das ergibt sich daraus, dass auktoriale Erzähler den Leser direkt ansprechen, die Geschichte auf einer Meta-Ebene kommentieren oder auch deutliche Wertungen mit einer starken eigenen Stimme vornehmen können.

    Beispiel: Bob, Bobo und Bobette hatten geglaubt, sie seien auf alles vorbereitet, was die Natur ihnen bei dieser Wanderung entgegenwerfen würde. Wie naiv! Was die drei nämlich nicht ahnten, war, dass nicht die Natur ihnen an diesem Tag zum Verhängnis werden würde, sondern der Mensch. Während sie also selig in ihrem Unwissen durch den Wald staksten, entging ihnen völlig, dass sie beobachtet wurden.

    Nicht jeder auktoriale Erzähler ist allerdings so offensichtlich auktorial. Es gibt knifflige Grenzfälle, bei denen der auktoriale Erzähler nahezu unsichtbar ist und die Stimmen der Charaktere so deutlich durchkommen lässt, dass es den Anschein macht, man habe es mit einem personalen Erzähler zu tun. Wird das auf die Spitze getrieben und nimmt der Leser zu Beginn des Buches fälschlicherweise an, er schaue gerade durch die Augen einer Reflektorfigur, können plötzliche Sprünge in die Köpfe anderer Figuren wie ein Bruch in der Erzählperspektive wirken und die Gabe von Informationen, zu der der (vermeintliche) PoV-Charakter keinen Zugang hat, wie Infodumps daherkommen. Gleichwohl ist es möglich, dass personale Erzähler, die aus einer großen narrativen Distanz heraus berichten, mit auktorialen Erzählern verwechselt werden.


    Der Ich-Erzähler

    Bei einem Ich-Erzähler liegt eine Übereinstimmung von Erzähler und Figur in der Erzählung vor – der Ich-Erzähler ist einer der handelnden Charaktere. Wie sehr dieser Charakter allerdings im Rampenlicht steht, kann variieren. Nicht immer ist der Ich-Erzähler auch der Held der Geschichte – tatsächlich gibt es Fälle (die ich persönlich nicht ganz intuitiv finde, aber hey), in denen der Ich-Erzähler bloß eine Art Beobachter oder Nebenfigur ist.

    Verkompliziert wird diese Konstellation durch die Unterscheidung zwischen dem erzählenden Ich, dem erlebenden Ich oder dem erzählten Ich. Das erzählende Ich ist der Erzähler/die Figur so, wie sie gegenwärtig ist – oft eine erfahrenere und reifere Person, gewachsen an den Geschehnissen in der Geschichte, die geschildert wird. Das erlebende oder erzählte Ich sind die früheren »Versionen« des Ichs bzw. der Entwicklungszustand, in dem es sich zum Zeitpunkt der Geschichte befand. Insofern kann das erzählende Ich retrospektive Urteile und Kommentare vornehmen – ähnlich einem auktorialen Erzähler.

    Das muss aber nicht so sein: Das erzählende Ich kann auch mit dem erzählten Ich übereinstimmen – das ist der Fall, wenn das Geschehen, über das berichtet wird, noch nicht passiert ist, sondern das Ich »mittendrin« steckt. Dann hat das erzählende Ich natürlich weder einen Wissensvorsprung noch eine kritische/nachträgliche Reflexion über das Geschehen.

    Es versteht sich von selbst, dass diese Erzählperspektive eine besondere Nähe zwischen Leser und Erzähler herstellt: Der Leser erlangt das Gefühl, selbst zu erleben, was dem Erzähler/der Figur widerfahren ist.


    Der personale Erzähler

    Der personale Erzähler berichtet in der 3. Person, allerdings aus der subjektiven Sicht der Reflektorfigur(en) heraus. Stanzel zufolge seien die Seinsbereiche von Erzähler und PoV-Charakter(en) dabei jedoch nicht identisch: Der Erzähler sei nicht mit der Reflektorfigur gleichzusetzen. Ich setze hier bewusst den Konjunktiv, weil ich meine, dass der Sachverhalt schon nicht mehr ganz so einfach ist, sobald man den Faktor der narrativen Distanz einkalkuliert (dazu später mehr).

    Ein personaler Erzähler schildert die Geschichte vorwiegend aus der Innenperspektive heraus. Daraus folgt, dass sich das Wissen des personalen Erzählers mit dem der Reflektorfigur deckt. Im Gegensatz zum auktorialen Erzähler ist dem personalen Erzähler also nicht zweifelsfrei bekannt, was zur gleichen Zeit an anderen Orten geschieht oder in anderen Figuren vor sich geht. Wohl aber kann er die diesbezüglichen Vermutungen der Reflektorfigur vermitteln.

    Dies zieht eine spannende Implikation nach sich: Personale Erzähler sind zugleich unzuverlässige Erzähler. Da der Leser nur einen eingeschränkten Einblick erhält – nämlich in die Gefühls- und Gedankenwelt eines jeweiligen PoV-Charakters (oder mehrerer) – sind subjektive Werturteile, bedingt durch die Erfahrungen und die Weltanschauung des Charakters, zu erwarten. Sie durchlaufen keinen Filter, sondern der Leser ist gezwungen, die Position des Erzählers zu hinterfragen und sich selbst ein Urteil zu bilden.


    Narrative Distanz

    Mittelbarkeit spielt in Gérard Genettes Erzähltheorie eine wichtige Rolle – ganz wie bei Stanzel. Gemeint ist bei Genette aber etwas anderes: Genette definiert »Mittelbarkeit« als den Grad der Distanz, den der Erzähler gegenüber dem Erzählten einnimmt. Ist der Erzähler in einer Geschichte präsent bzw. für den Leser wahrnehmbar, liegt nach Genette ein »narrativer Modus« vor. Tritt der Erzähler aber hinter der Figurenrede zurück, so handelt es sich um einen »dramatischen Modus«. Der narrative Modus geht mit mehr telling einher, der dramatische mit mehr showing.

    Weiter oben schrieb ich zu personalen Erzählern, dass man sich narrative Distanz als die Entfernung zwischen dem Charakter und der hinter ihm zentrierten Kamera vorstellen kann. Je weiter die Kamera entfernt ist, desto größer die narrative Distanz. Je näher sie ist, desto geringer die narrative Distanz.

    Das lässt sich auf die Spitze treiben: Es ist möglich, so zu schreiben, dass man als Leser im Kopf des PoV-Charakters ist – ohne dass ein Ich-Erzähler vorliegt. Das ist der Grund, weshalb ich ein gewisses Problem mit Stanzels Postulat habe, die Seinsbereiche von Erzähler und Figur seien bei der personalen Erzählperspektive nicht miteinander identisch. Ich finde, darüber könnte man durchaus diskutieren.

    Wie aber erzeugt man größere oder geringere narrative Distanz?

    Strebt man eine größere narrative Distanz an, kann man:

    • das Handeln von Charakteren so beschreiben, als schaute man von außen zu,
    • Gedanken mit einer entsprechenden Kennzeichnung versehen (Verdammt, dachte er.),
    • Filterwörter verwenden (sehen, hören, riechen, fühlen, wissen),
    • dieselbe narrative Stimme (eher formal) über den gesamten Roman hinweg verwenden – unabhängig vom PoV-Charakter,
    • mehr Fakten als charakterspezifische Vermutungen anbringen, da ein entfernter Erzähler ggf. mehr über das Geschehen weiß.

    (Anmerkung: Nur, weil die narrative Distanz bei einem personalen Erzähler ggf. groß ist, heißt das nicht, dass es sich um einen auktorialen Erzähler handelt. Dazu müssten zusätzliche Charakteristika gegeben sein, die mit der Allwissenheit der auktorialen Erzählhaltung einhergehen.)

    Strebt man eine geringere narrative Distanz an, kann man:

    • das Handeln und die Erfahrungen von Charakteren in ihrer eigenen Stimme und mit ihren eigenen Meinungen sowie Werturteilen beschreiben,
    • Filterwörter streichen,
    • eine informelle narrative Stimme verwenden – etwa mithilfe von Ellipsen, die näher an organischen Gedankenfetzen dran sind als ausformulierte Sätze,
    • mehr Urteile, Annahmen und Vermutungen des PoV-Charakters einbringen.

    Beispiel (personaler Erzähler mit hoher narrativer Distanz):
    Bob öffnete seinen Rucksack, um nach dem Verbandszeug zu wühlen. Er hörte, wie Bobette hinter ihm vor Schmerzen wimmerte. So eine verdammte Scheiße, dachte er.

    Beispiel (personaler Erzähler mit geringer narrativer Distanz):
    Bob riss den Rucksack auf. Das Verbandszeug, schnell! Wo hatte er es hingepackt? In die Seitentasche? Hinter ihm wimmerte Bobette. So eine verdammte Scheiße!

    Müsste ich einen Favoriten auswählen, spräche ich mich ganz klar für den personalen Erzähler mit geringer narrativer Distanz aus. Ich finde diese Erzählperspektive nicht ganz so »vereinnahmend« wie einen Ich-Erzähler, obwohl ich im Kopf des PoV-Charakters sitze und alles aus seiner Sicht mitbekomme. Das ist aber ein sehr subjektives Empfinden und Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.

  • Hallo ihr Lieben, ich weiß, dass die Frage hier schon gestellt wurde. Aber sie wurde dann doch nur kurz beantwortet und beschäftigt mich auch gerade. Deshalb wollte ich euch nochmal genauer dazu befragen...

    Ich schreibe meine Geschichte gerade in der 1.P.Präs. aus Sicht der Protagonistin. Jetzt sind doch ein paar Charaktere dazugekommen, denen ich auch gerne Kapitel aus deren Perspektive widmen würde. Sollte ich die dann auch in der 1.P. schreiben, damit sich das ganze stimmig und einheitlich liest? Oder wäre es ein interessanter Kontrast zur Protagonistin, wenn die anderen Kapitel in der 3.P. geschrieben werden?

    Ich würde sowas nur mischen, wenn es gut begründet ist.

    Was für Gründe gäbe es denn noch außer Tagebuch/Brief etc.?

    Ich stelle mir das literarisch interessant vor. Aber vielleicht ist es einfach nur nervig und ein unnötiger Bruch. Was denkt ihr darüber?

    LG, Sophia :)

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

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  • sophia_me also ein Leser wird eine solche Vermischung als störend und lästig empfinden, wenn du verschiedene Erzählperspektiven (Ich-Perspektive plus Erzählerperspektive) mischen würdest.

    Wenn du mehrere Ich-Erzählstränge von mehreren Personen hast, wird das für den Leser schnell verwirrend sein. Hier müsstest du wirklich gut auspassen und perfekt arbeiten, damit das passt.

    Ersteres sehe ich im Handel fast nie, zweiteres häufiger, jedoch manchmal ungeschickt aufgesetzt.

    Andererseits musst du als Autor die Entscheidung für dich treffen. Wenn deine Geschichte leblos wirkt, weil dir der Erzählstil nicht zusagt, ist auch niemandem geholfen. In erster Linie schreibt man für sich selbst.

  • Wenn du mehrere Ich-Erzählstränge von mehreren Personen hast, wird das für den Leser schnell verwirrend sein.

    Ich habe schon mehrere Bücher mit dieser "Taktik" gelesen und fand sie sehr stimmig. Es muss also nicht verwirren. Ich würde deshalb das "wird" in deinem Satz mit einem "könnte" ersetzen. Aber wenn "es" nicht gut gemacht ist, ist jeder Text... nicht gut. Insofern: sophia_me versuchs halt einfach. Man weiß nie, was passiert, wenn mans nicht probiert.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Vielen Dank euch Schreibfeder und Cory Thain ! Ich habe gestern Abend noch ein wenig recherchiert zu dem Thema und bin auch zu dem Schluss gekommen, dass eine Mischung aus ich Perspektive und erzähler Perspektive den Leser zu sehr rausreißen. Aber ich habe mich jetzt dazu entschieden, die einzelnen Char in der ich Perspektive zu schreiben und gucke mal wo mich das hinführt :)

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  • Sollte ich die dann auch in der 1.P. schreiben, damit sich das ganze stimmig und einheitlich liest? Oder wäre es ein interessanter Kontrast zur Protagonistin, wenn die anderen Kapitel in der 3.P. geschrieben werden?

    Ersteres hat das Risiko, dass die 'Erzaehlstimmen' sehr aehnlich werden koennen. Wenn Du die so schreiben kannst dass man merkt - hier denkt und beobachtet jemand anders - dann funktioniert das schon gut. Wenn man das allerdings nicht merkt, wuerde ich es nicht machen.

    Die zweite Loesung bricht die Symmetrie - ist die erste Protagonisten die wichtigste? Dann macht das nichts. Haben wir es mit mehreren gleichberechtigten Protagonisten zu tun? Dann stellt sich die Frage - was ist der Grund dass sie anders erzaehlt werden? Ein Ich-Erzaehler bietet halt den persoenlichsten Zugang zur Geschichte.

  • Genau daran arbeite ich jetzt, dass jeder Char ganz deutlich ist und seine eigene Version und stimme hat.

    Meine Protagonistin ist schon die wichtigste Person und die anderen Charaktere sind wichtig, um die Zusammenhänge und eine andere Sicht der Geschichte zu verstehen. Deshalb kam mir dieser Gedanke mit dem erzählbruch. Aber vielleicht ist es doch zu drastisch für den Leser…

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  • Ich schreibe meine Geschichte gerade in der 1.P.Präs. aus Sicht der Protagonistin. Jetzt sind doch ein paar Charaktere dazugekommen, denen ich auch gerne Kapitel aus deren Perspektive widmen würde. Sollte ich die dann auch in der 1.P. schreiben, damit sich das ganze stimmig und einheitlich liest? Oder wäre es ein interessanter Kontrast zur Protagonistin, wenn die anderen Kapitel in der 3.P. geschrieben werden?

    Gut dass du die Frage stellst. Ich bereue nämlich auch gerade dass ich meine Geschichte nicht in der 1. Person schreibe sondern mich für die 3. Person entschieden habe. Der Grund dafür war der dass ich zwar von vornherein wusste dass es zwei Hauptfiguren geben wird aus deren Sicht ich schreiben will. Jedoch habe ich auch vor ab und zu mal wichtige Nebenfiguren zu Wort kommen zu lassen. Ich dachte es wird zu verwirrend wenn die dann alle in der 1. Person sein müssen. Aber ich sehe jetzt dass mir die 3. Person zu distanziert ist und ich rasend gern näher an die Figuren herankommen würde.

    Ich habe eine andere Geschichte geschrieben mit zwei Hauptfiguren. Da schreibe ich konstant nur aus deren Sicht und darum habe ich dort zweimal Ich-Erzähler gewählt. Ich denke bei zwei Figuren geht es.

    Aktuell lese ich gerade ein Buch mit sechs Perspektiven und alle in Ich-Form-Präsenz. Die Perspektiven wechseln ziemlich schnell. Alle sind meist am selben Ort so dass die Perspektive insgesamt im selben Geschehen hin- und herspringt. Da passiert es mir schon manchmal dass ich zurückblättern muss und mich frage wer jetzt spricht. Das finde ich nicht ganz optimal. Jedoch mag ich die Ich-Perspektive sehr und finde es insgesamt trotzdem gut so. Ich denke wenn die Charaktere häufig an verschiedenen Orten sind und am besten auch eine deutlich unterscheidbare Sprache/Denkweise haben dann ist die Gefahr nicht so groß dass man durcheinander kommt.

    Ich habe in meinem Buch mit den zwei Ich-Erzählern tatsächlich auch ein Kapitel mit einem anderen Erzähler aus der 3. Person drin. Grund dafür: Ich brauchte das! (Ich musste was erzählen was die beiden Haupterzähler nicht wissen konnten). Dieser Erzählbruch wurde hier im Forum ein wenig kritisiert aber ich habe es so gelassen und denke dass es gut so ist.

    Prinzipiell würde ich also ein Buch mit mehreren Ich-Erzählern gern lesen. Ich kann dir nicht sagen wie die Leser da draußen das sehen aber ich denke: Mach es einfach so wie du findest. Wenn du es gut machst wird das auch klappen.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Ich mag die ich Perspektive auch sehr gerne. Bin beim lesen aber ziemlich flexibel, solange es gut geschrieben ist :) hab nur Angst, dass ich es am Ende alles umschreiben will und das wäre dann wirklich ätzend :D deshalb will ich mich eigentlich jetzt festlegen.

    Ich plane 3-4 Perspektiven, bin noch unsicher ob die eine Figur notwendig ist oder nicht. Aber sie agieren alle sehr unterschiedlich und denken auch ganz anders. Deshalb glaube ich, dass das gut geht. Ich überlege auch, es immer in der Überschrift anzukündigen. Also Kapitel 1 - Name, Kapitel 2 - Name

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  • sophia_me

    Ich finde Erzählperspektiven sehr spannend und habe mir vorgenommen, in der Hinsicht einiges auszuprobieren. :) Als ich meinen Beitrag damals geschrieben habe, kannte ich noch weniger Bücher und heute sehe ich das alles etwas anders.

    Erstmal ist wahrscheinlich die Frage, was man schreiben will: eine 'simple' Abenteuergeschichte? Dann braucht man wahrscheinlich kein komplexes Geflecht aus Perspektiven; es wäre nur Ballast. Geht es darum, eine bestimmte Erfahrung einzufangen bzw. ein Vielzahl von verschiedenen Stimmen und Perspektiven? Dann ist ein Spiel mit den Perspektiven schon sinnvoller. Man bewegt sich da dann aber auch tiefer in die Hochliteratur hinein, was in erster Linie bedeutet, dass weniger Leute bereit sind, einem zu folgen. Also wäre die generelle Empfehlung eben: so komplex wie nötig, so simpel wie möglich. 😅

    Nehmen wir 'Sehr Blaue Augen' von Toni Morrison. Da sind sich die meisten einig, dass das ein wundervoll geschriebenes Buch, das tief berührt und gut verständlich ist. Es geht um die Frage, wie es dazu kommen kann, dass ein schwarzes Mädchen in den USA unbedingt sehr blaue Augen haben will (englisch: the bluest eyes). Es wird dafür Rassismus aus unterschiedlichsten Perspektiven und Gesellschaftsschichten eingefangen; das Mädchen Pecola ist dann der Ariadnefaden, an dem alles zusammenhängt. Manchmal gibt es Abschnitte aus einer Ich-Perspektive. Manche Abschnitte sind eher Monologe, als würde eine Figur einer anderen die Meinung geigen, aber ohne Gegenrede. Manchmal gibt es eine distanzierte allwissende Perspektive. Manchmal einen personalen Erzähler. Es gibt auch einen Abschnitt, der ein reiner, begleitsatzloser Dialog ist. Und alles sitzt perfekt am richtigen Fleck! Respekt an Morrison, ich wüsste gar nicht, wie ich sowas komponieren sollte. =O

    Aber klingt das nach etwas, was man in einer typischen Fantasygeschichte anwenden kann? Die Antwort ist nicht sofort 'nein', nur wahrscheinlich ... meistens schon?

    Ich kenne auch Fantasybücher (die ich nicht selbst gelesen habe, aber aus Gesprächen: die Bartimäus-Reihe), die Ich-Erzähler und personale Erzähler haben. Da gibt es eben eine Hierarchie zwischen den Perspektiven, wo der Ich-Erzähler deutlich wichtiger als die anderen ist. Es gibt auch eines in meinem Regal, wo Rückblenden in dritter Person und die Jetzt-Zeit in der zweiten Person geschrieben sind. Die Gründe sind kompliziert und es wären Spoiler, sie zu erklären, nur so viel: Es fängt unter anderem sehr gut die mentale Gesundheit dieser Figur ein, die sich von sich selbst entfremdet hat.

    Ich denke auch, dass wir in einer Zeit leben, in der man in der Fantasy da schon mehr wagen kann als früher, zumindest auf dem englischsprachigen Markt. Wie das im deutschsprachigen Raum so geht, ist wahrscheinlich nochmal eine andere Diskussion. Ein gutes Buch wird aber immer bei Leuten ziehen.

    Die Abwägung, was man braucht und was nicht, ist nicht immer einfach, schätze ich. :threeeyes:

    Häupter auf meine Asche!

  • Ich finde es generell sehr schwer, meine Geschichte so sachlich zu betrachten, dass ich objektiv beurteilen kann, was da sinnig und stimmig ist. Ich stecke irgendwie einfach zu sehr drin. Ich habe mich dann gefragt, woher auf einmal dieses Bedürfnis kommt, die Perspektive zu wechseln. Und ich glaube, meine Schreibweise ist einfach am Anfang sehr verzettelt. Deshalb hatte ich in meinem Prolog in der wir Form geschrieben und auch das tempus gewechselt. Die ersten Kapitel hatte ich auf Englisch geschrieben und bin dann zu deutsch gewickelt. Mein Gehirn reagiert irgendwie auf irgendwelche Sachen und dann kommen Wörter und Sätze… naja lange Rede wenig Sinn: ich glaube ich muss damit leben, dass ich erstmal intuitiv drunter und drüber schreibe und es dann in der Korrektur in eine einheitliche und stimmige Form bringe. Jeder arbeitet halt anders, oder :S


    Aber ich finde es ganz toll, wenn Autoren kunstvoll mit ihrem Werkzeug umgehen. Mir fällt da der Roman 2666 von Roberto milaño ein. Mega Werk und in sehr unterschiedlichen Formen geschrieben.

    In Fantasy hab ich sowas noch gar nicht gelesen. Aber ohne hier wieder eine Debatte aufmachen zu wollen :D fände ich ein bisschen Abwechslung und frischer Wind würde dem Genre gut tun. Und dann sehe ich auch mal über die ein oder andere Unstimmigkeit oder einen Bruch hinweg, wenn der Autor mal etwas ganz neues wagt und versucht, damit etwas bestimmtes rüberzubringen :)

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  • Wenn du mehrere Ich-Erzählstränge von mehreren Personen hast, wird das für den Leser schnell verwirrend sein.

    Ich habe schon mehrere Bücher mit dieser "Taktik" gelesen und fand sie sehr stimmig. Es muss also nicht verwirren. Ich würde deshalb das "wird" in deinem Satz mit einem "könnte" ersetzen.

    Wow, bitte nicht meine Sätze aus dem Kontext reißen. Ich habe geschrieben, dass es verwirrend ist, wenn es nicht perfekt umgesetzt wird. Und das ist meine Meinung dazu. Ich hab genug Bücher, wo man beim Lesen ziemlich ins Schlingern kommt, weil das eben nicht gut genug gearbeitet ist. Das ist schlimmer als Rechtschreibfehler, weil man den Kontext wiederfinden muss, eventuell den Absatz erneut lesen muss.

  • Hallo ihr Lieben, ich weiß, dass die Frage hier schon gestellt wurde. Aber sie wurde dann doch nur kurz beantwortet und beschäftigt mich auch gerade. Deshalb wollte ich euch nochmal genauer dazu befragen...

    Ich schreibe meine Geschichte gerade in der 1.P.Präs. aus Sicht der Protagonistin. Jetzt sind doch ein paar Charaktere dazugekommen, denen ich auch gerne Kapitel aus deren Perspektive widmen würde. Sollte ich die dann auch in der 1.P. schreiben, damit sich das ganze stimmig und einheitlich liest? Oder wäre es ein interessanter Kontrast zur Protagonistin, wenn die anderen Kapitel in der 3.P. geschrieben werden?

    Ich hab nicht alle Kommentare zu dem Thema gelesen, aber hier ne kleine Anmerkung meinerseits: In Young Adult Romanen ist das Gang und Gäbe bei mehreren Charas aus der Ich-Perspektive zu erzählen :pardon:
    Mich stört das keineswegs. Ich find's im Gegenteil eher spannend die gleiche Geschichte aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu lesen :) Das gibt auch nochmal Raum, um die Story weiter zu bereichern und Verständnis für beide Parteien aufzubringen :D

    Allerdings würde ich in soweit einschränken, dass ich es anstrengend finden würde, wenn man ein Buch mit 10 Hauptfiguren hat und da dann in den perspektiven springt ^^° Das find ich in der 3. Person schon anstrengend den Faden bei den Storylines zu behalten.

    Für eine begrenzte Anzahl an Protas find ichs aber durchaus bereichernd :D

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Ja das geht mir auch so mit den mehreren Perspektiven. Aber hauptsächlich bei so vielen wie zum Beispiel bei Game of Thrones. Und bisher hatte ich das nur in der 3. Person. Ich schreibe gerade 4 Stränge in der Ich Perspektive. Weiß aber noch nicht, ob ich am Ende auf drei runterkürze 🙈

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  • Ich schreibe meine Geschichte gerade in der 1.P.Präs. aus Sicht der Protagonistin. Jetzt sind doch ein paar Charaktere dazugekommen, denen ich auch gerne Kapitel aus deren Perspektive widmen würde. Sollte ich die dann auch in der 1.P. schreiben, damit sich das ganze stimmig und einheitlich liest? Oder wäre es ein interessanter Kontrast zur Protagonistin, wenn die anderen Kapitel in der 3.P. geschrieben werden?

    Ich denke, dass es auch auf den Markt ankommt, für den du schreibst.
    Wenn du traditionell in einem Verlag veröffentlichen möchtest und du für die Otto-Normal-Leser:innen schreibst, dann lieber sichergehen und in der ersten Person bleiben.

    Wenn es sich um Rückblenden oder Ähnliches handelt, könntest du allerdings auch experimentieren :)

  • Also ich finde die 1. Person Präsenz gut auszuführen gar nicht so einfach. Da muss man besonders aufpassen, mir fällt zum Beispiel so eine Formulierung in der 3. Person ein "... er/sie griff mechanisch nach..." oder "...er/sie machte das und das fast wie in Trance...". Hier gibt die Beschreibung, wie jemand etwas macht ja eine gewisse Stimmung wider. Aber bei der Beschreibung dieser Handlungen in der 1. Person würde diesem selbst ja gar nicht auffallen, wie das wirkt, es ist nämlich eine Außenwirkung. Ich finde, man könnte dann nicht sowas formulieren wie "...ich greife mechanisch nach diesem und jenem" etc. Und dann kann auch was von der Erfassung der Stimmung verloren gehen, meiner Meinung nach. Also, Hut ab vor denen, die sich daran wagen :thumbsup:.

    Und eine wie ich finde interessante Ausführung in der 3. Person Präteritum fällt mir ein, die in der Reihe "Die dunklen Juwelen" von Anne Bishop vorkommt: Es gibt da mehrere Protas, aber ausgerechnet die Perspektive von der wirklichen Hauptperson Jeanelle, die, die überall im Mittelpunkt steht, wird ausgelassen. Also die Stimmung dieser einen Person wird nur durch Vermutungen der anderen Protas beschrieben. Das war hier auch sehr gelungen, weil in der ganzen Reihe Gefühle und Gedanken eine sehr wichtige Rolle gespielt haben und man als Leser immer miträtseln musste, wie sich denn nun diese besondere Person fühlen könnte. ^^ Also auch in der 3. Person kann es interessante Experimente geben.

    Intelligenz ist nur eine zufällige Begleiterscheinung des Lebens und vielleicht nicht einmal eine sehr nützliche. Isaac Asimov

  • Ann-Kristin da hast du definitiv recht. Jede Perspektive bringt ihre eigenen vor- und Nachteile mit sich. Ich schreibe ja sehr intuitiv und die Sätze kommen idR zu mir, sodass ich da gar nicht so genau drüber nachdenke. Früher hab ich immer in der 3. Person geschrieben. Aber mein jetziges Buch kam eben einfach in der 1. Person zu mir und jetzt arbeite ich damit. Bisher funktioniert das für mich sehr gut. Ich hatte bloß einen kurzen Moment des Zweifelns, als dann mehrere Perspektiven dazukamen. Muss ich dann schauen, wenn die ich Feedback zu den anderen Perspektiven bekomme, ob das gut ankommt 😅

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    • Offizieller Beitrag

    Also ganz ehrlich gesagt verstehe ich diese Diskussion hier überhaupt nicht :rofl:
    Jede Perspektive hat ihre Anwendung, die eigentlich recht deutlich ist, wenn man darüber nachdenkt. Natürlich KANN man sie anders verwenden, aber imo muss man dann sehr genau wissen was man tut. (Wie immer - man muss die "Regeln" kennen, um sie zu brechen)

    Ich habe jedenfalls noch nie ein über einen Verlag veröffentlichtes Buch (sorry, SP zählt für mich hier nicht als Beispiel) gelesen, in dem 1. und 3. Person als Erzählstimme durcheinander geworfen worden sind. Ich frage mich, woran das nur liegen kann ...

    (Nach Recherche: Das ist tatsächlich Ultra selten - es ist eigentlich immer (Multiple) POV(s) in 3. Person oder 1 POV in Ich Perspektive.)

    Warum wird die überwiegende Mehrheit von (epischen Fantasy-)Romanen, die mehrere POVs haben mit dem personalen Erzähler geschrieben und nicht in mehreren 1. Person oder gemischt?
    Ich habe es schon oft gesagt, aber die 1. Person ist am besten (imo: nur) dafür geeignet, eine Geschichte aus der Sicht EINES Charakters zu erzählen und sehr nah an dessen Erlebnissen und Perspektive zu sein (zb. Kvothe aus der Kingkiller Chronicles-Reihe. Man kann von ihm als Charakter und dem Buch halten, was man will, aber es lässt sich nicht abstreiten, dass man KVOTHES Geschichte von ihm selbst erzählt bekommt (mit allen Vor- und Nachteilen))

    Wenn ich mehrere Ich-Erzähler habe, verwässert es das ganze schon arg (wenn es nicht gerade ein Briefroman ist, wo das durch das Medium gegeben ist)

    Genauso die 3. Person - hier kann ich entscheiden, wie nah ich am Charakter sein möchte und die Narrative Distanz "einstellen" - etwas, das 1. Person imo nicht kann, da die immer maximal nah am Charakter ist. Ebenso fällt es nicht besonders auf, wenn die Charaktere sich alle ähnlich lesen (gerade wenn die narrative Distanz hoch ist) - bei 1. Person würde ich erwarten, dass die sich stark unterscheiden, weil ich mir sehr sicher bin, dass jeder Mensch anders denkt (nicht nur von den Überzeugungen sondern auch Sprache, Wortschatz, Wissen ... ). Da komme ich dann nicht damit davon, wenn ich im wesentlichen immer gleich schreibe.
    Zudem sind Kapitel/POV Wechsel sehr disruptiv, weil man als Leser aktiv darüber nachdenken muss, wer jetzt der POV ist (weil es von "ich" auf "ich" wechselt)

    In der dritten Person habe ich diese Probleme nicht, da ich schlicht den Namen des Charakters nennen kann am Anfang des POV Abschnitts und zudem

    Wenn ich also mehrere POVs mit 1. Person habe, nehme ich mir selbst die größte Stärke dieser Erzählform (Nah an EINEM Charakter sein - das geht dahin, wenn ich wechsle) Der Punkt ist, dass ich als Leser nur erfahre, was der Charakter weiß und im Wesentlichen die Welt nur durch seinen Filter sehe. Führe ich nun einen zweiten ein, zerstöre ich das wieder und nehme mir selbst eine Stärke der Perspektive.

    Und die beiden zu mischen ist imo auch ... wild. Klar kann man sagen, dass der Ich-Erzähler wichtiger ist, als die anderen, aber imo ist die Perspektive nicht dazu da, das zu zeigen. Das sollte schon in der Geschichte selbst klar werden. Abgesehen davon ist es ein NOCH härterer Bruch in der Erzählperspektive (duh) als 2 mal erste Person. Ich glaube das ist dem Lesefluss nicht förderlich.

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein (richtiger, studierter) Lektor (ich rede hier nicht von Instagram "Ich habe ein Buch per SP veröffentlicht und bin jetzt Profi"-Menschen) das so durchgehen lassen würde, weil es schon gute Gründe gibt, eine Perspektive zu wählen oder eben nicht. An der Stelle ein Zitat von Joe Abercrombie, dem Autoren der First Law Trilogie:

    Zitat

    Funnily enough, when I first wrote the First Law the Dogman’s chapters were written in the first person. And they were great (or I thought they were, at least). But my editors felt that they unbalanced everything else, giving a sense that this character was somehow THE central one of the series. In moving to third person limited those chapters lost perhaps a little immediacy, but they sat much more harmoniously with everything else.

    Ich würde generell davon abraten, sowas zu machen, nur weil man es spontan cool findet (außer es ist explizit ein Experiment in die Richtung natürlich), sondern würde mir sehr genau überlegen, welche Perspektive(n) am besten dazu geeignet sind die Geschichte, die ich erzählen will zu erzählen. Und die dann auch zu wählen. Sonst kommt man auch ganz schnell in eine "Gimmik"-Ecke, wo die Geschichte dann (zumindest scheinbar) NUR die seltsamen Perspektiven zu bieten hat.

    Am Ende kann es natürlich jeder Autor selbst entscheiden, aber wenn ihr mich fragt, wählt die Perspektive sich eigentlich immer selbst, wenn ich als Autor weiß, wo ich hin will. :pardon:

    Bei WdG haben Jennagon und ich uns entschlossen, die Geschichte aus 2 Perspektiven zu erzählen und das in 3. Person. Zum einen war das die Logische Schlussfolgerung daraus, dass das ganze aus einem RPG entstanden ist, und zum anderen kam 1. Person aus oben genannten Gründen einfach nicht in Frage. Da wir jeweils einen POV schreiben unterscheiden sich die Erzählstimmen der beiden auch einfach durch unsere jeweilige Art zu schreiben. Auch wenn die grundsätzlich ähnlich ist, gibt es doch ein paar Unterschiede in Wortwahl, Satzbau etc.

    An der Stelle ist vielleicht ein Feedback, das wir da sehr oft bekommen haben für diese Diskussion wichtig: Sehr viele Leser waren besorgt, dass die Tatsache, dass es 2 Autoren sind, sich beim Lesen durch stark unterschiedliche Stile bemerkbar macht, weil sie das aus dem Lesefluss reißen würde. Es war nie der Fall, weil siehe den Absatz zuvor, aber wenn jetzt einer von uns in 1. Person geschrieben hätte und der andere in 3. Person, wäre das Feedback dahingehend sicherlich anders ausgefallen.
    Und am Ende des Tages macht es keinen Unterschied, ob die unterschiedlichen Perspektiven von 2 Autoren kommen oder ob ein Autor das fabriziert :pardon:

    Bei Narak habe ich 10 POV Charaktere und es ist so schon schwer genug jedem Strang zu folgen, ohne dass ich noch 2 Charaktere in 1. Person einbaue. Ich habe sogar darauf verzichtet, innerhalb eines Kapitels den POV zu wechseln, sondern mich strikt an 1 Kapitel = 1 POV gehalten (wie bei ASOIAF zb.)
    Das passt für mich einfach am besten zu der Geschichte.

    Etiam hat bei seiner Geschichte hier im Forum standardmäßig eine 3. Person Perspektive mit mehreren Chars, aber bei einigen Stellen Ich-Form. Hier finde ich es ok (sogar gut), weil die Perspektive nicht wirklich als POV angelegt ist, sondern in einem Brief, der IN der Welt besteht angewendet wird. Also man liest den Brief, den Charakter X in der Ich-Perspektive schreibt (was an der Stelle auch das einzig richtige ist, wenn er nicht gerade Julius Caesar ist, der in der 3. Person von sich selbst redet.) Es ist also nichts anderes als würde man zuvor noch ein "Bob las den Brief vor:" setzen - kein echter POV.

    So, das soll erstmal genügen.
    LG Chaos :chaos:

  • Ich finde deine Einwände vollkommen gerechtfertigt und will sie auch so stehen lassen. Ich habe dem nur zwei Gedanken hinzuzufügen. Einfach weil das meine Meinung ist und die muss auch sonst niemand vertreten :)

    Zum einen habe ich besonders im YA Bereich schon häufig zwei bis drei Char in der Ich Perspektive gelesen und fand das sehr gut. Weil diese Nähe zum Char einfach interessant ist und so viele Einblicke in sein Denken ermöglicht. Und manchmal ist es einfach toll, nicht alles nur aus einer Seite zu sehen, sondern eben wie mehrere Leute darüber denken. Auch ganz besonders wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht.

    Zum anderen finde ich es vollkommen in Ordnung ein bisschen zu experimentieren. Das heißt nicht, dass man es am Ende genau so veröffentlicht. Vielleicht ändert man es nochmal oder der Verlag will es anders. Aber man sieht solche Experimente im Sil und in der Form immer mal wieder auch auf dem "normalen" Buchmarkt und manchmal sind das die besten und interessantesten Bücher überhaupt. Habe ich alles schon gesehen und gelesen. Manchmal ist es ein Flop und manchmal ganz toll und neu. Aber so ein Experiment kann einem ja auch nur helfen, um voran zu kommen und seine eigene Stimme zu finden. Nur wer probiert, kann auch lernen. Und ich finde es toll, wenn man sich traut auch mal neuen Wind zu machen... Natürlich alles meiner Meinung nach :)

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

    Meine Geschichte: Staub im Mondlicht

    Mein Blog

  • Lieber Chaos Rising

    Ich stimme dir hier absolut zu.

    1 Person Präsens: Ist für mich oft nicht gut lesbar. Ein 500 Seiten Roman in dieser Perspektive finde ich schwierig. Ich hab so etwas zwar schon gelesen und es war auch ok, aber derselbe Roman in der Vergangenheitsform hätte mir besser gefallen. Bei kurzen Geschichten ist es eine schöne Alternative.

    Ob man hier wirklich zwangsläufig näher an der Person und am Geschehen ist? Ich bin mir nicht sicher.

    1 Person Vergangenheit: Meine Wahl für kürzere Sachen. Bei langen Romanen mit vielen wichtigen Protagonisten schränkt es ein wenig ein.

    3 Person Präsens: Bin mir nicht sicher.

    3 Person Vergangenheit: Allzweckwaffe. Man kann viele POV Charaktere einbauen, was grade bei epischer Fantasy ein riesen Vorteil ist.

    Erste und dritte Person zu mischen halte ich für Kamikaze. Wenn ein erfahrener Profi hier experimentiert, ok. Beim ersten Roman würde ich von so etwas die Finger lassen.