Wie versprochen, habe ich versucht, möglichst typische Klappentexte für meine Romane zu schreiben, wie sie tatsächlich auf einem Buchrücken stehen könnten, um Lesende oder Kaufwillige neugierig zu machen. So erhaltet ihr wenigstens einen ungefähren Eindruck, worum es in meinen Romanen geht.
Zwischen Dunkelheit und Licht
Amarok hat es geschafft. Er hat alle Widerstände überwunden und gelangt in die Hauptstadt Arthorias, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen und ein Magier zu werden. Doch auf den Weg dorthin hat er sich einen mächtigen Feind gemacht, und dieser sinnt auf Rache. So wird Amarok während seiner Aufnahmezeremonie verhaftet, des Diebstahls bezichtigt und verurteilt, seinem Widersacher als Leibeigener zu dienen. Für den jungen Zauberlehrling beginnt eine Zeit des Leidens und der Prüfungen, die auch mit seiner Freilassung nicht endet. Und eines Tages steht er vor der Wahl: Für welches der beiden Bündnisse, Licht oder Dunkelheit, soll er sich entscheiden?
Die verbotene Gabe 1: Das Erwachen
Caedor, der ehrgeizige Fürst von Feoria muss sich, um die Macht an sich zu reißen, der Drachen bemächtigen, die seiner Schwester Sequya dienen. Zu diesem Zweck bedient er sich der Magie Arthorias. Der Zauber gelingt, doch Caedor entledigt sich der Magier, die ihn gewirkt haben. Einer von ihnen überlebt schwer verletzt. Er wird gefunden und gesund gepflegt, doch er hat sein Gedächtnis verloren. Nach seiner Genesung begibt er sich auf die gefahrvolle Suche nach seiner Vergangenheit, und als er erkennt, was Caedor in Wirklichkeit plant, setzt er alles daran, die Drachen zu befreien.
Die verbotene Gabe 2: Der Verlust
Amarok hat sich von der Magie abgewendet und ist bei seiner Wahlfamilie an der Küste zur Ruhe gekommen. Doch das Gerücht von Amaroks Macht über Drachen ist bis zu den „Söhnen Rajakthars“ gedrungen, einem Orden machtgieriger Geistlenker, deren Ziel die Herrschaft über die Magier Arthorias ist. Er gerät in ihre Fänge und begegnet den Brüdern Beran und Marelian, die mit einer besonderen Gabe gesegnet sind. Arthorias Magier können nur gerettet werden, wenn Amarok entkommt und es schafft, Marelian zu überzeugen, sich gegen seine Lehrer zu stellen. Doch zuvor muss er in der Arena der Ordensburg den schwersten Kampf seines Lebens bestehen.
Die verbotene Gabe 3: Der Ruf
Amarok, Beran und Marelian bekommen es mit einer neuen, gefährlichen Gegnerin zu tun, der mächtigen Geistlenkerin Lyandra, die nicht nur den Söhnen Rajakthars zur Macht in Arthoria verhelfen will, sondern ihre eigenen, ehrgeizigen Pläne verfolgt. Darüber hinaus befiehlt Sequya, die Herrin über Feorias Drachen, Amarok zu sich. Am Ende der abenteuerlichen Reise dorthin erhält Amarok einen gefährlichen Auftrag, den er lieber nicht erfüllen würde, doch seine Verpflichtung den Drachen gegenüber zwingt ihn dazu.
Die verbotene Gabe 4: Die Entscheidung
Verfolgt von den Schergen Lyandras begeben sich Amarok und Beran auf die gefahrvolle Reise zum erhabenen Vater der Drachen, während Marelian sich allein mitten unter seine Feinde wagt, um Großmeister Nibor zu entmachten und Lyandra endlich Einhalt zu gebieten. An seinem Ziel angekommen, beginnt Amarok an den Plänen des Erhabenen zu zweifeln und bringt sich und Beran dadurch erneut in Gefahr.
Die verbotene Gabe 5: Die Heimkehr
Marelian befindet sich in der Gewalt Lyandras und wird gezwungen, Amarok auf die Ordensburg zu locken. Somit sind die beiden einzigen Menschen, die Lyandra möglicherweise besiegen könnten, ihre Gefangenen. Während Maëlia mit Hilfe einer neu gefundenen Freundin ihre Flucht von der Insel der Frauen vorbereitet und die neue Hüterin des Drachen ihrem Schicksal entgegengeht, kämpft Amarok um sein Leben.
Die verbotene Gabe II: Ein Herrscher für Feoria
Rai Longg, der künftige Herrscher über Feoria, der sich nicht mit Drachen verständigen kann, braucht eine Frau mit der Gabe. Die Wahl seiner Eltern fällt auf die junge Carelia, die Tochter ihres Freundes Amarok. Doch vor der Verlobungsfeier lernt die Braut einen jungen Spielmann kennen und lieben. Dennoch hält sie an ihrem Eheversprechen fest. Rai Longg indes findet heraus, dass er einen Rivalen hat und will sein vermeintliches Glück mit Gewalt erzwingen.
Sollte jemand tatsächlich neugierig geworden sein und einen der Bände lesen wollen: Gerne versende ich die Dateien per Mail.
Und hier kommt noch eine neue Erzählung für euch. Natürlich spielt "mein" Amarok wieder eine Rolle darin. Dieses Mal erleben wir ihn aus der Sicht eines Teenagers. (Ja, doch, in der Einleitung darf ich solche modernen Begriffe noch verwenden.) Weil die Erzählung ziemlich lang ist, unterteile ich sie in mehrere Häppchen. Hier also der erste:
Stumm
Der junge Wolf in meinem Arm winselte leise. Er musste Schmerzen haben, und dass ich ihm nicht helfen konnte, brach mir das Herz. Ich hatte ihn am frühen Nachmittag aus einer Tellereisenfalle befreit, in mein Wams gewickelt und in mein Versteck getragen. Die Blutung hatte zwar aufgehört, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sich das Tier erholte. Hilflos kauerte ich in der engen, von einigen Findlingen gebildeten Höhle, hielt es in meinem Schoß und streichelte wieder und wieder das weiche, schneeweiße Fell. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich schon so da saß, als ich das Geräusch von sich nähernden Pferdehufen vernahm. "Sei leise", beschwor ich das verletzte Tier in Gedanken, doch ebenso gut hätte ich die Sonne bitten können, nicht unterzugehen.
Es kam, wie es kommen musste. Der Reiter auf dem leider viel zu nahe gelegenen Weg verlangsamte sein Pferd und hielt endlich an. Ich stellte mir vor, wie er lauschte und endlich die Richtung ausmachte, aus der das schwache Jammern zu ihm drang. Jetzt hörte ich ihn absteigen und näher kommen. "Ist da wer?", rief er. Die Stimme gehörte einem jungen Mann und war mir unbekannt. Vielleicht einer der Wachleute meines Vaters, oder ein neuer Jagdgehilfe.
Ich wollte in Ruhe gelassen werden und versuchte, dem Welpen den Fang zuzuhalten, doch das half mir nichts, im Gegenteil. Er ließ ein protestierendes Fiepen ertönen und zappelte in meinem Arm. Sofort ließ ich ihn los, woraufhin er wieder in sich zusammen sackte.
Der Reiter musste uns gehört haben. Vermaledeit! Gleich würde ich mir wieder einen Vortrag eines Erwachsenen anhören dürfen, dass Mitleid mit den Tieren, die mein Vater zu jagen pflegte, fehl am Platze und eines Heranwachsenden meines Alters unwürdig war, dass ich mich kindisch benahm und endlich erwachsen werden sollte. Oder man würde mich wieder einmal für dumm und zurückgeblieben erklären und meinen armen Vater bedauern, dass die Götter ihn mit einem solchen Balg gestraft hatten. Überdies würde man mir natürlich den kleinen Wolf grob aus den Armen reißen, ihn vor meinen Augen töten und mich mit harschen Worten nach Hause schicken. Resigniert ließ ich den Kopf sinken und konnte nicht verhindern, dass meine Augen feucht wurden und eine Träne meine Wange hinab kullerte.
"Kann ich helfen?" Der fremde Reiter war vor meiner Höhle angekommen, bückte sich und blickte besorgt herein. Es war weder ein Soldat noch ein Jäger, sondern ein junger Mann in schlichter Reisekleidung, der mich freundlich anlächelte.
Ich schüttelte den Kopf, schniefte und wischte mir die Träne mit dem Ärmel meines Seidenhemds ab.
"Darf ich?", fragte er dennoch, kam neben mich und berührte sanft das seidige, weiße Fell des verletzten Wolfes. "Ich tue ihm nichts", versprach er, als ich versuchte, das Tier mit meinen Armen zu schützen. Also ließ ich ihn gewähren. Was hätte ich schon tun können, wenn er uns Böses gewollt hätte? Aber er hielt sein Versprechen und warf lediglich einen Blick auf die Verletzung. "Warte", sagte er daraufhin, kroch rückwärts wieder aus der niedrigen Höhle heraus und entfernte sich. Was würde er jetzt tun? Vermutlich würde er mit einer Waffe zurückkommen und den Wolf erschlagen, erlösen, wie die Erwachsenen so etwas oft zu nennen pflegten. Beklommen wartete ich, denn mir war klar: Eine Flucht war aussichtslos.
Wenig später kehrte der Fremde mit einem ledernen Rucksack zurück und kauerte sich neben mich. Er nestelte den Verschluss auf, stöberte ein wenig darin herum und brachte einen tönernen Tiegel und einen leinenen Verband zum Vorschein. "Du hast die Wunde bereits gereinigt. Gut gemacht. Dies ist Heilpaste", erklärte er, öffnete den Tiegel und begann vorsichtig, die Salbe auf die Wunde am Bein des Tieres zu streichen. Der Wolf zuckte nur kurz zusammen, dann ließ er sich die Behandlung gefallen. Entweder war er bereits sehr schwach oder das Zeug hatte magische Kräfte. Anschließend wickelte der Fremde fachmännisch den sauberen Verband um das Bein des Tieres. Erneut kramte er in dem Tornister und fand einen Wasserschlauch. "Hier." Er reichte ihn mir. "Versuch, ihm etwas zu trinken zu geben. Gewiss hat er Durst."
Ich goss ein paar Tropfen Wasser in meine hohle Hand und hielt sie dem Wolf hin. Dankbar begann er, es aufzulecken. Das kitzelte so sehr, dass ich laut auflachte.
Der Fremde lächelte zufrieden und begann, seinen Rucksack wieder zu verschnüren. "Ich lasse dir das Wasser und ein paar Ersatzbinden da", sagte er. "Der Kleine kommt ein paar Stunden ohne Futter aus, aber nicht ohne Wasser. Versprichst du mir, ihn frei zu lassen, sobald er kräftig genug ist? Ich wette, seine Mutter und seine Geschwister sind noch in der Nähe."
Ich nickte ernsthaft. Die Wette hatte er bereits gewonnen. Ich hatte die Wolfsfamilie schon oft beobachtet und wusste, wo ihr Bau war: Am Rande einer Lichtung in der Nähe des Frostsees. Den Aufenthalt dort hatte mein Vater uns Geschwistern strengstens untersagt, aber ich kümmerte mich meist nicht um derartige Verbote.
"Schön, dass du ihn aus der Falle befreit hast und dich um ihn kümmerst. Viel Glück euch beiden." Mit diesen Worten ergriff er seinen Tornister, streichelte dem Wolf, der jetzt schon viel ruhiger war, noch einmal sanft über die Flanke, winkte mir zu und schob sich rückwärts aus der Höhle hinaus. Draußen richtete er sich auf, klopfte Erde und Laub aus seinen Kleidern und ging in Richtung des Weges davon. Dort hörte ich ihn auf sein Pferd steigen und im Schritt anreiten. Allmählich verklangen die Huftritte in Richtung des elterlichen Gutshauses.
Ich glaubte zu träumen. Eben noch hatte ich vor Angst gezittert und geglaubt, es wäre jemand gekommen, um mir den Wolf wegzunehmen, mich aus meinem Versteck zu zerren und mich - einmal mehr - wegen für einen Sohn des Gutsherren ungebührlichen Verhaltens zu bestrafen. Stattdessen hatte ich unerwarteten Beistand erhalten. Hatten die Götter mir den merkwürdigen Fremden zum genau passenden Zeitpunkt gesandt, um dem kleinen Wolf das Leben zu retten? Ich hatte den Mann noch nie zuvor in unserer Gegend gesehen. Wer war er, und wohin war er unterwegs? Wie kam es, dass er, im Gegensatz zu allen anderen Erwachsenen um mich herum, keinen Anstoß an meinem beharrlichen Schweigen genommen hatte? Und woher wusste er, dass ich den Welpen aus einer Falle gerettet hatte? Ich stieß einen langen Seufzer aus. Dieses Grübeln half mir nicht weiter, ich würde wohl nie erfahren, wer mein freundlicher Helfer gewesen war. Aber dies war im Augenblick nicht mein größtes Problem, welches darin bestand, dass ich bei Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein hatte und meinen Patienten schweren Herzens allein lassen musste. Noch einmal gab ich ihm zu trinken, dann bettete ich ihn, eingewickelt in mein warmes Wams, in die Ecke der niedrigen Höhle, kroch hinaus und wälzte einen Stein davor, damit der kleine Wolf nicht entkommen konnte. Ich konnte nur hoffen, dass er am anderen Morgen, wenn ich zu ihm zurückkehrte, noch da und vor allem noch am Leben sein würde.
Heute war entschieden ein Glückstag. Ich gelangte ungesehen und pünktlich nach Hause und schaffte es sogar noch, mir ein sauberes Hemd überzustreifen und mir die Hände zu waschen, bevor die Glocke zum gemeinsamen Abendmahl geläutet wurde.
Als ich den großen Saal betrat, staunte ich nicht schlecht. Die große Tafel war festlich gedeckt, im Kamin knisterte ein wärmendes Feuer, und selbst in den Leuchtern an den Wänden brannten die Kerzen. Und das, wo mein Vater doch sonst sparsam bis hin zum Geiz war. Doch sogleich erkannte ich den Grund für all den Aufwand: Mein Vater hatte Besuch, und sein Gast war niemand anders als der freundliche Fremde, der mit mir dem verletzten Wolf geholfen hatte. Er saß auf dem Ehrenplatz neben meinem Vater und blickte mir wohlwollend entgegen, während mein Vater mich mit einem Stirnrunzeln bedachte, weil ich wieder einmal der Letzte war. Kaum hatte ich meinen Platz in der Reihe meiner Geschwister eingenommen, als auch schon die Suppe aufgetragen wurde.
Ich musste in mich hinein kichern, als ich sah, dass Vater die Gänsemagd in ein feines, schwarzes Gewand, das einst meiner Mutter gehört haben musste, und eine blütenweiße Schürze gesteckt hatte, auf dass sie uns in der Rolle einer Bediensteten die Speisen servierte. Doch das Kichern verging mir, als ich bemerkte, wie nervös das Mädchen war. Ihre Hände zitterten, als sie mit der Schöpfkelle den Teller des Gastes füllte und vor ihn hinstellte. Offenbar hatte mein Vater ihr die schlimmsten Strafen angedroht, sollte sie einen Patzer begehen, etwa indem sie das Tischtuch befleckte oder gar einem der Herrschaften die Kleidung beschmutzte. Der Besucher bedankte sich höflich und schenkte der Magd ein unangemessen freundliches Lächeln, was meinem Vater ein Räuspern entlockte, aber zugleich dem Mädchen etwas mehr Sicherheit verlieh. Sie bewältigte ihre Aufgabe fehlerfrei, während der junge Sohn des Großknechts den Mundschenk gab. Er hatte deutlich mehr Spaß an seiner ungewöhnlichen Aufgabe und spielte seine Rolle sehr überzeugend.
Während der Mahlzeit wurde nicht viel gesprochen. Der Gast lobte die gute Küche, und mein Vater fragte ihn, ob er eine angenehme Reise gehabt hatte, was er bejahte. Daraufhin erkundigte sich Vater nach Neuigkeiten aus Elteran. Während wir erfuhren, dass Galveen noch immer Bürgermeister war und Xeridar noch immer Erster Magier, grübelte ich, was einen Mann aus der Hauptstadt zu uns führen mochte. Wie ein Magier sah er nicht aus, aber auch nicht wie ein Krieger. Am ehesten schien er ein Wissenschaftler zu sein, dachte ich bei mir, und nach allem, was er für den verletzten Wolf getan hatte, glaubte ich, er müsse ein Medicus sein, auch wenn er mir etwas zu jung vorkam. Weshalb hatte Vater einen Heiler aus der großen Stadt herbestellt? War er, oder sonst ein Mitglied unserer Familie oder unseres Haushaltes etwa krank? Oder womöglich meinetwegen?
Ich musste mich bis nach dem Essen gedulden. Nachdem die Dienstmagd das Geschirr abgetragen hatte und wir nur noch unsere Getränke vor uns stehen hatten - dem Gast hatte Vater unseren kostbarsten Wein kredenzt - bat Vater um Aufmerksamkeit. Schneller als gewöhnlich wurde es still im Raum, und alle blickten neugierig zu ihm hin. "Lasst mich euch unseren geehrten Gast, den Magier Amarok aus Elteran, vorstellen, Kinder", sagte er feierlich. Also war er doch ein Magier! Ich hatte mir einen Vertreter seines Standes vollkommen anders vorgestellt. "Wie ihr wisst, verschwinden in letzter Zeit immer wieder Rinder, Ziegen und Schafe aus unseren Herden von den Weidegründen. Nachdem mehrere Hirten unabhängig voneinander Schneewölfe gesichtet haben, gehe ich davon aus, dass diese Bestien sich meine Tiere holen. Magier Amarok wird sich um sie kümmern."
Ich erschrak. Wenn erwachsene Männer im Zusammenhang mit Tieren von "Kümmern" sprachen, war meistens Töten gemeint. Oh, Götter! Der Fremde war gekommen, um meine Wölfe zu bekämpfen! Und doch hatte er mir geholfen, einen von ihnen zu verarzten. Wie passte das zusammen? Hatte er mir womöglich nur etwas vorgemacht und würde bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zu meinem Versteck zurückkehren, um den ersten Wolf sogleich abzuschlachten? Ich vermochte kaum noch still zu sitzen. Alles drängte mich, zu meiner Höhle zu eilen und nachzusehen, ob es dem Welpen noch gut ging. War es womöglich gar keine Heilsalbe gewesen, die er auf die Wunde aufgetragen hatte, sondern Gift? Wenn der Welpe noch am Leben war, musste ich ihn unbedingt anderswo zu verbergen.
Vater hatte inzwischen weiter gesprochen. "Lasst mich Euch meine Familie vorstellen", sagte er soeben. Er wies zunächst auf meine beiden älteren Schwestern und nannte ihre Namen, dann auf meine drei Brüder. Zuletzt war ich an der Reihe. "Dies ist Tarlo, unser Dummerjan. Er redet nicht. Kümmert Euch einfach nicht um ihn. Wenn er Euch lästig fällt, sagt mir Bescheid."
Götter, würde der Magier nun antworten, er habe bereits meine Bekanntschaft gemacht und damit unser Geheimnis verraten? Ich warf ihm einen flehenden Blick zu, den er offenbar verstand.
Ohne unsere Begegnung im Wald zu erwähnen, erklärte er höflich, dass er sich freue, unsere Bekanntschaft zu machen. Allein ein leichtes Heben der Augenbrauen zeigte, dass er die Worte, die mein Vater für mich gefunden hatte, zu missbilligen schien.
"Wann werdet Ihr Euch auf die Suche nach den Wölfen begeben?", fragte mein ältester Bruder wissbegierig.
"Gleich morgen nach Sonnenaufgang", gab Amarok Auskunft.
"Darf ich Euch begleiten? Ich könnte Eure Waffen tragen", erbot sich mein Bruder eifrig.
"Hab Dank, aber das wird nicht nötig sein."
"Es versteht sich von selbst, dass ihr Magier Amarok in Ruhe seine Arbeit tun lasst", mischte mein Vater sich ein. "Zudem ist der Frostsee für euch Kinder tabu, und das bleibt auch so. Wenn ich einen von euch auch nur in der Nähe erwische, setzt es was." Er warf einen drohenden Blick in die Runde, um sogleich in ruhigem und freundlichem Ton fortzufahren. "Gerne mag Euch einer meiner Wachleute begleiten, oder so viele wie Ihr wünscht", bot er dem Gast an.
"Für gewöhnlich pflege ich meinen Gegnern allein gegenüberzutreten", erwiderte Amarok. "Aber wenn ich mir einen Begleiter auswählen dürfte, wäre dies Euer Sohn Tarlo."
Ich zuckte zusammen und zog meinen Kopf zwischen die Schultern. Was wollte der Magier von mir? Glaubte er, ich würde ihm meine Wölfe verraten? Da hatte er sich aber getäuscht!
"Was?" Mein ältester Bruder konnte nicht an sich halten. "Aber warum? Tarlo ist doch zu blöd, um einen Schneewolf von einem Schoßhündchen zu unterscheiden. Er ist zurückgeblieben. Was wollt Ihr ausgerechnet mit ihm anfangen?"
"Schweig!", herrschte mein Vater ihn an, und er verstummte errötend.
Amarok war ruhig geblieben. "Ihr erwähntet, dass Tarlo nicht spricht, darum."
"Wie Ihr wünscht, ehrwürdiger Magier", katzbuckelte Vater. "Tarlo, du hältst dich morgen früh bereit. Hast du mich verstanden?"
Ich überschlug im Geiste die Zeit, die ich brauchen würde, um heute Nacht heimlich nach dem Welpen zu sehen, ihn gegebenenfalls anderswo zu verstecken und wieder nach Hause zu gelangen. Es müsste zu schaffen sein. Also nickte ich beklommen.
"Ich freue mich, Tarlo", sagte Amarok und lächelte mir ermutigend zu.
Vater erklärte die Mahlzeit für beendet und erlaubte uns Kindern, aufzustehen, was nichts anderes hieß, als dass wir ihn gefälligst mit seinem Gast allein zu lassen hatten. Wie meine Geschwister erhob ich mich also. Wir wünschten Vater und dem Magier eine gute Nacht und gingen hinaus, ich als letzter. Ich gab vor, schlafen zu gehen. Niemand störte sich daran oder versuchte, mich aufzuhalten. Wir vier Brüder teilten uns eine Schlafkammer unterm Dach, aber ich wusste, dass die anderen es noch für viel zu früh hielten, zu Bett zu gehen. Gewiss würden sie noch eine Weile in der warmen Küche beisammen sitzen. Ich eilte hinauf in unsere Kammer und präparierte mein Bett so, dass es im Dunkeln so aussehen musste, als läge ich darin - bis über den Kopf zugedeckt. Dann stieg ich lautlos wieder hinab und stahl mich aus dem Haus.
Längst war das Tor in der Mauer, die unseren Hof umschloss, verriegelt, und ein mürrischer Wachmann saß an einem Feuer in der Nähe und passte auf, dass niemand es ohne sein und Vaters Wissen passierte. Ich jedoch kannte einen anderen Weg hinaus, über die Mauer. Jedes Mal, wenn ich diesen nahm, schüttelte ich den Kopf über die Naivität unserer Wachen, die zu glauben schienen, wir seien vor heimlichen Eindringlingen sicher. Hierfür hätte man die Apfelbäume im Küchengarten ebenso fällen müssen wie die eine große Eiche jenseits der Umfriedung, die ich als Leiter benutzte.
In der Küche war es hell und warm. Meine Geschwister saßen mit der Gänsemagd und dem Sohn des Großknechts beisammen und lachten über deren gelungene Darstellung von Bediensteten. Niemand achtete auf mich, als ich in der Dunkelheit vorbei schlich und den Apfelbaum erklomm, der der Mauer am nächsten stand. Nur Sekunden später war ich draußen, unterwegs zu meinem Versteck.
Während ich schnellen Schrittes meiner Höhle zueilte, dachte ich über diesen Amarok nach. Er war so freundlich gewesen und schien es mit dem kleinen verletzten Wolf so gut zu meinen. Und doch hatte er sich bereit erklärt, für Vater die Schneewölfe zu bekämpfen. Ich fand, das passte nicht zu ihm, aber er hatte diesen Auftrag angenommen und würde ihn ausführen müssen, ob er wollte oder nicht. Alles in mir wollte ihm vertrauen können, aber ich durfte nicht zu leichtgläubig sein. Energisch verdrängte ich meine Zweifel und beschleunigte meine Schritte. Endlich stand ich vor dem Eingang zu meiner Höhle. Der Stein, den ich davor gewälzt hatte, lag scheinbar unberührt, doch dahinter war es still. Ich packte den schweren Felsbrocken und rollte ihn beiseite, dann kroch ich auf allen Vieren voran. Vermaledeit! Ich hatte in der Eile vergessen, eine Kerze oder eine Lampe mitzubringen. Nun war es zu spät, also tastete ich mich langsam vorwärts, bis ich mit den Fingern den Wollstoff meines Wamses berührte. Ich setzte mich auf und bewegte meine Hände zitternd in das Stoffknäuel hinein, und da fühlte ich es: Der kleine Wolf war da. Er schlief zusammengerollt und offenbar vollkommen entspannt. Auch Amaroks Wasserschlauch lag noch so neben dem Schlaflager, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Ungeheure Erleichterung durchflutete mich. Niemand war hier gewesen. Nun würde ich meinen Wolf in Sicherheit bringen können. Ich kannte mehr als genug Verstecke hier im Wald, und dieses Mal würde ich eines wählen, das weitab von jedem Weg und Pfad gelegen war.
Ich griff nach dem Bündel aus Jacke und Tier, da erwachte der Kleine, zuckte zusammen und reckte die Nase in die Luft. Ich gab ihm zu trinken und wickelte ihn im Anschluss wieder fest in die wärmende Wolle. Den Wasserschlauch und mit etwas Bedauern auch das Verbandszeug zurücklassend, robbten wir nach draußen, wo ich mich aufrichtete, den Welpen auf meinen Armen zurechtrückte und mich auf den Weg machte.
Stunden später kehrte ich auf demselben Weg in unser Anwesen zurück, wie ich es verlassen hatte. Ich sah den Soldaten immer noch Wache halten, grinste in mich hinein, schlich an der mittlerweile dunklen und leeren Küche vorbei und kletterte lautlos durch das Fenster der Besenkammer ins Haus. Als ich unbemerkt, wie ich glaubte, in mein Bett schlüpfen wollte, starrte mein ältester Bruder mich an und flüsterte: "Wo warst du?"
Ich bedeutete ihm mit einer Geste "austreten" und schob mich unter meine Decke, ohne ihn weiter zu beachten. Bald darauf hörte ich ihn wieder gleichmäßig atmen. Ich selbst fand jedoch noch lange Zeit nicht in den Schlaf.