Das Tribunal
„Was in Aller Herrgottsnamen Ich würde die beiden vorherigen Wörter kleinschreiben mache ich hier überhaupt?“, dachte Elias, als die schwere Flügeltüre vor ihm aufschwang und den Blick auf die dahinterliegenden Herrschaftsräume freigab.
Die unsichtbare Macht, welche von diesem Ort ausging, wehte ihm entgegen, ließ ihm die schulterlangen blonden Haare ins Gesicht flattern und nahm ihm für einen kurzen Augenblick die Sicht. In meinem Kopf sieht es so aus als ob quasi eine Windböe aus dem Raum kommt, dann würden ihm die Haare aber eher aus dem Gesicht wehen als hinein
Ohne Zweifel erinnerte dieses Bauwerk an eine Art Kathedrale, wie sie auch in der Welt der Irdischen zu finden gewesen wäre und die gesamte Atmosphäre war wie elektrisiert von der göttlichen Erhabenheit, die sich hier zu zentrieren schien.
Schon einmal war ihm die Ehre zuteilgeworden, diese heilige Gebetsstätte betreten zu dürfen und obwohl das nun schon eine halbe Ewigkeit zurücklag, waren die Bilder in seinem Kopf noch so präsent, als sei es gerade erst gestern geschehen.
Damals war die imposante Halle mit dem hohen säulengestützten Kuppeldach und den kunstvollen Mosaikfenstern festlich geschmückt gewesen, als er während einer glanzvollen und prächtigen Zeremonie die letzte Weihe erhalten hatte und in das himmlische Heer aufgenommen worden war.
Obwohl menschliche Gemütszustände, wie Stolz oder Ehre von Engeln nicht in derselben Weise nachempfunden werden konnten, war es für Elias ein erhebender Augenblick gewesen, sich fortan den ´Gewalten` anzuschließen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Welt, wie die Menschen sie kannte, im Gleichgewicht bliebe. Die Verteidigung des himmlischen Reiches und der damit einhergehende Kampf gegen die finsteren Mächte sollte von nun an seine Aufgabe sein.
Schon früh war er zu der Überzeugung gelangt, dass es seine ureigene Bestimmung war zu kämpfen und dass Das könntest du weglassen, einmal "dass" reicht dies seine besondere göttliche Gabe sein musste.
Zweifelsohne war er einer der besten Krieger, die sein Reich zu bieten hatte. Seine Kampftechniken waren ausgefeilt, an Schnelligkeit und Präzision konnte ihm niemand das Wasser reichen und im Umgang mit dem Engelsschwert war er einfach unschlagbar. Die unverfrorene Kritik, mit der er aber regelmäßig bestimmte Vorgehensweisen, Strategien und Manöver infrage stellte, brachte ihm bei den Befehlshabern den Ruf eines arroganten Querulanten ein. Obwohl seine Kameraden ihn schätzten und seinen Mut insgeheim bewunderten, bedauerten sie ihn jedoch aufgrund seiner Impulsivität, die ihn oft genug ins Abseits katapultierte.
So, wie auch jetzt!
Die Frage danach, mit welch neuerlichem Fehltritt er die heutige Anhörung heraufbeschworen haben musste, kreiste unaufhörlich in seinem Geist und gedanklich spulte er die gesammelten Missetaten der letzten Wochen vor seinem inneren Auge ab.
Gut, er hatte den einen oder anderen Befehl verweigert, sich hier und da ein wenig respektlos verhalten und sich außerdem zu einer frevelhaften Äußerung über das Menschengeschlecht hinreißen lassen. Aber sonst? Es wollte ihm nichts einfallen, womit er den Groll der drei hohen Engelsfürsten auf sich gezogen haben mochte. Die Tatsache, dass er anders war, und sich in seinen charakteristischen Wesenszügen von den anderen Engeln unterschied, hatte sich schon längst herumgesprochen. Inzwischen versuchte er kaum mehr, das zu verbergen.
Den Kopf in den Nacken gelegt, starrte er an die hohe Decke und ließ hörbar den Atem ausströmen, während er den langen Mittelgang entlang marschierte, der zu beiden Seiten mit lodernden Feuerkelchen geziert war.
Der schwere Stoff seiner kuttenähnlichen Robe hinterließ ein beklemmendes Gefühl und kratzte bei jedem seiner Schritte, als habe man ihm eine Handvoll klein schreiben Schattenzungenkäfer klingt nach fiesen kleinen Dingern in den Ausschnitt gekippt.
Wie sehr er sich seine geliebte Kampfmontur herbeiwünschte und das beruhigende, leicht mitschwingende Gewicht seines Schwertes, das für gewöhnlich in einer Halterung auf seinem Rücken steckte. Nur widerwillig hatte er beides gegen diesen unförmigen Jutesack eingetauscht, der nur mit einer schlichten Kordel um seinen Bauch zusammengebunden war und mit dem man sich im Falle eines Kampfes unmöglich frei bewegen konnte. Immerhin erlaubte es die übergroße Kapuze sein Gesicht zu verbergen, während die trompetenförmig zulaufenden Ärmel genug Platz boten, um seine zur Untätigkeit verdammten Hände, die er vor der Brust gefaltet hatte, verschwinden zu lassen.
Die beklemmende Stille hing wie eine unheilverheißende Vorahnung über ihm. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so unnatürlich ruhig war es in der Halle, die für gewöhnlich den Klang engelhafter Gesänge durch ihre Gänge trug und das gesamte Gebäude mit himmlischen Melodien erfüllte. Nun war es so still wie in einem Grab. Kein Räuspern war zu hören und noch nicht einmal der Widerhall von Schritten auf dem Steinboden war zu vernehmen.
Elias wusste, dass der Anlass dieser Zusammenkunft für ihn nichts Gutes bedeutete. Dennoch ging er mit gestrafften Schultern geradewegs auf sein Schicksal zu und versuchte, sich die innere Unruhe, die in ihm kämpfte, nicht anmerken zu lassen. Zwar würde seinem Gegenüber ohnehin keine seiner Regungen verborgen bleiben, doch wollte er um nichts in der Welt sein Innerstes nach außen kehren.
Hinter sich spürte er die Anwesenheit der beiden Engelsfürsten, Camael und Verchiel. In gleitenden, lautlosen Bewegungen führten sie ihn zum Ende der vielen Sitzreihen, geradewegs auf den Altarbereich zu. Als seine direkten Vorgesetzten waren sie ebenfalls zum heutigen Tribunal geladen worden. Gekleidet in ihre Festtagskutten lieferten sie einen Anblick, der sich nicht oft bot und der Elias`Benutzt man nicht dieses ' statt den schräg gestellten `? Unbehagen verstärkte.
Das glänzende Licht, welches Elias und seine Begleiter aussandte, erhellte die Umgebung auf mystische Weise, während sie vor dem unteren Treppenabsatz einer höhergelegenen Empore zum Stehen kamen.
Elias war gezwungen den Kopf zurückzulegen, um die drei nebeneinanderstehenden, prunkvoll verzierten Thronsessel zu erblicken, von deren Plätzen aus ihn die drei Wesen mit ihren starren Mienen erwartungsvoll ansahen Irgendwie ist mir "ansehen" zu sehen Ich stelle mir eher vor, wie sie ihn mit Blicken durchbohren, schon versuchen etwas aus ihm zu lesen oder sonst etwas. Ansehen klingt so harmlos.
Zadkiel, Zachariel und Terathel, die in der zweiten Sphäre regierenden Fürsten, waren ihm bekannt als Verantwortliche für die Rechtsprechung. Da sie in der Hierarchieebene über ihm standen, war ihre Leuchtkraft bedeutend intensiver als seine eigene und obwohl ihre Gesichtszüge nur undeutlich erkennbar waren, strahlten die scheinbar körperlosen Lichtgestalten eine majestätische Würde aus, die Elias ehrfurchtsvoll zusammenfahren ließ.
Ihre wohlwollenden, wenn auch nicht minder Respekt einflößenden Blicke entfachten ein Feuer in seiner Brust, das ihn innerlich zu verbrennen drohte Mh, okay, sie scheinen wohl einfach noch freundlich zu gucken. Die Gewänder, die sich an ihre durchscheinenden Leiber anschmiegten, waren durch aufwendige Stickereien verziert und schimmerten in den verschiedensten Goldtönen, als sie sich schließlich von ihren Plätzen erhoben.
Camael und Verchiel kreuzten die Arme vor der Brust, deuteten eine Verbeugung an und bezogen dann rechts und links von Elias Stellung.
Hätte er ein menschliches Herz besessen, dann wäre es ihm jetzt mit ziemlicher Sicherheit aus der Brust gesprungen.