Beiträge von Ralath

    Wie meine Vorredner schon sagten: Drei echt saubere Geschichten, die auch mich gut unterhalten haben. Aber eine muss ja nun mal gewinnen. Glückwunsch daher auch von meiner Seite, besonders deshalb, weil mir nicht ansatzweise eine vergleichbar gute Idee zum Thema eingefallen ist und ich es deshalb gleich habe sein lassen :D

    Mahlzeit allerseits.

    Ich verzweifele gerade ebenfalls ziemlich hart an der Erstellung eines neuen Beitrags und kann mir wirklich um's verrecken nicht helfen, den Post selbst nach dem Einfügen durch Nachbearbeitung ansatzweise lesbar zu machen.

    *

    Der Text war in Word vorgeschrieben, ich habe keine großartige Formatierung vorgenommen sondern einfach hintereinander weggetippt. Dazu im Anhang ein Screenshot.

    Die Geschichte habe ich dann auf 2 Beiträge aufgeteilt.
    Den Ersten konnte ich zumindest mit viel Mühe abändern und lesbar machen, den zweiten Teil kriege ich gar nicht mehr in Form, da Abänderungen zum Teil auch nicht mehr angezeigt werden (Änderungen der Textgröße funktionieren nicht, kursiv lässt sich nicht mehr löschen, etc.)

    Nach dem Einfügen hatte ich plötzlich diverse Leerzeilen, die Zeilen in anderer Schriftart waren willkürlich durcheinander in ihrer Formatierung und auch ansonsten ist nun wirklich gar nichts mehr an seinem ursprünglichen Platz.
    Nachbearbeiten ging nur semi-gut, teilweise wurde gar nicht mehr angezeigt, dass ich die Textgröße oder Schriftart verändern wollte. Nachdem ich den Text dann in einen Spoiler gesetzt hatte, zerriss es mir die Formatierung erneut und die Vorschau zeigte dann noch mal ganz was anderes an.

    Im Profil habe ich den Haken bei der Formatübernahme rausgenommen und es sowohl mit als auch ohne noch mal probiert. Keine Besserung.
    Auch eine Kopie aus OpenOffice bringt mich nicht weiter.

    Ich kriege die zweite Hälfte also überhaupt gar nicht vernünftig bis ins Forum.
    Woran kann das liegen?


    Sah im Original so aus:


    Im Forum dann so:

    ~Nodon~ [2/2]

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    Erste Regungen spielten um die Mundwinkel des Mannes, die nicht Ekel und Zorn zum Fürsten hatten. Ein Zittern der Unsicherheit kroch seine Arme hinunter und ließ die Überzeugung, sein Ziel todsicher zu treffen, zum ersten Mal seit Beginn der Unterhaltung wanken. Du kannst es nicht verhindern. Mach es nicht unnötig schwer. Trotzig zwang er die Flinte wieder in den Anschlag und gegen die rechte Schulter. Nahm über Korn und Kimme schnaubend Maß. „Ich sagte, verschwinde!“, rief er nun bebend. „Das war die letzte Warnung.“

    Unruhig biss er sich auf die Lippen. Den Ausdruck vollends zu einer hässlichen Fratze verzogen.

    Nimm Abschied, wenn du möchtest. Es ist gleich vorbei.

    Mit diesen Worten wandte er sich von dem Alten ab und wieder dem Mädchen zu, dessen silberne Aura allmählich kräftiger wurde, je Länger Nodon in ihrer Nähe verharrte. Erschrocken, dass seiner Warnung keine weitere Beachtung geschenkt wurde, korrigierte der Alten den Lauf mehrfach, mal nervös auf Nodons Kopf, mal wenig zielsicher auf seine Brust schwenkend. Dann lösten sich seine Hände plötzlich und ließen das Schießeisen los. Im nächsten Augenblick sprang der Greis mit einem schweren, stolpernden Satz aus dem Stuhl auf. Die Flinte fiel zu Boden. Der Alte tat es ihr gleich, indem er sich auf Nodon stürzen ließ. Polternd schlug der dürre Mann hin und heischte nach dem Schattenwolf, griff jedoch prompt ins Leere. Sein trauriger Versuch, den Eindringling zu ergreifen, endete in einer Kollision mit dem Nachtschränkchen neben dem Bett. Als er sich verwirrt umsah erkannte er den Schatten nun im noch wippenden Schaukelstuhl sitzen. Ungelenk rappelte er sich auf und stolperte erneut auf Nodon zu, warf sich diesmal ohne Rücksicht auf seine gebrechlichen Knochen dem Stuhl entgegen. Doch wie schon beim ersten Mal bekam er nichts als Luft zu packen. Stattdessen kippte das Sitzmöbel und fiel polternd samt dem Alten zu Boden. Wieder versuchte er den Schatten auszumachen, dabei lodernde Wut in seinem Blick. Nodon war nun auf dem Bett erschienen, saß schwerelos auf der Decke, unter welcher das Mädchen in ihren tiefen Fieberträumen lag. Diesmal wagte der Alte keinen neuerlichen Ansturm. Zu groß war die Angst sich auf das zierliche Kind zu werfen und ihm wehzutun.
    „Warum tust du das? Warum quälst du uns Menschen nur so?“, rief er. Ein Zittern schlug seine Stimme an wie eine viel bespielte Saite. Die Erkenntnis darüber, dass er dem Feind gegenüber machtlos zu sein schien, schnürte ihm die Kehle enger und seine Fassade aus Hass und blinder Entschlossenheit gegen das Unabwendbare zu bestehen, bekam deutliche Risse.
    „Du nahmst mir bereits meine Frau, und du nahmst mir meinen Sohn und dessen Frau. So lass mir doch wenigstens meine Enkelin. Ich habe sonst niemanden mehr, du elender Unheilsbringer.“
    Tränen stiegen ihm in die Augen und wuschen die Kraft, die ihm der Hass verliehen hatte, einfach davon.
    „Warum nur suchst du mich mit aller Grausamkeit heim?

    Komm zu uns.

    Der Alte sah ihn zunächst ungläubig an, presste dann die Lider aufeinander und schüttelte den Kopf. Nodon war sich bewusst, dass sein Aussehen und sein unangekündigter Besuch durchaus einen eher abstoßenden und furchteinflößenden Eindruck hinterließen. Dennoch wahrte er eine freundliche Neutralität.
    „Nein, halt. Lass uns verhandeln!“, flehte er nun mit einem aufkeimenden Gedanken im Sinn.
    „Wenn du das Scheißerchen in Ruhe lässt, kannst du mit mir machen was du willst. Dann kannst du mich als Diener mit in die ewige Dunkelheit schleppen oder mich in der Anderswelt foltern. Nimm mich. Mit einem Kind kannst du doch gar nichts anfangen. Aber mit einem erfahrenen, nicht auf den Kopf gefallenen Kerl schon eher."
    Ich kann dir deinen Wunsch nicht erfüllen. Er steht einem anderen Wunsch entgegen.
    Doch vielleicht erfährst du Linderung, wenn du verstehst.
    Komm.
    Hab keine Scheu.
    In den alten Augen stand offen geschrieben, dass er diese Aufforderung für eine Falle hielt und man konnte in ihnen lesen, wie er im selben Moment darüber nachdachte, allen Umständen zum Trotz Nodon verscheuchen zu können, sobald er in seine Nähe gelangte. Die rasenden Gedanken hinter den trüben Pupillen waren selbst für Laien der Körpersprache mehr als offensichtlich.
    Tu es für sie.
    Du machst es auch ihr damit leichter.
    Dies ist ein Dienst, den du ihr noch erweisen kannst.

    Vielleicht mochte es die Unabwendbarkeit des Bevorstehenden gewesen sein, die langsam aber unweigerlich zu dem Alten durchdrang. Vielleicht war es die Erkenntnis darüber, dass alle seine Möglichkeiten in einer Sackgasse endeten. Vielleicht war es auch noch immer seine Absicht, Nodon von seinem Vorhaben abzuhalten. Egal was es letzten Endes gewesen war - der Alte rappelte sich auf und tastete sich langsam, achtsam, in die Nähe des lebendigen Schattens und an das Bett seiner todkranken Enkelin heran. Nodon beobachtete ihn dabei die ganze Zeit mit stoischer Gelassenheit, saß wie eine grobkonturige Wolke auf dem Mädchen und hielt die sternenlichtbefeuerten Augen auf den Greis gerichtet. Dieser, nicht weniger starrend, schob sich Schritt um Schritt dem Bett entgegen, ohne den nachtschwarzen Wolfsschatten für den Bruchteil eines Herzschlages aus den Augen zu lassen. Es fehlte nicht mehr viel, der Alte war fast am Fenster vorbei und stand unmittelbar vor dem Bett, als er hinter sich Griff, das Öllämpchen vom Fenstersims riss und es Nodon plötzlich entgegenschleuderte. Ohne jede Regung erwartete Nodon den Anflug des Wurfgeschosses, spürte einen Hauch als es auf seine Silhouette traf und wusste bereits vor dem Aufschlag, dass die Flamme gelöscht und das Öl durch die Berührung mit ihm so zäh erkaltet sein würde, dass das Glas nicht einmal zerbrechen konnte. Der dumpfe Aufprall erklang sogleich hinter ihm. Keine Scherbe bedeckte den Boden. „Warum lässt du uns nicht einfach leben bis war alle alt und grau sind? Warum verwehrst du so vielen von uns den Lebensabend? Gerade denen, die noch so viel vor sich haben?“, forderte der Alte wimmernd unter verzweifelten Tränen zu wissen.
    Nicht ich entscheide, wann eure Zeit gekommen ist.
    Ihr seid es.
    Ihr allein.
    Niemand sonst.
    Ihr ruft mich, wenn ihr bereit seid. Ich diene nur. Folge euren Rufen wie ein Hund seinem Herrn.
    Mein Dasein hat keinen anderen Zweck, als euch diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Den Wunsch nach Freiheit und nach einem Begleiter auf dem kommenden Weg.

    Unverständnis zeichnete sich im Gesicht von Nodons Gegenüber ab. Mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Diese Wahrheit war seiner vorurteilssteifen Ansicht so fern, dass sie einer offensichtlichen Lüge gleichkam. Wieder schien ihm der Versuch zu Feilschen erfolgsversprechender, als sich einen Moment des Verstehens zu erlauben.
    „Es hätte also keinen Sinn, mich an ihrer Stelle mitzunehmen? Sie gesund zu machen, ihr meine verbleibenden Jahre zu schenken?“, flehte er erneut mit tränenverhangenem Blick.
    Nein. So etwas liegt nicht in meiner Macht.
    Deine Seele ruft mich noch nicht, auch wenn dein Verstand dir etwas anderes einflüstert.
    Ich bin nur ein Weggefährte für diejenigen, die sich alleine vor den vorausliegenden Pfaden fürchten.
    Alles was ich dir zugestehen kann, ist ein Versprechen: Sie wird heilen. Und ihr wird nichts geschehen, solange ich auf sie Acht gebe. Ich bringe sie sicher hinüber.
    So tat ich es bereits mit deinen Lieben und deinen Vorfahren. So werde ich es mit jedem tun, der nach dir kommen wird. Mit Bekannten, Unbekannten… und so werde ich auch eines Tages dir erscheinen, wenn du nach mir verlangst.

    Immer noch dominierten Verunsicherung und Vorsicht, doch ein winziger Funke des Begreifens verzehrte das letzte Quäntchen jenen Hasses, dass den Alten davon abhielt, sich zu fügen. Nodon erkannte in den Augen des Mannes, dass er endlich verstanden hatte. Eine weitere Prämiere an diesem anfänglich so unscheinbaren Abend.
    Sei bei ihr. Halte sie.
    Das macht es ihnen für gewöhnlich angenehmer.

    Nodon kletterte herunter auf die Strohmatratze und sprang von dort lautlos auf den Boden, um dem Alten Platz zu machen, setzte sich wieder geduldig wartend vor die Schlafstätte. Behutsam nahm der Großvater auf der Bettkante Platz, die merklich nachgab und das Gewicht mit leisem Knistern quittierte. Liebevoll strich er seiner Enkelin eine schweißnasse Haarsträhne hinter das Ohr ohne sie zu wecken. Er streichelte sanft ihre Wange, legte dann für eine Weile Stirn an Stirn, während er das tränenreiche Beben in seiner Brust zu unterdrücken versuchte. Nachdem etwas Zeit vergangen war sah er auf Nodon herunter und nickte, jedoch nicht, ohne eine seiner schwieligen Hände beschützend auf der Schulter seiner Enkelin ruhen zu lassen.
    Es wird schnell gehen.
    Und es wird kein Leid mehr geben.

    Als Nodon sich wieder ihrem Gesicht näherte, glomm die silberne Aura des Mädchens erneut auf. Diesmal noch heller als zuvor. Ihre Seele reagierte auf ihn und wartete. Sehnsüchtig. Die Aura unterdessen zog die Konturen in ihrem kindlichen Gesicht immer deutlicher nach, drang auch unter der Decke hervor und schien aus dem kleinen Körper geradezu herauszutreten.
    Vor Einschüchterung gebannt beobachtete der Großvater währenddessen, was geschah.
    Nodon stupste ihre Nase mit seiner an. Begann ihr mit der Zunge sachte über Wangen und Mund zu lecken. Zunächst gab es keine Reaktion, doch dann bewegten sich die silbernen Gesichtszüge. Die rosige Nase verharrte regungslos – die silberschimmernde jedoch rümpfte sich, ebenso zuckten die Lider sanft, erwachend, wohingegen ihre leiblichen Augen keine Notiz von der schwarzen Wolfszunge nahmen und an dem niederdrückenden Fiebertraum festhielten. Ihr durchscheinender Mund öffnete sich zu einem stummen gähnen, die rostroten Lippen dahinter blieben geschlossen.
    Verschlafen öffneten sich ihre silber-gläsernen Augen. Sie blinzelten ein paar Mal und schlossen sich grinsend wieder, als Nodon dem Mädchen erneut über das Gesicht schleckte und ihr ein entfernt klingendes Kichern entlockte.
    Nodon rückte ein Stück von der Bettstadt fort. Die Aura löste sich immer weiter von ihrem sterblichen Anker, stemmte sich auf einen Ellenbogen und dann aus dem schweren Leib heraus, ohne dass ihr Körper sich durch ihre schleierhaften Bewegungen regte.
    Neugierig sah sie sich um, sah auch kurz zu ihrem Großvater, der sprachlos, erschüttert, verstört und lautlos weinend neben ihr saß. Sie schenkte ihm ein kurzes, aber umso freundlicheres Lächeln, dann wandte sie sich wieder zu Nodon um.
    Für ein paar Herzschläge blickten sie sich in die Augen, bis das Mädchen schließlich ein paarmal eifrig nickte. Ohne weitere Zeit zu verlieren trennte sie sich ganz von ihrem Körper. Sie stieg einfach aus ihm hinaus – elegant, geschmeidig, schwerelos tanzend wie ein Schmetterling, der schon viel zu lange in seinem Kokon eingesperrt war. Einen Lidschlag später stand sie in ihrem ebenso schimmernden Nachthemdchen vor der dem Bett und schunkelte mit den Armen, darauf wartend, dass Nodon die Führung übernahm.
    Nodon sah zu ihr hinauf. Ein letztes Mal drehte sie sich um, schweifte mit dem Blick durch den Raum und ließ ihn dann für einen Atemzug an ihrem Großvater verharren, bevor sie ihm winkend ein allerletztes Lächeln schenkte. Der Wolfsschatten setzte sich in Bewegung und ging geradewegs durch die Wand unter dem Fenster hindurch, so wie er zuvor auch eingetreten war. Das Mädchen folgte ihm und wurde von dem alten Fachwerkt verschluckt, nur um hinter dem Fenster von Mondlicht durchschienen wieder aufzutauchen. Kindhaft hüpfte das kleine Mädchen dem finsteren Schatten hinterher, als würde es an einem warmen Sommertag über die Steine eines kühlen gluckernden Baches tollen, während es Libellen nachstellte. Sie wirkte fast grenzenlos heiter dafür, dass sie soeben gerade gestorben war.
    Am Rande des Waldes angekommen hörte Nodon das Zuschlagen einer knarrenden Tür. Zurücksehen war unnötig. Er wusste, dass der Alte schon auf dem Weg zu ihnen war.
    Angekommen in den tiefsten Schatten der alten Eiche blieb das Gespann vor einem ungewöhnlich hellen Mondlichtstrahl stehen. Erhaben sickerte das silberweiße Licht durch ein Loch in der Baumkrone gen Boden, ähnlich einladend wie das Rampenlicht, dass die letzte Bewegung des Hauptdarstellers auf der großen Bühne beleuchtete, bevor der fallende Vorhang das Stück endgültig abschloss.
    Nodon und das Mädchen, das nun einerseits stumm und ehrfürchtig staunend, andererseits zögerlich unentschlossen vor dem Strahl stand, tauschten einen langen Blick. Dann trat Nodon als erster in den Kegel aus Mondschein. Zunächst schien das Licht von seinem Umriss abzuprallen, dann jedoch duckte sich das schwarzwabernde Fell langsam unter der Helligkeit weg. Die Schlieren und Fangärmchen wurden kleiner und begannen an ihren Spitzen zu schimmern, wie entzündet züngelte das Licht über Nodon hinweg und verdrängte jeden noch so kleinen Rest von Finsternis.
    Nun war die Maskerade gefallen. Es gab keinen Grund mehr unauffällig zu sein. Es war der Zeitpunkt gekommen, zu führen, für alles und jeden unverfehlbar erkennbar zu sein. Die Verbeugung des Hauptdarstellers nahte.
    Nie wagte es der Mond, ihn während seines Erscheinens zu verwandeln. Sobald Nodon jedoch den Rückweg antrat, segnete ihn der große runde Beschützer mit allem Glanz, den er aufzubringen vermochte. Wie ein Leuchtfeuer erstrahlte Nodon jetzt ohne jeden Hauch von Dunkelheit, einzig seine Augen bargen dem letzten Schatten Zuflucht und verwandelten sich in das Abbild des dunklen, schlafenden Nachthimmels, während er einer Lichtgestalt gleich reine und besänftigende Hoffnung verströmte. Lautlos klatschend jauchzte die Mädchenseele auf und sprang ohne weiteres Zögern zu Nodon ins Mondlicht. Ihr Nachtkleidchen begann zu funkeln und zu glitzern, was das Mädchen noch weiter über alle Maßen entzückte. Nodon gewährte ihr einen Moment der schwerelosen Freude, sah währenddessen im Hintergrund den fassungslosen, atemlosen Großvater heraneilen und immer langsamer werden, je näher er der Szene kam, die noch nie ein sterbliches Paar Augen hatte mitansehen dürfen. Nodon leckte das Mädchen an der Hand und stupste sie mit dem Kopf an. Sie streichelte ihm im Gegenzug über das Haupt, dass von weichen, brennenden Flammenzünglein gesäumt war und schwang sich flink auf seinen Rücken.
    Nodon bedachte den Großvater mit einem Blick. Knieend, mit tränenspuren im Gesicht war er vor dem Mondstrahl zusammengesackt und bewunderte die überwältigende Schönheit des Augenblicks.
    Der Wolf zog die Lefzen ein wenig nach oben, was man durchaus als ein Lächeln interpretieren konnte, dann setzte er zum Sprung an und stieß sich in die Höhe. Er landete auf einer benachbarten Mondlichtlanze, setzte auf eine weitere über, nutzte hier einen Schwarm Glühwürmchen als Tritt und das Licht des Mondes, das sich in einem kleinen Bassisn auf der Baumrinde sammelte als einen weiteren. So schraubte er sich mit seiner Reiterin immer schneller in die Höhe, bis beide durch das Blätterdach der Eiche brachen. Nun hatte Nodon so viel Schwung erlangt, dass seine und die Konturen des Mädchens immer stärker ineinander verschwammen – zu einem dichter werdenden Schweif verschmolzen - bis sie wie eine Sternschnuppe über den Himmel jagten, die im Zick-Zack von Stern zu Stern flitzte. Die Hatz dauerte einige Herzschläge und zog sich über den gesamten Sternenteppich, dann wurde sie allmählich langsamer. Als sich die Sternschnuppe dann einem noch freien Flecken Firmament näherte, gleißte sie plötzlich strahlend hell auf – und war anschließend verschwunden. Nichts war mehr von ihr zu erkennen und zeugte von dem wilden Ritt am Nachthimmel. Nichts, bis auf den neugeborenen kleinen Stern.
    Nodon zog eine letzte Bahn um den Mond, als es bereits dämmerte und betrachtete dabei den neuaufgegangenen Punkt inmitten der Millionen und Abermillionen anderen kleinen Lichter, die allmählich im Morgenschein verblassten. Es war jedes Mal so, dass die Neuzugänge in ihrer ersten Nacht am längsten hinabschauten. Dann spähte der Seelenführer ein vorerst letztes Mal auf die Welt hinab, dorthin, wo der Greis noch immer gen Himmel sah und vermutlich bis zum Aufgang der Sonne sein würde.
    Auch seine Zeit sollte noch kommen – und auch er würde irgendwann Teil der Karte werden, die all jenen den Weg wies, die ihre Reise noch vor sich hatten. Doch bis es soweit war, erinnerte ihn seine Enkelin daran, dass es keinen Anlass zur Furcht gab, wenn er den ersten Schritt auf den nächsten Pfad setzte. Denn er wusste nun. Ihm war der Blick durch den Nebel hindurch und hinter den Vorhang gelungen. Nodon war nun nicht mehr allein. Es gab nun noch jemanden, der sehen konnte, wirklich und wahrhaftig sehen konnte – genauso klar wie der Wolfsschatten. Genauso deutlich, wie Nodon.

    Nach gefühlt über einem ganzen Jahr, in dem ich nichts vorzeigbares Zustande gebracht habe und mir ansonsten auch irgendwie die Leselust abhanden gekommen war, hab ich nun endlich mal eine Kurzgeschichte fertigbekommen. War streckenweise echt ein Krampf, um ehrlich zu sein, aber das Ergebnis zeigt zumindest mir persönlich, dass ich's doch noch nicht ganz verlernt habe und ist Schlussendlich doch irgendwie in eine recht lesbare Form geflossen.

    Zum Inhalt der folgenden Geschichte:

    Das Ableben wird ja oft stigmatisiert und geradezu verteufelt. Wer stirbt, geht in eine ewige Dunkelheit über oder wird vom Gevatter selbst aus dem Leben gerissen. Nicht grundlos fürchtet sich jedes Wesen vor dem Tod und dem Sensenmann, der eines Tages bleich im schwarzen Mantel vor einem steht. Sterben geht mit Leid und Trauer einher, sterben ist etwas grausames, etwas schlechtes. Sterben tut man, weil man es muss. Man muss alles weltliche und jeden sterblichen Begleiter hinter sich lassen.
    Doch was ist, wenn all das gar nicht der Wahrheit entspricht?
    Was, wenn die eigentliche Wahrheit und den Kern des Dahinscheidens fehlinterpretieren? Was, wenn es jemanden gibt, der sich besser damit auskennt?

    Nun, ich habe da jemanden oder besser etwas begleitet, das die Dinge aus einer anderen Perspektive kennt. Etwas, das die Dinge klarer sieht, als die Menschen in ihren niederdrückenden Vorstellung. Ein Wesen Namens...


    ~Nodon~ [1/2]

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    Es gab Dinge, die im Verborgenen und weit abseits jeden offenen Auges geschahen, obwohl sie selbst nie einen Anspruch darauf erhoben, um jeden Preis ungesehen zu bleiben.

    Doch ungeachtet der Anzahl ihrer Zuschauer… sie geschahen.

    Einmalig – und danach nie wieder.

    Hunderttausendfach – in einem einzigen Wimpernschlag.

    Einige dieser Wunder lebten nur für den Bruchteil eines Herzschlages auf und vergingen sofort darauf wieder. Andere hingegen betraten das Antlitz der Welt mit einer gewissen Regelmäßigkeit und ihr Besuch währte länger als nur einzelne Momente…

    Eines dieser Phänomene trug den Namen Nodon, und selbst unter all den unerklärlichen, geheimnisumwitterten Rätseln der Natur, denen nichts als die pure Unergründlichkeit anhaftete, nahm Nodon noch einen besonderen Platz ein.

    Denn anders als seine Gegenwart, der man nach einer gewissen Zeit auf die eine oder andere Weise gewahr wurde – durch einen kalten Schauer im Nacken oder eine eigenartig drückende Stille etwa – bemerkte nie jemand, was sich im Schatten der Bäume tat, nachdem der letzte Sonnenstrahl in den Wipfeln versiegt war...

    Nodons Erscheinen blieb unbemerkt, so, wie es schon immer unbemerkt geblieben war. Seit Anbeginn der Zeiten hatte ihn nie jemand zu Gesicht bekommen. Auch an jenem Abend, als sich die mondumrandeten Umrisse des Waldes ineinander verwoben, um die kaum erkennbare Silhouette eines Wolfes aus ihrer Mitte zu erschaffen wie einen geübten Assassinen, erblickte ihn nichts und niemand. Sein schlichtes Auftauchen veränderte rein gar nichts in der Welt. Die Folgen seines Besuchs dagegen waren immer schmerzlich wahrnehmbar.

    Nodons Körper, wenn man die Gestalt so nennen mochte, unterschied sich von den anderen Nuancen des Zwielichts einzig dadurch, dass er noch schwärzer, noch tiefer und bodenloser wirkte als die ohnehin schon finsteren Schatten der Nacht. Das Mondlicht schien die unmittelbare Nähe der Erscheinung um jeden Preis zu meiden und verlieh Nodon eine Aura, an deren Rand der auferstandene Schatten die Sicht auf die Welt verschleierte. Kleine Schlieren stiegen als dicker, sich träge windender Rauch von den Konturen auf und vergingen bereits nach weniger als einer Handbreite wieder zu Nichts.

    Es war ein nimmer endender Schlagabtausch mit dem Schein des Mondes.

    Beinahe schien es als würde das Nachtgestirn selbst auf seine unvorstellbare Entfernung versuchen, Nodon einfach zu verdampfen. Ihn zu vernichten, weil er nicht von dieser Welt war. Sein Werk zu vereiteln. Doch es gelang dem Mond nicht. Seit Äonen scheiterte er daran, das Fell aus Schatten mit seinem Glanz zu durchdringen, wenn Nodon erschien. Es zu läutern. In silbernen Flammen aufgehen und zu Asche verbrennen zu lassen. Der Mond schien machtlos gegen das Wesen aus Dunkelheit zu sein…

    Auf diese Weise trotzte der Wolfsschatten dem Gestirn mit seiner bloßen Existenz zum Beginn einer weiteren Nacht, um seiner Aufgabe nachzukommen. Es war eine vollkommen einzigartige, eine sagenhafte Gabe. Eine, die es ihm erlaubte sich auf jene elegante Weise durch die Welt zu bewegen und ebenso eine, die ihm zeitgleich eine Pflicht aufbürdete, die untrennbar mit seiner Macht verbunden war. Der Gedanke eines Gedankens genügte, um sein Bewusstsein an jedem Ort, zu jeder Zeit und in jeder erdenklichen Form erwachen zu lassen. Und Nodons Anwesenheit war immer an irgendeinem Platz in der Welt erforderlich.

    So geschah es, dass sich nun zwei Augen aus fahlem Sternenlicht inmitten eines schwarzen Loches am Fuße einer gewaltigen knorrigen Eiche öffneten. Der Baum hielt seine Äste schützend über ein gedrungenes Bauernhaus und bot ansonsten auch allerlei kleinen Lebewesen Deckung, die direkt um Nodon ihrem nächtlichen Alltag nachgingen, ohne ihn zu bemerken. Weder Eule noch Feldmaus noch Käfer ahnten, wer sich in ihrer Mitte befand.

    Nodon kannte diesen Ort mit seinen Bewohnern. Er hatte ihn schon oft besucht. Wieder und wieder und wieder…

    Der Anlass seiner Ankunft war immer der gleiche, seine Begleiter dagegen, wenn er dem Haus wieder den Rücken kehrte, waren jedes Mal andere.

    Kurz betrachtete der Wolfsschatten das niedrige Häuschen, das auf einem Sockel aus Sandstein ruhte und sich in Balken und Lehm kleidete, mit einem Hut aus Schilf gegen das Wetter bedeckt und von den Furchen eines bestellten Feldes schützend umreiht, als hätten die Bewohner versucht etliche kleine Burggräben darum zu ziehen, um vermeintliches Unheil fernzuhalten. Wände aus Lehm, Furchen aus Erde und Zäune aus Weide. Sie alle waren ihm kein Hindernis. Auch nicht, wenn die Mauern aus Stein errichtet, die Furchen tiefer gezogen und voll Wasser gelassen oder die Zäune aus kräftigen Pfählen erbaut worden wären.

    Nodons Blick richtete sich auf ein kleines Licht, das einsam, ruhig und mit stoischer Gelassenheit hinter einem Butzenglasfenster im Erdgeschoss seinen Lichtschein in die Nacht hinauswarf. Er wusste bereits, wer diesmal auf ihn wartete. Ebenso, wie er wusste, warum er diesem Ort und dieser Seele seine Aufwartung machte.

    Langsam setzte sich sein Umriss in Bewegung, hinterließ weder Spuren im Gras oder den Blättern des Waldrandes, noch trug die frischgeackerte Frühlingserde Zeuge von seiner Ankunft.

    Geschmeidig glitt Nodon über jeden Untergrund hinweg, so unterschiedlich er auch sein mochte und tauchte durch die von der erschöpften Abendsonne noch warme Außenwand des Bauernhauses hindurch.

    Ein kleines, niedriges Zimmer nahm ihn in Empfang, dessen Einrichtung in Zahl und Aufmachung der Gegenstände nur das aller nötigste zur Schau stellte; einen einfachen dunklen Schrank, der klotzig und kantig an der Wand hockte, einen staubigen alten Teppich, dessen Muster durch jahrlanges Begängnis jede Erkennbarkeit verloren hatte und auf einem ebenso beanspruchten Bretterboden lag, einen schmucklosen Nachttisch, einen Schaukelstuhl und ein Bett, wie es in jedem solcher Bauernhäuser gleich mehrfach für alle Bewohner zu finden war. Es gab ähnliche Häuser zu dutzenden in der Gegend und doch hatte jedes davon seine Einzigartigkeit, ebenso wie keiner der Räume in jenen Häusern dem anderen bis ins letzte Detail glich.

    Oft waren diese Zimmer mit mehr Menschen gefüllt als an diesem Abend, oft genug auch mit wenigeren. So überraschte es Nodon nicht, dass auch diesmal ein kleines Publikum an seiner Tat teilhaben würde – auch wenn es nicht bewusst oder gewollt geschah.

    Es machte die Erfüllung seiner Arbeit nicht schwieriger oder leichter, noch würde es gelingen, ihn daran zu hindern – wie es viele versuchten, wenn sie sich seiner Gegenwart nach einiger Zeit unterschwellig gewahr wurden.

    Nodon glitt näher an das niedrige Bett heran, aus dessen schmaler Liegefläche Stroh und Federkiele unter einem groben Leinenlaken herauslugten. Auf dem Kissen darüber ruhte das Gesicht eines kleinen Mädchens und begrüßte ihn im schummrigen Licht ausdruckslos mit rosigen Wangen, eingemummelt in eine wollene Strickdecke. Es schien tief und selig zu schlafen. Ein Eindruck, der im ersten Moment trügen mochte.

    Schweißperlen standen bei näherer Betrachtung dort auf Stirn und Wangen, wo die schiere Anstrengung gegen das Unabwendbare noch keine salzigen Ströme aus den winzigen Poren drückte. Blonde Haare klebten am Kopf und lenkten die Tropfen stetig über die Haut und dem Kissen entgegen.

    Dem Mädchen sah man die Essenz der Jugend an, sie hatte ihren achten Sommer wohl noch nicht erlebt.

    Am Ende seines tiefen Fieberdeliriums würde das Kind zwar Erwachen, jedoch würde kein weiteres Leid mehr an der Pforte seiner verblassenden Träume lauern. Dafür Sorge zu tragen war Nodons einzige Aufgabe.

    Ein entspanntes Seufzen erklang zu seiner Linken aus der nicht allzu weit entfernten Ecke des niedrigen Raumen, gleich neben der Tür. Der Schatten wandte sich der Quelle des neuen Geräusches zu. Ein schläfriges Schmatzen folgte aus der schummrigen Dunkelheit. Dort neben den Angeln der schlechtsitzenden Tür, so schien es, würden sich am heutigen Abend die Zuschauerränge befinden.

    In einem abgenutzten Schaukelstuhl ruhte ein schlafender alter Mann. Hager, barfuß, ergrautes lichtes Haar, mit den Flecken des Alters übersät, gekleidet in ein schmutziges Hemd, über das sich ausgeleierte Hosenträger spannten. Einer, dessen Leben schon mehr Jahre andauerte, als es den meisten anderen vergönnt war. Tiefe Gräben, noch tiefer wirkend als die Furchen in der Erde vor dem Fenster, zerschnitten überall das ledrige Gesicht und erzählten dem aufmerksamen Beobachter von unzähligen schweren Entscheidungen, Erfolgen und Misserfolgen, von Tagen die längst vergessen waren und Nächten, die bis zum letzten Atemzug des Mannes in seinem Gedächtnis ein Zuhause gefunden haben würden.

    All jene Erinnerungen die sich zu einem Kompendium seines ganzen Lebens zusammenfügten – welches mit dem Verstreichen der heutigen Nacht um eine Seite reicher werden sollte.

    Am Ende der Seite – vermutlich eingeleitet durch sein träges Erwachen nach einem unruhigen Traum aufgrund der ersten Sonnenstrahlen – würde wahrscheinlich niedergeschrieben stehen, wie der Alte zermartert die Augen öffnete, wie sich der Blick schlaftrunken an der geleerten Obstbrandflasche des Vorabends auf dem Boden entlanghangelte und dann direkt zum Bett des Mädchens springen würde. Die Hände würden sich für einen Moment um Griff und Lauf seiner Flinte krampfen, die er schützend auf dem Schoß gebettet hielt und sich dann kraftlos wieder entspannen, sobald ihn die Erkenntnis selbst aus der Ferne schon traf. Der zaghafte Versuch eines Aufspringens würde von einer Schockstarre unterbunden werden. So mochte es kommen, auch wenn Nodon es nicht bis ins Detail erahnen konnte. Jedoch… die letzte Zeile war gewiss Trauer und Verzweiflung vorbehalten. So war es sehr oft am Ende seiner Besuche. Nodon selbst würde kein Wort auf dieser Seite gewidmet werden. Nicht ein Buchstabe sollte Zeuge seines Besuchs werden. Wie auch noch nie zuvor.

    Ob am Schluss seiner Darbietung in dieser Nacht Applaus oder Ablehnung stehen sollten, oder ob er überhaupt bemerkt wurde, war ohnehin nicht von Belang. Es würde so sein, wie es sein würde. Die Bühne des Lebens führte mehr Stücke auf, als ein Mensch in tausend Jahren ersinnen könnte. Alles war möglich, vieles blieb unwahrscheinlich.

    Nichtsdestotrotz verabschiedete sich Nodon immer mit dem Respekt, der den Lebenden ebenso wie den Geschiedenen gebührte. Höchstselten ging er als bejubelt - weitaus häufiger bis in alle Ewigkeit verflucht.

    Er sah wieder zum Bett zurück, wo sich in den tiefen, gleichmäßig schnarrenden Rhythmus des Alten die flachen, immer angestrengteren Atemzüge des Mädchens einflochten. Es war auf seine eigene Weise eine zermürbende Melodie, eine, deren Verstummen im letzten Akt dieser Nacht etwas Tröstendes haben sollte.

    Bei der Ausführung seiner Pflicht spürte Nodon nie Bedauern, selbst dann nicht, wenn er ein derart junges Leben mit auf die Reise nahm, während ein anderes, so angefülltes Leben wie das des Alten sein Ende auch in naher Zukunft nicht aufziehen sehen würde.

    Wer blieb und wer ging, das entschied nicht Nodon. Nodon sorgte einzig und allein dafür, dass jeder seinen angedachten Platz zur rechten Zeit einnahm.

    Er macht einen weiteren Schritt auf das Bett zu, kam mit der Nase ganz nah heran und roch.

    Nodon erschien das Leben, dass in dem kleinen Körper bisher stattgefunden hatte. Und er spürte eine Seele, die unendlich erschöpft und geschunden war, trotzdessen, dass sie so junges zartes Fleisch bewohnte. Die selbstgeschusterten Krücken unter dem Bett konnten zwar den Körper mehr schlecht als recht stützen, doch sie vermochten nicht eine kraftlose Seele zu tragen, wenn das Leben selbst sich dem erbitternden Widerstand gegen jedes Glück verschrieben hatte.

    Die Menschen sahen den Verwundeten diesen inneren Kampf und die ungnädige Folter beinahe nie an. Nodon jedoch, sah sehr wohl. Er sah, wenn das Fleisch den Geist bannte und einsperrte, anstatt ihn zu beflügeln und frei durch die Welt und ihre Wunder ziehen zu lassen.

    Dies war einer der Gründe, warum die Menschen Nodon mit einem so mannigfaltigen Hass erwarteten und auch verabschiedeten. Sie verstanden nicht. Erblickten nicht das, was er immer und immer wieder zu Gesicht bekam. Ein Umstand, den er als schade befand. Doch letztendlich war es ihm gleichgültig. Die Schuld lag nicht bei ihnen. Dass ihnen der Blick hinter die Kulissen verwehrt blieb hatten sie sich ebenso wenig ausgesucht, wie Nodon, dass seine Sicht klarer und weiter war, als die jedes anderen Wesens. Die Menschheit kannten das große Ganze nicht, auch wenn die Menschen auf der Suche nach Antworten manchmal in die entfernte Nähe der Wahrheit kamen. Etwas trübte kurz vor der Erkenntnis ihre Sinne auf ihrem weiteren Weg. Jedes einzelne Mal. Als wäre es ein Gesetz der Natur.

    Allem voran brüstete sich die Angst um den bevorstehenden Verlust damit, ihre Herzen und ihren Blick mit einem dicken Nebel zu verschleiern. Und diese Angst konnte sich in nur wenigen Herzschlägen in vieles, am ehesten jedoch in Hass wandeln. Zu Hass, der hell – blendend hell - loderte und einzig und allein Nodon galt. Nur ihm allein. Dabei konnte sich jene Furcht vor dem Unbekannten in allen möglichen Regungen niederschlagen. In jeder erdenklichen Reaktion. Nodon kannte sie alle, in allen Nuancen, in allen Facetten, Farben und Formen.

    Letzten Endes machte es für ihn keinen Unterschied. Was er tat, tat er nicht um Leid zuzufügen. Auch nicht um sich im Glanze seiner Macht zu sonnen. Nodon verhalf den flehenden Seelen lediglich zu einem Recht, dass ihnen mit ihrer Geburt gegeben war. Dem unverwehrbaren Recht auf ein Weiterziehen. Auf ein Voranschreiten. Und Kein Naturgesetz wagte es an dieser Unantastbarkeit zu rühren. Denn dies war ein Recht, welches jede Seele einfordern konnte, wann immer sie es für richtig befand

    Manche Seelen verharrten in ihren Körpern über ein ganzes Jahrhundert, andere sehnten sich weit früher nach Ruhe. Manche Seelen mussten heilen, befreit werden und andere wiederum genossen ihren Aufenthalt in jedem einzelnen Augenblick. Manche Seelen waren zerbrochen, verdreht und geschunden. Manche Seelen waren schlicht bereit, aber manche auch erpicht und neugierig darauf, den nächsten Abzweig ihres Weges zu begehen.

    Wie er das Mädchen so ansah, wurde der flehende Ruf nach seiner Gabe lauter, als hätte auch sie genau dieses Anrecht auf ihren neuen Platz nun verstanden. Ein sanftes silbernes Schimmern legte sich um die Konturen des kleinen Gesichts, obwohl das Mondlicht gar nicht bis in den Raum gelangte.

    Es war soweit.

    Nodon war bereits im Begriff, das Mädchen zu erlösen, da störte der knarrende Schaukelstuhl plötzlich die Stille und ließ den Schatten innehalten. Normalerweise lenkten ihn die Geräusche der sterblichen Welt nicht ab, doch dieses Geräusch war anders. Es passierte nicht einfach, sondern hatte einen Adressaten. Es galt einzig und allein ihm.

    Ebenso wie das metallische Klicken, das zu seiner Linken ertönte.

    „Weg von dem kleinen Scheißerchen.“

    Nodon sah den erwachten Greis zunächst reglos an, legte dann den Kopf leicht schräg und bewegte sich ansonsten nicht weiter.

    Das war neu.

    Das war eine der so unfassbar selten gewordenen Prämieren während seiner Auftritte.

    Tatsächlich hallte gerade ein entferntes Echo von Neugier in ihm wider. Auch ein Umstand, der einer äußerst seltenen Rarität glich.

    Und dennoch würde sich am Ausgang dieser Nacht nichts ändern.

    „Ich hab‘ gesagt, du sollst Land gewinnen“, knurrte der Alte, das doppelläufige Gewehr drohend auf den Schatten gerichtet. Mit einem weisenden kleinen Ruck der Büchse deutete er durch das Fenster nach draußen.

    Du siehts mich.
    Nodons Stimme erklang wohl- und volltönend wie warme Lehmerde, aber auch mit der umschmeichelnden Sanftheit einer duftenden milden Sommerbriese in den Gedanken des Großvaters.Ein lautloses Nicken folgte zur Bestätigung. Unbeeindruckt, widerspenstig, angespannt. Die verlebten Muskeln und Sehnen im Leib des Alten widmeten sich allein der Aufgabe, den Lauf der Flinte auf sein Ziel auszurichten. Jede andere Bewegung musste er seinem Körper erst mühevoll abringen. In seinen Augen zeigte sich nur ein einziges Gefühl, das keine Nebenbuhler duldete.

    Da war er wieder und brandete Nodon entgegen wie eine tobende Flutwelle: Überbordender Hass.

    Du hast auf mich gewartet.
    Auch wenn diesmal keine Erwiderung erfolgte, war diese Feststellung so unwahrscheinlich, wie sie doch zutreffend war. Vermutlich war der Greis sich der Besonderheit dieser Situation in keinster Weise bewusst und das machte die Begegnung so einzigartig wie keine zuvor.
    Was ist dein Begehr?

    „Dass du verschwindest! SOFORT verschwindest und nie wiederkommst!“, grollte der Alte nun lauter und entschlossener. Dabei korrigierte er den Sitz seiner Flinte an der Schulter. Die lederumwickelten Griffpartien knarzten leise unter der mäßig gezügelten Gewalt, mit der sich seine Finger um die Waffe klammerten. Hier hielt jemand nicht nur eine unverhohlene Drohung in den Händen, sondern präsentierte auch die unerschütterliche Gewissheit nichts unversucht zu lassen, um seinen Willen zu durchzusetzen.

    Und wenn ich das nicht tue?
    „Dann knall ich dich ab, du dämonisches Mistvieh! Und schicke dich in die Anderswelt zurück, aus der du immer wieder gekrochen kommst“, lautete die Antwort aufbrausend giftig und doch zu allem bereit. Um Mund und Nase grub sich der Hass immer tiefer in sein Gesicht. Seine Brust hatte alle Mühe vor zornschwangerer Luft und alkoholdurchsetztem Atem nicht zu bersten, welche er abwechselnd einsaugte und ausstieß wie ein gereizter Bulle.
    Du würdest mich nicht treffen. Wohl aber das Kind.

    Der Alte leckte sich nervös über die Lippen. Nodon sah ihm an, dass er sich der Tragweite eines Fehlschusses durchaus bewusst war und den Schuss dennoch in Betracht zog. Unbeeindruckt setzte sich der Wolfsschatten in aller Seelenruhe vor das Bett. Nichts aus der sterblichen Welt war in der Lage, ihm zu schaden, geschweige denn ihn zu berühren – auch Schrotkugeln aus wenigen Schritt Entfernung nicht. Soetwas blieb einzig und allein seinen Herren vorbehalten.

    Würdest du ihr das antun wollen? Sie wird nicht scheiden, wenn ich sie zurücklasse. Selbst nicht mit solch einer furchtbaren Wunde. Aber sie wird weiter leiden, tausende Mal schlimmer als sie es ohnehin schon tut.
    Erste Regungen spielten um die Mundwinkel des Mannes, die nicht Ekel und Zorn zum Fürsten hatten. Ein Zittern der Unsicherheit kroch seine Arme hinunter und ließ die Überzeugung, sein Ziel todsicher zu treffen, zum ersten Mal seit Beginn der Unterhaltung wanken.

    Ich glaub ich entwickle grad ein ganz neues Interesse an Steinen: Ich hab meinen Dremel an einfachen Bachkieseln ausprobiert, bearbeiten, polieren etc. und bin grad fasziniert davon wie relativ einfach das eigentlich geht. :D

    Jetzt brauche ich nur noch eine Inspiration was ich nun herstellen will. :ugly:

    (48) I Carve A Piece of the White Cliffs of Dover

    Das ist der Kanal von Bobby Duke. Der Kerl macht insgesamt ziemlich abgehobenen kreativen Scheiß und ist meiner Meinung dabei auch noch recht unterhaltsam :D
    Unter anderem "carved" er auch aus verschiedensten Materialen diversen, nett anzusehenden Kram. Vielleicht findest du da ja die eine oder andere Eingebung :thumbup:

    Moin zusammen,

    momentan bin ich sehr vehement auf der Suche nach meinem kreativen und motivierenden "Funken", weil mich Zeitaufwand und Größe meines Schreibprojektes irgendwie ziemlich abgewürgt haben.
    Und dabei hilft es mir sehr, anderen beim Kreativsein und Entwickeln von Konzepten zu folgen. Allein an den Gedankengängen von fremden Projekten beteiligt zu werden und eine Art Zuschauermodus zu genießen, versetzt mich oft schon in einen Ausnahmezustand, wenn die Idee dahinter neu und frisch ist.
    Das liegt unter anderem daran, dass es grundsätzlich eigentlich ziemlich schwer ist, den Werdegang und die Schritte so eines solchen Prozesses für einen Aussenstehenden verständlich wiederzugeben und eine systematische oder eben auch gerade eine nicht systematische Abfolge von Schritten so durchsichtig zu halten, dass ein Unbeteiligter der Sache folgen kann. Deshalb finde ich allein den Versuch des Gebens solcher Einblicke spannend.

    Beginnen wir mit der ersten Vorstellung:

    David James Armsby's "Autodale"-Series

    Autodale ist eine fiktive, in einer Dystopie angesiedelte Stadt und hat vom Vibe her ganz entfernte Ähnlichkeit mit der Stimmung in den Distrikten von Panem, auch Filme wie z.B. Equilibrium kommen mir beim ansehen der Cinematic-Shorts in den Sinn. Hier allerdings mischen sich Roboter und Maschinen in den Alltag der Menschen ein, die beinahe schon nach einem Ideal gezüchtet werden, während niemand mehr weiß was im Kern der Stadt oder ausserhalb ihrer Mauern lauert. Denn Autodale ist der letzte Zufluchtsort der Menschen auf der Welt, so schlecht es ihnen auch geht. Fakt ist jedoch: So sicher der Ort für die Fügsamen auch sein mag, so viel schlechter ergeht es all jenen, die nicht ins Bild der beschaulichen Vorstadtfamilie passen.

    Der Schöpfer der kleinen Youtubeserie hat erst vor kurzem wieder ein Video hochgeladen, in dem er den Zuschauer auf eine Tour mitnimmt und ihm zeigt, wie die Wesenheiten und Charaktere entstanden sind und sich über die Zeit verändert haben. Auch wie viele Zweigwege und Entscheidungen es zu bewältigen gilt, bevor Konzepte und Charaktere zusammenpassen, wird beleuchtet.

    Was mich selber am meisten schockiert, auf eine gute Weise, ist, dass er diesen Fortschritt in einer Art Comic festgehalten hat. Ich bewundere die getane Arbeit und die kreative Energie, auch wenn es nach hinten heraus vom Horrorfaktor schnell nichts mehr für zartbesaitete ist.


    Beginn der Autodale-Reihe:

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    "Creative Process"-Serie des Machers:

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    War echt wieder 'ne taffe Konkurrenz, aber in diesem Licht gebe ich mich gerne und ohne jedes Murren geschlagen.
    Alle Geschichten hatten auf ihre Weise etwas einzigartig Faszinierendes, ob es der Twist am Schluss der "Dunklen Seite" war oder die kreative Vielfalt vom "Herbstdrachen" oder ob sie das Thema zu 110% mit dem Ideenhammerkopf auf den Bildgewaltnagel getroffen haben, so wie die Geschichte auf Platz 1 :thumbup:
    Nein ehrlich, ich hätte der Siegergeschichte gerne noch eine zweite Stimme hinterhergeschoben :D (imiginäres +1dazudenken)

    In diesem Sinne: Klasse Runde und nun her mit dem nächsten Thema :P :essen:

    Viele interessante Dinge, die hier schon zusammengetragen wurden.

    Und dem einen oder anderen kann ich mich auch direkt anschließen. Unter anderem dem Standpunkt, dass das, was ich schreibe, das ist, was ich auch selber lesen würde/möchte.
    Wobei... geht das in unseren Kreisen überhaupt anders? Etwas schreiben, was einen gar nicht tangiert?
    Wie kann man etwas Qualitatives auf's Papier bringen, zu dem man nicht eben so viel Bezug hat, dass man sich selber dafür interessiert? Wenn ich nicht gerade etwas im Auftrag von jemandem schreibe, sei es Fachliteratur oder ein arbeitsbedingter Artikel in Zeitung oder Onlineblog, dann schreibe ich doch automatisch über Dinge, zu denen ich einen gewissen Hang habe.

    Damit beantwortet sich aber auch schon die eigentlich gestellte Frage für mich. Ich sehe keinen Sinn darin, ohne entsprechenden Auftrag etwas nur für eine bestimmte Lesergruppe zu schreiben. Ich schreibe über Dinge, die mir liegen und zu denen ich mich auf verschiedenste Weisen hingezogen fühle. Nur dann kann ich zumindest versuchen, diesen ausschlaggebenden Funken einzuweben, mir sehr tiefgehende Sachen von der Seele zu schreiben und dieses gewisse Etwas in den Zeilen zu binden.
    Wer zu den von mir aufgegriffenen Themen einen Draht hat, wird alle diese Dinge in den Seiten wiedererkennen, egal ob es 15-jähriger Gymnasiast ist oder die Ü-Ei-sammelnde Oma von der anderen Straßenseite. Deshalb versuche ich mich auch möglichst allgemeinverständlich auszudrücken, ohne aber atmosphärische und zeitlich relevante Begriffe zu vernachlässigen.
    Wer meiner Erzählstimme nun zuhören möchte, der sei immer herzlich eingeladen und wer nicht, kann sich ja die nächste Geschichte greifen und damit sein Glück versuchen. Das was ich letztendlich auf dem Papier zu Tage fördere, setzt sich 50/50 aus meinem Gefühl für die passende Wortwahl und dem Themenbereich an sich zusammen, hat aber überhaupt gar nichts damit zutun, dass ich meine Geschichten auf eine Altersgruppe, den Sportverein von nebenan oder weibliche Lingualpädagogen zwischen 30 und 30 1/2 münze.
    Ich könnte zum Beispiel ein Jugendbuch schreiben, Jugendliche testlesen lassen und dann sagen mir die Testleser, dass sie viel lieber Jugendkrimis lesen und mit Fantasy nichts am Hut haben. Man weiß nie, und kann auch nicht steuern, wer im Falle einer Publikation die eigene Geschichte mal in die Hand bekommt und daran Interesse findet - oder auch nicht. Deswegen macht es für mich wenig Sinn, mich ZU SEHR auf eine bestimmte Leserschaft einzuschießen.

    Denn:
    Am Schluss prägt nicht der Autor das Buch auf seinen Leser, der Leser sucht sich immer das passende Buch und damit einen Autor, dem er Gehör schenken möchte. Und durch die Bank weg gute Geschichten finden immer genug Anhänger, selbst ohne verkrampft eine bestimmte Zielgruppe zu bedienen :)

    Den Prototypen dieses Textes hatte ich vor einer ganzen Weile schon mal in einem anderen Thread gepostet, dieser hier ist allerdings eine mehrfach überarbeitete und feingeschliffenere Version und damit einer der wenigen Texte, unter die ich wirklich mal ein "Ende" drunter setzen kann.


    ~Ausstrahlung~


    Spoiler anzeigen


    Stell dir vor…

    … du sitzt auf einer Bank in der Fußgängerzone. Die angewitterten, grausilbernen Holzbalken, welche rechts und links auf zwei Betonklötzen aufliegen, sind nicht sonderlich bequem, aber das müssen sie auch nicht sein. Du wartest ja nur für den Moment. Darauf, dass dein Kumpel sich endlich aus den Umrissen der vielen Menschen herausschält und ihr zu eurem Termin aufbrechen könnt. Seit Wochen wartet ihr schon darauf, dem Kunden euer neues Konzept vorzustellen.
    Der Himmel über dir ist in einem einheitlichen hellen Grau bewölkt, macht aber dennoch seit den frühen Morgenstunden keinerlei Anstalten seine Schleusen über der Stadt zu öffnen. Es würde dich nicht stören, wenn es zumindest heute mal nicht regnet.
    Gelangweilt starrst du deine schwarzen Sneaker mit den schmutzig-weißen Schnürsenkeln an und steckst die Hände in die weiten Taschen deines Kapuzenpullovers. Du hast ihn heute Morgen samt einer zerfledderten Jeans aus dem Klamottenhaufen auf deinem Schreibtischstuhl herausgewühlt, weil sein stumpfes Blau dir irgendwie zugesagt hat und es laut Wetterprognose den ganzen Tag über recht frisch bleiben soll. Gut, dass du dich so entschieden hast. Eine Jacke wäre womöglich eine noch etwas bessere Wahl gewesen, aber der Pulli tut es auch. Immerhin geht es gerade mal zaghaft auf den Herbst zu und nicht auf den tiefsten Winter. Er wird also reichen.
    Mit einer Mischung aus Schnauben und stummem Seufzen ziehst du nun eine Hand aus der Pullovertasche und spickst auf deine abgetragene alte CASIO. Dein Kumpel ist überfällig. Mal wieder. Wie hattest du auch etwas Anderes erwarten können? Pünktliche Menschen müssen überraschend oft die Zeit totschlagen, indem sie warten…
    Ungeduldig schiebst du deine Brille auf der Nase ein Stück nach oben und tippst mehrmals unruhig mit der Fußspitze auf den Boden.
    Trotzdessen, dass es zwar wie angekündigt, frisch, aber nicht wirklich kalt ist, ziehst du im Anschluss die Kapuze an ihren beiden braunen Schnüren enger und versenkst deine Hände dann wieder in den warmen Taschen deines geliebten alten Pullis. Ein wenig fröstelst du ja nun doch irgendwie. Kein Wunder, weil du ja auch schon eine halbe Ewigkeit starr herumsitzt.
    Gedankenverloren wippst du auf deinem Platz ein wenig nach vorn und hinten, um durch die Bewegung wenigstens ein bisschen warm zu bleiben, während dein Blick ohne wirklichen Anker über die Menschen schweift. Sie schlendern alle nur stumpf umher, wie immer, wenn es an Freitagen auf den Nachmittag zugeht, weil sie in Gedanken schon Zuhause auf dem Sofa sitzen. Die letzten Wochenendeinkäufe werden gemacht, für die Party am Samstag wird noch schnell ein schrilles Top besorgt – aber eigentlich eint sie alle, dass sie in ihrem Inneren der Mattscheibe, einem guten Film und einer Tüte Chips entgegenfiebern.
    So wie du auch, gäbe es da nicht noch diesen Termin.
    Da die Langeweile nicht nachlässt, musterst du nach kurzer Zeit schließlich doch die Leute, die, ohne von dir Notiz zu nehmen, durch die Gasse laufen. Eine alte Frau mit einem knielangen hellbraunen Fellmantel geht an dir vorbei und zerrt einen wenig beneidenswerten, schwer hechelnden Mops hinter sich her, der nicht mehr weiter will, es aber dennoch muss. Mit ihrem kurzgeschorenen grauen Pixieschnitt, dem schreiend roten Lippenstift und dem völlig überdosierten türkisblauen Lidschatten sticht seine Besitzerin aus der Menge heraus - auf eher skurrile Weise und nicht etwa als willkommener Blickfang. Ja, in dem Strom aus Menschen gibt es auch vereinzelte Kuriositäten und Paradiesvögel.
    Dein Augenmerk springt auf einen schlaksigen Jungen über, der sich gekonnt auf seinem Skateboard durch die Menge schlängelt. Er trägt nur ein viel zu weites weißes T-Shirt, eine zerschlissene Schlaghosenjeans und Sandalen, die kaum unter den Hosenbeinen hervorschauen. Alles in allem eine Kombination, die deiner Meinung nach gar nicht zu dem Wetter des heutigen Tages passt und dich bei ihrem bloßen Anblick noch mehr frösteln lässt. Bevor du den Aufdruck auf seinem umgedrehten, erdfarbenen Cappi lesen kannst, ist er auch schon ratternd auf den Rollen seines Boards die Fußgängerzone hinuntergeschossen und zwischen den wogenden Leibern der Passanten verschwunden.
    Du ziehst die Sohle deines rechten Fußes mit ein wenig Widerstand über die unebenen gelben Pflasterplatten, während die Zeit zäh dahinfließt. Die Wurzel eines nahen Baumes hielt es scheinbar für nötig, sich gerade hier bei der Bank einen Weg nach oben zu bahnen und hebt den Untergrund langsam aber sicher an. Gleichsam mit der Wurzel sprießt auch überall Unkraut durch die Fugen. Die Stadt täte gut daran, dem aufdringlichen kleinen Gestrüpp mal mit ein wenig Unkraut-Ex zu Leibe zu rücken. Über was man sich nicht alles Gedanken macht, wenn man warten muss…
    Wieder schweift dein Blick ziellos über die Fußgänger. Du nimmst die Geräuschkulisse um dich herum kaum mehr richtig wahr, es ist dasselbe beständige Hintergrundrauschen aus Schritten und Stimmgewirr, dem Rascheln von Einkaufstüten und den Geräuschen aus den umliegenden Geschäften, wie sonst auch. Die Körper verschwimmen immer mehr zu einem Strom aus schwarzen Jacken und blauen Jeans, die in vielfarbigen Schuhen und Stiefeln enden. Während deine Realität langsam in eine dumpfe Leere davondriftet, besteht alles zunehmend nur noch aus verwaschenen Schlieren… bis…
    …bis dein Blick plötzlich an einer jungen Frau haften bleibt. Ohne, dass du weißt warum, fokussiert er sich regelrecht auf sie. Sie ist hübsch, keine Frage und hat ein süßes Gesicht mit Stupsnase, aber sie hat nichts derart Besonderes an sich, dass rechtfertigen würde, dass du ihr länger als einen Augenblick Beachtung schenkst. Dennoch siehst du ihr entgegen, während sie die Gasse entlanggeht und sich vorsichtig über den blonden Pferdeschwanz fährt, als würde sie überprüfen, ob er nicht zwischenzeitlich verloren gegangen ist.
    Auch ihre Kleidung ist nicht sonderlich auffällig. Ein beiger Rollkragenpullover schützt sie vor der kühlen Herbstluft, ihre Beine stecken in schwarzen Jeans und ihre Füße in wadenhohen braunen Schnürstiefeln. Langsam dämmert dir, dass das, was deine Aufmerksamkeit auf sich zieht, nicht die Frau selbst ist. Jedenfalls nicht nur. Der geschwungene Lederkoffer, den sie in der rechten Hand trägt, birgt ebenfalls eine gewisse Faszination und weckt deine Neugier.
    Ein wenig unsicher steuert sie auf die Sitzgelegenheiten zu, die auf der anderen Seite der Fußgängerzone aufgestellt sind und nimmt zögerlich auf einer unbesetzten Bank Platz. Zwischen euch liegen gute dreißig Meter Abstand und obwohl sie sich direkt gegenüber von dir niedergelassen hat, sieht sie nicht zu dir herüber. Etwas verklemmt und steif - in sich gekehrt - aber auch irgendwie adrett sitzt sie dort, die Beine geschlossen und die Arme nahe am Körper. Der Koffer ruht sanft auf ihren Schoß gebettet. Ihre filigranen Hände liegen schützend darauf, fast schon so, als würde sie einen kleinen schlafenden Hundewelpen dort liegen haben und sich nicht trauen aufzustehen, weil sie ihn sonst wecken würde.
    Sie schließt die Lider, nimmt einen tiefen Atemzug und spitzt die Lippen, als sie die Luft in einem sachten Stoß wieder in die belebte Fußgängerzone entlässt. Wieder und wieder tut sie das. Anscheinend kosten diese Atemzüge viel Kraft und Überwindung. Sie muten wie eine Beruhigungsübung an. Jetzt wirst du langsam wirklich neugierig. Die junge Frau ist von etwas umgeben, das du nicht recht benennen kannst. Es ist eine Art Aura, die deinen Blick anzieht wie ein entferntes Licht in der Nacht.
    Noch während du zu begreifen suchst, warum deine Gedanken sich derart merkwürdig um gerade sie zusammenscharren, geht ein Ruck der Entschlossenheit durch ihren zierlichen Körper. Sie öffnet die beiden Verschlüsse des Koffers mit einem schnappenden Klicken, das du selbst über den leisen Trubel der Passanten hören kannst. Gleich darauf fördert sie eine glänzende, in wunderschönem Nussholz gemaserte Violine zutage. Vorsichtig legt sie den nun leeren Koffer neben sich auf die Sitzfläche ihrer Bank und steht auf. Ihre Finger greifen gefühlvoll neben sich und zaubern den zur Geige dazugehörigen Bogen hervor. Sie benötigt drei, vier Anläufe, bis ihr Kinn in der richtigen Position auf der Stütze des Instruments aufliegt, dann hebt sie den Hals der Violine mit einer tausendfach einstudierten Geste in die Waagerechte – und zögert. Erneut atmet sie angestrengt durch.
    Du kannst ihr ansehen, dass sie sich innerlich vor dem kommenden Moment scheut und sich dagegen wehrt, nicht zurückzuweichen. Ihre Wangen sind leicht angespannt und bekommen allmählich eine rosige Farbe, als die Aufregung nun doch die Oberhand gewinnt. Der darauffolgende Atemzug wird von einem kaum wahrnehmbaren Zittern begleitet. Entgangen ist es dir trotzdem nicht. Sie wirkt unfassbar nervös. Eine starke Zerrissenheit geht von ihr aus.
    Du bist völlig gebannt von ihrem Anblick, wohingegen sie noch nicht ein einziges Mal in deine Richtung gesehen hat. Sie selbst scheint keinen der herumwuselnden Passanten wirklich wahrzunehmen und auch die Passanten interessieren sich nicht für sie, während die Violinistin in ihrem Inneren mit sich selbst ringt und einen unerbittlichen Kampf austrägt, dessen Ausmaß du lediglich erahnen kannst. Ein Hindernis, eine Hürde, die sie kaum überwinden kann, hält sie scheinbar davon ab, den nächsten Schritt zu tun und den Bogen auf die Saiten zu setzen.
    Sie beißt sich auf die Unterlippe. Ihre Augen bleiben dabei die ganze Zeit über geschlossen. Das Publikum bedeutet ihr rein gar nichts und gleichzeitig ist jeder Zuhörer einer zu viel.
    Eine ganze Weile ragt sie wie eine nervöse Statue neben ihrer Bank auf, steht dort wie angewurzelt, und kämpft mit ihren unsichtbaren Dämonen.
    Schließlich lässt sie die Violine wieder sinken, ohne ihr auch nur einen Ton entlockt zu haben. Obwohl du die fremde Frau nicht kennst und überhaupt nicht wissen kannst, ob sie gut spielen kann, bist du enttäuscht.
    Wie dir klar wird, würdest du sie sehr gerne spielen hören und du weißt beim besten Willen nicht, warum. Deiner Meinung nach wäre es falsch, wenn sie jetzt aufgibt. In Gedanken ermutigst du sie, weiter zu machen, sich zu überwinden und einfach drauf los zu spielen, nichts auf die anderen zu geben und schlicht ihr Ding durchzuziehen. Ihr kennt euch nicht, trotzdem bist du der festen Überzeugung, dass sie es kann, dass sie Talent hat. Du willst, dass es so ist.
    Doch sie steht nur da und hat die Augen vor der Welt verschlossen. Der Violinenbogen hängt schicksalsergeben in ihrer Rechten herab, genauso wie das Instrument selbst in der anderen Hand. Ihre Erscheinung wirkt von einem Moment zum Nächsten erschöpft, beinahe so, als hätte sie die Niederlage gegen sich selbst auf eigenartige Weise gebrochen. Traurigerweise sieht sie aus, als hätte sie diese Niederlage bereits akzeptiert.
    Wieder und wieder beschwörst du sie stumm, sich einen Ruck zu geben.
    Du willst, dass sie ihre Motivation wiederfindet und sich ihr Mut wieder aufrappelt.
    Du wünschst dir nichts sehnlicher.
    Du musst sie um jeden Preis spielen hören.
    Aber sie steht nur da und hat offensichtlich bereits das Handtuch geworfen.
    Komm… trau dich… du kannst das…, murmelst du immer wieder hauchleise zwischen deinen eigenen angespannten Atemzügen hindurch.
    Als du deine Hoffnung schon beinahe aufgegeben hast, strafft sie plötzlich die Schultern und überstreckt ihren Hals. Einmal nach rechts und dann genauso noch einmal nach links. Gleich darauf rollt sie mit dem Kopf vor und zurück. Schon nimmt sie eine abschließende, disziplinverkündende Pose ein und ehe du dein Glück fassen kannst, beginnt der Bogen auch schon gefühlvoll über die Saiten zu gleiten. Verdutzt über den überraschenden Umschwung beginnst du zu lauschen.
    Die ersten Töne erklingen zaghaft und machen den Eindruck, als wäre die Geige ziemlich verstimmt oder als würden die Noten vollkommen willkürlich und disharmonisch daherkommen. Doch als die Rosshaare des Bogens wieder und wieder auf- und abstreichen, erschließt sich dir zunehmend das Konzept der Melodie. Du kennst das Lied. Die Radiosender haben es so oft gespielt, dass du es schon vor Wochen nicht mehr hören konntest ohne mit den Augen zu rollen. Es ist von Lana Del Rey und heißt Summertime Sadness.
    Ja, eigentlich magst du das Lied gar nicht, wirklich nicht. Aber etwas an der Art und Weise, wie die Violine die Töne formt, sie entlässt und in der Fußgängerzone vor der betongrauen, von Fenstern durchbrochenen Kulisse preisgibt, raubt dir mit jeder Note mehr den Atem.
    Genauso wie dich der Klang bezaubert, schlägt dich aber auch seine Schöpferin in ihren Bann. Noch immer hat sie die Lider nicht geöffnet, aber sie wird mit jedem erzeugten Ton sicherer und lässt sich mit jedem Herzschlag mehr in die Musik hineinfallen. Als die Magie der Noten sich zu entfalten beginnt, kriecht der Violinistin langsam ein Hauch von Gelassenheit über die Züge und sickert ebenso in ihre Bewegungen. Die ganze Darbietung wird auf unvorstellbar vielen Ebenen geschmeidiger. Freier. Natürlicher. Wie ein durchfrorener Fluss der langsam auftaut und dessen Strom sich nach einem langen Winter wieder hinab ins Tal ergießt.
    Ihre Brauen beginnen, von den vereinnahmenden Klängen an die Hand genommen, mit den Tönen zu tanzen. Ihr frecher blonder Pferdeschwanz wippt ebenso mit ihren auftauenden Bewegungen mit, wie es die einzelne Strähne tut, die seitlich bis auf ihre Wange fällt. Die Musik fängt an ihre Unsicherheit wegzuspülen wie ein langersehnter Regen und legt etwas Tieferes, etwas weitaus Ursprünglicheres frei. Beine und Füße ergeben sich der Melodie und wirken so, als hätte man sie endlich aus tonnenschweren Zementblöcken befreit. Unbeholfen, ein wenig unsicher und doch begierig darauf, sich endlich wieder bewegen zu dürfen.
    Obwohl die Melancholie des Liedes aus jeder einzelnen schwungvollen und dennoch dosierten Geste ihrer Finger in die Geige hineingleitet und davon zurückgeworfen wird, stiehlt sich ein scheues glückliches Lächeln in ihre Mundwinkel.
    Die Frau spürt jeder der Noten nach und fühlt sie mit jeder Faser ihres Körpers, das kann ihr selbst ein Blinder ansehen.
    Du bekommst einen Tropfen ab, hörst und bemerkst das dumpfe Ploppen auf deiner Kapuze aber nicht, weil du gerade von etwas Anderem völlig vereinnahmt wirst. Du ertrinkst geradezu in dem von ihr erschaffenen Moment.
    Auch der Musikerin kann der einsetzende Regen nicht entgangen sein, doch sie stört sich nicht daran. Nein, sie stört sich wahrhaftig nicht daran, vielmehr scheint sie das kalte Nass sogar willkommen zu heißen. Und mit jedem Regentropfen, der nun, als der Schauer allmählich stärker wird, an ihrer Wange abperlt und ihr kalt in den Kragen hineinrinnt, scheint sie die Freiheit des Augenblicks noch mehr zu genießen. Sie ist nur noch wenige Töne vom Refrain entfernt, als es plötzlich passiert. In einer Explosion die den ganzen Ballast von ihren Schultern zu reißen scheint, sprengt sie alle Fesseln von sich und gibt sich der Musik vollkommen hin. Es wirkt so, als wäre sie auf eine wunderbare Weise von einer Muse besessen und von einem Augenblick zum nächsten Wiedergeboren worden, während sie den Bogen führt und mit dem Oberkörper den Klängen hinterhertaucht, die sie erschafft. Das anfangs zarte Lächeln weicht einem genießerisch befreiten Grinsen. Ihre Beine schaffen es nun nicht mehr, nur noch auf einem einzigen Flecken still zu stehen und bloß schlicht zu wippen, als die gespielten Noten sie packen und über das nasse, unkrautübersäte Pflaster ziehen.
    Völlig selbstvergessen lässt sie sich von der Musik tragen, gänzlich unbekümmert davon, dass die ganze Welt gerade die Luft anhält, nur um ihrem Spiel zu lauschen. Die Harmonie, die mit jeder angeschlagenen Saite aus der Violine fließt und mit den geschmeidigen Bewegungen der Violinistin die Gasse schneller flutet, als es der Regen je könnte, ist unglaublich ansteckend.
    Ohne, dass du es beeinflussen kannst heben sich nun auch deine Mundwinkel zu einem fröhlichen Schmunzeln, als du die ergreifende Leidenschaft siehst, die von der jungen Frau ausgeht. Dein Fuß beginnt ohne dein Zutun zu zucken und du spürst am Rande deines Bewusstseins, dass dir das Wippen langsam in alle Glieder kriecht.
    Nun ist die Musikerin am zweiten Refrain angelangt und es gibt keine Grenze mehr für sie, die sie noch aufhalten kann. Einem Herbststurm gleich, der die bunten Blätter des Waldes zwischen den Baumstämmen umherjagt, fegt sie zwischen den Leuten hindurch, ohne auch nur einen der Menschen mit Instrument oder Körper zu berühren.
    Stattdessen berührt sie etwas Anderes in den Zuhörern, etwas viel tiefer Liegenderes, als Haut oder Knochen und lässt es durch die Töne des Liedes in jedem von ihnen widerschwingen.
    Keine Hand könnte diese Menschen jemals so berühren, wie es die Melodie der jungen Frau gerade tut. Ihre Bewegungen werden so zuverlässig von der Musik geführt, dass sie selbst blind mit niemandem zusammenstößt, während sie alles und jeden in völlige Ergebenheit einhüllt.
    Du weißt nicht, wie lange du ihr fasziniert und scheinbar ohne zu atmen mit den Augen folgst, bis das Lied sich schließlich langsam seinem Schluss entgegen neigt.
    Die Frau endet mit ihren Sprüngen, Pirouetten und Ausfallschritten auf der Bank neben ihrem Koffer und malt die letzten Töne in die regenklare Luft. Eine langgezogene Note zittert noch einmal klagend und dennoch wunderschön die breite Gasse entlang, dann ist es still. Nur das seichte Geräusch von einzelnen, hier und da abstürzenden Tropfen, unterbricht die Ruhe. Der Regen hat aufgehört. Angestrengt, schwer atmend und mit durchnässten Strähnen vor den Augen, die sich während der Jagd nach den Klängen aus ihrer Frisur gelöst haben, hebt sie behutsam die Lider.
    Ihr Blick huscht unsicher umher. Von einem Gesicht der fassungslosen Passanten zum Nächsten und zum Nächsten und zum Nächsten. Alles wirkt reglos, wie eingefroren. Nichts und niemand bewegt sich. Für einen Herzschlag kehrt die Unsicherheit mit aller Macht zurück, während jedes Augenpaar in Totenstille auf sie gerichtet ist. Ihr Lächeln verschwindet zusehends und wird von einem schweren Schlucken abgelöst, als sich etwas anderes ihrer Züge bemächtigt. Angst. Angst etwas falsch gemacht zu haben. Die aufkeimende Erkenntnis, dass es vielleicht nicht klug war, sich vor so vielen Leuten derart gehen zu lassen. Die Furcht vor Zurückweisung und Ablehnung. Ein Anflug von Panik zeichnet sich in ihrem Gesicht ab und ihre Freude verblasst dabei immer stärker.
    Doch ehe es soweit kommen kann, dass dieser magische Funke in ihr vollends erlischt, stehst du auf und klatscht. Erst langsam, dann immer ergriffener, schneller, lauter. Du legst die Finger in die Mundwinkel und pfeifst. Einmal und noch einmal und klatscht dann genauso eifrig weiter.
    Ihr Blick fällt verblüfft auf dich. Einen Augenblick lang weiß sie mit dem Geräusch und der Reaktion selbst nichts anzufangen, dann siehst du ein Blitzen in ihren grünen Augen und ihr Lächeln kehrt zurück. Dankbar, erleichtert und hundertfach glücklicher als zuvor. Doch nicht nur das. Andere Fußgänger erwachen durch die Unterbrechung aus dem Bann der Geigenspielerin und beginnen nun ebenfalls zu applaudieren. Sie pfeifen, sie jubeln und rufen, dass sie eine Zugabe wollen. Die Geräusche verschwimmen ineinander, überlagern sich und tosen gegen die grauen Fassaden der umstehenden Häuser, tauchen sie in Farben, die gar nicht existieren. Sturmflutartig brandet losgelöster Applaus der jungen Frau entgegen.
    Sie genießt es sichtlich, darin zu baden und sie hat es sich auch allemal verdient, davon umhüllt zu werden.
    Als sie sich schließlich in bester Musikantenmanier verbeugt und dann befreit aufatmend nach oben sieht, bricht die Wolkendecke über ihr auf, als hätte der Himmel seit Anbeginn der Zeit nur auf diesen einen Augenblick gewartet. Wie ein Scheinwerferlichtkegel wirft die Sonne beifallbekundend einen Strahl auf sie hinab.
    Der untere Teil einer nassen, zerbrochenen, facettierten Glasflasche, der ihr zu Füßen liegt, streut das Licht in allen Farben des Regenbogens und überzieht die Kulisse mit tausenden bunten Sprenkeln. Die Szene ist atemberaubender als alles, was dir jemals untergekommen ist und du würdest alles dafür tun, sie nicht enden zu lassen.
    Unvermittelt spürst du eine Hand auf deiner Schulter. Es ist dein Freund und er fragt, nein, er drängt dich regelrecht dazu, aufzustehen, sodass ihr euch endlich zu eurem verabredeten Termin aufmachen könnt. Die Zeit ist knapp.
    Du siehst ihn mehrere Augenblicke lang fragend an, bis dein in wunderbar weiche Watte gehüllter Verstand wieder im Hier und Jetzt ankommt und dir siedend heiß einfällt, weshalb du überhaupt hier gewartet hast. Ein kurzes Spitzeln auf deine Uhr verrät, dass ihr wirklich sehr spät dran seid. Ihr kommt vermutlich selbst dann nicht rechtzeitig, wenn ihr nun auf der Stelle loshetzt.
    Erneut fordert dich dein Freund zur Eile auf.
    Du bist schon im Begriff aufzustehen und gedanklich dazu bereit, in einen dynamischen Spurt zu verfallen, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen, da huscht dein Blick wieder zurück auf die umjubelte Violinistin. Du siehst sie glücklich in die Menge strahlen, in ihr eigenes Publikum, dass sich gerade neugierig um sie scharrt. Wie ein Honigkuchenpferd grinsend wischt sie sich eine tropfnasse blonde Strähne aus dem Gesicht und nimmt verlegen Komplimente entgegen. Dabei hält noch immer ihren Geigenbogen gefühlvoll in den Fingern - und du hältst plötzlich inne.
    Dir wird klar, dass du nun eine Entscheidung treffen musst. Und, dir fällt allerdings auf, dass du das gar nicht kannst. Die Entscheidung ist schon längst gefallen oder besser noch: getroffen worden – aber nicht von dir allein.
    Sachte streifst du die Hand deines Freundes von deiner durchnässten Schulter, mit der anderen tastest du nach den Holzbalken während du deine Violinisten nicht aus den Augen lässt. Wie in Zeitlupe setzt du dich wieder auf die nasse Bank. Ein Luftzug streift dich und Gänsehaut macht sich bemerkbar. Doch diese Gänsehaut rührt nicht allein von der Kälte, die dir in leichten Schauern über den Rücken rinnt.
    „Tut mir leid. Aber das muss heute ohne mich klappen“, antwortest du ohne aufzusehen.
    Dein Freund sieht dich verdutzt an, seine Stirn beginnt sich vor Unglaube zu runzeln, doch deine Rechtfertigung wird von einem freundlichen und ehrlichen Lächeln begleitet, als du ihn dann doch noch mit einem entschlossenen Blick verabschiedest.
    „Ich bleibe lieber noch ein bisschen hier.“

    Mein Gott. Ich liebe Sylvanas abgöttisch. Ihren Charakter, Ihre Lore, Ihre Synchronsprecherin, Ihr Kalkül, die Art und Weise wie verbittert und dennoch listig und entschlossen sie drauf ist... einfach alles daran ist PERFEKT. Und in diesem Cinematic gipfelt das alles noch mal.

    *Freudiges Fanboytränchen wegwisch*


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    Tach,
    ich fand Asnis Idee klasse, mal einen Sammelthread für interessante Kinotrailer ins Leben zu rufen. Da dieser sich jedoch allein auf Fantasy beschränkt und ich ein äquivalent für die restlichen Genre vergeblich gesucht habe, dachte ich, mache ich den einfach mal selber mal auf. Ich hoffe, den Mods wird das nicht zu unübersichtlich, daher verlinke ich den anderen Thread mal der Vollständigkeit halber.

    Fantasy-Film-Neuerscheinungen -Thread by Asni

    Wer also demnächst über Non-Fantasy-Filmtrailer stolpert, die er für sehenswert hält, darf uns hier gerne daran teilhaben lassen ^^

    [spoiler]
    Ein Film über das Leben Shakespears:

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    *

    Für alle, die sich schon mal gefragt haben, was in der Hitlerjugend eigentlich so alles los gewesen war:

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    Ich führe den Thread dann mal weiter - ich denke, Asni hatte das ja sowieso als Sammelthread im Kopf. :)8)

    Just in diesem Moment bin ich auf Youtube auf diesen Trailer gestoßen und... fand den ziemlich frisch. Auch die Animation ist gelinde gesagt: bombig.
    Ich könnte jetzt ein paar Zeilen hier auf virtuelles Papier interpretieren, aber an der Stelle finde ich, dass der Trailer sehr wohl für sich selbst sprechen kann.

    Weihnachtsfeeling incoming.

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    Tante Edith hat gleich noch einen gefunden:

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    War GRR Martin zu diesem Zeitpunkt am Drehbuchschreiben noch beteiligt? Ich dachte er hätte sich zurückgezogen, um mehr Zeit für die Bücher zu haben, ich bin mir allerdings nicht mehr sicher ab welcher Staffel, bzw. ab welcher Folge innerhalb einer Staffel David Benioff und D.B. Weiss da ihre Finger mit im Spiel hatten.

    Die beiden haben glaube ich ab dem Start der 7. Staffel den Fortgang der Serie komplett übernommen. Ich meine gehört zu haben, dass man mit GRRM noch ein wenig darüber geplänkelt hatte, in welche Richtung sich die Drehbücher bewegen könnten, die nun ohne seine Führung entstehen. Aber letztendlich kreidet man den beiden und nur den beiden den Ausgang der Serie an.