Beiträge von Everad im Thema „Ins Ungewisse“

    Noch immer hörte Etlor den Schrei in seinem Kopf. Er machte sich wirklich furchtbare Sorgen. Zwar hatte er einige Schwierigkeiten damit, den schnellen Schritten des Zwergs zu folgen, aber die Sorge trieb ihn unaufhörlich weiter. Iskossas Schrei schien jedoch das Gemüt der Käfer verändert zu haben. immer wieder schnappten sie nach dem Gewand des Mönchs oder stellten sich ihm in den Weg, sodass er immer häufiger von seinem Hammer Gebrauch machen musste. Dank Lyz' Hinweis war es jedoch deutlich einfacher, sich dieser Viecher zu entledigen.
    Schneller, jetzt bloß nicht müde werden, raunte der Zwerg und trieb so den Möncehn und das Mädchen weiter an.
    Gerade war der Gang dabei, eine Rechtskurve zu beschreiben, als der Zwerg unvermittelt stehen blieb, sodass Etlor beinahe in ihn hineingerannt wäre. Verwundert blickte sich Etlor um - und konnte auch sofort den Grund für die plötzliche Pause ausmachen. Vor den dreien bäumte sich ein besonders großes Exemplar dieser Käfer auf. Er war bestimmt 10 Fuß hoch und mindestens doppelt so breit und lang. Bei dieser Größe hatte das Ungetüm einige Mühe, sich in dem schmalen Tunnel bewegen zu können; Wenden kam für es nicht in Frage. Dennoch war es wohl bestens in der Lage, mit den riesigen Fangzähnen nach den den Neuankömmlingen zu schnappen.
    Zurück, brüllte Etlor, als er Lyz zur Seite stieß, sodass die beiden dem ANgriff nur um Haaresbreite entkamen.

    Die drei wagten sich die drei in den Tunnel. Umgeben von den Insekten und dicht aneinander gedrängt - Gorakh lief als erfahrenster Kämpfer an der Spitze - drangen sie immer weiter in das Gewölbe ein. Der Weg wurde mit der Zeit immer abschüssiger und die Luft kalt und feucht. Auch Licht war in diesem Gang Mangelware. Bald war es schwer, die eigene Hand zu erahnen.
    Etlor tastete deshalb noch einmal nach der Macht der Götter. Zwar war ihre Geduld vermutlich schon reichlich strapaziert worden, aber in ihrer unendlichen Güte ließen sie ihn gewähren. Er griff nach einem Räucherstäbchen in seiner Tasche und ehe man sich versah, blitzte es auf und verströhmte warmes, angenehmes Licht. Den Hammer in der einen und die Lichtquelle in der anderen stampfte Etlor vorwärts. Im Gegensatz zu den anderen, schien Gorah die Dunkelheit nicht gestört zu haben. Das war wohl noch so eine Eigenart der Zwerge.
    Ich brauche eine Pause, sagte Etlor als sie noch ein ganzes Stück weiter gelaufen waren. Meine müden Knochen müssen sich einen Moment erholen. Er lehnte sich an die Tunnelwand zu seiner Rechten und holte ein paar Mal Luft. Er hoffte inständig, dass diese Verzögerung Iskossa nicht in ernste Schwierigkeiten brachte.

    Langsam und äußerst schwerfällig richtete Etlor sich auf. Der plötzlich aufflammende Sceohmerz in seinem Bein ließ ihn für einen Moment sein Vorhaben überdenken, doch biss er die Zähne zusammen und widerstand der Versuchung, einfach liegen zu bleiben. Er sammelte Hammer und Schild auf, die nicht weit entfernt von ihm auf dem Boden lang und legte die wenigen Meter zu Lyz und Gorakh zurück.
    "Geht es euch gut?", fragte der alte Mann und musterte die beiden schnell auf der Suche nach schwerwiegenden Verletzungen, die sofort hätten behandelt werden müssen.
    Lyz schien einige kleinere Verletzungen zu haben. Blut an ihrer Hand deutete darauf hin. Da sie ihr Gesicht jedoch nicht vor Schmerzen verzog, entschied Etlor, dass es vorerst nicht behandelt werden musste. Der Zwerg hingegen machte einen völlig unverletzten Eindruck. Der Mönch hatte schon von der außergewöhnlichen Zähigkeit des kleinen Volkes gehört. Wie es schien, handelte es sich dabei also nicht um Märchen.
    Auf Lyz' Frage an den Zwerg wusste Etlor selbst keine Antwort und schwieg deshalb. Nach dem Aussehen des Maskierten zu urteilen, war er schon einige Male in gefährliche Situationen geraten und schien sie offensichtlich alle überlebt zu haben. Deshalb hoffte er, dass Gorakh bereits einen Plan hatte, der sie alle Wohlbehalten hier raus bringen würde.
    Erst jetzt viel es Etlor wie Schuppen von den Augen. Sie waren nicht vollzählig.
    "Wo ist Iskossa? Ich habe ihn beim Angriff aus den Augen verloren und seither nicht mehr gesehen." Sorge klang in seiner Stimme mit. Wenn der Krieger irgendwo anders festgehalten wurde, dann durften sie ihn unter keinen Umständen zurück lassen.

    Der Wahnsinn schien kein Ende nehmen zu wollen. Etlor lag auf bäuchlings auf der Erde. Er muss während desTransports das Bewusstsein verloren haben. Anders konnte er sic hnicht erklären, warum er keine Erinnerung daran mehr hatte, hier gelandet zu sein.
    Er richtete sich halb auf und erblickte Gorakh in einiger Entfernung, aber er war zu schwach, um näher an ihn heran zu kommen. Vielleicht war er für solche Unternehmungen einfach zu alt, dachte er.

    Schlagartig änderten die Trommeln den Rhythmus, deren dumpfes Hämmern über fünf Meilen weit zu hören sein mussten; er wurde schneller und aggressiver. Die Käfer, die nur wenige Schritte von ihm entfernt waren, begannen mit ihren Hinterbeinen, an ihren Panzern zu schaben. Das laute Rascheln verband sich mit den Trommeln zu einer unglücksverheißenden Melodie und Etlor wurde das Gefühl nicht los, dass er und seine Gefährten in eine furchtbar unglückliche Lage hineingeraten waren.

    Immer härter Wurde der Kampf gegen die Käfer. Kaum hatte Etlor einen von ihnen erschlagen, rückten mindestens drei nach. Dem alten Mann ging langsam die Kraft aus und er merkte, wie seine Glieder langsam träge, die Hiebe mit seinem Hammer immer unpräziser wurden. Bald würde er ihnen keinen Widerstand mehr leisten können.
    Während einer besonders großen Welle der Käfer hatte er Lyz wieder aus den Augen verloren, aber er wagte es nicht, noch einmal die Güte der Götter herauszufordern; vermutlich hatte er sie bereits überstrapaziert, denn er spürte ihre Nähe deutlich schwächer als sonst.
    Eines der Insekten rammte seine Fangzähne in Etlors Kniekehle, sodass er laut aufstöhnte und zu Boden ging. Entgegen seiner Erwartung machten sich die Krabbeltiere nicht sofort daran, ihn genüsslich zu verspeisen, sondern machten sich daran, den Mönch auf ihre Rücken zu laden. Ehe sich dieser versah, wurde er auch schon auf dem Rücken liegend davon getragen.
    Die Chitinpanzer waren recht unbequem und Etlor wurde durch die ruckartigen Bewegungen seines Trägers durchgeschüttelt. Dadurch nahm der Schmerz in seinem Bein weiter zu. Er vermutete, dass einige Sehnen durch den Angriff verletzt worden waren, da die Bewegung des Beines eingeschränkt war. Hoffentlich waren die Bisse dieser Insekten nicht giftig. Schmerzerfüllt fuhr seine Hand zu der klaffenden Wunde. Er schloss die Augen und hoffte, dass die Götter ihn erhören würden. Ein leichtes Schimmern ging von seiner Hand aus und der Schmerz ließ allmählich nach. Auf mehr konnte der Mönch auch nicht hoffen; ihm fehlte die Kraft, um die Verletzung zu heilen.
    Er sah zum Himmel auf, doch das Geäst von kleinen recht kümmerlich aussehenden Bäumen versperrte ihm immer wieder die Sicht. Wo tragen sie mich nur hin? Schon längst hatte er die Orientierung verlorenen. Allerdings keimte auch Hoffnung in ihm auf. Wenn er nicht von den Käfern getötet wurde, dann erging es seinen Kameraden mit etwas Glück ganz ähnlich. Vielleicht wurden sie sogar zum selben Ort gebracht und könnten sich dort wieder sammeln. Jedoch drückte eine Überlegung die Hoffnung schnell wieder in die hinterste Ecke seines Verstandes. Nur weil er noch nicht tot war, bedeutete das ja nicht, dass dieser Zustand auch lang andauern würde ...

    Etlor wurde immer weiter von der Gruppe abgedrängt. Mit Mühe schaffte er es, den Schild auf seinem Rücken von dem Gurt zu befreien. Mit Hammer und Schild schlug er um sich, doch konnte er den Ansturm nicht aufhalten. Zudem machte sich recht schnell Erschöpfung in ihm breit, war der Mönch doch nicht mehr der Jüngste.
    Er hörte Lyz' Schrei, doch konnte er sie nicht mehr in den Massen aus Insekten ausmachen. Wütend zerschlug er einem der Bestien den Schädel. Er wusste, das er diesen Kampf nicht lange mehr führen konnte; seinen Kameraden erging es wohl nicht anders. Sein Arm schmerzte von dem Biss. Dann verlor er den Halt, stürzte auf mehrere Käfer, die ihn wegtragen zu wollen schienen.
    Iskossa! Gorakh!“, schrie Etlor. Wo seid ihr?
    Der Mönch sandte ein Stoßgebet zu den Göttern, auf das sie diesem Treiben ein Ende bereiten würden, aber nichts geschah. In seiner Verzweiflung sah er nur einen Ausweg. Er wusste, dass die Götter zornig werden würden, aber er hatte doch letztlich keine Wahl.
    Es gelang ihm, sich seitlich von dem Käfer abzurollen, sodass er in dem dreckigen Morast landete. Schnell richtete er sich auf und beschwor, wie schon einmal in dem Gasthof, die Kraft der Götter in sich herauf. Er spürte die Wärme, die ihn zuversichtlich stimmte und Hoffnung spendete. Er versenkte seinen Hammer in einem Käfer, um gleich darauf seine Hand nach vorn auszustrecken. In dem Bruchteil einer Sekunde entließ er die göttliche Kraft, die er in sich gesammelt hatte, in Form eines gleißenden Strahls aus Feuer, der sich vor ihm ausbreitete.
    Etlor wusste, dass er er die Käfer damit nicht aufhalten konnte, aber das hatte er auch gar nicht beabsichtigt. Wie erwartet wichen die Biester zurück und eröffneten ihm eine Gasse. Er schnappte sich seinen Hammer und rannte hindurch, solang sie noch offen frei war. Er hatte Glück: er fand das Mädchen, dass am Boden lag und sich im verbitterten Kampf mit den Insekten befand. Dennoch konnte er Gorakh und Iskossa nicht finden, aber er hoffte, dass sie sich allein zur Wehr setzen konnten. Kaum war der Strah aus heiligem Feuer verschwunden, rückten die Käfer wieder nach. Er schlug einen davon mit dem Hammer von Lyz hinunter, sodass sie wieder aufstehen konnte. Dennoch blieb keine Zeit zum Verschnaufen.
    Geht es dir gut“, fragte er zwischen zwei Hieben. „Weißt du, wo die anderen sind.
    Eltor machte sich wirklich sorgen. Immerhin hatte er Lyz gefunden, aber der Elf und der Zwerg waren irgendwo dort draußen. Sie mussten sich so schnell wie möglich wieder vereinen.

    Aasfresser also“, sagte Etlor nachdenklich. Er konnte solchen Wesen einfach nicht das geringste abgewinnen. Sie lebten vom Tod, so ironisch das klingen mag. Zwar tut das in gewisser Weise sehr viele Tiere, selbst Hunde und Katzen, aber Aasfresser machen sich nicht einmal die Mühe, ihre Mahlzeit selbst zu erlegen. „Und Ihr seid Euch sicher, dass von ihm keine Gefahr ausgeht?
    Beim genaueren Betrachten des Tieres vielen ihm die kleinen Widerhaken an den Mundwerkzeugen auf.
    Kommt es denn auch manchmal vor, dass Aasfresser sich doch selbst um ihre Beute kümmern? Diese Widerhaken dort sehen mir nicht danach aus, nur zum Zerlegen von Kadavern verwendet zu werden.“
    Der Priester war gerade aufgestanden, um das Insekt genauer zu untersuchen, als ein erneutes Rascheln – diesmal selbst für seine Ohren laut genug – zu hören war. Er drehte sich um, konnte jedoch nur den Hinterleib eines weiteren Tieres ausmachen, ehe es im Dickicht verschwand.
    Langsam wanderte seine Hand in Richtung seines Kriegshammers. Die Situation machte ihn äußerst nervös, obwohl er sich eigentlich zu den ruhigen Artgenossen zählte. Kaum hatte er den Hammer ergriffen, flog ihm plötzlich ein dunkler Schatten, den er nur aus seinem Augenwinkel gesehen hatte, von einem Busch zu seiner Rechten entgegen. Im letzten Moment gelang es ihm, seinen Hammer zu heben, dann wurde er auch schon getroffen.
    Es war das gleiche Insekt, dass der Zwerg zuvor getötet hatte, nur eben noch am Leben. Mit seinen vielen Beinen klammerte es sich am Schaft des Hammers fest und versuchte, mit den Mundwerkzeugen ähnlich großen Zangen seiner Habhaft zu werden. Eine erwischte Ihn am Arm und die Widerhaken bohrten sich wie kleine Messer in sein Arm. Etlor stöhnte auf und stolperte rückwärts, ehe es ihm gelang, das Vieh mit einem Ruck von sich zu werfen. Im Bruchteil einer Sekunde rappelte es sich wieder auf und verschwand im Gebüsch. Erst jetzt merkte Etlor, dass die Reisenden von einem wahren Konzert aus raschelnden Blättern umgeben waren.
    Ich fürchte, wir sind hier nicht mehr sicher“, stellte er geistreich fest; zu mehr war er gerade nicht in der Lage.

    Etlor blickte das Lebewesen an, dass Gorakh erlegt hatte. Aufgrund seines Alters waren seine Ohren viel zu schlecht gewesen, um dass Tier im Gebüsch auszumachen.

    "Ich weiß nicht, wie es mit euch aussieht, aber ich kenne mich mit der Flora und Fauna hier nur unzureichend aus. Um welches Wesen handelt es sich hier?", frage er in die Runde. Es waren die ersten Worte, die seid der langen pause nach ihrer Flucht wieder gewechselt wurden und Etlor hoffte inständig, dass das die Gespräche wieder ind Gang bringen würden. Wenn Gefährten sich aufgrund mangelnder Kommunikation nicht kennen und deshalb auch nicht vertrauen, dann könnte das zu gefährlichen Situationen führen, die Etlor nur zu gern vermeiden wollte.

    Etlor hörte dem Zwerg aufmerksam zu. Offensichtlich schien er keine bösen Absichten gehabt zu haben. Wirklich mögen tat Etlor ihn zwar noch immer nicht, aber zumindest war er nun nicht mehr so abweisend.

    "Mein Name ist Etlor. Offensichtlich hat das Schicksal uns zusammen geführt. Ich frage mich, wleche Pläne die Götter noch für uns bereit halten."

    Wie die anderen bewegte Etlor sein Tier zu der Stelle, auf die Iskossa gedeutet hatte. Dort angekomen, stieg er von seinem Pferd ab und sah sich für einen Moment um. Sie waren dem Sumpf etwas näher gekommen. Er hatte diese Gegend wenig bereist, kannte sich dementsprechend nicht allzu gut in der Gegend um Lyradha aus. Dennoch schien es für ihn am sinnvollsten, sich einen Weg durch den Sumpf zu suchen. Ohne Wasservorräte und ausreichend Verpflegung würden sie es nicht lang in der Wüste aushalten.

    "Ich denke, wir sollten zuerst entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Da stimmte ich Lyz vollkommen zu. Wir haben kaum Vorräte, unsrere Tiere sind müde, ebenso wie die Reiter. Zurück können wir nicht mehr, doch wohin sollen wir gehen? Wir haben also Einiges zu klären."

    Sie hatten es geschafft; zumindest für den Moment. Als langsam Ruhe eingekehrt war, befand Etlor, dass es nun Zeit für offene Worte war. Also passte er die Geschwindigkeit seines Reittieres an das Tempo des Zwergs an.

    "Nun, werter Herr Zwerg. Darf ich fragen, wie es zu dieser doch recht unangenehmen Situation kam?", fragte der Mönch. "Nicht, dass wir nur überstürzt die Stadt verlassen haben, nein, wir werden nun vermutlich auch noch von der Stadtwache wegen des Angriffs auf einige Gardisten gesucht. Erklärt Euch!"

    Etlor musste zugeben, dass er den Zwerg nicht leiden konnte, obwohl er ihn kaum kannte. Die ein oder andere Geschichte, die über er über das kleinwüchsige Volk gehört hatte, mag sicherlich zu dieser Abneigung beitragen. Dennoch wollte er ihm die Chance geben, sein Handeln zu erklären. Mönche sollten schließlich nicht vorschnell urteilen.
    Dabei sah er sich nach einem geeigneten Rastplatz um, konnte ihn jedoch nicht finden. Die Gruppe würde eine Entscheidung treffen müssen. Wollen sie sich eher dem Supfgebiet oder doch lieber der Wüste zuwenden. Diese Frage hätte aber erst einmal noch Zeit.

    Etlor sah sich um. ncoh waren nicht viele Soldaten der Stadtwache da, aber das würde sich mit Sicherheit bald ändern.

    "Dann schnell. Wir sollten keine Zeit verlieren."

    Er ergriff die Zügel des Tieres, das Iskossa ihm besorgt hatte. Er musterte den Zwerg noch einmal misstrauisch, ehe er sich auf den Sattel schwang. Derweilen waren vielleicht fünf Soldaten auf die Mauer geeilt; vier weitere näherten sich aus den Gassen. Er ließ die Zügel schnalzen und das Tier setze sich träge in Bewegung. Etlor drehte sich noch einmal um, um sicherzugehen, dass die anderen sich auch bereits aufgemacht haben.
    Sein Pferd wurde immer schneller, das Tor war schon fast erreicht. Dann nahm er aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung war; eine der Stadtwachen stürmte auf der Mauer der Seilwinde entgegen, die das Eisengitter des Tores steuerte. Sollte der Soldat diese erreichen, bevor die Gefährten das Tor passiert hätten, wären sie gefangen. Etlor blickte gehetzt zurück und verlangte seinem Reittier alles ab.
    Zu allem Überfluss spannte einer der Soldaten, die aus Gassen gerannt kamen, eine Armbrust.

    "Achtung!", schrie Etlor.

    Schon betätigte der Soldat den Abschussmechanismus und schickte den Bolzen auf seinen Wag.

    Etlor dachte bis jetzt immer, dass alle dem Geruch von Räucherstäbchen nicht widerstehen könnten, aber da hatte er sich wohl geirrt. Er musste nur in die verzogenen Gischerter seiner Gefährten schauen und wurde eines anderen belehrt. Dennoch hoffte er, dass zumindest die beabsichtigte Wirkung eintreten würde.

    Als nun auch ein Zwerg auftauchte, der offensichtlich ein kleine Meinungsverschiedenheit mit der Stadtwache hatte, war Etlor für einen Moment überfordert. Er musterte den Neuankömmling misstrauisch und wusste nicht recht, ob er versuchen sollte, ihn aufzuhalten. Schließlich war er möglicher Weise ein Verbrecher und solche Menschen konnte und wollte Etlor nicht mit ihren Untaten durchkommen lassen.

    Dennoch wusste er nicht, was dieser Situation vorausgegangen war, weshalb er vorerst abwarten wollte. Seine Hand bewegte sich dennoch langsam in die Richtung seines Streithammers, der noch immer an seiner rechten Seite baumelte, um ihn im Notfall schnell zur Hand zu haben.

    Etlor holte die Räucherstäbchen heraus, die er erworben hatte, und kniete sich auf den Boden. Dann begann er, leise ein Gebet vor sich her zu murmeln. Augenblicklich begann das Stäbchen in seiner Hand zu qualmen und ein leichter, angenemer Duft verbreitete sich. Er schwänkte den Stab ein wenig in der Luft, ehe er ihn auf jedes Mitglied der kleinen Gruppe richtete und "Mögen die Götter über dich wachen", sprach.
    Dieser Segen war mit keinem Schutzzauber zu vergleichen, aber auch er hatte eine besondere Wirkung. Er würde den Reisenden Mut und Zuversicht in schwierigen Sitationen verleihen und ihnen einen klaren Kopf schencken.
    Nachdem das Ritual beendet war, stand Etlor wieder auf und sah freundlich in die Runde.

    "So meine Freunde! Ich denke, dass wir nun alles erledigt haben und endlich unsere Reise antreten können. Ich bin schon gespannt, wohin uns unsere Füße tragen werden."

    Etlor überraschte langsam gar nichts mehr. Er hatte in so kurzer Zeit neue Menschen kennengelernt, da machte einer mehr auch keinen Unterschied. Interessiert musterte er das Gesicht des Neuankömmlings.
    „Seid gegrüßt. Ich bin Etlor,“ begrüßte er ihn freundlich. „So unhöflich ich mir auch vorkomme, muss ich gestehen, dass auch ich einige Besorgungen zu machen habe. Bitte entschuldigt mich.“
    Es war wohl tatsächlich recht unhöflich, den Fremden einfach stehen zu lassen, zumal Lyz auch schon verschwunden war, aber anderthalb Stunden waren nicht viel Zeit.
    Schnellen Schrittes entfernte sich Etlor von den Dreien, und bog in eine kleine Gasse voller Marktstände ein. Sie war sehr schmal und voller Menschen, sodass er immer wieder mit anderen Leuten zusammenstieß. Mit seiner Rechten umschloss Etlor deshalb seinen Geldbeutel, um so seine wenigen Münzen vor möglichen Taschendieben zu schützen.
    Schon bald machte Die Gasse eine scharfe Kurve nach links. Er folgte ihr weiter und fand bald einen Stand, der die benötigten Kräuter verkaufte. Er kaufte dort einen kleinen Beutel voller Graublatt, ein Kraut, das Wunden hervorragend reinigen konnte. Dafür musste man es in heißem Wasser kochen, bis dieses sich grünlich färbt, ehe man es in wieder erkaltetem Zusand über die Wunde goss.
    Als er gerade die drei Goldmünzen, ein wirklich dreister Preis für diese Menge, in die Hand des Verkäufers legte, vielen ihm die zu Bündeln gebundenen Räucherstäbchen auf. Kurzerhand kaufte er gleich drei davon. Er hatte nicht erwartet, dass er an einem solchen Ort welche finden würde, war darüber aber überglücklich. Mit diesen Stäbchen konnte er seine Meditation noch vertiefen.
    Mit nahe zu leerem Geldbeutel tauchte er wieder in das Menschengewirr ein und machte sich langsam auf den Weg zum Haupttor, denn die Zeit verstrich schnell und er war auf seiner Suche nach den Kräutern noch weiter von dem Tor entfernt. Hoffentlich würde er sich nicht allzu sehr verspäten.

    „Ich denke, dass ich auch die Stadt verlassen sollte, am besten noch heute.“, antwortete Etlor auf Lyz Frage. „Solltet Ihr also meiner Gesellschaft noch nicht überdrüssig geworden sein, so würde ich Euch gern weiterhin begleiten. Vorher habe ich aber noch einige Besorgungen hier zu machen. Ich hoffe, dass es hier wenigstens einen vernünftigen Kräuterhändler gibt, aber je länger ich mich an diesem Ort aufhalte, desto stärker bezweifle ich es.“
    Während Etlor sprach, wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Er blickte sich vorsichtig um, aber konnte niemanden erkennen, der ein Auge auf die kleine Gruppe geworfen haben könnte. Diese Tatsache beunruhigte ihn. Hatte er vielleicht doch zu viel Aufmerksamkeit erregt? Haben seine ehemaligen Widersacher noch immer nicht aufgegeben und ihren Hass überwunden? Ist vielleicht einer von ihnen hier in Lyradha?
    All diese Fragen schossen ihm durch den Kopf und er beschloss, ab jetzt vorsichtiger zu sein. Er wusste nicht, mit welchen falschen Göttern sich seine Feinde eingelassen hatten und wollte deshalb um jeden Preis ein zusammentreffen vermeiden.
    Auf seinen Reisen hatte er davon gehört, dass ganze Klöster von einer Sekte zunichte gemacht wurden waren, die sich im Schatten der Lügen und Hinterlist verbarg. Sollten das tatsächlich Etlors ehemaligen Brüder und Schwestern gewesen sein, zu war es eine weise Entscheidung gewesen, den Orden zu verlassen. Etlor würde sich nämlich niemals irgendwelchen falschen Göttern hingeben; davon war er zumindest überzeugt.
    „Und wie sieht es mit Euch beiden aus?“, fragte Etlor Iskossa und Jaldar, um sich von seinen dunklen Gedanken abzulenken.

    "Die Macht der Götter umgibt mich", antwortete Etlor auf die Frage Iskossas.
    Gerade wollte er zu weiteren erklärenden Worten ansetzen, da stürmte Lyz wütend aus dem Wirtshaus. Der Mann, der vorher die Leiche geschändet hatte, begleitete sie, doch schien ihr das wenig Freude zu bereiten. Etlor verspannte sich, aber nach genauerer Betrachtung des Fremden, entschied er, dass er keine Gefahr darstellte. Er stand aufrecht und entspannt dar, kein Anzeichen für ein geplanten Angriff. Es schien, als wäre Lyz kurz davor Dem Mann, der Jaldar hieß, den Schädel einzuschlagen, als er seine Ausführungen beendet hatte. Sie war recht impulsiv und kaum zu beruhigen.
    Etlor wusste nicht recht, was er von Jaldars wünsch halten sollte. Obwohl Etlor schon viele Menschen getroffen hatte, konnte er ihn genauso wenig wie Iskossa einschätzen, was ihn ein wenig beunruhigte. Wenn jemand seine Emotionen so gut verbergen konnte, dann ist er mit großer Wahrscheinlichkeit schon häufig in Schwierigkeiten gewesen. Das wiederum könnte sich jedoch in der Tat als nützlich erweisen.
    "Erst einmal freut es mich, Euch kennenzulernen, Jaldar. Ich bin Etlor." Er hoffte, dass er so die angespannte Situation etwas vereinfachen konnte. "Ich schlage vor, dass wir uns alle beruhigen und unnötige Provokationen oder Wutausbrüche vermieden." Dabei schaute er Jaldar ins Gesicht und hoffte, dass auch Lyz ihn gehört hatte.
    Sollte Jaldar sie wirklich begleiten - dagegen hatte Etlor zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nichts einzuwenden - dann würden sich beide zusammenreißen müssen. Permanenten Streit konnte er nämlich auf Dauer nicht aushalten.
    "Von mir aus", sagte Jaldar, blickte sich dabei aber noch einmal zu Lyz um.
    "Gut, dann können wir jetzt ja in aller Ruhe über Eure Bitte sprechen."

    Etlor verließ schnellen Schrittes das Wirtshaus. Er hatte für den Verstorbenen gebetet, obwohl er versucht hatte, sie zu töten, und konnte nur noch hoffen, dass die Götter gnädig mit ihm waren. Auch wusste er, dass er die Mensch hier nicht ändern konnte, dass sie letztlich doch nur um ihr Überleben kämpften. Dennoch wollte er nicht mit ansehen, wie der Tote seiner Habseligkeiten beraubt wurde, auch wenn er sie nicht mehr brauchte.
    Vor dem Wirtshaus stand Iskossa. Er schien recht verstreut. Offensichtlich war ihm sein handeln unangenehm, aber Etlor wusste nicht, warum er sich schämen sollte. Wer weiß wie wit es gekommen wäre, hätte Iskossa sie nicht beschützt? Etlor ging auf den Krieger zu, ließ dabei aber seine Umgebung nicht aus den Augen; bereits zweimal hatte es einen Mordanschlag gegeben, und vielleicht folgte noch ein weiterer.
    „Geht es Euch gut, mein Freund?“, fragte Etlor. „Falls Ihr euch unwohl fühlt, so wisset, dass Euch keine andere Möglichkeit blieb. Ich bin mir sicher, dass die Götter keinen Zorn Euch gegenüber hegen, und wenn doch ... Nun, dann sind es wohl keine Götter.“
    Etlor hoffte, dass seine Worte ein wenig Trost spendeten, doch wusste er nicht, an welche Götter Iskossa glaubte; vielleicht glaubte er auch an gar keine.
    „Ich denke, Ihr habt recht. Wir sollten wohl tatsächlich vorerst zusammen arbeiten und ich halte es für das Beste, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Nachdem unsere junge Freunden zu uns gestoßen ist, sollten wir aufbrachen.“
    Etlor kam dieser Gedanke nicht ungelegen. Der zweite Anschlag zeigte ihm, dass er nicht hier sein sollte. Etwas stimmte mit diesem Ort nicht. Er hatte schon viele Plätze auf seinen Reisen gesehen, doch hatte er das Gefühl, als wäre dieser Ort tatsächlich gottlos. Es viel ihm schwer seine Mitte zu finden, aber er wusste, dass sie ihn niemals verlassen würden.

    So saßen die drei also wieder zusammen an einem Tisch. Es war eine recht ungleiche Truppe, aber dennoch spürte Etlor, dass er sich auf die beiden verlassen konnte; sei es nun göttliche Vorsehung oder einfach nur seine Menschenkenntnis.
    "Danke der Nachfrage", antwortete er auf die Frage von Iskossa. "Ich hatte eine recht ruhige Nacht. Ich hoffe, dass es euch auch so ergangen ist."
    Danach wandte er sich an Lyz: "Und, hattet ihr auch eine erholsame Nacht?"
    Das Frühstück gefiel ihm so gut, dass er kurz davor war, sich noch eine weitere Portion zu bestellen, aber er zügelte sein Verlangen. Schließlich hatte er schon einige Winter hinter sich, und es wurde mit der Zeit immer schwerer, sich in Form zu halten. Ein zu ausgiebiges Frühstück könnte ihm dort schon ein Strich durch die Rechnung machen.
    "Ich werde wohl heute noch, entgegen meiner ursprünglichen Pläne, die Stadt wieder verlassen. Vorher werde ich jedoch noch einige Vorbereitungen machen müssen. "
    Etlor hatte am gestrigen Abend einige Aufmerksamkeit erregt, zu viel für seinen Geschmack. Zwar ist schon einige Zeit vergangen, seitdem er das Kloster verlassen hatte, doch wusste er nicht, ob ihm vielleicht Leute auf den Fersen waren, die ihm noch immer Schaden wollen. Auf seinen Reisen fand er dafür zwar keine konkreten Beweise, aber er hatte sich geschworen, vorsichtig zu sein.
    Er löste sich wieder von seinen Gedanken. Die beiden anderen genossen ebenfalls ihre Malzeit.
    "Und wie habt ihr vor, diesen wunderbaren Tag zu verbringen?", fragte Etlor in die Runde.
    Im Gegensatz zu ihm, schien Lyz nicht so motiviert zu sein. Vielleicht lag es ja auch schlichtweg an der frühen Tageszeit. Die Sonne war zwar schon aufgegangen, doch würden noch einige Stunden bis zum Mitttag vergehen. Nicht alle waren dann schon munter auf den Beinen.

    Etlor konnte sich nicht beklagen, sein Schlaf war echt erholsam. Langsam erhob er sich und schaute durch das kleine Fenster. Die Sonne war gerade dabei, ihren mühsamen Aufstieg zu beginnen. Die Stimmen der Vögel vereinten sich zum Orchester. Etlors Laune konnte nicht besser sein. Bevor er damit begann, sich sein Gewand umzuwerfen, kniete er sich auf den Boden, wie am Vorabend auch, und betete zu den Göttern. Und bat sie um einen erfolgreichen Tag und innere Kraft, damit er mit Zuversicht den bevorstehenden Aufgaben entgegentreten konnte.
    Nachdem er sich bekleidet hatte, verließ er das Zimmer und betrat die Wirtsstube. Der Wirt war, ebenso wie einige andere Gäste, bereits auf und begrüßte ihn freundlich. Etlor erwiderte den Gruß und bestellte eine Scheibe Brot und einen Becher Milch. Er ging zu seinem Stammplatz hinüber, stellte sein Frühstück auf den Tisch und begann herzhaft in das Brot zu beißen. Es musste frisch vom Becker sein, denn es war noch warm. Etlor schaute sich ein wenig um und betrachtete die anderen Gäste. Man konnte schließlich seit dem Vorfall am gestrigen Tag gar nicht vorsichtig genug sein.
    Ein Mann mit schulterlangen weißen Haaren, faltigem Gesicht und einem trüben Auge blickte ihn verstohlen an und wandte sich sofort ab, als er Etlors Blick bemerkte. Er muss wohl die gestrige Vorstellung mit angesehen haben. Auch Etlor wandte sich wieder ab und blickte aus dem Fenster, während er sich weiter über seine Mahlzeit hermachte.

    Etlor hatte gar nicht gemerkt, dass der Fremde während des Tumultes zu ihnen gestoßen war. Das Angebot eines Bieres nahm er dankend an und setzte sich wieder an den Platz, an dem er immer gesessen hatte. Lyz hatte sie schon verlassen. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihm nichts vormachen; ihre Wortwahl verrät sie. Sie ist kein Mädchen, das auf der Straße gelebt hatte, sondern sie muss bei einer recht ansehnlichen Familie aufgewachsen sein, da war Etlor sich ganz sicher.
    Ungleich schwerer fiel es ihm jedoch, seinen Gegenüber einzuschätzen. Er verriet auch durch seine Körperhaltung nur wenig über sich. Er musste ziemlich diszipliniert sein.
    „Ich danke euch für das Bier, aber nun ruft auch mich der Schlaf. Ich hoffe, wir werden noch einmal das Vergnügen haben,“ sagte Etlor. „Wenn ich mich recht entsinne, habe ich mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Etlor. Ich wünsche euch noch eine angenehme Nacht.“
    Er hob seinen Krug und nahm den letzten Schluck. Dann erhob er sich und ging zu seinem Zimmer. Es war recht klein und nur spärlich eingerichtet, aber Etlor war sehr damit zufrieden. Doch bevor er sich ins Bett begab, kniete er sich auf den Boden und sprach seine Gebete. Er dankte den Göttern für den Tag und, dass sie ihm die Möglichkeit gaben, Lyz zu retten.
    Dann legte er sich in sein Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf.