Beiträge von TiKa444 im Thema „Die Erforschung der Weißen Ruinen“

    Schuldgefühle nagten an Mithril. Er saß auf einem der erstaunlich bequemen Betten, die in dem Höhlenraum standen, der ihnen zugewiesen worden war. Grundsätzlich war es für ihn kein Problem eines dieser Biester zu erledigen und sie hatten ihm während ihrer kurzen Bekanntschaft nicht gerade viel Grund zur Sympathie gegeben, aber dieses Wesen war doch hilflos gewesen und hatte ihnen persönlich nichts getan. "Es war notwendig", sagte sich Mithril und versuchte sich zusammen zu reißen. Dennoch blieb das Gefühl in ihm zurück etwas falsche getan zu haben. Die anderen beiden, die auf ihren eigenen Betten saßen - Mithril fragte sich wieso die Shinzik überhaupt einen solchen Raum hatten - schienen ebenfalls etwas zerknirscht. Selbst Tepsrak, der wieder die Gestalt eines Menschen, oder zumindestens dem was dem Nahe kam, angenommen hatte, betrachtete nachdenklich seine Hände. Es war Morgen, jedenfalls in Mithrils Vorstellung, da sie geschlafen hatten, und draußen herrschte geschäftiges Treiben. In diesem Moment öffnete jemand die Tür. Ein junger Shinzik trat in den Raum. "Kommt mit", sagte er. Tepsrak, der wieder seine andere Gestalt angenommen hatte, knurrte. Seufzend erhob sich Mithril und folgte der Echse und Tara aus der Tür. Tepsrak verließ den Raum als letztes auf leisen Tatzen, was wohl hieß, dass niemand die Tür schließen würde. "Was denkst du haben sie vor", fragte Tara, die sich zu ihm hatte zurückfallen lassen. Mithril schüttelte nur hilflos den Kopf. Sie wurden durch verschiedene Tunnel geführt, es mussten hunderte verschiedene sein, und Mithril begann sich zu fragen, wie zum Teufel diese Biester sich in diesem Labyrinth zurechtfinden konnten. Er tastete mit der Hand nach seinem Schwert. Beruhigend fühlte er nach dem Stoff, das den Griff umwickelte. Seltsam nur, dass sie ihre Waffen tragen durften, aber vermutlich machte das bei ihrer bloßen Anzahl keinen Unterschied. Nach einigen Minuten und etlichen weiteren Tunnel gelangten sie in einen großen weitläufigen Raum. In der Mitte war er frei, doch die Seiten stiegen zu den Wänden hin an. Dort reihten sich Sitze auf denen hunderte von Shinzik saßen. In der freien Mitte standen 5 der Echsen, die in voller Rüstung und mit verschiedenen Waffen dastanden. Schwerter, Dreizacke, Äxte, Speere und Netze. Es waren besonders große Exemplare. Die drei traten in den freien Bereich, während ihr Begleiter zurückblieb. Die Shinzik auf den Rängen gröhlten. Die Echsen vor ihnen hoben ihre Waffen als wollten sie sie grüßen. Ein Gruß an ihre Kontrahenten. Sie waren in einer Arena.

    "Wiessso habt ihr uns gefangen genommen", fragte Mithril und konnte gerade noch verhindern, sich auf den Mund zu schlagen, als er bemerkte, dass er das lange "s" der Schlangenmenschen nachgeäfft hatte. Diese Mischung aus Zischen und Sprachen war verwirrend. Der Schlangenmensch schien es jedoch nicht bemerkt zu haben, oder es zumindest zu ignorieren. "Ihr sssseid in unsssserem Hoheitsssgebiet", antwortete die Schlangenstimme, "Ohne unsss um Erlaubnisss zu bitten." "Wie es Vaunir und Martha getan haben", ergänzte er und verlagerte sein Gewicht aufs andere Bein. So langsam wurde er unruhig. Er wollte etwas tun, zum Beispiel die Gastfreundschaft der Shinzik auf die Probe zu stellen, indem sie ihren Anführer töteten und dann flohen. Aber so einfach würde es nicht werden. Im Felsenkessel, waren sie zwar allein, aber nur ein Gang führte nach draußen und der war vermutlich dunkel, lang und voller Reptilien. Außerdem, hatte der Shinzik Antworten versprochen und Antworten konnten sie alle vermutlich ganz gut gebrauchen. Immerhin waren sie noch nicht tot. vermutlich, weil der Shinzik auch von ihnen Antworten haben wollte, welche sie auch immer geben könnten. "Eure Freunde haben eine andere Abmachungen mit uns getroffen", erwiderte der Schlangenmann geheimnissvoll. "Das sind nicht unsere Freunde", warf Mithril ein. Die anderen mochten ihm Blicke zuwerfen, doch er spürte wie der Zorn sich in ihm regte. Ihm war es immer schon schwer gefallen andere einzuschätzen, aber dumm war er nicht. Bei Martha war selbst er misstrauisch geblieben, aber das Vaunir, von dem er immerhin gedacht hatte ihn ansatzweise zu kennen, sie verraten hatte, machte ihm zu schaffen. "Wieder einer zuviel, dem du vertraut hast", sagte eine Stimme in seinem Kopf. Konnte er sich überhaupt einem seiner Gefährten sicher sein. "Aber ihr habt doch bessstimmt noch andere Fragen", schob der Shinzik nach, "Bevor ich die meinen stelle." Er hatte Recht. Mithril hatte noch eine Menge. "Was habt ihr mit uns vor", stellte er die erste und vermutlich wichtigste. Was nutzten ihm Antworten, wenn sie in den letzten drei Minuten seines Lebens gegeben wurden. Vielleicht hatte er ja auch Glück und es blieben ihm immerhin zehn. Der Shinzik verzog das Echesngesicht zu einem Lächeln, was schwierig war, was jedoch kühl so gar nicht freundlich oder Humorvoll wirkte. "Du meinssst, wenn ihr alle eure Antworten habt und ich meine", fragte der Shinzik und legte den Kopf schief, als frage er sich etwas, "Dassss hängt ganz von euch ab."

    Als die Sonne die ersten Strahlen auf das von Tau schimmernde Gras warf, war Mithril überrascht, dass er noch lebte. Der Abend mit dem unbekannten bedrohlichen Volk, ihrer insgesamt immer noch hilflos aussichtslosen Lage und der Tatsache, dass sie gezwungen waren zu vertrauen, wo Vertrauen nicht begründet war hatte ihn glauben lassen es sei sein letzter, auch wenn er sich dies gestern noch nicht eingestanden hatte. Umso besser war es jetzt aufzuwachen und den Blick durch die Baumwipfel schweifen zu... Was war das? Ein Schillern von Sonnenstrahlen, die sich auf etwas in der Baumkrone einer großen Eiche spiegelten. Er setzte sich ruckartig auf, was die anderen, die genau wie er soeben erwacht waren, mit Ausnahme der alten Frau, die noch immer auf dem Boden schlief, dazu verleitete ihm verwirrte Blicke zu zuwerfen. Ein lautes Rascheln, begleitet von mehreren dumpfen Aufprällen erklang aus dem nahen Dickicht zwischen den Bäumen. Es wäre in der Tat auch zu schön gewesen. An den Orten der Geräusche traten nun, die Speerspitzen voraus Wesen hervor, die der Beschreibung nach nur Shinzik sein konnten. Sie hatten echsengleiche Köpfe und ihr ganzer Körper, soweit er das beurteilen konnte, war von dichten Schuppen überzogen, die ihm vorhin in den Bäumen aufgefallen waren. Die Pupillen waren schmale Schlitze und aus ihren Mündern schoss alle paar Minuten eine gespaltene Zunge hervor um die liedlosen Augen zu befeuchten, doch ihre Kleidung entsprach derer von Menschen. Manche trugen Leder- und ein paar wenige auch Metallrüstungen, doch die Mehrzahl war einfach nur mit gewöhnlichen Stoffgewändern bedeckt, die man auch in jeder Stadt in rauer Mengen sehen konnte. Ihre Bewaffnung bestand aus einem langem Speer aus Eisen, dessen Spitzen an beiden Seiten zu scharfen Klingen geformt waren. Sie sahen nicht sehr friedfertig damit aus. Mithril hörte sein Herz lauter schlagen, fühlte sein Blut durch die Adern pumpen und wie Panik sich seiner zu bemächtigen drohte. Mühsam zwang er sich sich zu beruhigen. "Sie haben gewartet bis wir wach waren, anstatt uns im Schlaf zu überfallen", dachte Mithril. Das musste doch etwas bedeuten.

    "Wie lange", antwortete die Frau, "Was ist schon die Zeit an einem Ort wie diesem." Sie klang amüsiert. Luan, der schon seit geraumer Zeit hinter ihnen her tapste, als wolle er die Frau vor ihnen schützen, stieß ein Schnurren aus, das irgendwie wie ein Kichern klang. Mit der Zeit begann sich der Wald zu lichten, Felder kamen, Wälder folgten erneut, im ständigem Wechsel warf es Schatten und Sonnenlicht auf sie. Wie groß war diese Welt unter der Welt eigentlich. Mit einem Mal hörten sie Trommeln. Weit weg, aber eindeutig da. Alle fassten sie ihre Waffen, bis auf die Frau, die sich - was noch viel beunruhigender schien - besorgt umblickte. "Sie ist nicht der einzige Mensch hier und sie hat Angst", stellte Mithril fest und ihm lief selbst ein Schauer über den Rücken. Wer mochten diese Unbekannten sein. Von da an war es mit ihrem gemütlichen Marsch vorbei. Sie liefen, rannten fast, über Stoppelfelder, Mithril fragte sich, wer sie wohl bestellen mochte, kletterten über kleine Steinwände, die sich zuweilen auf dem Weg auftürmten und sprinteten nahezu über eine weite Wiese, die so ausgebreitet da lag, dass sie hunderte Meter weit keine Deckung zeigte. Hin und wieder erblickten sie sogar Häuser fern am Horizont. "Ein ganzes Volk muss hier leben", war sich Mithril sicher, "Vielleicht sogar eine ganze Zivilisation." Irgendwann kamen sie in einem der etlichen kleinen Wälder zum stehen - die Nacht war bereits hereingebrochen und eine Decke aus Sternen lag am Himmel, so dass man sicher sein könnte wieder draußen, irgendwo in der freien Natur zu sitzen, wenn man es nicht besser wüsste - und bereiteten ein Nachtlager vor. Holz wurde gesammelt, kleine tarnende Sichtschutze aus Ästen gebaut und die Frau holte eine alte eiserne Kanne aus ihrem Rucksack und füllte sie mit dem Wasser eines nahen Baches, den sie von ihrer Raststätte aus plätschern hören konnten. Eine halbe Stunde später saßen sie alle - nun ja fast alle, Luan hatte sich im Wald verzogen, wohl um zu Jagen - im Kreis und hielten in ihren Händen Zinnbecher gefüllt mit Tee. Dieses mal probierte Mithril die dunkle Brühe - er hatte nicht vergessen welch heilende Wirkung sie auf Tara gezeigt hatte - und zu seiner Überraschung schmeckte sie nach frischer Minze.
    "Also", sprach er die alte Frau an, überzeugt sich diesmal nicht mit einer ausweichenden Antwort abspeisen zu lassen, "Was liegt jetzt noch vor uns. Und wer sind die die hier Leben. Sind es dieselben wie die, die die Trommeln gespielt haben?"

    "Vorsicht", beschwor Mithril Tepsrak, der in der Gestalt einer Raubkatze zum Sprung bereit neben ihm kauerte, "Vielleicht tut er uns ja nichts." "Ja genau", erwiderte Tepsrak sarkastisch, "Weil uns ja schon die Schlange in Ruhe gelassen hat." Das Ziel seiner Missgunst hockte derweil schräg über ihnen auf einem Baumstamm, der sich unter seinem Gewicht knarzend bog. Seine Krallen gruben sich in das weiche Holz, das Gold seines Felles und seiner Mähne glänzte im Sonnenlicht. Das Gesicht, das dem eines Menschen ähneln würde, wäre da nicht das markerschütternde Knurren, welches in seiner Löwenkehle den Anfang nahm und über seine Menschenlippen nach außen drang, war auf sie gerichtet und die kleinen schwarzen Augen fixierten sie unablässig. Folgten jeder ihrer Bewegungen. Über alledem schwebte sein Schwanz der in einem spitzen Stachel endete und den er, ebenso wie bei einem Skorpion, über seinem Körper aufgerichtet hatte, wo er vibrierend darauf wartete zuzustechen. Mithril musste zugeben, dass er an seinen eigenen Worten zweifelte. Mit jeder Sekunde umso mehr.
    "Luan", erklang die empörte Stimme der alten Frau plötzlich hinter ihnen. Der Mantikor zuckte zusammen, ebenso wie Tepsrak und Mithril. Die Frau konnte verdammt leise sein, wenn man nicht mir ihr rechnete. "Das sind Gäste", behauptete sie, "Die tuen dir nichts." "Ihr da", wandte sie sich zu ihnen, "Wie könnt ihr es wagen Luan so einen Schrecken einzujagen." Mithril bemerkte entsetzt, dass ihre Empörung vielmehr ihnen, als diesem Monster, galt, welches die Augen noch immer nicht von ihnen genommen hatte, wenn auch das Knurren verklungen war. Immerhin. Mithril wollte zu einer Verteidigung ansetzen, immerhin waren sie es gewesen, die erschreckt worden waren, die dieses Biest, wie auch immer diese Verrückte es auch nennen mochte, angegriffen hätte, aber er schluckte seinen Ärger herunter. "Entschuldigt, wir waren unvorsichtig", behauptete er. Sie brauchten die alte Frau noch. Verrückt oder nicht. "Kommt jetzt", erwiderte diese nur, ihr Ärger schien größtenteils gewichen, auch wenn ihre Stirn immer noch in Falten gelegt war. Nun ja. Mehr Falten, als ohnehin schon dort prangten. "Eure Freundin ist aufgewacht und wartet mit dem Elfen. Ihr müsst los." "Endlich", dachte Mithril, "Kamen sie aus dieser verfluchten Ruine heraus." Er hätte den Mantikor umarmen können. Auch wenn er das natürlich nicht tat.

    Mithril blickte die schlafende Tara an. Nun würde er definitiv keinen Schluck von diesem Getränk nehmen. Die Frau mochte sagen was sie wollte, aber er wollte sich nicht ausmalen, was wohl passiert wäre, hätten sie alle den Tee getrunken. Schlafend ... Wehrlos. "Was ist", fragte Marta, "Glaubst du ich müsste euch einschläfern um euch besiegen zu können." "Kann sie auch Gedanken lesen wie Quetzalcoatl", fragte er sich mit einem mulmigen Gefühl, "Nicht noch jemand, der sich in meinem Kopf zu schaffen macht." "Oh Kinder", kicherte sie, "So naiv." Sie hätte auf seine Worte oder auf seine Gedanken geantwortet haben können. Ein weiterer Gedanke, der nicht gerade zu seiner Beruhigung beitrug. Was maßte sich diese Frau sich eigentlich an mit ihnen wie mit Kleinkindern zu sprechen. "Geht schonmal vor", sagte Tepsrak, "Ich komme schon noch nach." Dabei warf er einen vielsagenden Blick auf Tara, der verhieß niemanden so wehrlos mit dieser Frau allein zu lassen. Ein vernünftiger Gedanke. Marta ihrerseits schien das ganze noch mehr zu amüsieren. Sie ließ sich in den Sessel sinken und kicherte dieses nervenaufreibende Kichern. Mithril lief ein Schauder über den Rücken. Er nickte Tepsrak zu und drehte sich um, Vaunir folgend, der in Richtung der Tür ging. Mithril rechnete beinahe mit allem, aber als der Elf die Tür öffnete verbarg sich tatsächlich dahinter nur ein kleiner Raum, in dem sich an den Wänden Regale mit Vorräten reihten. Mithril schloss kaum, dass er über die Schwelle getreten war die Tür, so dass einzig durch ein kleines Fenster in der Wand Licht auf den steinernen Boden viel. Stein? Wieso war hier Stein gepflastert und nebenan nur Erde platt gedrückt. "Also, was wollen wir tun?", fragte Vaunir, der seine Bedenken offensichtlich teilte. Mithril überlegte kurz. "Erstmal spielen wir mit", schlug er vor, "Und beobachten." Was wäre, wenn die Frau wirklich einen Weg nach draußen kannte. Artefakt hin oder her. Mithril sehnte sich danach endlich wieder außerhalb dieser verdammten Ruinen zu sein.

    Die Alte führte sie zielstrebig durch den dichten Wald, als sähe sie zwischen den eng stehenden Bäumen irgendeinen Weg oder Pfad. Nach einer Weile des misstrauischen Schweigens kamen sie an eine kleine Hütte. Ganz aus Ästen, teilweise noch mit Blättern bewachsen, war sie gebaut und es war ein Wunder, dass sie ihren Blicken standhielt. Die Alte jedoch störte sich nicht daran und schlüpfte gewand auf allen vieren durch ein winziges Loch ins Innere der Hütte. Sie sahen sich an, zuckten mit den Schultern und folgten ihr. Wenn noch mit wesentlich mehr Schwierigkeiten. Drinnen war deutlich mehr Platz als erwartet. Der Boden war tief in die Erde eingelassen und sorgte dafür, dass sie fast aufrecht stehen konnten. Eine Lampe in der Mitte auf einem Tisch spendete flackerndes Licht.

    Es gab tatsächlich Tee. Ein dampfender Kessel stand neben der Lampe, der in dem Moment pfiff, als der letzte von ihnen durch die schmale Öffnung gekrabbelt kam. Fünf Tassen standen auch schon bereit, wie Mithril mulmig bemerkte. "Als hätte sie uns erwartet", dachte er. Er tat vorsichtshalber nur so, als nippte er an der Tasse, und sah im Augenwinkel wie die anderen es ihm gleich taten. Die alte Frau bemerkte es nicht oder es störte sie nicht. "Nun erzählt", begann die Frau, "Welcher merkwürdiger Zufall hat euch zusammengeführt. Und wie seid ihr an meiner Schlange vorbeigekommen." Ein kalter Schauer überlief Mithril. "Ihrer Schlange", fragte Tara und Mithril konnte ihr Unbehagen deutlich hören. Die Alte zum Glück wohl offensichtlich nicht. "Ja. Sie nennt sich selbst Quetzalcoatl und macht sich meist einen Spaß daraus argwöhnige Reisende zu erschrecken", führte die Frau mit einem Lächeln aus, "Was zugegebenermaßen den unglücklichen Nebeneffekt hat, dass ich seit Jahren schon keinen Menschen zum sprechen hatte." Erschrecken. Ein seltsames Wort für das, was die Schlange ihnen angetan hatte. "Wie oft verirrt sich denn ein Reisender hierher", fragte er um von dem Thema Haustiere abzulenken. Was mochte geschehen, wenn die alte Frau herausfand, dass sie ihres getötet hatten. Mit einem Schaudern dachte Mithril daran zurück, wie schnell sie sich bewegt hatte. "Oh. Alle paar Jahre, erzählt zumindest Quetzalcoatl, aber ich habe seit Jahrhunderten keine mehr zu Gesicht bekommen."

    Als Mithril aufwachte fühlte er sich ausgeruht wie noch nie. Nun ja. Zumindest wie lange nicht mehr. Die Sonne hatte ihre ersten Strahlen bereits über den Horizont geschickt und sie auf ihr kleines improvisiertes Lager geworfen. Mühsam richtete er sich auf und spürte einen scharfen Schmerz von seiner Seite hochschießen. Er hatte das Schwert nicht abgelegt, als sie sich gestern Schlafen gelegt hatten - zu unsicher war es ihm erschienen -, und nun erhielt er die Quittung dafür. Den Schmerz ignorierend schaffte er es schließlich sich aufzusetzen und sah sich um. Die anderen schliefen noch, nur Vaunir saß gedankenverloren an den Überresten ihres Feuers, dass mittlerweile zu einem Haufen Asche geworden war. Offenbar hatte er es herunterbrennen lassen. Überhaupt, wollten sie sich die Wache nicht eigentlich teilen? Ihn hatte niemand geweckt. Andererseits wirkte Vaunir auch zu erholt, als dass er die ganze Nacht wach gewesen sein könnte. Offenbar war er übergangen worden. Mithril verdrängte den Ärger darüber, immerhin hatte er nichts gegen den zusätzlichen Schlaf. "Guten Morgen", sagte er und erntete nur ein kurzes Nicken von Vaunir. Der Elf schien in Gedanken ganz wo anders zu sein. Nichtsdestotrotz setzte er sich neben ihn und suchte in einer ihrer Sachen nach Vorräten für ein Frühstück. Sie waren fast aufgebraucht. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet so lange von der Außenwelt abgeschnitten worden zu sein. Nach und nach wachten auch die anderen auf und zusammen nahmen sie ein karges aber nahrhaftes Frühstück, bestehend aus hartem Käse und inzwischen alt gewordenem Brot, zu sich. Nicht unbedingt das was Mithril sich unter einem guten Essen vorstellte, aber jetzt, da sie vermeintlich draußen an der frischen Luft saßen, schmeckte es gleich tausendmal besser als in den engen stickigen Gänge. Bei dem Gedanken, dass sie ja wieder dorthin zurück mussten, presste sich Mithrils Magen zusammen. War es wirklich nur Quetzalcoatl gewesen, der ihrem Verstand von hier aus so übel mitgespielt hatte, oder würden sie doch so enden wie der Verrückte aus der Ruine. Er musste wieder daran denken, was er gesagt hatte. Eine würdige Person. Aber wie erwies man sich als würdig? "Ich denke wir sollten weiter gehen", schlug er vor, als alle aufgegessen hatten und die Vorräte verstaut hatten. Keiner widersprach, schweigend verließen sie die Richtung und zogen einfach geradeaus. Keiner von ihnen schien eine Ahnung zu haben, wo sie hingehen sollten, und somit schien diese Richtung genauso gut wie jede andere. Laub raschelte unter jedem ihrer Schritte, sie überquerten Flüsse und mussten große Felsbrocken umgehen, die aussahen als gehörten sie einst zu einer riesigen Statur. Sie sahen eine Hand, einzelne verstreute Finger und etwas, das ein Schwertknauf hätte sein können. Alles war jedoch bereits dicht von Moos befallen und der weiße Stein fing an zu bröckeln. Wer sie wohl gebaut hatte. Er öffnete den Mund um den anderen diese Frage zu stellen, doch bevor auch nur ein Ton herauskam, ertönte ein Knacken, als sei jemand auf einen Ast getreten. Schlagartig hielt er an und seine Gefährten taten es ihm gleich. Sie starrten sich an und einer nach dem anderen schüttelte den Kopf, von ihnen war es keiner gewesen. Das Knacken ertönte wieder und Mithril fuhr herum. Den Pfeil in den Bogen gespannt. In seinen Augen, sah er, dass Vaunir es ihm gleichgetan hatte. Wieder ein Knacken, ein Rascheln und die Blätter eines der Büsche vor ihnen wackelte bedrohlich. "Wen haben wir denn da", fragte eine Stimme laut, die ganze Lichtung erfüllend. Sie klang alt, aber kräftig, zittrig, aber voller Selbstbewusstsein. "Wen haben wir denn da."

    Mithril starrte fassungslos auf den Dämon. Diese Wildheit, diese Brutalität. Und dann erst die Flammen. Aufmerksam beobachtete er wie sich der Dämon von seinem totem Opfer abwandte und mit den geschmeidigen Schritten einer Raubkatze auf sie zukam. Er spürte wie sich die Hand um seinen Bogen verkrampfte. Noch immer funkelte Blutgier in den feurigen Augen Tepsraks, noch immer versprachen ausgefahrene blutverschmierte Krallen einen raschen Tod. Wer sagte ihnen, dass der Blutdurst dieses Dämon gestillt und die Mordlust verebbt war? Wer sagte das Tepsrak die Bestie, die in seinem Namen Quetzalcoatl besiegt hatte, überhaupt noch in Griff hatte. Dann jedoch blieb der Dämon einige Schritte vor ihnen stehen und tat nichts weiter als sie anzustarren. Nichts an ihm versicherte ihnen Friedfertigkeit, aber auch nichts deutete darauf hin, dass er sie Angriff. So blieben sie alle stehen. Gegenüber, sich mit Blicken fixierend. Dann verblasste das gefährliche Schimmern in Tepsraks Augen und wie zum Zeichen glitten seine Krallen zurück. Plötzlich wurde Mithril die Absurdität ihres Verhaltens bewusst. Die Schlange hatte sie alle bedroht und angegriffen. Tepsrak hatte sie alle von ihrem Einfluss befreit, indem er sie angriff. Vaunir und er hatten ihm ihrerseits geholfen die Schlange zu besiegen und jetzt? Jetzt standen sie sich hier feindselig gegenüber wie Gegner, denen klar war, dass am Ende nicht alle überleben durften, wenn man selbst überleben wollte. Tepsrak würde ihn nicht angreifen und auch nicht Vaunir oder Tara. Er lachte laut auf. Erleichtert. Zu seinen Seiten hörte er Vaunir mit einfallen und gleich darauf Tepsrak mit einem Grollen, das wohl als Lachen zu erkennen war. Die ganzen Stunden des Misstrauens, des Wartens auf einen Verrat oder auf die Chance selbst einen zu begehen, schien ihm jetzt lächerlich. Jetzt, da ihm klar geworden war, dass sie nur auf eine Weise hier herauskamen. Indem sie einander Vertrauten.

    Mithril stand etwas abseits, nachdem Tara davon gehumpelt war um dem Elfen zu helfen und sah zu wie sie nur wenige Meter entfernt zusammenbrach. Tepsrak, der Verrat an seiner Familie genommen hatte um ein paar Menschen zu retten, Vaunir, der wohl Männer den Frauen gegenüber bevorzugte, Tara, die eine Diebin war, deren Meister getötet worden war ohne, dass sie eingegriffen hätte. All das überraschte ihn zwar, aber schockierte ihn nicht. Halb erwartete er wieder, dass ihm eine Stimme in seinem Kopf zuflüsterte, dass sie ihn alle Verraten hätten, belogen. Dass er zu ihnen gehen und ihnen ein Schwert in den Rücken rammen sollte, solage sie noch hilflos und von der Schlange abgelenkt war. Doch dieses Mal blieb er allein in seinem Kopf und verspürte stattdessen etwas anderes. Mitleid. Mitleid, dass die geflüsterten Worte der Schlange ihnen solche Schmerzen verursacht hatten. Mitleid dafür, dass ihr Leben wohl schon lange unter diesem Schatten gelegen hatte. Was würde die Schlange wohl ihm zu sagen haben? Welch ein undankbarer Junge er doch war, dass er die Gaben seiner Eltern so weggeschlagen hatte, wo ihm doch ein Großteil aller anderen darum neiden mochte? Zeit es herauszufinden. Was hatte er auch sonst für Alternativen.

    Mit erschlossener Miene trat er vor. "Mithril", erklang die säuselnde Stimme nun auch zu ihm gewandt, "Ich hätte doch mehr Mut erwartet, als dass du als letztes herantrittst." "Lass mich raten", unterbrach Mithril sie laut, "Ich bin undankbar, unerfahren und doch nur ein Junge, der sich mit Dingen beschäftigt, denen er nicht gewachsen ist." "Nicht undankbar, arrogant", antwortete die Schlange scharf, "Nicht unerfahren, dumm. Aber die Quintessenz hast du getroffen, ja." "Und was ändert das jetzt", fragte Mithril mit erhobener Stimme, "Ich stehe hier, vor dir. Letztendlich macht meine Vergangenheit nichts mehr aus. Sie hat mich hergeführt und dass ist nicht mehr zu ändern." "Soso", erwiderte die Schlange und ihre Stimme hatte das säuselnde zurück, "Die Vergangenheit ist also egal. Glaubst du, dass sieht auch dein Vater so. Deine Mutter. Glaubst du, wenn sie nachts im Schlaf deinen Namen ruft ist es für sie unwichtig, ob du sie verlassen hast oder nicht. In der Vergangenheit, ja. Aber heute leidet sie." Mithril musste schlucken und er musste unweigerlich an die Rufe in seinem Kopf denken. "Sie ist ein Schatten ihrer selbst", fuhr die Schlange fast schon mit etwas Vergnügen in der Stimme fort, "Geht nicht mehr raus, spricht kaum. Ihr lächelndes glückliches Gesicht, es ist eingefallen. Sie lächelt nicht mehr. Dein Egoismus hat sie krank gemacht." Mithril spürte wie es ihm den Atem nahm. Scharfe Klingen schienen sein Herz zu durchbohren. "Du lügst", behauptete er mit brechender Stimme, "Du kannst gar nicht wissen, was mit ihr ist. Du kennst nur mich und erfindest, was mir wohl am meisten Schmerz bereitet." "Tu ich das", fragte die Schlange, "Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber wie du bereits sagtest. Die Vergangenheit ist unwichtig. Die Gegenwart dann wohl auch, oder? Was richtig ist und was gelogen?"

    Säulen aus schwarzen Flammen, gepeitscht von unmerkbarem Wind, jedoch nicht auseinanderberstend, erhoben sich vor Mithrils Augen. Sie versperrten ihm den Weg, jedoch nicht die Sicht, in einen langen leeren Gang. Derselbe wie der in dem er jetzt gerade stand. Derselbe wie die, die er die ganze Zeit über durchquert hatte, ohne doch endlich zu einem Ende zu kommen. Wieso also sollte er sich jetzt also den Weg durch diese Flammen suchen. Was kümmerte es in welcher Richtung er in das Nichts lief. Plötzlich durchdrang wieder diese Stimme seinen Kopf. Wieder? Er war sich sicher sie bereits einmal gehört zu haben. "Mithril", schrie sie panisch und dann plötzlich als ruhiger und irgendwie beruhigender Ruf, "Mithril". Es war eine Frauenstimme. Sie hallte in seinen Kopf wieder, wie die Seite einer Harfe, die jemand angeschlagen hatte. Er war sich sicher, dass er ihre Besitzerin kennen sollte. Kennen musste. Er wusste nur nicht warum. Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen als die Flammensäulen plötzlich in die Höhe schossen, bis sie mit an die Decke prallten. "Mithril", surrte die Stimme wieder. Oder halt. Waren es mehrere? Die Flammensäulen begannen sich zu bewegen. Langsam schoben sie sich auf ihn zu. Sofort wurde die Luft um Mithril herum aufgeheizt. Kleine Schweistropfen bildeten sich auf seiner Haut und in seinem Mund schmeckte er Asche. Panik und der Wunsch wegzulaufen kam in ihm auf. Fort von der Hitze,fort von den Flammen, fort von den Stimmen. Doch er konnte sich einfach nicht bewegen, sein Körper war starr wie gefrorenes Wasser. "Mithril", sagten die Stimmen wieder, sie schienen jetzt direkt aus den Flammen zu stammen, "Komm zu mir... Rette mich... Lass mich nicht im Strich..." Mithril spürte wie die Hitze ihm Tränen in die Augen trieb, doch trotzdem zitterte er am ganzen Körper, als wäre ihm kalt. Es schien ihm als müsse er zu diesen Stimmen gehen. Ihr helfen. Wer auch immer sie sein mochte. Seine Beine gaben nach und er sank auf die Knie. Jeder Gedanke an Bewegung war verloschen. Die Flammen waren jetzt so nah, dass sie bereits um seine Haut züngelten. Entsetzt sah er mit an, wie sich rote Blasen dort bildeten, wo das schwarze Feuer ihn berührt hatte. Unvorstellbare Schmerzen breiteten sich davon in seinen ganzen Körper aus. Er wollte die Arme heben um sein Gesicht zu schützen, aber vor seinen Augen zerfielen sie in Asche. Voller Angst öffnete er den Mund. Schwarzes Feuer tanzte vor seinen Augen. Er schrie.

    Mit einem tiefen Luftzug fuhr er auf. Panisch hieb er mit den Händen auf den Boden und war unfassbar erleichtert als er den Schmerz in ihnen spürte. Beruhigt ließ er sich wieder zu Boden sinken. Seine Decke war genau wie er selbst schweißgebadet, aber wenigstens schien er keinen der anderen geweckt zu haben. Leise Stimmen ein paar Meter von ihm entfernt und ein stetiges Atemgeräusch waren das einzige was zu ihm vordrang. Er schloss die Augen und versuchte die Gedanken an den Traum von sich zu drängen. Nur ein Traum und er brauchte seinen Schlaf. Doch er ließ sich nicht verdrängen, war immer noch so präsent wie beim Aufwachen und langsam wuchs die Angst was geschah, wenn er tatsächlich einschlief.

    Mithril nickte aufgrund Taras Aussage und ging der Gruppe voran, ohne sich noch einmal nach seinen Begleitern umzudrehen. Sollten sie doch dableiben, wenn sie nichts Besseres zu tun hatten, als sich gegenseitig zu beschuldigen. "Andererseits", schlich sich ein Gedanke in seinen Kopf, "ist mein Rücken völlig ungeschützt. Was soll sie davon abhalten ein Messer hinein zu rammen." Er verzog das Gesicht und zwang sich sich nicht umzusehen. Sollten sie doch machen, er würde bei Verstand bleiben. Das wollte er zumindest versuchen. Das wollte er doch, oder? Mithril zwang sich einen Schritt schneller zu gehen. Er wusste, dass er seinen eigenen Gedanken nicht davonlaufen konnte, aber jede Überlegung führte scheinbar derzeit zu einem Karussell aus Zweifeln und Mordgedanken und das Laufen war wenigstens etwas dem er noch gerade und ohne Schlenker nachgehen konnte. Mithril gähnte. Da draußen musste der Morgen bereits wieder grauen, oder bereits der nächste Abend, oder es war immer noch Nacht. Sein Zeitgefühl hatte er scheinbar dort draußen gelassen. Sie gingen durch Gänge, Gassen und große Räume, über Stein, Erde und Spinnenweben, die so dick war, dass sie einem Teppich in nichts nach standen. Ihre Augen irrten umher, immer auf der Suche nach einer Bewegung, einer lauernden Schattensilhouette oder glühenden Augen. Mithril hatte sich vorgenommen sich von nichts mehr überraschen zu lassen, egal wie seine Augen brannten. Trotzdem gelang ihm es nicht nicht zusammenzuzucken, als Tara das Wort ergriff. "Wer wohl all die Toten waren, die in dem Spinnenraum hingen?", ihre Stimme hallte von den Wänden wieder, "Welche Zufälle sie wohl alle in dieser Ruine zusammengeführt haben." Mithril wollte gerade eine Vermutung kundtun, dankbar für jedes Gespräch in dieser allumfassenden Stille, als ein Schrei ertönte. Ein Frauenschrei und er war gar nicht soweit entfernt. Abrupt blieb er stehen, so dass Carn... Vaunir gegen ihn stieß. "Was ist los", wollte dieser merklich verärgert wissen. "Habt ihr das nicht gehört?", fragte Mithril eindringlich und drehte sich zu seinen Begleitern um. "Was denn", erwiderte Tepsrak und musterte ihn misstrauisch". "Den Schrei", antwortete Mithril ungläubig. Erneut hallte ebenjener durch die Gänge. So laut und durchdringend, dass er sich beinahe die Ohren zuhalten musste. Seine Begleiter zeigten keinerlei Reaktion. "Das könnt ihr doch nicht überhören", beharrte er leicht verzweifelt und erntete verständnislose Blicke. Wieder dieser Schrei. Diese Stimme, dieser Schrei... Er kannte sie doch. "Mutter", murmelte er leise, als ihm der Abend wieder in den Sinn kam, als der Einbrecher in ihr Haus gelangt und seiner Mutter in den Küchen begegnet war. Damals war er noch sehr jung gewesen, vielleicht vier Jahre, und letztendlich war nichts passiert, was vor allen Dingen einer Wache zu verdanken war, der die tägliche Essensration nicht genügt hatte, aber dieser Schrei. "Mithril was ist", fragte Tara leicht besorgt, doch Mithril drehte sich bereits, das Schwert ziehend, um und rannte den Gang hinab. Immer wieder und immer lauter ertönte jetzt der Schrei, übertönte fast die lauten Schritte seiner Gefährten, die ihm zu folgen versuchten, und jetzt rief die Stimme, die Stimme seiner Mutter, auch seinen Namen. "Mithril", hieß es da von den Wänden, "Mithril." Er rannte so schnell er konnte. Rannte ohne auf irgendetwas links oder rechts von ihm zu achten. Er war bereits ganz nahe. Dann gab es plötzlich einen lauten Knall, der die Erde zu erschüttern schien. Etwas blitzendes raste auf ihn zu. Reflexartig und noch gerade rechtzeitig ließ er sich nach hinten fallen, rutschte ein paar Meter auf den Knien über den glatten Stein und kam dann mit einer Drehung, den Schwung ausnutzend, wieder auf die Beine. Eine Klinge ragte aus der Wand zu seiner Linken vor seinen Augen. Eine metallene und verdammt scharf aussehende Klinge. Der Gang hatte sich verengt, war mehr eine Gasse, so dass er seine Arme nicht hätte ausstrecken können ohne beide Wände zu berühren. Dahinter standen seine Begleiter, ihm Warnschreihe zubrüllend, getrennt von einem eisernen Falltor, das seine Spitzen tief in das Granit getrieben hatte. "Eine Falle", schoss ihm durch den Kopf. Im Augenwinkel erahnte er es und einzig ein Sprung zurück bewahrte ihn vor einer zweiten Klinge, die nun durch die Steinwand zu seiner Rechten hindurch auf ihn zuglitt. "Eine weitere Täuschung", vermutete er und tastete mit seiner Hand nach der Wand, während er zurückwich, doch seine Finger trafen auf kalten Fels. "Vorsicht", schrie ihm einer seiner Begleiter zu, "Hinter dir." Er ließ sich erneut fallen, zum zweiten Mal an diesem Tag, wenn diesmal auch ohne jegliches Herumgerutsche, und wieder einmal rettete es ihm das Leben. Eine dritte Klinge traf über ihm auf die zweite, was mit einem Klirren ergänzt wurde. Die erste Klinge schob sich nun weiter aus der Wand und es erschien eine Hand, die den Griff hielt, und dann ein Arm, und dann der Rest des Körpers. Es war ein Skelett. Knoche fügte sich an Knoche, ein Schädel, wie aus einem Albtraum, saß zwischen den beiden hervorstechenden Schulterblättern. Schnell robbte er zur Seite, während auch die zwei Klingen über ihm länger und länger wurden. Ein weiteres Skelett schob sich noch hinter dem ersten aus der Wand und noch eins. Die beiden waren wohl nicht schnell genug gewesen ihn aufzuspießen, als er an ihnen vorbei gerannt war. Die fünf Skelette kamen bedrohlich auf ihn zu, während er zurückwich. Eines rempelte das andere an, der Gang war einfach zu eng, wodurch das angerempelte sich umdrehte und das anrempelnde zurück stieß. Dieses prallte gegen die Wand und torkelte wiederum leicht orientierungslos auf das andere zu, wobei es die Kieferknochen auf und zuschnappen ließ, als versuchte es das andere anzubrüllen. Das andere jedoch verstand anscheinend keinen Spaß und hob sein Schwert. Die übrigen Skelette waren stehen geblieben und schienen dem Spektakel zuzuschauen, nur einns, das Größte, vermieste Mithrils Hoffnung darauf, dass die Skelette sich in einem internen Wettstreit selbst zerlegten, indem es die beiden Streithähne an den Nackenknochen packte, sie mit den Köpfen laut aneinander stieß und dann gezwungenermaßen "Wortlos" auf Mithril deutete. Die beiden geläuterten Skelette ließen missmutig voneinander ab, rückten ihre Köpfe wortwörtlich gerade und wandten sich dann wieder ihm zu. Bei einem hatte das mit dem Geraderücken nicht so recht geklappt und der Schädel saß jetzt leicht schief auf den Schulterknochen, als übte es sich in einem Hundeblick. Es war fast zum Lachen. Nicht so lustig waren jedoch die langen Schwerter in ihren Händen, die jetzt wieder langsam auf ihn zukamen. Das vordere Skelett holte aus und schlug nach ihm, Mithril jedoch trat einen Schritt zurück, wobei das Schwert an ihm vorbei glitt und klirrend an die Wand schlug. Mithril machte nun einen Schritt auf das Skelett zu und stieß sein Schwert in den Körper und traf eine der Rippen, die mit einem dumpfen Geräusch abbrach und auf den Boden fiel. Mithril sprang wieder zurück und beobachtete seine Gegner. Das Skelett bückte sich, hob den Knochen auf und betrachtete ihn verwundert. Dann zuckte es mit den Schultern und warf ihn auf Mithril, der es mit dem Schwert abblockte und dabei innerlich fluchte. Es würde ewig dauern bis er seine Gegner vollends in alle Einzelteile zerstückelt hätte. Ihm fehlten jedoch die Alternativen und so stürzte er sich wieder auf die Skelette Diese wirkten zwar bedrohlich mit ihren leeren Augenhölen waren aber langsam und anfällig. Mithril wirbelte zwischen ihnen herum und zerschlug Arme, Beine und etliche weitere Rippen. Das war ihnen jedoch vollkommen egal, denn sie brauchten viele Knochen gar nicht erst um zu zuschlagen und die anderen "setzten" sie einfach wieder ein.Wie eines, dem Mithril den gesamten Oberarm samt Hand und Schwert abgespalten hatte. Es nahm denselben und fügte ihn am Ellenbogen einfach wieder an. Es war irgenwie unfair, das fand zumindest Mithril, aber die Skelette weigerten sich schlicht das ganze auszudiskutieren und ein paar Regeln festzulegen. Er für seinen Teil war indes schnell genug ihren unzähligen Hieben auszuweichen, doch er spürte langsam wie die Anstrengung, gepaarte mit Übermüdung, seine Bewegungen bereits schwerfälliger machten. Bald musste ihm was einfallen, sonst könnte dieser Kampf zu einem ganz anderem Ende kommen als gedacht. Dann kam der Moment, in dem er zwei Klingen parallel zueinander auf ihn zukommen sah. Er war zu nahe um sein Schwert noch hoch zureißen und ein weiteres Skelett stand direkt hinter ihm. Er hätte schwören können, dass dieses die Situation ausnützte und in genau diesem Augenblick ebenfalls nach ihm schlug. Also ging er in die Hocke und machte dabei einen Schritt zurück. Prompt stieß er mit dem Rücken an knöchernde Beine, während sich ein Schwert über seinem Kopf im Schattenfechten versuchte. Er richtete sich wieder auf, konnte nun auch sein Schwert heben um sogleich damit die beiden Klingen abzufangen und griff derweil mit der linken Hand hinter sich, bekam einen Schädel zu fassen, sprang ab und trat nach den beiden Skeletten vor ihm. Seine Füße prallten je gegen einen ihre Brustkörbe und stießen sie weg, während der Rückstoß das Dritte mit ihm nach hinten warf. Er ließ dieses los, sprang nach vorne und hieb ihm dann mit einer Drehung den Kopf ab. Sofort sackte es in sich zusammen, als hätte er einem äußerst begabten Marionettenspieler mit einem Sinn für Humor die Fäden durchgeschnitten. Knochen polterten über den Boden. Sofort drehte er sich wieder um, durchtrennte den beiden Anderen triumphierend die Hälse und dann waren da plötzlich nur noch zwei. Er ging auf das erste zu, holte aus, und trat dann auf einen der am Boden liegenden Knochen, einen der besonders geraden und runden Sorte. Schmerzhaft schlug er auf dem Boden auf, genau wie sein Schwert, das es ihm klirrend gleich tat. Nur leider einen Meter von ihm entfernt. Hätte ein Skelett grinsen können, er hätte geschwört, sein "Opfer" hätte ebendieses getan, als es drohend auf ihn zuschritt. Sein Schwert schleifte über den Boden. Benommen schüttelte Mithril den Kopf und tastete nach einer Waffe, Irgendeiner. Hatten hier nicht vorhin noch jedemenge Knochen herumgelegen? Das Skelett richtete sich vor ihm auf, hob das Schwert und sah ihn ein letztes Mal mit den leeren Augenhölen an. Mithril indes fixierte die Klinge, die über ihm schwebte. Begierig darauf in sein Fleisch zu schneiden, nun auch sein Knochen zu brechen. Er zwang sich die Augen nicht zu schließen. Wenn er hier schon sterben musste, dann wollte er wenigstens dem Tod ins Gesicht blicken können. Plötzlich ertönte ein Knurren und spitze Reiszähne schlossen sich um den Hals des Skelettes. Sie rissen den Schädel herunter und schüttelte ihn wild umher bis der Kiefer sich wieder öffnete und den Schädel gegen eine der Wände prallte, all das während ein Regen aus Knochen sich über Mithril ergoß. Der nahm dankend Tepsraks Hand an, welcher sich nun wieder in seine menschlichere Gestalt verwandelt hatte und ihn angrinste. Der Dämon musste sich in seiner Raubtiergestalt durch die Gitterstäbe gezwängt haben. Sofort wandten sich beide dem nunmehr letztem verbliebenem Skelett zu, das nach links guckte, nach rechts guckte und dann sein Schwert fallen ließ, während es sich auf die Knie warf, seine Hände in bittender Geste faltete und ihnen entgegenhielt. Mithril tauschte einen Blick mit Tepsrak, dann ging er auf das Skelett zu. Mit einem beruhigendem Lächeln ergriff er die kalten Fingerknochen mit einer Hand und die andere legte er auf den rechten Arm. Ein Plock und er hielt die Elle oder Speiche in der Hand. So gut hatte er in der Körperkunde, damals im Pavillon seines Gesundheitslehrers, nun wirklich nicht aufgepasst. Der andere Oberarmknochen löste sich von selbst und das verdutzte Skelett hilt nun seinen rechten Oberarm, beziehungsweise, dass was davon noch übrig war, in der Hand. Mithril trat einen Schritt zurück, holte aus und warf den Knochen weit in den dunklen Gang hinein. Der Aufprall an einer der Wände hallte bis zu ihnen, genauso wie der auf dem Boden. Das Skelett sah sich erneut hektisch um, dann sprang es auf und rannte seinem Knochen nach, den rechten Oberarm noch immer in der Hand. Mithril lauschte den leiser werdenden Schritten und drehte sich dann zu Tepsrak um. "Der kommt nicht wieder", mutmaßte er und bot dem Dämon dann die Hand an, "Vielen Dank für die Rettung. Es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe." Tepsrak sah ihn mit roten Augen misstrauisch an, bevor er die angebotene Hand ergriff und schüttelte. "Komm jetzt", sagte Mithril zu ihm und gähnte, "Wir haben ein Tor anzuheben."

    Von seiner Haut tropfte der Schweiß, die Luft roch nach verbranntem Fleisch und der Raum schien sich ganz im Allgemeinem im einen Hochofen verwandelt zu haben. Unbeeindruckt scheinbar überließ Mithril seinen Instinkten die Macht über seinen Körper, die als einziger Teil von ihm behaupten konnten dies auch wirklich zu sein. Seine Klinge schnitt durch die Luft und fuhr zwischen zwei Kieferklauen eines der Biester, die dieses Inferno überlebt hatten, und traf auf Fleisch. Er drehte sich einmal im Kreis, wobei er zwei weiteren Klauen nur um Haaresbreite entkam, und bohrte sein Schwert noch in der Drehung an seiner linken Seite vorbei in den Hals dieser Kreatur oder zumindest die Stelle an der er den Hals vermutete. Der Stahl bohrte sich in die Lücke der Panzerplatten. In Erwartungshaltung sprang er zurück und sah sich um. Spinnenkörper breiteten sich um sie herum aus, verkohlt oder durchbohrt, doch zumindest eindeutig ungefährlich. Er selbst übernahm wieder die Kontrolle über seinen Körper und wandte sich unverzüglich zu Carn um, der schwer atmend in ihrer Mitte stand. Dieses Kunststück schien anzustrengen, aber es war verdammt effektiv. Respekt für die Fähigkeiten des Elfen wallte in ihm auf, aber auch Zweifel. Was wäre, wenn dieser diese Macht gegen seine Begleiter einsetzte, wenn sie ihr Ziel erreicht hätten? Er blickte hinab auf die Klinge in seiner Hand. Wieso sollte er dem nicht zuvorkommen und die jetzige Schwäche ausnutzen? Sie wäre nicht von langer Dauer. "Ja", meldete sich eine Stimme in seinem Kopf zu Wort, "und wenn du ihn erledigt hast, wirst du die anderen los. Einem nach dem anderen, bis keiner mehr da ist, der dich davon abhalten kann, dir alles zu nehmen." Erschrocken zuckte er zusammen, entsetzt über seine eigenen Gedanken. Carn hatte sie gerettet und er wollte ihn deshalb töten? Was geschah mit ihm? "Sei stark", sagte er sich selbst und versuchte an etwas anderes zu denken. Etwas das nicht mit Mord oder ähnlichem zusammenhing. "Wer zum Teufel ist Vaunir", hörte er seine eigene Stimme fragen und fragte sich derweil selbst, wie zum Teufel er diesen Namen in dem Flammeninferno überhaupt mitbekommen haben konnte.

    In Gedanken versunken, voller Zweifel, voller Tatendrang war sich Mithril auf kaltem Stein sitzend der feuerroten Augen Tepsraks bewusst. Wie sie ihn unaufhaltsam zu durchdringen schienen in der Absicht zu finden, was er nicht vermochte auszusprechen oder sich auch nur selbst einzugestehen. Es lockte. Zweifellos. Der Gedanke an die Macht, die Unberührsamkeit, die einem das... Niemand würde ihm sagen was er mit seinem Leben anfangen sollte. Was er tun was er lassen, worüber er schweigen sollte. Alle würden seinen Worten lauschen, keiner ihm seines Alters wegen anzweifeln. Sie würden gehorchen, er würde gebieten. Unbegrenzbar, unbestreitbar, unvermeidlich... "Nein", schalt er sich in Gedanken. Was war nur mit ihm los. Er hatte durchaus noch vor einige Abenteuer zu erleben, vielleicht auch in einigen Kriegen zu kämpfen, deshalb war er doch überhaupt fortgegangen, doch er hatte nie vorgehabt, dass das die letzteren die eigenen wären. Kriege so ein Mist. Was hätte er in einem Krieg zu suchen. "Hör auf daran zu denken", sagte er sich selbst. Das musste es sein, was die Schrifftrolle mit Wahnsinn gemeint hatte. "Hör am besten ganz auf zu denken." "Mithril", eine Stimme riss ihn aus den Gedanken. Er blickte in Taras ihn musternden Augen. Sie hielt ihm ein Stück Käse hin. "Danke sehr", murmelte Mithril und wich beharrlich ihrem Blick aus. Er kaute auf dem mittlerweile hartem Stück Käse, während seine Gedanken wieder in die Ferne schweiften.Er sah sich, die Hand umwoben von grünem Schimmern des Artefakts, wie er es sich vorstellte, und vor ihm knieten sie alle.Seine... "Hey wir gehen weiter", riss ihn wieder eine Stimme aus seinen Gedanken. Diesmal war es die von Tepsrak. Mithril erhob sich von dem kalten Stein. Er musste definitiv aufhören darüber nachzudenken. Klar, dass das Artefakt viele Möglichkeit zulassen würde. Doch wollte er wirklich für die Zerstörung der Welt, wie er sie kannte, tausende Tote, soviel Schmerz und Leid verantwortlich sein? Die eigentliche Frage in diesem Zwischenspiel aus Wahnsinn und Vernunft war: Wie verwendeten sie dieses Artefakt, sollten sie es wirklich finden, um es zum Guten, oder was eben ihre Definition dessen sein war, einzusetzen?

    Mithril stürmte mit gezogenem Schwert in den Raum in in den er Tepsrak hatte verschwinden sehen. Der Dämon war schnell. Es war eine kleine Halle mit hoher Decke, in der jeder Schritt zu den Sternen zu hallen schien. Ihr Angreifer, das vermutete Mithril jedenfalls, lag auf dem hartem Steinboden und auf ihm Tepsrak, der Zähne fletschte und laut knurrte. Es war ein Mann, oder zumindest das was noch von ihm übrig geblieben war. Kaum noch Knochen und ein Filz aus weißen Haaren aus denen Bart und Haupthaar bestanden. "hHelft mir. Rettet mich", kreischte er mit aufgerissenen Augen auf die roten im gegenüber gerichtet. Tepsrak verharrte, jedoch stets mit einer Klaue am Hals des Mannes. Ratlos blickten sie sich an. "Er hat den anderen getötet der uns angreifen wollte", warf Tara ein. "Aber zu welchem Zweck", fragte Mithril und zog die Stirn in Falten. "Vor allem ist wichtig ob er uns hilft hier rauszukommen", stellte Carn die Frage, die ihnen alle auf der Zunge lag. "Nach draußen", flüsterte der Mann am Boden und lachte dann laut auf. Fast wie ein Kreischen. Mithril spürte wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief. "Ich kenne einen Weg nach draußen. Den einzigen Weg nach draußen", wieder dieses Lachen, "Ich zeige ihn euch. Ich helfe euch, ja, ich helfe euch." Seine Stimme wandelte sich in ein unverständliches Glucksen. Mithril fragte sich ob der Mann ebenfalls einen Dolch in den Falten seines Gewands versteckt hatte. Er begegnete dem Blick seiner Gefährten. Andererseits, es wäre eine Chance.

    Mithril betrachtete mit großen Augen den weißhaarigen Alten. Oder vielmehr das glänzende Stück Metall in dessen Hand. Brüllend und blitzschnell, als wären seine Knochen nicht genauso alt, wie der Rost auf der Klinge seines Dolches, stürzte er sich auf sie. Reflexartig glitt Mithril zur Seite und lies die Schneide durch die Luft schneiden. Der Alte sprang zurück für einen neuen Angriff und gab Mithril Zeit sein Schwert zu ziehen. Da war er nicht allein. Mit gezogenen Waffen stand die Gruppe vor dem Alten und wartete ab. Alle bis auf Tepsrak der wieder brüllend zu dem Monster wurde, als dass sie ihn kennengelernt hatten. Wimmernd glitt der Alte zurück, die Hände vor den Augen. "Nimmt es weg, nimmt es weg", kreischte der Mann und stieß mit dem Rücken gegen die Felswand. Tepsrak verharrte kauernd, zum Sprung bereit. Mithril glaubte ein Lächeln in seinen tierischen Zügen zu erkennen. Oder war es nur ein Zähnefletschen? "Ich bin doch nur ein alter Mann und würde nie jemandem etwas Zuleide tun", behauptete der Greis schluchzend, das Gesicht immer noch in den Händen verborgen. Ratlos ließ Mithril das Schwert einen Zentimeter sinken. Der Dolch lag noch immer zwischen den zittrigen Fingern. "Nie nie würde ich..." Der alte Mann unterbrach sein Gestammel unvermittelt und wirbelte mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf sie zu. Mithril riss das Schwert hoch, die Verwirrung musste ihm ins Gesicht geschrieben sein. Dann hörten sie ein Sirren, einen dumpfen Aufprall und das Klirren von zu Boden fallendem Metall. Der alte Mann lag vor ihnen, in seinem Rücken ein langer Speer und in den Gängen um sie herum herrschte nur menschenleeres Nichts.

    Das Beben und das daraufhin folgende nicht ganz unerhebliche Einstürzen der Decke hatte Mithril wieder zurück in die reale Welt gerissen. Für einige Zeit lang war er in seiner eigenen gefangenen gewesen. Es war alles so schnell gegangen nachdem sie auf Tepsrak getroffen waren und er hatte das Gefühl kaum daran Anteil gehabt zu haben. Nun ja. Er bezweifelte etwas verändert haben zu können. Wenigstens hatte sich sein Abschweifen und das Nachdenken gelohnt. "Yerininger", warf er zusammenhangslos in den Raum. Die anderen sahen ihn überrascht an. In ihren von der Lichtkugel beleuchteten Gesichtern spiegelte sich Verwirrung. "Yerin was?", fragte Tepsrak, dessen rote Augen im Dämmerlich wie zwei glühende Rubine schienen. "Yerininger", berichtigte Mithril ihn und steckte sein Schwert in die Scheide, "Der Name eines bekannten Autors. Er schrieb mehrere Romane über seine Erlebnisse bei Reisen und er machte verdammt viele Reisen." Sein fragender Blick traf nur auf Unverständnis. "Und wie soll uns ein schreibender Herumtreiber helfen aus dieser Hölle hier zu entkommen", fragte Carn und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Er musste denken, er habe über die Ereignisse der letzten Stunden den Verstand verloren. Vielleicht hatte er ja recht. "Yerininger", wiederholte er den Namen, "Schrieb auch etwas über seinen Besuch in den nördlichen Menschenländern und einen nicht ganz uninteressanten Besuch in einer Ruine." Schweigen. "In einem Wald, in dem seiner Beschreibung nach "abscheuliche" Tiere lebten", half er ihnen auf die Sprünge, "Die Ruine war ganz in Weiß." Noch immer blickte er in ratlose Mienen. "Du meinst", brach Tara schließlich endlich das Schweigen. "Ja", bestätigte er, "Ich glaube das waren exakt diese Ruinen. Alles stimmt. Die Mechanismen, die Beschreibungen der Gänge. Es ist als wären wir mitten in eines seiner Bücher hineingerutscht." "Das ganze hier hat also schon mal jemand überlebt", stellte Carn fest, "Gut." "Und wie", fragte Tepsrak. "Er entkam durch einen Spalt in der Wand", erklärte Mithril, "Aber das ist nicht das wichtigste. Habt ihr nicht auch das Gefühl als würden wir getrieben, irgendwo hingelenkt." Er sah das Unbehagen in ihren Augen. Selbst in dem Glühen Tepsraks. "Yerininger beschrieb genau dasselbe", sagte Mithril, "Dröhnen, Bestien, die ihn jagen, die er aber nie zu Gesicht bekommt, Einstürzende Räume, sich hinter ihm schließende Türen und sich aus dem nichts auftuende Gänge." "Also hat unser herumgeirre ein Ziel", fragte Tara. "Entweder das", antwortete ihr Mithril, "Aber Yerininger ging eher von Tests aus. Er schrieb er habe nie verstanden, ob sein Freikommen ein Zeichen war, dass er die Tests bestanden hatte oder nicht. Er glaubte aber eher, dass er sich für unwürdig erwiesen hatte und nur deshalb fliehen konnte, weil er nicht mehr vonnöten war." "Also müssen wir einfach versagen und wir sind frei", folgerte Carn. "Nicht ganz", widersprach Mithril, "Yerininger hatte Begleiter, zufällig genau drei, allesamt große und kluge Krieger, doch er war der einzige der Entkam." Schweigen erfüllte die Halle. "Manchmal, im Zurückblicken auf diese schwere Zeit, wünsche ich mir wir hätten uns umgedreht und gekämpft. Uns diesen Verdammten Puppenspieler würdig gezeigt und getan was auch immer er für uns bedacht hat", zitierte Mithril aus dem Buch. Ein Wunder das er die Zeilen noch immer auswendig kannte. Erneut blieb nur Stille, nachdem seine Stimme verklungen war. Yerininger war ein Narr gewesen. Hatte er schon erwähnt wie sehr er ihn bewunderte.

    Mithril stand noch immer etwas entfernt und legte das Schwert nicht aus der Hand. Dieses Wesen mochte sie zwar nicht angegriffen haben, aber wer weiß was es vorhatte. Es könnte nur darauf warten, bis sie wehrlos waren oder sie solange gewähren lassen, bis die Wunde versorgt und sie nicht mehr von Nutzen waren. Misstrauisch musterte er das Monster, das Tier, das Wesen, was auch immer davon am ehesten zutraf, seine Musterung konnte es nicht enthüllen. Am auffälligsten waren noch immer die roten Augen, die von Blut und Feuer sprachen. Die scharfen Krallen und die spitzen Reißzähne bekamen auch ihre Beachtung. Doch bei alle dem tat sich eine Frage auf. Wie war es hier hereingelangt. Gab es einen nahen Ausgang oder hatte sich auch der sofort wieder verschlossen. Wie seltsam, dass sie alle, vier vollkommen unterschiedliche Gestalten, hier zusammen trafen. Carn und er waren praktisch gezwungen worden den Tempel zu betreten, was die anderen hereingelockt hatte, konnte er nicht sagen. Er hatte keine Anzeichen auf frühere Besuche bemerkt, wie waren dann vier zur selben Zeit zu erklären. Zufall? Es war schon ein Wunder gewesen, dass sie überhaupt so nah an den Tempel gelangt waren. Den Erzählungen der Dorfbewohner nach, denen er zuerst keine Beachtung geschenkt hatte und die jetzt langsam immer eher einen wahren Kern freilegten, wurde jeder, der den Wald betrat, sofort getötet. Er selbst hatte erst Bekanntschaft mit den Wächtern des Tempels gemacht, als er schon auf dem Gelände war und Carn war ja förmlich getrieben worden. Vom Tempel selbst in die Falle gelockt, um was zu tun? Eine Aufgabe oder als Opfer.

    Mithril beobachtete staunend, wie Tara sich diesem Monster unbewaffnet näherte. Er musste zugeben, dass er ihren Mut bewunderte. Ihn hätten wohl keine zehn Pferde dazu gebracht sich dieser Bestie unbewaffnet zu nähern. Obwohl, oder gerade weil, er zugeben musste, dass das Wesen, was auch immer es war, intelligenter schien, als zuvor angenommen. Er zuckte zusammen, als es laut knurrte und seine Krallen ausfuhr. Einen Moment lang war er sich sicher, dass Tara, den Tode geweiht wäre, doch das Wesen blieb bei der Drohung. Seine Lunge gab die aufgestaute Luft wieder frei. Tara redete derweil weiter ruhig auf das Tier ein und hielt ihm dann eine Hand voll Kräuter entgegen. Es schnupperte misstrauisch daran, schien sich einen Moment lang unsicher, was es davon halten sollte und verschlang es dann in einem bissen. Tara zog die Hand wieder zurück, die erwähnenswerterweise noch in einem Stück geblieben war. Mithril nahm langsam sein Schwert herunter ohne es jedoch zurück in die Scheide zu stecken. Er wollte dem Wesen vertrauen signalisieren, aber dass hieß nicht das es grenzenlos war. Die roten flammendurchwobenen Augen fixierten jeden von ihnen einen Augenblick lang. Demonstrativ fuhr es die Krallen wieder ein.

    Der Griff seines Schwertes lag beruhigend in seiner Hand. Vorsichtig schlich er sich zur Ecke und spähte in den darauffolgenden Gang. Zu seiner Erleichterung war er leer. "Vielleicht kam es von draußen", meinte Tara, die mit gezogenem Dolch hinter ihm stand. Sie hätte ihn problemlos in seinen Rückn stoßen können während er auf das achtete, was vor ihm geschah. Sein Onkel war auf diese Weise umgekommen. Der Mörder war ein langjähreiger Freund dessen gewesen. Er wollte ihr gerade zustimmen, als ein Kratzen vor ihnen erklang. Es musste noch ein oder zwei Biegungen entfernt sein aber es hallte als wäre der verursacher nur wenige Meter vor ihm. Carn legte einen Finger auf die Lippen und Tara und Mithril nickten nur. Gebeugt huschten sie zur nächsten Biegung. Er war überrascht wie wenig Lärm die beiden machten. Er selbst war nie laut gewesen und auch ein passabler Jäger, aber er kam sich entgegen seiner Begleiter vor als zöge er einen Haufen aneinander gebundener Messingtöpfe hinter sich her. Voller Erwarten spähte er um die nächste Ecke.