Beiträge von Zarkaras Jade im Thema „Helios III (Arbeitstitel)“

    Danke, @Sensenbach und @Tariq, für die Anmerkungen, Fragen und Berichtigungen.

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    Also das Komputerprogramm hat vorgespiegelt, dass die Arche zerstört worden ist. Dann greifen alle den Asteroiden an und zerstören die Basis der Mechs. Oder?
    Warum mussten die Mechs getäuscht werden? Hätte der Asteroid nicht auch so angegriffen werden können?
    Hab ich etwas überlesen?

    Die Entwickler des Virus wussten selbst nicht genau, was dieses Virus machen wird. Aber sie wussten, dass es den Archenbewohnern nicht schaden würde, da es ja die Hauptsysteme nicht angreifen kann. Es ist das Virus, das in Kapitel 2 von Slevin eingesetzt wurde, um Hal und Sam auszuspionieren. Jedoch durften die Wissenschaftler es nicht bekanngeben, da Miri bereits von den Ych infiziert war und es zu gefährlich war, die Informationen über den Viruseinsatz in Umlauf zu bringen. Zusätzlich konnten die Ingenieure am Bug natürlich direkt rausschauen und so den Gegenschlag durchführen. Der Asteroid hätte auch so angegriffen werden können und wäre es vermutlich auch früher oder später worden. Aber die Archen mussten sich beim Eintreffen des Meteoritenschauers aufteilen, um Schäden zu vermindern. Im Grunde wussten 99% der Archenbewohner schon kurz nach dem Erstschlag nichts mehr von alldem, was draußen passierte.

    Das ist ein hypermodernes Raumschiff. Habe die noch Türschwellen??? Kann ich mir nicht vorstellen... Auch wenn du es hier sicher bildlich gemeint hast - indem du es sogar 2x erwähnt hast, sah ich im Geiste die Leute beim Betreten des Raumes förmlich den Fuß heben, um ein imaginäres Metallteil auf dem Boden zu überschreiten. Weiß nicht, ob du verstehst, was ich meine.

    So hypermodern ist die Helios auch nicht. Es geht ja auch teilweise darum, dass die Bewohner sich wie auf einem Planeten fühlen sollen, bestenfalls auch mit "antik" gestalteten Räumen und solchen "alten" Dingen wie Türschwellen oder Fensterläden. Es gibt also schon Türschwellen, aber halt nicht solche riesen Klopper, wie man sie in alten Gebäuden noch vorfindet. In diesem Fall ist es auch wirklich bildlich gemeint, dass sie quasi die Schwelle in eine "andere" Welt überschreiten. Natürlich hat nicht jede Tür eine Tüschwelle, sondern es ist jedem "Unternehmen" selbst überlassen, ob es in seinem Bereich welche einbauen möchte. Störend sind sie ja in dem Sinne nicht, da man sich ja wie zuhause fühlen soll.

    Darunter kann ich mir nicht wirklich was vorstellen. War die Tribüne in Eisen gehüllt?

    Ja, sie ist in Eisen gehüllt. oder eben in Edelstahl, was ja auch nur veredeltes Eisen ist.

    Hier finde ich es ein wenig seltsam, dass beim Verlesen der Anklageschrift schon permanent das Wort "Schuldig!" auftaucht. Das würde bedeuten, dass er schon schuldig gesprochen wurde und nur noch über das Strafmaß verhandelt wird. Ansonsten gilt doch ein Angeklagter (zumindest heute) solange als unschuldig, bis seine Schuld zweifelsfrei bewiesen wurde (was - wie ich dachte - der Zweck dieser Verhandlung ist). Ein Verlesen der Straftat dürfte dafür aber nicht reichen.
    Wenn sie wirklich noch verhandeln wollen, ob er schuldig ist (und nur dann wäre ja die Anwesenheit eines Verteidigers mMn noch sinnvoll), dann dürfte in der Anklageverlesung der Status "Schuldig!" nicht andauernd genannt werden. Anklage ist eben nur Anklage, nicht Verurteilung. Kann sein, das ich das verkehrt sehe, aber das ist mir beim LEsen so in den Sinn gekommen.

    In diesem speziellen Fall mussten sie ihn schon vorher schuldig sprechen, weil seine Tat zu schwerwiegend war. Der Verteidiger wird jedem Angeklagten zugesprochen, egal, wie gravierend seine Tat auch war. Im Normalfall ist es ja auch eine normale Verhandlung, wenn es normale Umstände wären. Ich dachte, dass es im Text schon so rüberkam, wie es gedacht war. Slay meinte ja auch beiläufig, dass er bereits schuldig gesprochen wurde und das alles nur noch als Abschreckung so aufgebauscht wurde. Weil Slay eine Majorin ist, hat sie natürlich ihre Mittel und Wege, schon frühzeig an mehr Informationen zu kommen.

    Dies hier ist der vorerst letzte Part in diese Geschichte. Das Kapiel endet auch hiermit. Ich werde die Geschichte ab jetzt erstmal auf Eis legen, bis mir neue Ideen kommen. Dafür werde ich ein anderes Projekt weiterführen. Ich hoffe, ihr verzeiht mir das und seid nicht allzu enttäuscht darüber.

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 20 ]


    „Aber...“ Mein Blick blieb starr auf den Mech gerichtet. Zwischen uns mein ausgestreckter Arm mit der Waffe. „Aber wieso?“
    „Was wieso?“, fragten beiden Frauen im Chor, als im selben Moment Monti zu mir sprach. „Ja, Sam! Was meinst du?“
    Meine Finger zitterten immer heftiger, ich konnte kaum noch den Abzug locker genug lassen.
    „Das kann nicht sein!“, rief ich, erst leise, dann lauter. „Wieso begreift ihr das nicht?“
    „Samuel, es ist vorbei.“ Emilies Lippen bewegten sich, ihre Stimme drang an mein Ohr, aber mein Gehirn verstand sie nicht. Und Miri im Hintergrund mit ihren nervtötenden Schadensberichten machte die Situation nicht besser.
    „Nein!“, brüllte ich sie an, den Mech gleich meiner Freunde. „Was... was ist das? Ich verstehe das nicht.“
    „Samuel“, versuchte Monti mich zu erreichen und ergriff vorsichtig meinen erhobenen Arm. „Der Krieg ist vorbei.“
    „Aber die Ych!“ Nun konzentrierte ich mich voll und ganz auf das Metallding vor uns. Zischendes Gas und elektrisierende Drähte waren die einzigen Emotionen, die das Monstrum aussendeten. Eine schwarze Hülle aus kaltem Metall, im Innern vermutlich ein gleichsam kühles Wesen.
    „Was willst du uns mitteilen?“, flüsterte ich und schöpfte neue Kraft, um den Lauf auf das Visier zu pressen. Ich hoffte auf irgendeine Geste. Und sei es nur ein einziges Wort. Stillschweigende Sekunden vergingen, die mir jede einzelne wie ein Menschenleben vorkamen. Aber das Ding starrte mich einfach nur an.
    „Was bist du?“, wollte ich endlich wissen und nahm nun noch meinen zweiten Arm dazu, um die Waffe zu halten. „Was machts du hier? Wieso tötest du uns nicht?!“
    Mein velitischer Begleiter sprach zu ihm in seiner Muttersprache, was mir immer noch schwer viel, zu verstehen. „Glu jao zini? Glu jao palorheo?“
    Und der Roboter antwortete ihm. „Jao glu mino qei Ych! Glu jao puilos uno uglu?“
    Und Monti fragte ihn wieder etwas. „Glu jao Avotis qei uno xixi? Jao glu mino z'tio Avotisio!“
    „Ich verstehe das nicht“, gab ich von mir, was er nur mit einem Abwinken quittierte. Ich meinte aber nicht sein Gespräch mit dem Feind, sondern die ganze Situation. „Waren all meine Entscheidungen überflüssig?“
    „Nein, waren sie nicht“, versuchte er mich zu trösten, aber auch gleichzeitig abzuwimmeln. „Du hast richtig gehandelt. Zu jeder Zeit hast du richtig gehandelt. Glu jao Avotis qei uno xixi?“
    „Aber wieso fühle ich mich dann so nutzlos?“, fragte ich weiter, nahm wieder meine verletzte Hand von der Pistole und presste sie mir gebeugt gegen die Brust. Die Schmerzen waren unerträglich, die Finger waren schon ganz sperrig.
    „Samuel, bitte senke die Waffe“, wies er mich an und sendete mir eine deutliche Handgeste.
    Aber darauf wollte ich mich nicht einlassen. Wie sollte ich dies verstehen? Wie sollte ich ihm vertrauen können, wenn er sich in einer fremden Sprache mit dem Feind unterhielt und mir weiß machen wollte, dass wir nicht mehr in Gefahr seien?
    „Samuel, bitte...“, wiederholte er seine Aufforderung. „Er ist bereit, zu kooperieren.“
    „Wieso das auf einmal?“
    „So wie ich das verstanden habe, haben sie nun alles verloren.“
    Ungläubig blickte ich drein.
    Monti sprach weiter, wenn auch ziemlich unüberzeugt von seinen eigenen Worten. „Anscheinend war der Asteroid ebenfalls eine Arche. Ihre Arche.“
    „Soll das heißen, wir haben deren Heimat zerstört?“, schlussfolgerte ich spontan, was er nickend bestätigte.
    Der Ych entgegnete gebrochen: „Jao glu mino zini. Jao glu mino palorheo. Jao glu mino uglu ex rheo qei.“
    Und Monti antwortete mit starker Stimme: „Jao glu mino asco z'tio Avotis! Jao glu mino ashi!“
    Der Feind deutete ein Kopfnicken an und griff sich dann mit dem Arm an seinen Helm, um diesen vorsichtig abzunehmen. Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, was für eine Gestalt sich darunter verbarg. Anfangs noch von Dampfschwaden überströmt und in giftigem Gas eingehüllt, klarte sich die Luft langsam auf und eine Gestalt kam zum Vorschein, die so obskur wirkte, dass ich nicht wusste, ob ich Angst oder Faszination verspüren sollte. Ein Schädel, missgestallten und irgendwie doch wie von Gottes Händen selbst geformt. Blasse, graue Haut, alt und tot wirkend. Mit vielen Narben übersät, durchzogen von schwarzen Drähten und bestückt mit millimeterfeinen Halbleiterplatten. Zwei Augen, die das größte Leid ausstrahlten, das man sich nur vorstellen konnte. Sie wirkten tot, gepeinigt und inspiriert. Finster wie die Nacht, einnehmend wie ein schwarzes Loch und so endlos tiefblickend wie das Universum. Sie wirkten starr auf mich gerichtet. Keine Nase, keine Ohren und keinerlei Haar. Weder Wimpern noch Brauen. Der Mund war zu einem schmalen Schlitz verformt, ähnlich dem eines Greys. Es öffnete ihn nicht, es atmete nicht. Aber ich war mir sicher, dass es Luft atmete. Viele kleine LED's und Transistoren befanden sich auf dem kahlen Schädel, eingearbeitet in die schleimig wirkende Haut, als wären sie ein Teil von ihm.
    Dann fiel es mir wieder ein. Die Träume, die ich in letzter Zeit hatte, zeigten genau diese Wesen. Ich dachte zuerst, sie würden etwas mit Hal zu tun haben, aber anscheinend hatte ich Visionen von den Ych. Ich konnte es mir nicht erklären, was genau sie einst waren, oder wie sie erschaffen wurden. Aber ich wusste, dass es nicht ihre wahre Gestalt zeigte, die für sie vorbestimmt war.
    „Jao glu mino totalis Qeras! Jao glu mino qei totalis jatsuio Avotis!“
    Monti machte große Augen. „Er meint, er wird jetzt sterben, weil er uns sein Gesicht gezeigt hat.“
    Ich wusste es. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst. Ihre Anzüge waren ihre einzige Chance, noch zu existieren. Er zeigte uns sein wahres Gesicht und unterschrieb somit sein Todesurteil. Aber warum tat er das? Wie verzweifelt musste er gewesen sein, um dies nach all den Dingen zugelassen zu haben?
    Ich konnte es mir nicht erklären, aber irgendwie hatte ich nun Mitleid mit ihm und seiner Spezies. Was hatte ich alles getan, was hatte ich alles gedacht, um ihn zu vernichten? Wie konnte es nur soweit kommen, dass wir am Ende die waren, die Schlechtes vollbrachten? Was erlaubte uns jetzt, sich an ihnen zu rächen? Ich wusste nicht, was ich nun machen sollte. Stand uns Reue zu? Stand ihnen Verzeihen zu? Was trieb sie zu diesem Krieg, dessen Schicksal offenbar schon lange Zeit zuvor entschieden war? Wie lange trieben sie bereits dieses Spiel? Wieso ausgerechnet wir?
    Mit Tränen in den Augen nickte ich dem Ych zu und sprach: „Können wir nicht in Frieden miteinander leben?“

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 19 ]

    „Reiß dich zusammen!“, schrie mich mein Kamerad an und packte meinen Arm. Er zerrte und drückte, versuchte mich vom Monitor weg zu drängen. Aber ich wollte nicht, ich konnte nicht.
    „Es ist nicht real“, sagte wieder diese Stimme. „Hörst du mich? Ich bin es, Hal!“
    Ich antwortete. „Doch, es ist real.“
    „Nein! Emilie hat gesagt, es ist eine Täuschung...“
    „Emilie..?“
    Dann gab die Tür nach, die Anfangs nur einen Spalt aufgesprungen war. Das harte Aufstampfen des Mechs holte mich ins wahre Geschehen zurück. Monti zerrte immer noch an meinem Arm, hatte dabei den anderen Arm um ein Metallrohr gewunden und hielt in dessen Hand eine Scheibe oder ein knopfartiges Konstrukt. Instinktiv griff ich zur Pistole, hielt sie dem Feind entgegen und zielte auf die Halsgegend. Es war zu erwarten, dass dieser davon unbeeindruckt blieb und mit lautem Dröhnen und angeschalteten Scheinwerfern auf uns zumarschierte. Den Greifarm weit nach vorn gestreckt, stakste er weiter und brummte in tiefen verzerrten Tönen deren wirren Laute. „Jao glu Ych! Jao glu mino Qerasio!“
    Ich drückte ab...
    Aber mein Wunschdenken, die Kugeln hätten zufälligerweise mal der Wahrscheinlichkeit Hintertür passiert und eben doch die Panzerung mühelos durchdringen können, erwies sich als fehlerhaft. Meine verzweifelte Gegenwehr schien ihn dagegen sogar noch aggressiver zu machen.
    Jetzt mischte sich mein velitischer Kamerad ein. Er stemmte sich vom Rohr ab, riss mich dabei mit davon, drückte im Flug auf einen Knopf seiner konstruierten Apparatur und warf diese dann dem Roboter entgegen. Wir drehten Pirouetten und Monti erhaschte dann ein Bodenblech, welches er mit sich riss und in letzter Sekunde als Schutzschild verwendete. Ein schriller Pfeifton folgte und ein lauter Knall, der alles um uns herum zum Vibrieren brachte. Wir wurden stärker hinweg gedrückt und plötzlich erwischte mich irgendwas an der Schulter.
    Panisch riss ich mich herum und schaute zum Mech rüber. Er schwebte in der Luft, taumelte geradezu, und jede Menge Gas trat aus, das ihm noch zusätzlich Schub verpasste. Aber er selbst zeigte keine Regungen mehr. Wie ein Torpedo flog er aus dem Raum, schlug dabei mit den Armen gegen die Pfeiler und zischte geradewegs den Korridor entlang.
    Als ich meinen rechten Arm beugen wollte und wieder den stechenden Schmerz spürte, realisierte ich erst, dass ein Metallstift im rechten Schlüsselbein steckte. Vorsichtig wollte ihn herausziehen, aber er saß so fest im Knochen, dass ich ihn nicht, ohne noch größere Verletzungen zu riskieren, entfernen konnte. Also ließ ich den Arm langgestreckt und legte die Pistole nun in meine linke Hand.
    Monti trieb eilig voran, entfernte sich von mir und verließ den Raum. Schnell versuchte ich ihm hinterherzuschweben, stieß mich kräftig von der Wand ab. Fast genauso rasant flogen auch wir durch den verdunkelten Schacht und näherten uns schnell dem Roboter, der regungslos zwischen einem Pfeiler und der Wand eingeklemmt war. Ich wollte meinen Kameraden noch warnen, aber er hatte bereits seine Finger auf den Anzug gelegt und entfernte mit kräftigem Ziehen die Mine vom Torso. Anschließend nahm er ein Skalpell hervor und versuchte die Schläuche am Hals anzuritzen. Ich stieß mich sanft vom Pfeiler ab und schwebte langsam zu ihm rüber, hielt dabei den Pistolenlauf ständig auf den regungslosen Körper des Feindes.
    Monti versuchte es immer weiter, aber ihm gelang es einfach nicht, auch ansatzweise einen der Schläuche oder Drähte anzuritzen.
    „Sie sind echt robust! Keine Ahnung, was das für ein Material ist, aber Kunststoff ist es nicht.“
    „Lass mich mal sehen!“ Behutsam befühlte ich mit den Fingerkuppen das Netzgewebe und ging in Gedanken die mir bekannten Stoffe durch. Es fühlte sich an wie Gummi, aber irgendwie doch nicht so ganz. Es war eindeutig Technologie, die wir noch lange nicht verstanden. Für mich gab es keinen Grund mehr, länger dort zu verweilen. „Lassen wir es und verschwinden von hier.“
    Er stimmte mir prompt zu, begutachtete die Mine und bestätigte mir aufatmend: „Es ist noch genug Energie vorhanden, um einen weiteren Ych außer Gefecht zu setzen.“
    „Trotzdem will ich hoffen, dass wir die Mine so schnell...“
    Und wie zu erwarten, ratterte ein tiefes Dröhnen uns entgegen, gefolgt vom Lichtkegel, der flackernd von der nächsten Linksbiegung zu uns herüberschien. Fast zeitgleich erreichten wir und der Feind die Biegung. Und Monti zögerte keine Sekunde zu viel, um den Sprengkörper an dessen Torso anzuhelfen. Jedoch wusste der Mech schon lange vor der direkt visuellen Begegnung, dass wir hier auf ihn warteten. Mit gekonnter Drehung schleuderte er uns seinen Greifarm entgegen, traf mich an meiner bereits verwundeten Schulter und verfing sich mit einem dieser rasierklingenartigen Fingerglieder in meinem Anzug. Es schirfte so heftig an mir entlang, dass sich das Metall tief in meine Muskeln einschnitt. Reflexartig zuckte ich zurück und strampelte mit den Beinen um mich. Nur Sekunden später ertönte das Pfeifen und die Mine expldierte ein zweites Mal. Der Mech und ich waren zu diesem Zeitpunkt immer noch ineinander verharkt, aber nun löste sich diese Verbindung so abrupt, dass mir der halbe Anzug vom Leib gerissen wurde. Überall spritzten Blutstropfen und Metallspähne herum. Ich verlor den Halt und wurde samt dem Feind von der Druckwelle mitgerissen. Noch im Taumeln krachten unsere Köpfe zusammen und ich erlitt ein leichtes Schleudertrauma. Alles drehte sich, mir wurde übel und mein Brustkorb verkrampfte so sehr, dass ich keine Luft mehr bekam.
    „Sam...“, hörte ich Montis dumpfe Schreie, die sich in meinen Ohren schnell zu einem Geräuschebrei verwandelten. „Sam!“, rief er, immer nur :„Sam!“
    Alle Systeme spielten verrückt. Das Licht schaltete sich wellenförmig aus und wieder an. Aus allen Lautsprechern ertönte Miris verzerrte Stimme, die im Kanon immer wieder ihren Text aufsagte. Alles überlagerte sich. Wie im Club fühlte es sich an. Das monotone Schlagen, das dröhnende Ächzen, die stroboskopen Lichtblitze. Es flimmerte und flackerte, brachte mich um jegliche Sinne. Der Verstand setzte vollkommen aus, ich verlor die Orientierung...
    Zusammen mit dem Feind schwebte ich im Zentrum des Korridors, von allen Seiten nur von Luft umgeben und die Wände nicht erreichbar. Dann packte er mich mit seinem Greifarm an der rechten Hand und zerquetschte mir die Finger. Blut floss über das Metall, die Knochen, Sehnen und Muskeln versagten. Schmerzen, die mich langsam ohnmächtig werden ließen. Tränen in meinen Augen, Krämpfe im ganzen Körper. Und Montis kreischende Stimme im diffusen Hintergrund.
    Eine nicht endende Spirale aus Sinnestäuschungen, falschen Emotionen und leeren Hoffnungen.
    Dann war es vorbei...
    Beängstigende Stille. Finsternis umschloss uns, zog uns sekündlich immer tiefer in das Nichts. Ich spürte nichts mehr, mein Kopf war leer. Keine Gedanken, keine Gefühle. Nur die absolute Dunkelheit.
    Alleinig der Mech vor mir spendete einen einzelnen Punkt schwachen Lichtes, welcher jedoch in der gewaltigen Präsenz des Nichts keinerlei Chance hatte, bedeutend zu sein. Mir war es egal, ob ich jeden Moment sterben würde. Das Leben hatte für mich keinen Sinn mehr. Mein Verstand begriff die Komplexität des Seins nicht mehr. Egal, was geschehen mochte, so war ich mir sicher, es sollte geschehen. Ich begrüßte all das, was die Zukunft mir bringen sollte. Ich hatte versagt, so war ich mir sicher. Ein Individuum, schwach und nichtig. Die Macht des Feindes unterschätzt.
    Ein Ping...
    Ein einzelner binärer Ping.
    Die Monitore, im tiefen Grau, zeigten das Signal. Der blinkende Balken, reihenweise im Gleichtakt schlagend. Montis Hand wich übers Display. Wieder kryptische Symbole. Die Zeichen ratterten nur so herunter und vermischten sich mit Zahlen und Buchstaben. Seitenweise konfuser Text wurde abgespielt, aber sonst geschah nichts weiter. Keine Lampen, keine Belüftung. Nur die grellen Monitore.
    Der Feind tat nichts.
    Ich starrte wieder auf den Monitor und erblickte ein erneutes Szenario. Wieder der Weltraum mit den Archen, Velit und dem Asteroiden. Aber diesmal wirkte die Situation anders als zuvor. Die Helios I, sie war intakt. Und sie feuerte gemeinsam mit den anderen beiden Archen auf den Feind.
    Die Uhr, sie tickte...
    Sekunden verstrichen, die mir wie Minuten vorkamen. Mein Verstand blockierte. Er wollte es nicht begreifen, was zu sehen war. Wie zuvor wirkte es unrealistisch. Und dieses Mal war der Asteroid das Ziel, welches just in dem Moment von allen drei Salven getroffen wurde und zu feinem Staub zersprengt wurde. Wollte Miri uns schon wieder einen Streich spielen?
    Ich wartete ab, aber es kam keine Wiederholung. Die Zeit tickte weiter.
    Plötzlich geschah etwas sehr Seltsames. Wenn nicht schon die bisherigen Ereignisse seltsam genug waren. Der Mech, er ließ mich los, senkte die Arme und starrte uns beide einfach nur an. Ugeduldig wartete ich darauf, dass er zum alles entscheidenen Gnadenstoß ansetzen würde.
    „Sam?“, erklang wieder Hals liebliche Stimme, gefolgt von einer Videoübertragung. Nur halb linste ich auf das Display, traute meinen Augen immer weniger. Ihr wundervolles Gesicht, so betrübt und hoffnungsvoll zugleich. Kleine Tränen flossen ihr über die zarten Wangen. „Geht es euch gut?“
    Ich nickte angedeutet, musste dabei tief Luft holen. So viele unbegreifliche Gedanken in meinem Kopf, die auf eine Erklärung warteten. Die Pistole in meiner Hand, ich konnte sie kaum noch halten. Nur, dass ich sie noch mit den Fingern umklammern konnte. Es war nicht die Kraft, die mir fehlte, sondern der Wille.
    „Wir haben es geschafft!“, sprach Hal weiter mit heiserem Klang. „Wir haben den Feind besiegt!“
    „Das glaube ich nicht!“, erwiderte ich kopfschüttelnd, hielt währenddessen mit letzten Reserven die Pistole an den Helm des Feindes. Er machte keine Anstallten, sich zu wehren. Er blieb so in passiver Position da und starrte mich nur an. Und ich schüttelte durchweg den Kopf. „Was ist, wenn das auch ein Trick ist?“
    „Nein, du verstehst nicht!“ Ihre Stimme wurde lauter und energischer. „Sam, du verstehst nicht..!“
    Im Hintergrund waren noch andere Personen zu sehen, darunter auch Emilie, die sich just auch zum Bildschirm gesellte. „Es war Moby Dick!“
    Emilie...
    Hal hatte sie nur wenige Minuten zuvor erwähnt, aber ich konnte keinen klaren Gedanken dazu erschaffen. Nun, wo ich sie sah, mit den bunten Haaren und neonfarbenden Klamotten, durchschoss mich ein Gefühl von Sicherheit. Eine Emotion, die mir meine Freundin noch nie gegeben hat. Es war schwer zu deuten, aber es fühlte sich gut an. Irgendwie wusste ich, dass Emilies Worte der Wahrheit entsprachen.
    „Das Virus war es, das uns allen einen Streich gespielt hat. Selbst der Feind glaubte an die Täuschung.“

    Danke, wegen der Mütze! :alien: Ich habe die schon letztes Jahr getragen und glaube sogar als inofizielle Tradition hier im Forum eingeführt. Man muss ja auch mal mit solchen kleinen Dingen etwas Humor in das wundervolle Forum bringen.
    Endlich geht es weiter auf der Helios III. Leider viel später als gedacht. Aber wenn einem keine guten Formulierungen einfallen, soll man es auch nicht erzwingen. Danke, @Windweber und @Sensenbach, wie jedes Mal für die wunderbaren Kommentare und Anmerkungen. Ja, du hast vollkommen recht, dass ich beim vorigen Part ziemlich wenig Details bezüglich der Unruhe und Emotionen der anderen Personen beschrieben habe. Das finde ich im Nachhinein auch etwas schade, wo ich doch sonst immer so vernarrt bin, alles exakt und detailiert zu beschreiben. Wobei ich andererseits nicht schon wieder zu viel beschreiben wollte, da ich die relativ unwichtigen Passagen abkürzen wollte. Vielleicht werde ich aber diese Sache mit dem Feuerlöschern noch einbauen, weil es den Text doch insgesamt mehr an meinen Stil angleichen würde.
    Und bei der Stelle mit der Aufopferung stimme ich euch auf vollkommen zu. Eigentlich wollte ich Leen nicht zurücklassen, andererseits wollte ich es damit dramatischer darstellen. Ich muss mal schauen, ob ich noch ein paar mehr Sätze einbauen kann, um es runder zu gestalten. Ansonsten kann ich euch nur viel Freude beim Weiterlesen wünschen und hoffen, dass der heutige Part etwas Aufschluss bringt und euch noch mehr überrascht. Wobei ich mit diesem Part auch nicht ganz zufrieden bin.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 18 ]


    Ich legte meine ID-Karte auf und betete, dass es funktionierte...
    Und das tat es auch. Die Tür öffnete sich und Miris Stimme ertönte stark verzerrt. Das brachte mich gedanklich vollkommen aus dem Konzept, aber trotzdem schwang sich mein Körper sam Monti an der Hand in den Raum hinein. Schüsse und Schreie ertönten, Projektile sausten durch den dichten Qualm und prallten von den Wänden ab. Eines streifte meine Hüfte, bevor ich die ID-Karte innen auf das Display legen und die Tür wieder verschließen konnte. Anschließende Kugeln prasselten gegen die Panzertür und hinterließen kleine Dellen an der Innenseite.
    Wir lösten uns, Monti stieß sich von der Wand ab und schwebte Richtung Labortisch. Ich krallte mich mit aller Kraft am Bedienpult fest und begann damit, den Raum entgültig abzuschotten. Uns beiden war bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Ych dieses Laboratorium stürmen und uns gnadenlos töten würden.
    Nachdem ich sie endlich mit einem Sperrcode verriegelt hatte, untersuchte ich erstmal meine Wunde. Aber es war nichts verletzt. Die Schutzweste lenkte das gestriffene Projektil ab, sodass es nur leicht den Stoff versengte.
    Ich begab mich mit zu Monti, ihm bei seinem Vorhaben helfen. Wobei ich mich fragte, was ich schon großartig hätte beitragen können. Er hatte mir nicht mal gesagt, was genau er bauen wollte. Er werkelte schon fleißig, suchte Material zusammen und vertiefte sich in die Arbeit. Nichmal mit neben sich bemerkte er.
    Grübelnd verfolgte ich sein Tun und versuchte mir vorzustellen, was er im Begriff war zu bauen. Es waren viele kleine Teile. Schrauben, Metallplättchen und Drähte. Die Füße um eine offene Schublade gewickelt, drückte er das filigrane Werkstück mit der linken Hand auf dem Tisch und hielt in der anderen einen Lötkolben. Hochkonzentriert befestigte er die haarfeinen Kupferdrähte an einer Schraube und formte aus ihnen kleine Ösen.
    „Kann ich irgendwas helfen?“
    Verdutzt schaute er mich an, linste zur Tür und dann wieder zum Werkstück. „Ich weiß nicht, ob es so etwas hier gibt, aber ich brauche ein paar Knopfzellen. Ansonsten muss ich improvisieren.“
    Ich bestätigte, suchte sofort die Schubladen und Regale ab und fand auch schnell welche. Aber sie waren leider bereits entladen. Das konnte ich an der Färbung sehen. Volle sind tiefschwarz, wohingegen leere weiß sind.
    Ich wollte sie gerade wieder zurücklegen, da winkte er mich bereits zu sich. „Bring sie her. Es ist egal, ob sie leer sind. Ich brauche sie eh nur als Kondensator.“
    „Was genau willst du eigentlich bauen?“
    „Eine mehrfach verwendbare Elektropuls-Mine.“
    Verwundert schaute ich ihn an und musste erstmal kräftig schlucken. Damit hätte ich nun nicht gerechnet, dass er aus solchen einfachen Dingen eine Waffe bauen würde.
    Vorsichtig nahm er es zwischen seine Finger und hielt es gegen das Licht, sodass ich es etwas genauer sehen konnte. Kaum größer als meine Handfläche, aber bereits nach kurzer Zeit so komplex gebaut.
    „Man haftet sie an den Mech, dann geht der Timer los und bei der Detonation wird ein starker Elektroimpuls freigesetzt, der im Idealfall die Elektronik des Anzuges zerstört. Wenn es so klappt, wie ich es mir vorstelle, sollte die Mine danach noch genügend Spannung haben, um ein weiteres Mal eingesetzt werden zu können.“
    „Und was ist, wenn nicht?“
    „Dann müssen wir sie wieder neu aufladen.“ Er zeigte an den provisorischen Adapter. „Sollte nur wenige Minuten dauern.“
    „Und wie stark ist dieses Ding?“, fragte ich und schaute mich nachdenklich um. Eingeschlossen in einem Raum mit Metallwänden käme ein zu massiver Stromstoß nicht gut.
    „Keine Angst, Samuel“, versuchte er mich zu beruhigen. „Ich habe es so konstruiert, dass der Elektrostoß in fünf Pulsintervallen über eine Sekunde erfolgt. Das sollte für uns ungefährlich sein. Eure EMP-Munition ist da weitaus gefährlicher.“
    Für mich blieb es bedenklich. Aber ich hatte keine große Auswahl an Möglichkeiten, um dem Feind etwas entgegenzusetzen. Ich musste ihm einfach vertrauen, genauso wie er mir Vertrauen schenkte.
    „Ich komme nun alleine zurecht, Sam.“
    Ich glaubte eh nicht, dass ich kompetent genug war, um ihn weiter beim Bau seiner Waffe zu assistieren. Außerdem wurde es mir langsam alles zu viel. Ich glaubte immer weniger dran, dass wir überhaupt eine Chance hatten, hier heil wieder rauszukommen, geschweige denn den Krieg zu überleben.
    „Dann schaue ich derweilen in die Datenbank, oder was davon noch übrig ist.“
    Dies sollte als Ablenkung reichen, dachte ich mir. Aber als ich sie dann einsah, wurde ich eines besseren belehrt.

    ...Sektoren 1 bis 18 schwer beschädigt. Abschnitt 14 und 15 ohne Atemluft! Manuelle Reaktorabschaltung eingeleitet! Stromversorgung noch zu 19,02 Prozent intakt. Code: 4-7-L-3-5-T-2-0-P! Hüllenschaden in Helix-Sektor 1457. Wahrscheinlichkeit für Hüllenschmelze beträgt 3,05 Prozent...

    Das hörte sich gar nicht gut an. Nichts von alldem hörte sich gut an. Und die Hälfte davon verstand ich nicht mal.
    Ich versuchte irgendwas und irgendjemanden irgendwie zu helfen. Vielleicht konnte ich vom Bedienpult aus einige Systeme wieder in Betrieb nehmen und so einige Leben retten. Ich tippte mich durch die Reiter durch, öffnete verschiedenste Dateien und Berichte, bis ich nach einigen Minuten doch etwas möglicherweise Nützliches entdeckt hatte. Den Schaltplan für den Helixantrieb. Nach ein paar Orientierungsproblemen bezüglich der komplexen Darstellung, entdeckte ich dann den Sektor 1457. Er war gar nicht so weit von unserem Standort entfernt. Nur einen knappen Kilometer weiter Richtung Heck.
    „Was ist das?“, hörte ich Monti verwirrt rufen.
    Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn auf einen Monitor vor sich starren.
    „Willkürliche Zeichen und Buchstaben“, meinte er weiter und fuhr mit dem Finger über das Display. „C f null g j i z vier acht t h e neun g vier sieben o p t v...“
    Ich verstand kein Wort von dem, was er mir sagen wollte. Drum schaute ich auch mal nach. Und dann schoss es mir durch den Kopf.
    # //cbv-pr.tp.:_Moby Dick_Upload _00.02% ...jucf06pold480hdfi63jawibk506gf6gssijv24gfzb564ufsnzt16bml6dsr28nvcg29gdz05fghj3axys... #
    „Wenn ich richtig liege mit meiner Annahme, dann ist das ein digitales Virus.“
    „Ich verstehe nicht ganz“, meinte er stirnrunzelnd und schaute erneut und intensiver auf den Bildschirm. „Wie lange soll das denn dauern, bis es komplett hochgeladen ist? Hätten die das nicht eher anfangen können?“
    Darauf wusste ich leider auch keine Antwort. Aber ich musste ihm Recht geben. Nichtmal ein Prozent wurde ausgeführt. Und das trotz unserer relativ hochentwickelten Technik.
    Ich versuchte etwas. Ich versuchte, nicht den Upload zu beeinflussen, aber die Dateigröße einzusehen.
    „Vier Gigabyte, komprimiert auf vier Kilobyte?!“ Wie war das zu verstehen?
    „Ist das viel?“, stellte er eine erneute Frage und versuchte sichtlich meine Mimik zu deuten.
    Ich schüttelte den Kopf. „Das ist absolut lächerlich! Da haben sogar manche meiner Privatnachrichten mehr Datenvolumen.“
    „Kannst du da irgendwas beeinflussen?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Selbst wenn ich wüsste, dass ich etwas beeinflussen könnte, würde ich es nicht versuchen. Das ist mir echt zu gefährlich...“
    Plötzlich klopfte es laut an der Tür. Gefolgt von Miris Stimme. „Lasst mich rein!“
    Verblüfft schauten wir uns an. Schulterzucken und Kopfschütteln.
    Heftiger klopfte es gegen die Tür. „Samuel, Monti! Öffnet die Tür!“
    Wir waren uns sofort einig, dass wir dieser Anweisung garantiert nicht Folge leisten würden.
    Ein drittes Mal sprach Miri zu uns, jedoch nun mit sich leicht verändernden Klang. Viel metallischer und hallender. „Öffnet die Tür! Ich befehle euch, die Tür zu öffnen!“
    Monti rüttelte an meiner Schulter. „Sie haben es geschafft!“
    Erschrocken riss ich mich rum, verstand aber kein einziges Wort. Was haben sie geschafft?
    Er hielt mir seinen Kommunikator nah vors Gesicht. „Sie haben einhundert Prozent erreicht. Euer System ist nicht mehr geschützt.“
    Plötzlich schalteten sich alle Lichter und Monitore aus. Bedrohliche Stille kehrte ein. Wir schauten uns an, ich horchte in die Leere und malte mir mögliche Szenarien aus. Stampfende Schritte drangen zu uns hindurch, gefolgt von Zischen und Quietschen.
    Kaum waren wenige Sekunden verstrichen, schalteten sich alle zuvor ausgegangenen Systeme wieder ein. Eine Bildübertragung erschien auf sämtlichen Monitoren, Anzeigen und Displays. Überall dasselbe Bild. Der Weltraum mit den zwei Archen und dem Asteroiden. Es schien von unserer Helios aus übertragen geworden zu sein.
    Gespannt schauten wir beide drauf, schweiften mit den Blicken von Monitor zu Monitor. Dann passierte etwas. Der Asteroid feuerte auf die Helios I, ebenso wie er zu Anfang auf uns eine volle Salve abgefeuert hatte. Die Wolke aus zahllosen Projektilen raste unaufhaltsam auf die Arche zu, prasselte ein und zerfetzte unser Schwesterschiff in tausend Teile.
    Es wiederholte sich. Die Aufnahme wurde erneut abgespielt. Eine Filmschleife. Und jedes Mal wurde ich fassungsloser. Mein Herz blieb still, ich verstand gar nichts mehr. Im Hintergrund erklang diese mechanische Stimme, die ständig die Worte sagte: „Jao glu Ych! Jao glu mino Qerasio!“
    Ich versank tiefer in den Moment und krallte meine Finger fest um den Monitor. Mir kamen die Tränen.
    Der Feind klopfte an die Tür, Monti brüllte meinen Namen. Aber ich reagierte nicht. Meine Heimat, meine Familie existierten nicht mehr. Sie waren ausgelöscht worden, binnen Sekunden komplett vernichtet.
    „Sam!“, erreichte mich eine vertraute, weibliche Stimme dumpf und kaum wahrnehmbar. „Sam, es ist eine Illusion!“

    Endlich geht es weiter in meiner Geschichte! Ich entschuldige mich zutiefst bei euch beiden und allen anderen stillen Lesern für die lange Wartezeit. Aber ich musste so einiges überdenken bezüglich Logikfehlern und Physik. Zumal ich jetzt auch noch jedes Mal dran denken musste, dass Sam nun schwerelos umherschwebt und nicht mehr rennt oder geht. :S 24 Thread-Seiten war es mir egal und nun muss ich umdenken! Gänzlich zufrieden bin ich zwar trotzdem nicht mit dem neuen Part bezüglich Ausdrucks, aber inhaltlich ist er so, wie ich es mir gewünscht habe.

    Oha! Bisher ist mir auf der Helios überhaupt keine Religion aufgefallen, höchstens nimmt das Schiff selbst die Stellung einer Art Gottheit ein. Kannst du dazu gelegentlich noch ein paar Worte verlieren? Die Religion oder Religionen einer Gesellschaft oder Kultur sind schließlich eine wichtige und spannende Sache.

    Das Religiöse kommt für mich auch überraschend, dachte nicht das Religion und Beten hier eine Rolle spielen.

    Sehr gute Anmerkungen. Das mit der Religion ist etwas komplex, wenn eigentlich total simpel. Unsere Leute heutzutage suchen ja ständig nach den Hintergründen der Entstehungsgeschichte der Religionen. Ob es Jesus wirklich gab und die Wunder und andere Ereignisse in der Bibel oder in anderen heiligen Schriften. Dies macht unsere Religionen zum Teil mystisch oder wahrlich außerweltlich.
    Die Religion auf der Helios dagegen ist nichts anderes als eine ausgedachte Geschichte, um den Gedanken einen Platz zu bieten, die Ängste zu vergessen. Jeder weiß, dass die Menschen die Erbauer der Archen waren und somit kein Gott existiert. Die Schiffe dienen als Archen und werden auch als solche bezeichnet und behandelt. Sie sind gewisserweise die Gotteshäuser und gleichzeitig die bildliche Darstellung des Gottes, der nur als Zufluchtsort in finstersten Zeiten dient. Die Religion hat bisher noch keinen Namen erhalten, aber ich habe mir in den letzten paar Tagen so mehr oder weniger spontan einen Namen ausgedacht. "Helin"
    Die uns bekannten Religionen und Lebensphilosophien wie Christentum, Islam, Bhuddismus, Voodoo, Scientology, etc. sind dort trotzdem noch rudimentär vertreten, zusätzlich noch die Religionen von den Chima, Grey und Nó, denen ich aber auch noch keine Namen gegeben habe. Vielleicht werde ich mal irgendwann einen weiteren Post im Weltenbau-Thread anfügen, in dem ich die verschiedenen Glaubensrichtungen nicht irdischen Urpsrungs vorstellen werde.
    Trotz der Tatsache, dass nahezu jede Religion irgendwie noch vorhanden ist, wird keine von denen ernsthaft gelebt. Sie sind mehr ein Suffix des "Helin", der ja auch schon nahezu keine religiöse Bedeutung hat. Der ganze "Glaube" basiert eigentlich nur darauf, dass den Bewohnern ein greifbarer Gedanke zur Verfügung steht, um sich mental zurückziehen zu können.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 17 ]


    Ich durfte nicht weiter drüber nachdenken, sonst hätte ich auch noch angefangen zu weinen. Schnell gab ich ihr noch einen Abschiedskuss und begab mich dann mit den anderen raus auf die Straße, wo wir uns versammelten und in Gruppen aufteilten.

    0,00 G
    Ich schwebte.
    Zum ersten Mal war ich schwerelos. Es überwältigte mich. Keine Kontrolle, kein Widerstand.
    Einsamkeit...
    Wir waren die dritte Gruppe, bestehend aus zwanzig Personen. Mir gegenüber schwebte Monti, der von uns allen am fasziniertesten drein schaute. Um ehrlich zu sein war der Großteil von uns eher angespannt als angetan. Und so gern ich auch seine spontane Freude für diesen Tripp mit ihm geteilt hätte, machte ich mir ständig Gedanken um das, was alles kommen wird. Im Grunde spürte ich nichts von der Fortbewegung, aber die Daten gaben 32,6 Km/h an. Bei dieser Geschwindigkeit würde der Flug eine viertel Stunde dauern. Fünfzehn Minuten Schwerelosigkeit. Ohne Schutz oder Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen. Um uns herum nichts weiter als Luft und wir selbst.
    Die Minuten vergingen, wir flogen immer höher und konnten nun das komplette Schiff in all ihrer schieren Größe und Pracht erkennen. Es erschlug mich, so gewalltig war es. Ich stellte mir vor, nun ewig hier herum zu treiben und niemals etwas Greifbares zu erreichen. Gefangen in der Schwerelosigkeit. Bis mir eine Kugel den Gnadenschuss verpassen oder ich an Hunger sterben würde.
    Angst. Panik!
    Ich wollte nicht mehr. Ich wollte wieder festen Boden unter den Füßen haben. Mein Schiff, meine Heimat. Sie war nun mein Käfig, aus dem es kein Entkommen gab.
    Ich schloss die Augen und versuchte all diese Gedanken auszublenden. Ich wollte nur das Nichts spüren. Die mich umgebende Luft, die ich atmete, die Hände, die ich hielt. Mein Herz pochte lautstark, der Brustkorb bebte und die Füße baumelten wie gelähmt herum. Ein unbeschreibliches Gefühl durchströmte meinen Körper, umgab mich wie weiche Watte. Und trotzdem spürte ich nichts.
    Meine Finger wurden fester umklammert und wir begannen uns leicht zu drehen. Wie zu erwarten, eröffnete der Feind wieder das Feuer. Aber wir konnten nicht sehen, woher genau die Projektile kamen. Vor uns lag die vor Farben knisternde Wolkendecke, in welche wir just eintauchten. Es wurde schnell neblig und ich konnte nicht mal mehr die sehen, die ich an den Händen hielt. Geschweige denn meine Hände.
    Und so feucht, dass Wassertropfen auf meiner kalten Haut kondensierten und mir noch mehr die Sicht nahmen. Ich wollte sie wegwischen, durfte aber nicht loslassen. Lautes Blitzgewitter raste wellenförmig an mir vorbei und um mich herum. Ein Farbspiel, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Verwirbelungen, die sich wie Kreise dem Epizentrum entfernten, zeigten mir die Flugbahnen der Patronen. Der Knall erfolgte Sekunden später und ließ mich heftig zusammenzucken.
    Statische Aufladung zerrte an mir, umschloss mich wie einen Kokon. Wärme strahlte mir entgegen, die sich immer mehr aufbaute. Es fühlte sich an, als würde sich meine Haut vom Körper ablösen. Keine Schmerzen, kein Blut. Nur dieses surreale Gefühl, eine auslaufende Batterie zu sein.
    Es war überwältigend!
    Die Wolkenschicht klarte sich langsam auf und das Licht wurde allmählich heller. Es steigerte sich immer mehr und immer schneller, bis es mir zu grell wurde. Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und konnte geradeso etwas erkennen. Die Sonnenbrille half nur bedingt gegen so viel Helligkeit. Aber ohne wäre ich garantiert schon erblindet.
    Wir passierten die Wolkendecke und nur noch ein paar hundert Fuß trennten uns vom Solarimitator. Die Hitze wurde allmählich unerträglich. Alleinig das verdunstende Wasser kühlte mich etwas ab und bewahrte mich vorm gefühlten Verglühen.
    Aber ich merkte schnell, dass die Schwelle bald erreicht war und mir diesbezüglich keine Gefahr drohte.
    Noch immer rasten wir mit knappen 33 Km/h durch die Luft. Mit dem Feuerlöscher bremsten wir dann mehr oder weniger stabil auf 13 Km/h ab. Nicht unbedingt mehr schnell, aber trotzdem rasant genug, um uns einen harten Aufprall zu bescheren.
    Ich sah die Mechs auf den LED-Paneelen laufen, sie versuchten sich einen direkten Weg ins Innere zu verschaffen. Aber das Kaltplasma hinderte sie daran, tief genug einzudringen. Sie wurden schlagartig durch massive Stromstöße und das ionische Halo außer Gefecht gesetzt. Uns wäre es wahrscheinlich auch so ergangen, darum versuchten wir es gar nicht erst, dort zu landen. Wir schwebten weiter, zu den Stützpfeilern hinüber. Dort waren auch bereits einige gelandet und hatten einen Durchgang gefunden.

    ***

    Wir waren in der Nullpunktstation angekommen und gerieten sofort wieder unter schweren Beschuss. In absoluter Schwerelosigkeit mussten wir uns voran kämpfen, dem Kugelhagel ausweichen und vor allem nicht die Orientierung verlieren. Nicht einmal die Stufenebenen waren minimal in Bewegung versetzt, was darauf schließen ließ, dass die Helios bereits komplett stillstand.
    Die hier anwesenden Militärs hatten sich versucht, bestmöglich gegen die Invasoren zu wehren. Aber schlussendlich war es den Feinden doch gelungen, die ZPS zu infiltrieren. Mit Leid musste ich ansehen, was die Ych in den wenigen Minuten bereits alles verwüstet hatten. Wieder viele Verletzte und Tote. Zerstörtes Equipment und Laboratorien, abgeschottete Abteile und durchweg dröhnender Alarm. Aber die Schalttafeln und Lebenserhaltungssysteme schienen weitestgehend noch intakt zu sein.
    Wir wurden sofort voneinander getrennt, aber Leen, Monti und ich blieben dennoch zusammen. Wir hatten natürlich keinen Schimmer, wo wir hinmussten. Und die wenigen Überlebenden hatten andere Sorgen, als uns zu helfen, dem Feind nachzueifern. Ich wollte es ihnen nicht verübeln, aber blieb mir keine andere Wahl.

    Immer mehr Archenbewohner fanden ihren Weg hier hoch, aber auch einige Roboter. Ein unerbittlicher Kampf um die Schleusen und Eingänge. Aber diesmal schienen die Maschinen nicht mehr so übermächtig zu sein. Ob es an den Wetterzonen lag, die sie durchflogen waren, den deutlich angestiegenen Verlusten oder doch nur dem puren Zufall des Kosmos?
    Aber je weiter wir voranschritten, umso entspannter empfand ich die Lage. Hier oben bekam man wirklich nichts von außerhalb mit. Tiefer in abgelegenen Bereichen, die wir entweder nur betreten konnten, indem wir die Türen sprengten oder ironischerweise die noch intakten Computer benutzten, wirkte es teilweise sogar alltäglich friedlich. Mich machte das schon etwas stutzig, dass dieser eigentlich streng bewachte Schiffsabteil nun so öffentlich rüberkam. Andererseits begrüßte ich es auch, endlich eine Chance zu haben, in die Datenbank zu gelangen, ohne ständig Umwege zu gehen.
    Wir drei waren schon seit einigen Minuten allein unterwegs, hatten aber immer noch keinen Plan, wie wir die Invasoren aufhalten sollten. Und die wenigen Ingenieure hier waren auch nur mit sich selbst beschäftigt.
    Ich dachte bisher, dass die Kriegserlebnisse in den Hüllenabteilen surreal zu betrachten waren, aber dies hier oben übertraf alles Bisherige bei weitem! So viel Ungewissheit und schwindendes Zeitgefühl komprimiert führte unweigerlich bei mir zu temporärer Depression. Ich fühlte mich schlapp, lust- und nutzlos.
    Irgendwann trafen wir dann doch noch jemanden an, der uns hilfsbereit zur Seite stand. Er zeigte uns an einem Computer den Weg zum nächstgelegenden Laboratorium, welches laut Datei noch intakt war.
    Einige Korridore weiter trafen wir dann auf unerwünschten Besuch. Wieder einer, der sich an einem Bedienpult zu schaffen machte. Er versperrte uns den Weg, jedoch wirkte er nicht sonderlich aufmerksam für seine Umgebung. Als wir uns ihm langsam näherten, befürchteten wir mit jedem weiteren Meter, dass der Mech zu uns rüber schauen würde und seine Waffe aktivierte. Aber nichts geschah. Er stand nur da, mit dem Greifarm über dem Display ausgebreitet und die Kabel mit dem Schaltkasten darunter verbunden. Das Licht spielte verrückt, obwohl man fast denken konnte, es wäre ohnehin normal gewesen, wenn die LEDs flackern würden. Aber irgendwie spielten sie einen synodischen Rhythmus. Und auch eine verzerrte Stimme hallte leise durch den Korridor. Wie ein Flüstern klang es und säuselte unverständliche Worte oder Wortfetzen. Ich bildete mir ein, dass es Miri war.
    Leen richtete die Waffe auf den Roboter und näherte sich ihm weiter. Dann hielt sie kurz an und deutete nach unten. Der Boden vibrierte leicht und war von knisternden Elektrostößen durchzogen, die metallischen Feinstaub in rosettenförmigen Gebilden wabern ließen.
    Niemand von uns wusste, ob es für uns tödlich war, wenn unsere Haut den Boden berühren würde. Und wir wollten es auch nicht austesten.
    Aber eines stand fest, der Mech schien von diesem Phänomen betroffen zu sein. Ich tippte darauf, dass er eine Überladung Elektrizität abbekam und seine System einen Kurzschluss erlitten hatten. Aber es war nur eine Theorie.
    Wir passierten das Ungetüm und ich konnte einen flüchtigen Blick auf das Display erhaschen. Viel sehen konnte ich nicht, außer eine Zahlenabfolge oder ähnlich Komplexes.
    Plötzlich bewegte er sich, schaltete seinen Scheinwerfer an und stieß einen Schwall Gas aus. Das hydraulische Geräusch von servounterstützten Gelenken fixierte mich sofort stärker auf den schwarzen Koloss, der sich just in diesem Moment zu uns umdrehte, dabei das komplette Bedienpult abriss und die Waffe auf uns richtete. Ich sah nur noch den grellen Blitz aus dem Lauf schießen, bevor sich mein Körper mit aller Kraft vom Stahlpfeiler abstieß und die Arme wedelnd nach weiteren Vorsprüngen griffen.
    Die Verfolgungsjagd begann. Der Mech, der sich schwerfällig auf seine vermeintliche Übermächtigkeit berief und gemächlich umherstampfte und wir, die mit rasanten Manövern durch die Luft schwebten und jede Sekunde als kostbar ansahen. Es ging nicht allein darum, wer als erstes das Ziel erreichte, sondern wer am Ende siegreich vom Platz gehen würde. Wir waren uns sicher, dass wir das Labor vor ihm erreichen würden. Aber wir waren uns nicht sicher, wie viel Zeit wir dort benötigen würden, um Montis Plan durchzuführen.
    Egal wie wir es drehten und wendeten, interpretierten und ausrechneten, jede einzelne Sekunde für uns zählte unendlich mehrfach als für die Ych. Zumindest war dies unsere Sichtweise.
    Irgendwann sahen wir dann die Tür zum gesuchten Raum, aber schon auf halber Strecke erreichte auf der Mech jenen Korridor und nahm uns sofort unter Beschuss. Monti und ich suchten Schutz an den Wänden, während Gefreite Orson das Gegenteil tat und sich dem Feind stellte. Sie opferte sich, um uns Zeit zu verschaffen, den Raum von innen zu versiegeln.

    Danke, @Windweber, @Sensenbach und @Sarius, für die Kommentare, Gedankengänge und Anmerkungen. Es freut mich, dass ich ein weiteres Forenmitglied für meine Geschichte begeistern konnte. :alien: Und ich hoffe, ich werde dich und auch alle anderen weiterhin begeistern können.

    Sam, Hal oder beide zucken die Schultern. Jedenfalls nicht Monti. War diesmal vielleicht etwas zu kurz gehalten. Ich werde es abändern in "Wir zuckten ahnungslos die Schultern"
    In diesem Fall sagte Sam: „Und warum erzählst du uns das?“ Ich dachte eigentlich, dass das offensichtlich ist, dass nur Sam das sagen konnte. Denn sonst hätte danach ein Absatz gefolgt und ich hätte hingeschrieben, dass es nicht Sam sagt.
    Und Monti sagte: „Um Sympathie zwischen uns aufzubauen. Ich war ein Veliter, aber jetzt bin ich ein P.“

    War ich zu dumm dafür? Und warum Ych und Velit? Waren die Mechs etwa auch Menschen? Aber warum sollten sie uns dann vernichten wollen? Und wer war intelligenter? Die Veliter oder die Ych?

    Wie kommt er auf den Gedanken, dass die Mechs auch Menschen sind. Gab es Hinweise. Habe ich etwas überlesen?

    Warum sollte Sam nicht auf den Gedanken kommen, dass sie eventuell Menschen sein könnten? Niemand weiß, was sich hinter den Anzügen verbirgt. Sam kombiniert nur das ihm bereits Bekannte. Monti ist Veliter (Mensch) und kann die Sprache der Ych, die zugleich die Sprache der Veliter ist. Deshalb vermutet Sam, dass die Ych eventuell ferne Verwandte der Veliter sind, also vermutlich sogar Menschen sein könnten.

    „Ich habe eine hohe technische Begabung und könnte helfen, adaptive Munition zu entwickeln, welche die Panzerung der Anzüge durchdringen könnte. Aber dazu brauche ich Zugang zu eurer Datenbank und ein gut ausgestattetes Labor. Und das ist der Punkt, bei dem ihr ins Spiel kommt.“

    OK die Mechs sind Menschen. Neue Information, aber für mich völlig aus dem Nichts kommend.

    Dass die Mechs nur Anzüge sind, impliziert nicht, dass die Wesen in den Anzügen Menschen sind. Es könnten doch auch Chima, Greys oder eine andere Spezies sein. Ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Ych Menschen sind. Vielmehr ist doch erstaunlich, dass Monti behauptet, dass die Maschinen nur Anzüge sind. Obwohl er dort die Person ist, die am wenigsten Kenntnis von alledem haben müsste.
    Näheres wird im folgenden Part angesprochen. Vielleicht regt es dich/euch zum Denken an. Ich persönlich weiß natürlich, wer oder was die Ych sind. Und ich werde mit Sicherheit dieses Geheimnis noch in dieser Geschichte lüften.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 16 ]


    ***

    0,13 G
    Die Minuten vergingen und die Schwerkraft war fast vollkommen verschwunden. Wir mussten uns nun schon am Boden verankern, um nicht davon zu schweben. Monti redete mit jedem Anwesenden hier. Aber niemand schien sich dafür begeistern zu lassen. Er verlangte auch wirklich Unmögliches.
    Und ständig schrie er in dieser seltsamen Sprache durch die Gegend.
    „Jao glu ugluio! Glu jao mino ata filat uno ex uglu? Jao glu mino koloio!“

    Meiner Freundin ging es nur bedingt besser. Jeden Moment bangte ich um sie und hoffte, dass der Krieg bald eine Wende erleben würde. Weitere Zivilisten und Militärs fanden den Weg zu uns. Aber auch der Feind rückte immer näher und nahm uns mehr untere Beschuss. Nun konnte niemand mehr draußen Wache halten, da er sonst sofort ins Visier genommen wurde. Nicht wenige Kugeln drangen ins Haus ein, verletzten aber zum Glück niemanden von uns. Die Stützpfeiler und noch intakten Wände boten uns den Schutz, den wir brauchten. Wiedermal zusammengefercht auf engstem Raum beteten wir zu Gott, auf dass er uns ein Zeichen geben würde. Tamara schilderte uns die Situation aus sicherer Entfernung durch ihr Okular. Unerblittlich leisteten unsere Soldaten den Robotern Widerstand. Aber sie hatten keine Chance. Nie hatten wir eine wahrnehmbare Chance, ihnen die Stirn bieten zu können. Wir waren umzingelt, der Feind stand nur wenige Meter vom Haus entfernt. Es schien unser Ende gewesen zu sein.
    Doch dann geschah etwas. Etwas Unerwartetes. Es wurde ruhiger. Viel ruhiger.
    Tamara wagte einen genaueren Blick hinaus und bestätigte dann, dass der Feind das Waffenfeuer langsam einstellte. Es schien so, so meinte sie, als wollten die Mechs nicht mehr kämpfen. Sie wehrten sich auch nicht mehr. Aber das hielt unsere Soldaten nicht davon ab, sie weiterhin unter Beschuss zu nehmen.
    Dann geschah etwas, was wir nicht erwartet hatten. Mira rief uns alle heran. Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, wie die Mechs in der Luft schwebten. Sie stießen sich vom Boden ab und flogen langsam hinfort, Richtung Zenit. Sie ließen Gas ausströmen, um noch schneller zu werden.
    Monti war außer sich. Wild gestikulierte er und schrie uns an. „Ich habe es euch doch gesagt, dass das passieren wird! Warum habt ihr nicht auf mich gehört?! Wir haben zu lange gewartet!“

    Jetzt verstand ich langsam, warum er es so eilig gehabt hatte. Er wollte verhindern, dass sie überhaupt die Möglichkeit haben würden, die ZPS zu erreichen. Anscheinend dienten all die Kämpfe nur dazu, Zeit zu schinden, bis die Gravitation gering genug war. Vermutlich wurde ihnen schnell klar, dass dort oben unsere wahren Schätze lauerten. Die wissenschaftlichen Experimente, Quantenforschungen und vieles mehr. Aber ihre Kampfanzüge waren zu schwer und die Schwerkraft zu stark. Sie waren nicht drauf vorbereitet, aber trotzdem genug ausgerüstet, um auch dieses Hindernis aus den Weg zu räumen.
    Aber deren Technologie war unserer weit voraus. Wieso hatten sie nicht bereits vorher die Anzüge so konstruiert, dass sie auch unter moderater Gravitation abheben konnten?
    Es war der Asteroid! Deren Schiff! Er war zu klein, um eine ausreichend starke Schwerkraft zu erzeugen. Darum vielleicht die magnetischen Schuhe. Die dienten nicht dazu, um hier festen Halt zu haben, sondern um generell festen Halt zu haben.
    Ich erinnerte mich wieder an die Szene in den Duschen. Als ich die Panzerplatten nur geringfügig aufgebogen hatte, presste sich der Anzug fester zusammen, bis er schließlich implodierte. Warum sollte ein Schutzanzug dies tun, wenn dadurch das Individuum im Innern zwangsläufig sterben würde? Es ergab keinen Sinn. Es sei denn, die Ych konnten tatsächlich nur mit diesen Anzügen überleben. Wie anfällig mussten sie sein? Was waren das für Wesen?

    Schwer zu deuten, ob ich es wissen wollte. Aber eines wurde mir definitiv klar. Wir mussten dort hoch und sie aufhalten. Ich hätte gleich auf Monti hören sollen. Er war zu intelligent, um sich wirklich geirrt haben zu können. Leider erkannte ich das nicht sofort.
    „Ich glaube dir jetzt. Ich werde dir helfen, dort hinzukommen.“
    „Wir zwei“, äußerte er skeptisch. „Das reicht nicht mehr aus. Wir müssen bestenfalls alle hoch!“
    Ich blickte um mich. Viele verwirrte und verzweifelte Gesichter.
    „Dann werden wir das eben tun“, verkündete ich zuerst flüsternd, anschließend lauter in die Runde: „Wir werden es tun!“
    Viele drehten sich um, einige starrten mich an, aber schien verstanden zu haben.
    „Wir müssen dort hoch und sie aufhalten! Unteroffizierin Mira, wir müssen etwas unternehmen!“
    Sie schaute mich an, wieder hinauf und wieder zu mir. „Samuel hat recht. Es ist unsere Pflicht, alles zu versuchen, um sie aufzuhalten.“
    Wie zu erwarten, protestierten einige. Aber dies überhörte ich mal spontan. Ich selbst hatte bereits genug gejammert, um mir nun die Freiheit zu nehmen, vorerst dem Kollektiv bedingungslos zu dienen.
    Hal neben mir zerrte an meinem Arm und grummelte mich argwöhnisch an. „Was soll der Blödsinn nun schon wieder?! Wir können nichts mehr bewirken.“
    „Wir können!“, widersprach ich ihr und wandte mich wieder der Menge zu. „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie wir vernichtet werden. Reicht es nicht, dass wir bereits unseren Planeten verloren haben? Wir sind die Erbauer. Unsere Spezies darf nicht aussterben. Die Roboter wollen uns unsere Heimat nehmen. Sie wollen uns unsere Existenz nehmen. Wollen wir das wirklich zulassen? Die werden uns garantiert nicht unter irgendeine Wahl stellen. Die kennen nur Vernichtung! Wenn wir nichts unternehmen, werden wir garantiert sterben. Aber wenn wir uns wehren, dann werden wir nur vielleicht sterben. Und in diesem Fall ziehe ich ein vielleicht dem garantiert vor!“

    Meine Rede trug sofort Früchte.
    Und je mehr sich unsere Organisation etablierte, desto mehr zweifelte ich an mir. Galt ich nun als der Anführer? Lob kam ja genug von Tamara und Leen. Hal dagegen konnte ich noch kein gutes Wort entnehmen. Ich vermutete aber eher, dass es nur daran lag, dass ich nicht bei ihr bleiben wollte. Was aber nicht stimmte. Ich wollte bei ihr bleiben. Aber ich konnte nicht einerseits den Kämpfer mimen und andererseits den Feigling spielen. Ich stand unter Druck, als Leitfigur, die ich gar nicht sein wollte. Wenigstens halfen mir meine Kameraden bei der Planfindung. Die Ziele waren klar. Zur ZPS gelangen und den Feind daran hindern, weiteren Schaden zu verursachen. Montis ständige Statusaktualisierung half uns dabei nicht wirklich. Waren es vorhin noch 3 bis 85 Prozent, waren es kurze Zeit später 34 bis 56 und nun angeblich 73 bis 94 Prozent.

    Eine knappe Viertelstunde später fingen wir an, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Er klang simpel, die Durchführung dagegen schwer. Wir sollten gegen die Gesetze verstoßen, um unsere Rechte zu schützen. Als wenn wir das ohnehin schon nicht oft genug getan hätten. Mit Sicherheit würden wir uns alle strafbar machen. Aber dieses Risiko war gering, im Vergleich zu dem Risiko, das unsere Mission zu bieten hatte.
    Kurz gesagt sollten wir Zivilisten Militärkleidung erhalten und umgekehrt.
    Einige Soldaten schwärmten dazu aus, um Tarnzüge toter Kameraden einzusammeln, zusätzlich entledigten sich die Soldaten, die hier zurückblieben ebenfalls ihrer Anzüge und würden dagegen unsere Alltagskleidung anziehen.
    Gefreite Leen und ein weiterer Soldat halfen mir beim Einkleiden, da es für mich unter diesen Bedingungen fast unmöglich war.
    Sehr makaber. Nun sollte ich den Anzug anziehen, der bereits einem anderen Soldaten nicht das Überleben gesichert hatte.
    Bereits als ich mit den Beinen reingeschlüpft war, konnte ich den Effekt beobachten, der mich tarnen sollte. Von der Hüfte abwärts war ich nur noch als schwaches Flimmern zu erkennen. Allein die verwaschenen Umrisse ließen erahnen, wo ich aufhörte und die Umgebung anfing.
    Mira, die hier zur Zeit den höchsten Rang hatte, wies uns währenddessen für die kommende Mission ein.
    „Stoßt euch so kräftig ab, wie ihr könnt. Auch wenn es nicht so aussieht, ist es eine enorme Strecke, die wir zurücklegen müssen. Darum werden wir Feuerlöscher zum Schubaufbau benutzen. Unkonventionell und primitiv, aber ausreichend. Wir haben nur eine Hand voll Feuerlöscher, darum werden wir sechs Gruppen bilden. In der ZPS gibt es nur die regulären Eingänge von den Magnetliften aus. Aber vermutlich werden die Mechs sich ihre eigenen Wege suchen. Geht davon aus, dass dort oben nichts mehr ist, wie es scheint. Die Anzüge werden euch nicht unsichtbar für sie machen, aber sie werden euch beim ersten Kontakt überlebenswichtige Sekunden schenken. Berücksichtigt auch, dass jegliche Verunreinigungen den Tarneffekt vermindern oder gänzlich aufheben können! Wenn wir oben angekommen sind, werden wir uns aufteilen müssen. Wir werden es spontan bestimmen, wer mit wem eine Gruppe bilden wird. Geht davon aus, dass sie uns wieder unter Beschuss nehmen werden, sobald wir in der ZPS sind.“

    Ich war fertig. Bis auf meinen Kopf war ich komplett getarnt, trug die gesicherte Pistole im Holster am rechten Bein, ein weiteres Magazin in der Tasche und unter dem Anzug eine Schutzweste. Eine Spezialbrille und natürlich meinen Kommunikator nicht zu vergessen, obgleich dieser aktuell am nutzlosesten war.
    Die letzten Minuten wollte ich noch mit meiner Freundin verbringen. Wiedermal stand eine unfreiwillige Trennung bevor. Dieses Mal war sie besonders hart.
    Sie hatte sich in eine ruhigere Ecke verkrochen und bemitleidete sich selbst. Ich konnte sie nur zu gut verstehen, aber ihren Schmerz konnte ich ihr trotzdem nicht nehmen.
    „Warum willst du das tun?“, fragte sie mit Tränen in den Augen.
    Fest hielt ich ihre Hand, streichelte sie sanft und versuchte ihr ein Lächeln zu schenken. Aber ich war zu betrübt.
    Sie wiederholte die Frage. „Warum willst du das tun?“
    „Ich will nicht“, hauchte ich. „Aber ich muss.“
    „Das ist aber viel zu gefährlich!“ Sie zog mich ran und lehnte sich um meinen Hals. Ihr Kinn auf meiner Schulter, der Mund an meinem Ohr. Schluchzen und Weinen. Hektisch atmete sie, die Brust an mich gedrückt. Sie litt. Sie hatte Angst um mich.
    Verständlich, in solch einer Situation.
    Aber ich hatte keine Wahl. Ich bin Teil des Kollektivs.
    „Ich verspreche dir, ich werde wiederkommen...“
    „Nein“, grummelte sie. „Verspreche mir nichts, was du nicht halten kannst.“
    „Hal, hab Vertrauen...“
    „Du bist der einzige hier, zu dem ich Vertrauen habe.“
    „Wenn der Krieg vorbei ist, werde ich dich meinen Eltern zum erstbesten Termin persönlich vorstellen.“
    „Ungewöhnlich optimistisch von dir“, erwiderte sie und schenkte mir ein neckisches Lächeln.
    Ich musste schmunzeln. Frech wie eh und je, meine Liebste. Aber tief im Innern war mir nicht nach Freude. Es war immer noch ungewiss, wie es auf den anderen Archen zuging. Vielleicht lebten meine Eltern auch gar nicht mehr. Vielleicht lebten auch ihre Eltern gar nicht mehr...

    Danke, @Sensenbach, für die vielen Anmerkungen und anregenden Fragen, wie auch Korrekturen! :alien:

    Warum schicken die Mechs nicht einfach eine (Atom) Bombe rein?

    Zuerst müssten sie ja die Bombe sicher in das Schiff bringen, dann müssten sie ja noch dafür sorgen, dass die Bombe nicht schon vorher hochgeht, beziehungsweise dort ankommt, wo sie den größtmöglichen Schaden anrichten kann und drittens wollte ich die Mechs keine Nuklearwaffen haben lassen, weil es nicht deren Technologie ist und absolut gegen ihre Prinzipien verstoßen würde. Sie sind nämlich Anhänger der realen Anti-Nuklearwaffen-Partei! Darum auch die schweren Anzüge. Außerdem wollen sie ja das Schiff gar nicht verstören. :alien: Aber dazu kommen wir später noch.

    Du must aufpassen, dass du der Gruppe nicht zuviel zumutest. Das ist ja fast schon übermenschlich, wieviel die jetzt abkriegen. Oder sind die Menschen gentechnisch verbessert?

    Die Menschen sind nicht genetisch verbessert. Ich habe sogar die Kriegsszenen extra entschärft, um der Truppe wenigstens eine kleine Chance zu lassen. Sicherlich wirkt es arg anstrengend, was sie durchmachen. Aber die Menschen sind körperlich mehr als nur fit und bestens durchtrainiert. Und ein wenig Fiktion darf immer dabei sein. :ninja:

    Wie macht sie das denn? Auf dem Rücken ginge, aber auf der Seite?

    Gemeint war hier nicht auf ihrer Seite liegend, sondern auf der rechten Seite des Durchgangs. Aber du hast schon recht, dass es ziemlich vage beschrieben ist.

    Ist Ekel das richtige Wort?

    Anspannung? Überbelastung?

    In diesem Fall ist Ekel wirklich das richtige Wort. Allenfalls Anspannung. Aber keine Überbelastung. Die Interferenzen bewirken bei ihm wirklich Ekelgefühl und Brechreiz. Eine starke Reizüberflutung, die ihm übel werden lässt. Dennoch ist es gut, dass du es nachgefragt hast.

    Das verstehe ich anatomisch nicht. Da ist ein Loch im Körper und man steckt ein Metallstück durch?

    Bei einem Menschen wäre das eher schlecht.

    Anatomisch ist es schon möglich, in das Loch etwas hineinzustecken. Aber du hast recht, dass es medizinisch unvorteilhaft ist, dies zu tun. Ich habe diesbezüglich mit @Jennagon geschrieben, weil sie in solchen Sache mehr Ahnung hat, und auch sie meinte, dass dies medizinisch fragwürdig ist. Darum werde ich die Wunde desinfizieren lassen, danach kauterisieren und anschließend mit den Hautgewebepflastern und Mullbinden verbinden. Die richtige Behandlung erfolgt später, wenn die Zeit dafür gegeben ist.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 15 ]


    „Jao glu fino!“, sprach er mit vorgehaltenem Ellenbogen und winkte uns mit der anderen Hand uns zu. „Mein Name ist Monti. Heißt du Hal Mellins Kolesnikow?“
    Stille...
    Er begann zu schmunzeln, welches sich schnell zu einem Lächeln entwickelte. „Deinem Schweigen nach zu urteilen, bist du entweder physisch nicht in der Lage, zu reden, verblüfft, weil ich mit meiner Theorie richtig liege, oder beides.“
    Immer noch Stille...
    Er hockte sich vor uns, musterte ihren Körper und deutete auf die Wunde. „Jetzt zu fragen, ob es sehr schmerzt, wäre recht sinnfrei. Dennoch würde ich gern der allgemeinen Höflichkeit halber diese Frage stellen. Zusätzlich auch, um mich zu vergewissern, dass du reden kannst.“
    „Was meinst du?“, entglitt es ihr, untermalt mit einem Stirnrunzeln.
    Und sein Lächeln wurde immer breiter. Prompt reichte er ihr die Hand und sprach weiter. „Ich kenne eine Majorin Slay Mellins Kolesnikow.“
    Wir zuckten ahnungslos mit den Schultern...
    Er fuhr fort. „Sie ist auf Velit stationiert und kämpft für unsere Freiheit.“
    „Und warum erzählst du uns das?“ Ständig schaute ich auf sein Symbol, aber es wollte mir partout nicht einfallen, was es bedeutete.
    „Um Sympathie zwischen uns aufzubauen. Ich war ein Veliter, aber jetzt bin ich ein P.“
    Da staunten wir nicht schlecht. Mit weit aufgerissenen Augen und die Kinnlade unten starrten wir ihn und dann uns gegenseitig an. Hal sagte nichts, sie keuchte nur verblüfft.
    „Du bist ein leibhaftiger velitischer Mensch?“, fragte ich völlig perplex und konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Spontan verstand ich nicht, was ihn anders machte als uns.
    Vertieft in seinen Kommunikator nickte er nüchtern.
    Ich hatte mir etwas mehr Antwort erhofft. Aber anscheinend war der Flimmerkasten interessanter als wir.
    „Und was machst du jetzt hier?“
    Ohne aufzublicken antwortete er. „Meine Kollegen sind fast alle ums Leben gekommen. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Das ist alles noch so neu für mich. Darum habe ich mir gedacht, suche ich die einzige Person auf, die ich zumindest ansatzweise kenne.“
    „Und das bin ich?“, fragte Hal verwundert nach.
    Monti nickte wieder. „Ich weiß, dass das unüberlegt klingt. Und im Nachhinein erscheint es mir auch so. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass es sich gelohnt hat.“
    „Und was willst du nun von uns?“, fragte ich weiter erwartungsvoll.
    Nun widmete er sich uns direkt zu. „Ich möchte euch helfen, eure Heimat zu retten.“
    Peinliches Schweigen.
    Bis er wenige Sekunden später weiterredete. „Kurioserweise kann ich die Sprache der Ych verstehen. Was uns optional einen gewaltigen Vorteil verschaffen könnte. Vorausgesetzt, ihr vertraut mir.“
    Dann drehte er uns das Display zu.
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    „Laut Capris Aussagen ist das ein galaktischer Verschlüsselungscode, mit dem sie euer Sicherheitssystem zu umgehen versuchen. Laut meinen Berechnungen liegt die relative Wahrscheinlichkeit bei drei bis fünfundachtzig Prozent, dass sie euer System innerhalb der nächsten halben Stunde infiziert haben werden.“
    „Drei bis fünfundachtzig?“ Fragende Gesichter. „Capri?“
    „Ich weiß nicht genau, welchem Muster die Ych folgen. Darum die starke Schwankung. Und Capri ist meine gute Freundin von Velit. Sie ist auch eine P und aktuell als Dolmetscherin auf Velit tätig.“
    „Dolmetscherin?“ Ich kam aus dem Fragen nicht mehr raus. „Wie lange seid ihr denn schon in Kontakt mit uns?“
    „Wir besitzen einen sehr hohen Intelligenzquotienten. Meiner liegt etwa bei zweitausendvierundsechzig und ihrer wurde auf zweitausenddreihundertfünfzehn geschätzt.“
    Gesichtsgrätsche...
    Gedankenimplosion. Absolute Ernüchterung. Ich hatte gehofft, dass er sich gerade versprochen hatte und nicht meinte, dass seine Intelligenz dem Zehnfachen eines Greys entspräche. Aber irgendwas sagte mir, dass er doch die Wahrheit sagte. Ich begriff aber den Sinn dahinter nicht.
    War ich zu dumm dafür? Und warum Ych und Velit? Waren die Mechs etwa auch Menschen? Aber warum sollten sie uns dann vernichten wollen? Und wer war intelligenter? Die Veliter oder die Ych?
    Zwischen all den kosmischen Fragen des Mikro und Makro, der synaptischen Kernschmelze und der fülligen Leere der Gedankenebbe, konnte ich dann doch ein paar Worte in richtiger Reihenfolge ausspucken. „Und du bist dir absolut sicher?“
    Er klimperte nur mit den Augen, während sein Gesicht emotionslos blieb.
    „In was soll nun deine Hilfe liegen?“, stellte ich eine weitere, deutlich sinnvollere Frage, die er nun ohne große Verzögerung beantwortete.
    „Ich habe eine hohe technische Begabung und könnte helfen, adaptive Munition zu entwickeln, welche die Panzerung der Anzüge durchdringen könnte. Aber dazu brauche ich Zugang zu eurer Datenbank und ein gut ausgestattetes Labor. Und das ist der Punkt, bei dem ihr ins Spiel kommt.“
    Dann zeigte er hinauf.
    „Er will zur ZPS“, erläuterte Hal.
    Und wieder versank ich in Gedanken. Aber begriff schnell, was sie damit andeuten wollte.
    Abwinkend verkündete ich ihm meinen Standpunkt dazu. „Ich habe schon genug für den Krieg getan, jetzt sind wirklich mal andere dran.“
    Mit einer scheuchenden Geste deutete ich ihm, wieder zu verschwinden. „Ich weiß ja nichtmal, wie du überhaupt da hinkommen willst...“
    „Notfalls fliegen.“
    Große Augen. Fassungslos starrte ich ihn an. Aber er meinte es offensichtlich ernst, seiner kalten Miene nach zu urteilen.
    „Wir könnten aber auch die Leitern oder Schächte nehmen. Nur glaube ich nicht, dass wir es überhaupt lebendig bis dorthin schaffen werden.“
    Ich verstand absolut nicht, was er sich dabei dachte. Lasst ihn mal zwanzig Jahre alt gewesen sein. Was erdreiste sich dieser velitische Nomade, uns solche hirnrissigen Aktionen vorzuschlagen?
    „Geh wieder zurück auf deinen Planeten und lutsche Steine! Aber nerve uns nicht mit deinen fiktiven Ideen!“
    Er wich etwas zurück, stielte unbeholfen auf sein Display und rümpfte die Nase. „Slay hat es oft angedeutet, dass du kein Kämpfer bist, aber ich wollte es nicht glauben. Doch jetzt scheint es sich bestätigt zu haben.“
    „Wie bitte?!“ Das musste ich mir nicht bieten lassen. „Es ist mir egal, was Slay meint. Die ist selbst nicht perfekt.“
    „Gleichgültigkeit gab sie auch als menschliche Eigenschaft an...“
    „Und Chima sind eingebildet und egozentrisch! Slay ganz besonders...“
    „Es reicht!“, schrie mir Hal plötzlich entgegen. „Es ist immer noch meine Mutter, über die ihr hier redet. Es nervt!“
    Dann sprach sie zu ihm. „Monti, bitte suche dir jemand anderen, dem du dein Anliegen erzählst. Wir beide haben echt keine Lust mehr auf noch mehr Stress.“
    Dies war ihr letztes Wort, was sie ihm auch mit finsterster Miene klarmachte. Er befolgte ihren Rat und ging unverzüglich davon. Nur kurz schauten wir ihm noch nach, bevor wir uns wieder gegenseitig zuwandten und versuchten, die Grausamkeiten um uns herum zu vergessen. Einen Veliter, der von sich selbst zu viel und von anderen zu wenig hielt, brauchten wir wirklich nicht...

    Spoiler anzeigen

    Die velitische Zahlenabfolge ist weitaus mehr, als nur eine willkürliche Zahlenansammlung. Ich habe mir da spontan etwas einfallen lassen.

    Danke, @Windweber und @Sensenbach, für die Anmerkungen und Korrekturen. Bis auf zwei Dinge werde ich alles korrigieren. Die Sache mit Hals Hals sollte eigentlich ein Running-Gag werden, weil ich diese Wortkonstellation immer versucht habe, zu vermeiden. Aber jetzt wollte ich sie mal einbauen, um sie wenigstens einmal eingebaut zu haben. Ich weiß selbst, dass das relativ bescheiden klingt, aber grammatikalisch ist es ja korrekt. :alien:

    Was ist ein 38 er?

    Ein 38er ist das Sturmgewehr HAL 38.

    Wo kommen die Mechs her?

    Meinst du jetzt, wie sie an die Oberfläche gelangen konnten, oder aus welchem Teil des Universums sie stammen? Die erste Sache erklärt sich so, dass natürlich einige Kapseln auch bis zur Oberfläche hindurch kommen konnten und zusätzlich natürlich die Mechs dort hingelaufen sind. Die zweite Sache, aus welcher Region sie kommen, ist weitaus schwieriger zu erklären, da ich den Ort an sich in Form eines Sterns anhand eines Sternenbilds nicht klar definiert habe, da sich diese Bilder ohnehin ständig ändern, wenn man durch die Galaxie reist. Aber grundsätzlich kann ich so viel verraten, dass ich es noch nicht verraten möchte, woher sie genau kommen und warum sie überhaupt auf Krieg aus sind. Aber sie stammen aus der Milchstraße! :alien:

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 14 ]


    Aber auch von oben her hörte ich Schüsse, gar ganze Salven und Explosionen. Mira hockte links neben dem Durchgang an der Wand mit gehaltenem Abzug und ließ die Waffe hektisch umherschweifen. Tamara lag auf der anderen Seite des Durchgangs und feuerte gen Himmel. Obwohl ich noch halb taub war, schepperte es penetrant laut in meinen Ohren und raubte mir sämtliche Nerven. Eine Mischung aus Schmerz, starkem Kribbeln und ungeheurem Druck lastete auf meinen Ohren. Ein Einheitsbrei aus Geräuschen, welche sogar chimae Musik wie symphonische Satisfaktion hätten wirken lassen.
    Diao kniete hinter Tamara und presste sich die Hände an den Kopf. Vor Ekel verzerrtes Gesicht, immer ein Auge dabei fest geschlossen, die sich alle paar Sekunden abwechselten.
    Die letzten Stufen und wir hatten es geschafft. Oder eben nicht, wie ich es nach einem kurzen Moment realisierte. Nämlich, anstatt nur von diesem Mech am Fuße der Treppe weiter verfolgt zu werden, war auch hier oben jede Menge Feindaktivität zu verzeichnen. Die anfänglich willkürlich wirkenden Luftschüsse Tamaras entpuppten sich als gezieltes Ausschalten des Aggressors. Von überall her flogen Patronen und Metallsplitter. Querschläger sirrten wie wütende Hornissen durch die Luft.
    Gepeinigten Blickes sah ich mich um und konnte leider nur noch mehr Elend und Verwüstung entdecken. Die einst so prächtigen Wohngegenden und Hochhäuser waren zum Großteil nur noch Ruinen. Wracks aus zerbombten, zertrümmerten Stahlbeton. Die Wände beschmiert mit Blut, die Wege bedeckt mit Leichen. Das satte Grün der Wiesen und Bäume zu grauer Asche verkommen. Stellenweise stieg schwarzer Rauch auf, flammte Feuer oder war etwas von Wasser überflutet. Leichter Nieselregen schwebte auf uns nieder, kaum, dass er die Umgebung befeuchten konnte. Stickige Luft, von knisterndem Elektrobrand durchzogen, die wie feine Watte meine Haut reizte. Ausgehend von nicht isolierten Hochspannungskabeln, die wie Lianen von Masten und Häuserskeletten herunterhingen.
    Meine Augen suchten die Achse. Der künstliche Zenit war in ein sattes Violett getaucht, welches das sonst so grelle LED-Licht konfus zerstreute.
    Düsternis...
    Emotionslos. Tot im Gemüt sog ich die apokalyptischen Sinneseindrücke auf, doch füllten sie nicht die Leere tief in mir. Starr verankert in meinem Körper, der angesichts dieser Zerstörung hoffte, in Moleküle zerfetzt zu werden. Wiedermal stand für mich die Zeit des Universums für einige Sekunden still. Jede noch so kleine Bewegung wirkte hastig. Hals leises Atmen, der Hauch der Demut.
    Ich wollte tot sein...
    Doch sterben keineswegs!
    Meine Füße trugen mich unbewusst hinfort. Trotz der geringen Anziehungskraft ging es für mich nur beschwerlich voran. Weg von der Treppe, den anderen folgend, die sich ebenso bereits auf den Weg machten. Hals Hand erhaschte meine und zog mich hinter sich her.
    Voller Erstaunen beäugte ich weiterhin die Umgebung und versuchte mir einen Plan zurechtzulegen, wie es nun weitergehen sollte. Ständig zischten uns Kugeln um die Köpfe und aus allen Richtungen hallte das Dröhnen der Mechs hervor. Schwerer Artilleriebeschuss der großkalibrigen Sturmwaffen, die alles zerfetzten.
    Dann wurde sie vom Boden gerissen...
    Ich hob mit ab und zusammen flogen wir über die Köpfe unserer Truppe hinweg.
    Schreie aus Hals Mund. Sie zappelte und wand sich. Unsere Hände blieben zusammen, aber ich zog mich langsam zu ihr hin. Egal, was los war, ich wollte nahe bei ihr sein, um sie zu beschützen. Denn die Häuser waren nicht fern und ich wollte sie nicht mit Kopf voran gegen die Wand prallen sehen.
    Nun bemerkten es auch die anderen. Mit weit ausgestreckten Armen erhaschten sie meine Beine und bremsten unseren Flug.
    Meine Freundin erreicht und umarmt, bemerkte ich ihre blutige Schulter. Stoff und Fleisch zerfetzt. Ein daumenstarkes Loch befand sich dort, durch das ich glatt hindurchsehen konnte.
    Verkrampf krallte sie sich an mir fest und kreischte mich an. Anscheinend wurde mir am heutigen Tag keine Stille gegönnt. Nebenbei zischten weiterhin Patronen an uns vorbei und hätten mich beinahe auch noch getroffen.

    Wir hatten wieder Boden unter den Füßen und suchten schnell Schutz in einem der Häuser. Dort brachten wir sie in die stabile Seitenlage, sodass der verletzte Arm oben lag. Sie wehrte sich natürlich anfangs dagegen, waren ihre Schmerzen einfach zu groß. Aber sie verstand schnell, dass es nötig war, um sie ordentlich zu verarzten.
    Eine Spritze war auch schon parat. Sofort wurde ihr starkes Schmerzmittel injiziert und unverzüglich mit der Behandlung begonnen. Fürs Warten auf die Wirkung war keine Zeit. Nicht inmitten eines Kriegsschauplatzes, umzingelt vom Feind und ständigem Beschuss ausgesetzt.
    Nach kurzer Inspektion der Wunde, war Harold Branson, dem Arzt, klar, was zu tun war. „Besorgt mir einen Metallstift oder Ähnliches!“
    Wie gelähmt hockte ich neben ihr und hielt ihre Hand, die sie kräftig um meine schlang. Spucke quoll ihr aus den verzogenen Mundwinkeln, die Augen weit aufgerissen. Sie schrie immer mehr, der Brustkorb zitterte.
    Harold blickte um sich, hantierte nebenbei an Hals Pullover rum. „Leute, bewegt euch!“
    Ich...
    Was war mit mir los..?
    Diao sprang auf und rannte los.
    Ich wollte ihm nachrennen, da ergriff Harold meinen Arm. „Du bleibst bei ihr.“
    Resignierender Blick auf meine Freundin, die mich ebenso ansah. Dann nickte ich intuitiv und hockte mich wieder neben sie.
    „Sie braucht jemanden an ihrer Seite, dem sie vertrauen kann.“
    „Wir haben keine Zeit!“, rief Mira angestrengt und rannte dabei quer durch die Gegend, um die Lage weiter zu analysieren. „Wir müssen weiter..!“
    „Um Leben zu retten, ist immer Zeit!“
    Unser Nó kam wieder, mit einem Metallstift, der zwar etwas zu klein wirkte, aber dennoch passen sollte. Mit Alkohol und Wasser reinigte er das Metall, während der Arzt die Wunde ausspülte. Ich sollte Hals Arm festhalten und kniete mich regelrecht auf diesen. Ich wusste in dem Moment nicht, ob ihr mein Gewicht oder die Verletzung mehr Schmerzen bereitete. Aber es war nur zu ihrem Besten. Je schneller und besser wir sie versorgen könnten, umso größer war die Chance, dass wir alle den heutigen Tag überleben würden.
    Der halbe Pullover, wie der rechte BH-Träger wurden abgeschnitten, um den Bereich um die Verletzung frei zu haben. Diao hockte zu ihren Füßen.
    Dann nahm Harold einen Kauterisator aus seinem Utensilierenkoffer, wickelte dessen dünnen Metalldraht auf dem Stift auf und führte beides in die Wunde ein. Dann lockerte er den Draht wieder, sodass er sich am Körper anschmiegte.
    Hal war fix und fertig. Sie hatte schon richtig Schaum vor dem Mund und hyperventilierte. Aber wir mussten weitermachen. Ich hoffte für sie, dass sie alsbald ohnmächtig würde, um die Strapazen vorerst nicht mehr ertragen zu müssen.
    „Hal, du sollst mich ansehen!“
    Jetzt begann Harold erst mit der eigentlichen Operation. Dem Kauterisieren. Ich konnte das Fleisch knistern hören, beißender Dampf trat aus. Sie spuckte mir regelrecht entgegen. Aber sollte sie nur tun, was ihr den Schmerz linderte. Heftig schüttelte sie sich, trat nach Diao und fauchte mich fluchend an. Die Augen waren so stark zusammengekniffen, dass feinste Adern geplatzt waren und die Haut schwarz färbten. Wie ein Blaubeerkuchen sah sie aus.
    Nur wenige Sekunden später war es geschehen und der Arzt entfernte den Draht wieder. Was übrig blieb, war ein verödetes Loch, von verbranntem Blut überströmt und immer noch leicht dampfend und brodelnd. Das Schlimmste war überstanden. Nun folgte noch eine Schicht Hautgewebepflaster, die mit Kleber vorsichtig an die Wundstelle befestigt wurde. Anschließend nochmals mit Alkohol desinfiziert. Dann folgte Klebeband, das großzügig und äußerst stramm um den Arm, unter der Achsel hindurch und der Schulter gewickelt wurde.
    Hal war sehr tapfer!
    Und sie blieb immer noch bei Bewusstsein. Offenbar wollte sie mir die Genugtuung nicht gönnen, der stärkere von uns beiden zu sein.
    Nun wurde noch der Arm vor der Brust eng angelegt und mit Mullbinden fixiert. Sie war so tapfer! Ich war stolz auf sie.
    Als Dank für ihren Mut und Ehrgeiz gab ich ihr einen dicken Kuss auf den Mund. Der Speichel, Schleim und das Blut waren mir völlig egal. Ich war es ihr schuldig. Das war das Mindeste, was ich ihr geben musste.
    Und ich spürte auch, dass es sie etwas beruhigte. Das Zittern blieb, aber die Schreie verstummten langsam...

    ***

    0,29 G
    „Hier herüber!“, brüllte Mira und winkte mit großen Bewegungen zu sich hin. „Bei uns ist es sicher!“
    Wie sarkastisch dies doch klang.
    Mich veranlasste es trotzdem zum Nachschauen. Ein junger Mann in schwarzen Klamotten stolperte rennend durch die Trümmer auf der Straße. Seine Bewegungen waren sehr starr und unbeholfen. Was vermutlich daran lag, dass wir kaum noch Gravitation hatten. Jedes kleine Ruckeln und Vibrieren wirbelte Staub und Steine auf und ließ sie nur sanft zu Boden sinken.
    Der Mann unterhielt sich kurz mit der Unteroffizierin, welche dann zu uns schaute und anschließend mit dem Finger auf uns zeigte.
    Unverzüglich kam er dem nach und ging auf unseren Unterschlupf zu. Vorbei an den Soldaten, die an den Pfeilern Wache schoben, über den zertrümmerten Fliesenteppich und der umgefallenen Stahlwendeltreppe, die wie sich eine Schnecke in den Schutt gegraben hatte.
    Es krachte...
    Die Decke bebte, Putz fiel herunter. Am anderen Ende des Raumes platzte wiedermal ein Rohr und heißer Wasserdampf strömte zischend heraus und nebelte uns langsam ein. Es brannte bei jedem Atemzug, so heiß war er. Als würde ich Asthma haben, so fühlte es sich an. Ebendessen mussten wir alle husten, dass es kaum von Tamaras Röhren zu unterscheiden war. Aber ich nutzte auch die Gelegenheit und rieb mir mit einer immer feuchter werdenden Mullbinde über unser beider Gesichter. Ich tupfte ihr den Schweiß von der Stirn.

    Endlich geht es weiter! Wird auch mal Zeit, nach kanpp vier Wochen. Jedenfalls ein großes Dankeschön an @Windweber und @Sensenbach für die Korekturen und Anmerkungen. :alien:

    Denk dran, Impuls erzeugt Gegenimpuls. Gerade ohne Schwerkraft.

    Oder der Mech hält sich irgendwo fest, ist er magnetisch?

    In diesem Fall sind die Mechs wirklich mit Elektromagneten am Boden fixiert, was ich aber noch nicht erwähnt habe. Deshalb ist das jetzt leider ein ungewollter Spoiler. Ich werde es alsbald, wenn es die Situation hergibt, mit in die Geschichte einbauen. Ich hoffe, du verzeihst mir den Spoiler oder das Nichterwähnen dieser Sache.

    Aber sie erträgt doch die Schmerzen? Oder was meinst du hier?

    Ja, sie erträgt die Schmerzen. Muss sie schließlich auch irgendwie. Ich meinte damit, dass sie aufgrund der geringer werdenden Schwerkraft weniger Druck auf den Brustkorb bekommt und ihr somit das Ein- Ausatmen erleichtert wird, was wiederum mehr Schmerzen verursacht, weil ihre Lunge es nicht gewohnt ist, so leicht zu atmen. Ich komme darauf in der Geschichte später nochmal zurück und mache mir gleich eine Notiz, damit ich es auch nicht vergesse.

    Welcher Kampf? Hier sind doch noch keine Mechs in der Nähe.

    Hast mich eiskalt erwischt! Die Szene wollte ich eigentlich später einbauen, aber nun ist sie komplett überflüssig. Ich werde den Satz oder diesen Abschnitt entfernen, damit es nicht verwirrend wird.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 13 ]


    Instinktiv warf ich meine Arme um Hals Hals und rannte los. Wir alle rannten um die nächste Ecke, die zum Glück nur wenige Meter entfernt war. Knapp verfehlte mich eine Kugel, traf dafür einen der Soldaten. Er wurde von der Wucht mitgerissen und flog regelrecht davon. Zwei weitere wurden mitgerissen, die über das Kabel mit ihm verbunden waren.
    Wir anderen, panisch vor Angst, rannten einfach weiter und zerrten sie zum Boden zurück. Aus den Augenwinkeln konnte ich ihn beobachten. Schwer verletzt war er, das Projektil hatte seinen Rücken durchschlagen und den halben Brustkorb zerfetzt. Er rang nach Luft, röchelte, würgte Blut. Krampfhaft krallte er sich am Vordermann fest, den es offensichtlich nicht kümmerte, derartigen Ballast tragen zu müssen.
    Das schwere, metallene Stampfen des Mechs kam immer näher.
    Dann hallte es von allen Richtungen auf uns ein. „Wir sind die Rächer!“
    Und wieder diese grellen Lichtstrahlen. Die anderen Mechs waren auf uns aufmerksam geworden. Kaum angekündigt, kamen von überall her schon die Projektile geflogen. Salven von Leuchtgeschossen erhellten die erdrückende Finsternis wie ein Sternregen. Einnehmend, bezwingend.
    Ein ständiges Flackern...
    Zusammengekauert auf engstem Raum, in der Falle, kreischten und bettelten wir um Gnade.
    Plötzlich!
    Ein grauenhaft brutales Schmettern. Markerschütternd. Ich wurde taub. Dann folgte ein Blitz...
    Nein! Die Decke brach zusammen. Am Ende des Korridors zerbarst die Decke, die Wände wurden zerrissen, die Druckwelle raste auf uns zu. Dreck, Staub und Geröll trieb sie voran.
    Der grelle Blitz wanderte weiter, durch den Boden. Die Wucht erzeugte einen Krater, der sich ausdehnte. Hart wurden wir gegen die Wand gedrückt. Mein Kopf prallte dagegen, die Hände flogen hinterher und klatschen in mein Gesicht. Die Augen waren geschlossen, als das Geröll uns erreichte und wie tausend Nadeln an meinen Körper prasselten. Noch mehr wurden meine Arme und Kleidung zerschnitten. Ich verkrampfte, konnte mich eh für die Dauer der Druckwelle nicht bewegen. Sie presste mir die Luft aus der Lunge, drohte meinen Brustkorb zu zerquetschen und brachte mein Herz gefühlt zum Stillstand.
    Nur Sekunden später war es vorbei und ich sackte langsam zu Boden. Die Knie schmerzten und knirschten, meine Hände waren starr und taub.
    Langsam öffnete ich die Augen, doch ich konnte nichts sehen außer knisternde bunte Lichter. Kriseln und Flimmern.
    Hektisches Atmen und Stöhnen drang an mein Ohr. Links und rechts neben mir hockten die anderen.
    Vorsichtig streifte ich über meine Handflächen und ertastete Splitter, die teils lose teils fest in der Haut steckten. Einige bröselten ab, andere bereiteten mir Schmerzen.
    Allmählich kehrte mein Sehvermögen wieder und ich erkannte deutlichere Farben und Schatten. Blauviolettes Zwielicht schien kegelförmig hindurch. Aber vielmehr konnte ich nicht erkennen. Dafür war es zu weit weg. Jedoch verwunderte mich die Tatsache sehr, dass ein mehrere Meter großes Loch hineingesprengt wurde.
    „War das ein VICTORIA?“, schrie Mira. „Das ist verboten!“
    „Es sieht ganz so aus“, meldete sich Quor zu Wort, gefolgt von blinden Schüssen ins Licht.
    „Was macht ein VICTORIA an der Oberfläche?“
    Ich verstand nichts. Was war das? Wer schoss mit solch einer Waffe auf uns? Und warum?
    Gefreite Leen klärte uns auf. „Ein VICTORIA 20-T-DUO Panzerfahrzeug. Dem Einschlag nach zu urteilen im Haubitzen-Modus...“
    Kurze Pause ihrerseits, mit fixiertem Blick ebenfalls auf das Licht.
    „Ich verstehe nur nicht, was ein Panzer an der Oberfläche zu suchen hat.“
    „Ist doch jetzt egal“, erwiderte Quor und feuerte weiter ziellos umher. „Das finden wir am besten heraus, wenn wir uns hinauf...“
    Ein Quietschen, nur wenige Meter entfernt, unterbrach ihn. Metall schleifte auf Metall, kratzte über den Boden. Es war der dreibeinige Mech von der Konsole. Aber Quor meinte, dass er nunmehr kroch und nicht lief. Die Beine waren abgetrennt, er bewegte sich schleppend mit beiden Armen voran.
    Zeitgleich traten dunkle Silhouetten aus dem Violett hervor. Es war zu erwarten, dass sie uns früher oder später erreichten. Nur hatte ich gehofft, dass sie wenigstens vorübergehend außer Gefecht wären. Aber wir hatten es ja auch überlebt und waren nicht gepanzert.
    Ein Lichtblitz am Ende des Tunnels.
    Er raste auf mich zu. Ich fühlte nichts mehr. Nun war es vorbei...
    Geschwächt von all den Strapazen verlor ich das Gleichgewicht und kippte langsam nach links um, direkt in Hals Schoß. Mein Kopf sank auf ihre Beine, die Hände gruben sich in den Staub.
    Der Blitz erreichte mich. Im Augenwinkel flog er haarscharf an meinem Kopf vorbei und presste sich durch den Stahl hinter mir. Funkenflug und Schrapnelle. Ich spürte, wie sie meine Wange perforierten und die Haut versengten.
    Trotz der Taubheit hörte ich den Schall dumpf dröhnend einige Sekunden verzögert meine Ohren erreichen. Aber ich war zu gelähmt, um darauf zu reagieren. Am ganzen Körper zitterte ich. Die Sicht verengte sich und suchte in Hals Antlitz einen fixen, beruhigenden Punkt.
    Verzerrte Mundwinkel, zugekniffene Augen. Blutverschmierte, zerschnittene Haut.
    So plump es auch klingen mag. Das Spüren des rauen, vor Dreck staubenden Hosenstoffes in meinem Gesicht vermittelte mir ein Gefühl der Geborgenheit.
    Dann folgte ein weiteres Beben. Diesmal viel näher. Die Decke wurde wieder durchschlagen und fiel vor uns nieder. Der gleißende Blitz elektromagnetischer Entladungen brachte die Luft zum flimmern. Lichtschleier rasten wie Feuer durch die Korridore.
    Schluckauf, metallisch schmeckende blutige Spucke und wiedermal eine eingenässte Hose. Meine Augen schienen zu explodieren, so krampfhaft verzerrten sich meine Gesichtsmuskeln für einige Sekunden, bevor sich alles wieder normalisierte.
    Ich fühlte nur noch Schmerz und Atemnot. Ein dicker Betonbrocken fiel auf meinen Knöchel. Ich konnte die Knochen knacken hören. Nichts mehr war zu sehen, so staubig war es.
    „Wir müssen hier schleunigst weg!“, schrie Diao, von mir nur als vibrierendes Klingeln wahrgenommen. Gefolgt von kräftigem Ziehen an meinem Arm.
    Dann versuchte Hal sich zu erheben, schien mich gar nicht beachtet zu haben, sondern quetschte mich einfach von ihren Beinen runter. Wie ein Stein kauerte ich und hielt mir den Bauch, bis es dann doch geschah und ich mich übergeben musste. In meiner eigenen Suppe liegend erbrach ich immer weiter, wurde kurz darauf von meinen Kameraden unter die Arme gegriffen und hochgerissen. An mir herab lief der Schleim und wiedermal entleerte ich meinen Mageninhalt vor Miras Füße.
    Aber diesmal blieb keine Zeit, sich darum zu kümmern. Viel entsetzlichere Szenarien ereigneten sich anderorts.
    Langsam klarte die Luft auf, der Staub wurde durch das Loch aufgesogen. Und wir wagten es kaum zu glauben, aber die Mechs schienen tatsächlich vernichtet worden zu sein.

    ***

    Ein großer Sprung über den Hügel, mitten auf das Betonplateau. Beinahe wäre ich dort abgerutscht und in der Senke verschwunden, doch Hals Griff war fest.
    Sie lief weiter, behielt ein Auge auf mich. Ich dagegen konnte nur auf allen vieren umherkriechen.
    Links den Abgrund sehend, rechts flammendes Gas. Die zerborstene Decke hing wie eine Rampe halbseitig herab und wurde nur noch von verschmolzenen Stahlträgern gehalten. Mira und Tamara waren bereits oben angekommen und halfen den anderen sicher zur nächsten Ebene hinauf.
    Hal war unmittelbar vor und Leen wenige Meter hinter mir.
    Ich verstand anfangs nicht, warum mir keiner aufhalf, bis ich einen gequälten Blick nach oben werfen konnte. Elektrisierende Stromkabel, Eisengeflecht und weitere brennende Gasfontänen hüllten mich wie eine Kuppel ein. Der schwere, schlammartige Feinstaub stand zentimeterhoch. Die Finger schlupften über den Boden, pressten sich Metallsplitter und herausstehende Drähte hinein. Nur mit viel Kraft konnte ich die Hände lösen und erneut platzieren. Zum Glück war es zu dunkel, um viel vom Ausmaß der Verletzungen zu sehen. Aber Schmerz und Taubheit ließen nichts gutes erahnen.
    Wir erreichten die letzte Ebene und waren nur noch wenige Meter von der Treppe entfernt. Zehn Zivilisten und vier Militärs verloren wir beim Krater, der instabiler war, als wir vermuteten. Darunter auch Major Quor. Gerade als er sich hinaufbegeben wollte, schlug das nächste Geschoss ein und zerklüftete den Block mit malmenden Erschütterungen. Er hatte keine Chance.
    Aber es blieb keine Zeit zum Trauern.
    Mit geduckter Haltung sprinteten wir weiter den Korridor entlang, den Blick dabei nur geradeaus gerichtet. Als, wie schon nahezu überfällig, wieder ein Knall ertönte, der mich abrupt taub machte. Paralysiert vom Schock, vom zerschmetternden Druck in meinen Ohren, fiel ich zu Boden. Meine Hände konnten mich nicht stützen, sie waren ebenfalls gelähmt.
    Nur noch die trampelnden Schuhe der anderen sah ich an mir vorbei huschen. Die Panik übermannte mich. Wie ein Regenwurm windete ich mich, versuchte mich wieder aufzurappeln. Aber es gelang mir nicht.
    Dann kamen sie mir endlich zu Hilfe. Schlitternd rutschten Hal und Leen mir entgegen, erhaschten meine wedelnden Arme und rissen mich ruckartig hoch. Meine Beine spürten wieder den Boden.
    Glühende Augen in der Finsternis.
    Paranoia! War es wieder eine neue Kriegsmaschine?
    Humpelnd erreichten wir drei die Treppe, erklommen qualvoll die Stufen und schauten uns ständig nach dem Feind um. Aus den Augenwinkeln konnte ich eine Silhouette weit hinten entdecken. Nach weiterem Umdrehen vernahm ich zusätzlich, dass es sich in unsere Richtung bewegte. Dies spornte mich an, ich blendete den Schmerz aus und sprintete tippelnd die Stufen hinauf. Nun waren es Hal und Leen, die nicht hinterher kamen.
    Mein Gehörsinn kam auch langsam wieder, doch wünschte ich ihn mir nur Sekunden wieder weg, als die Gefreite Orson mit dem 38er unmittelbar neben mir herum ballerte.

    Danke vielmals, @Windweber, @Sensenbach und @Aztiluth, für die Anmerkungen, Kommentare, Berichtigungen und was euch sonst noch so eingefallen ist.

    Aber das konnte nicht möglich sein, weil keine uns bekannten Merkmale zu entdecken waren, die in Zusammenhang mit den Mechs standen. Holprig, welche Merkmale?

    Die Merkmale sind zum Beispiel die Unregelmäßigkeit, mit der die Erschütterungen auftreten. Und dass danach meistens eine Kapsel durch den Boden schießt. Immerhin wurden die Kapseln ja in das Schiff hineingeschossen, was an sich für die Archenbewohner willkürlich erscheint. Da es dort aber weit und breit keine Maschinen gibt, sieht Sam deshalb auch keinen direkten Zusammenhang.

    ...die Zahnräder verkantet.“
    Zahnräder bei einer so großen Konstruktion? Eher ein magnetischer Antrieb, der ist ohne Reibung.

    Das ist eine sehr gute Anmerkung! Um ehrlich zu sein habe ich mich bisher davor gedrückt, den Schwerkraftantrieb genauer zu beschreiben, oder ihn genauer auszuarbeiten. Weil es zwar recht simpel ist, jedoch viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die Langlebigkeit, die Kontinuierlichkeit, Energieverbrauch, Einfachheit, Kompaktheit usw. Einerseits stellte ich es mir schon vor, mit magnetischen Antrieb. Dabei ist aber der Energieverbrauch recht hoch. Die Reibung natürlich gering. Dafür ist er aber auch inaktiv, wenn kein Strom mehr fließt. Somit verschwindet die Pufferkraft und Stabilität. Dem gegenüber dachte ich halt an mehrere Getriebepakete, die in regelmäßigen Abständen angebracht sind. Das schafft einen kontinuierlichen, zwangsgesteuerten, gleichbleibenden Lauf. Die Reibung und der Verschleiß sind dabei aber recht hoch. Außer man benutzt Kugellager und Öle. Aber selbst da tritt irgendwann Verschleiß auf.
    Ich denke, ich mache eine Kombination aus beidem. Denn das Schiff soll sich ja für immer und ewig drehen, bestenfalls. Getriebe mit Zahnrädern und Kugellagern will ich schon mitverwenden, weil das auch ohne Magnetpuffer funktioniert. Die Magnetpuffer würde ich dann eher als Abstandhalter verwenden, eventuell noch als grobe Geschwindigkeitsregler.

    Das Raumschiff ist doch im All? Da gibt es praktisch keine Reibung. Man versetzt es einmal in Drall und es dreht sich ewig weiter. Man müsste Energie aufwenden, um es aufzuhalten. Oder lieg ich jetzt ganz falsch?

    Es gibt schon Reibung. Die einzelnen Teile reiben doch aneinander. Das Schiff bremst sich sozusagen selbst aus, durch deren Masse und Trägheit. Es ist halt wie beim Auto. Anfahren verbraucht viel Energie. Doch wenn es einmal rollt, braucht man weniger Kraftaufwand. Außerdem wird der Antrieb ja vom Helixantrieb mit Energie versorgt. Und der ist eh die ganze Zeit im Leerlauf. Man bringt das Schiff langsam in Rotation und wenn man die gewünschte Geschwindigkeit erreicht hat, lässt man sozusagen diesen "Gang" drin und treibt es immer nur in kleinen Schüben durchweg an.

    Die vorletzte Zeile beinhaltet einen Spoiler zu einer anderen Geschichte, die ich aber zur Zeit auf Eis gelegt habe. Um zu verstehen, was ich meine, könnt ihr ja einfach das euch vermutlich unbekannte Wort in der Suchfunktion nachschauen. Dann ist es zumindest nur teilweise gespoilert.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 12 ]

    ***

    Zu acht brachen wir wieder auf und statteten erstmal der Kantine einen Besuch ab, um uns mit Proviant zu versorgen. Mit jeder passierten Station trat ein erneutes Beben auf, jeweils heftiger als das vorangegangene. Und uns war klar, dass die Schwerkraft mit jedem weiteren Stoß um ein gewisses Stück abnahm.
    In der Kantine angekommen, wussten wir erstmal gar nicht, wo sich nunmehr was befand. Stühle, Bänke und Tische waren wild verteilt. Die Lampen zersprungen und der Fliesenboden lag in Scherben. Der Tresen beschmiert mit Essen. Wie ein großer Abfalltrog sah es hier aus.
    Dennoch waren viele Köche und Küchenhilfen damit beschäftigt, die Grundordnung und Versorgung aufrechtzuerhalten. Mit Eimer und Lappen reinigten sie die Glasscheiben und Wände, während nebenher frisches Essen serviert wurde. Es wurde direkt an die Leute portioniert verteilt. Die Algenriegel durften natürlich nicht fehlen.
    Leider waren es recht kleine Mahlzeiten, die jeder erhielt. Engpässe in allen Bereichen. Anscheinend war an der Oberfläche doch mehr los, als wir bisher vermuteten.
    Grundgesättigt traten wir endgültig unsere Reise an. Diao kundschaftete mit seinem multispektralen Blick die Umgebung aus und versuchte uns auf sicherem Weg durch die einzelnen Ebenen zu lotsen.
    Aber wir waren nicht die einzigen, die sich auf dem Weg an die Oberfläche befanden. Somit schlossen sich unserer Truppe noch weitere Personen an, bis wir an die dreißig waren. Mehr wollten wir nicht sein, weil der Feind offensichtlich Anhäufungen eher als Bedrohung sah, als einzelne Personen.
    Dass natürlich ein Nó die Operation zum gewissen Teil leitete, passte nicht jedem. Neue, noch junge Spezies verbanden viele noch mit Sklavenstatus.
    Die ersten Ebenen konnten wir einfach so passieren, aber ab der Hälfte meldete Diao wieder Feindaktivität. Über die Nebengänge, Schotts und Korridore versuchten wir bestmöglich die Gefahr zu umgehen. Ich glaubte zwar nicht, dass die Roboter uns übersehen haben, aber unter Beschuss gerieten wir seltsamerweise nie. Vielleicht lag es auch daran, dass manche Mechs bereits damit beschäftigt waren, die noch Überlebenden abzuschlachten. Helfen wollten wir diesmal nicht, weil die Mission wichtiger war. Es hätte zu viel Zeit und Aufwand gekostet, um einen Profit daraus zu schlagen.
    Mich persönlich nahm jedes dieser verlorenen Leben mit, Hal ebenso. Aber sie konnte es gut verbergen.
    Und so, wie die Feinddichte zunahm, nahm auch wieder die erdrückende Düsternis zu.

    0,64 G
    Der Gang wurde beschwingter, die Bewegungen fliegender. Hal bekam Schluckauf und ihre Nase begann zu laufen. Auch ich fühlte mich merkwürdig. Druck auf den Ohren und leichte Blähungen.
    Ab Ebene 32 aufwärts herrschte totaler Stromausfall. Viele Schotts waren abgeriegelt, die Lebenserhaltungssysteme arbeiteten nur noch unter großer Auslastung und von Lebewesen keine Spur mehr. Selbst Leichen gab es kaum. Diao registrierte nur kahlen Metallschrott, undichte Rohre und vereinzelte Maschinen auf den Stationen und Korridoren verteilt.
    Wir empfanden es als sinnvoll, uns aneinander mit Seilen und Kabel festzubinden. Damit, falls jemand den Halt verlieren sollte, wir anderen ihn festhalten konnten. Wie wir es gelernt haben im Überlebenstraining: Verhalten in Schwerelosigkeit.

    Hal berichtete mir, irgendein Monti würde sie seit einigen Stunden belästigen. Ständig würde er ihren Namen im lokalen Chat erwähnen und auch sie selbst schon angeschrieben haben. Natürlich blockierte sie ihn gleich, wie sie es schon bei Slevin handhabte.
    Ich ließ mir dennoch die Nachrichten zeigen, weil man ja nie wissen konnte.
    # Mein Name ist Monti. Ich komme von Velit. Kennt jemand eine Hal Mellins Kolesnikow? #
    # Mein Name ist Monti. Ist jemandem Slay Mellins Kolesnikow bekannt? #
    # Bist du Hal Mellins? Slay Mellins Tochter? Wo kann ich dich finden? #
    Es brachte mich zum Nachdenken. Sollte es stimmen, was er meinte? Aber was meinte er überhaupt? Spontan kamen mir nur stressbedingte Halluzinationen in den Sinn. Aber warum waren seine Aussagen so präzise und vor allem korrekt? Woher kannte er Slay und was meinte er mit Velit?

    Kaum, dass mir auch nur eine Minute Zeit gelassen wurde, die Gedanken zu intensivieren, empfing ich ein Signal eines anderen Servers. Und nur Sekunden später wurde mir eine Nachricht geschickt. Die Zugangsdaten. Ich wollte aber nicht riskieren, dass mein lokales Netzwerk zusammenbricht, weshalb sich Hal registrierte.
    Wie es aussah, war jenes Netzwerk noch größer als meins. Es umfasste dreihunderttausend Beteiligte, während meins nur zwanzigtausend Mitglieder zählte.
    Kaum war sie im Chat, bekam sie eine weitere Nachricht. # ~) (~ :: [)°'| ~) (~ °;~ ['+'] ~) (~ !!|::°!!|!!!!|!!!!|!!..|..°!!|!!!!|!!!!|!!!!|:: {\''/} #
    Und dann noch viele weitere Nachrichten. Mit denselben Symbolen und Zeichen. Mir war sofort klar, dass es nicht von uns sein konnte. Aber war es von den Maschinen?
    Es schien sich zu bestätigen, als ich plötzlich ohne ersichtlichen Grund aus meinem Netzwerk flog und automatisch in das fremde eingeloggt wurde.
    Sofort schalteten wir unsere Kommunikatoren aus. War dies gerade wirklich real? Hatten die Mechs es geschafft, ein eigenes Netzwerk in unserem System aufzubauen? Waren unsere Technologien vielleicht doch nicht so unähnlich?
    Und als wäre all dies nicht schon schlimm genug gewesen, kam auf der vorletzten Ebene der Punkt, an dem es kein sicheres Weiterkommen mehr gab. Alle Richtungen waren vom Feind versperrt. Ganz so, als hätten sie es schon vorausgeahnt, dass wir diesen Weg nehmen würden.

    0,43 G
    Unsere Bewegungen waren schon ganz schwammig und jeder kleine Hüpfer artete zu einem meterhohen Sprung aus. Zum Glück waren wir zusammengebunden, was uns ironischerweise das Hürdenlaufen erleichterte. Jetzt wäre uns längst garantiert der eine oder andere verloren gegangen.
    Nach ein paar Minuten angestrengten Wartens im Treppenhaus, verkündete Diao seine Entscheidung. Wir bräuchten bestenfalls nur einen Mech beseitigen, schlimmstenfalls alle zwanzig. Käme drauf an, wie schnell wir ihn erledigen würden. Denn anscheinend blieb eine Blechbüchse schon seit mehreren Minuten an derselben Stelle stehen, während alle anderen patrouillierten.
    Das Problem war nur der Fluchtweg. Die letzten beiden Ebenen waren über Treppen und Leitern in mehreren Geschäften und Boutiquen zusätzlich miteinander verbunden. Und mit großer Wahrscheinlichkeit waren deshalb hier so viele Feinde unterwegs. Kontrolle und Abschottung. Es sollte mich nicht wundern, wenn sie bereits an einigen Stellen anfingen, Türen komplett zu versiegeln.
    Wir hatten unseren Plan ausgetüftelt. Halb schwebend quälten wir uns minutenlang durch die engsten Spalte und Nischen voller Trümmer und spitzer Metallpfeiler. Wenige Meter über unseren Köpfen schimmerten leicht im flackernden LED-Licht violett kriselnde Gase und zu unseren Füßen schwebte dichter Feinstaub, aufgewirbelt durch unser dezentes Schlupfen über den Boden. Das Atmen wurde immer anstrengender. Beherbergte die Luft kaum noch Sauerstoff, um einen klaren Verstand zu gewährleisten.
    Tamara klopfte sich ununterbrochen auf die Brust und hatte ihren Oberkörper sogar mit Klebeband eng umschnürt, um mehr Druck auf den Brustkorb aufzubauen. Anders, so meinte sie, konnte sie die Schmerzen in ihrer Lunge nicht ertragen. Auch wenn ihre angestrengten Atemzüge etwas anderes signalisierten.
    Irgendwann war es dann soweit und wir konnten den Mech am Ende eines Korridors sehen. Er stand wirklich nur da und interagierte mit einer der Türkonsolen. Er schien irgendwie damit verbunden zu sein. Dünne Drähte und Kabel hingen zwischen seinem Brustkorb und dem Display. Ich war stark verwundert, weil er keine Lanze hatte, sondern eine Art Hand. Auch sonst sah er etwas anders aus, als die anderen Roboter, denen wir bisher begegnet waren.
    Er hatte drei Beine und wirkte deutlich schmächtiger, aber trotzdem noch stark gepanzert. Bedrohlich viele Stacheln auf dem Rücken und einen sehr flachen Kopf. Die Rüstung wirkte grober gehalten und aus den Spalten schimmerte es golden.
    Ganz seltsame Klickgeräusche gab er von sich. Ein Knirschen und Knistern, gepaart mit wellenförmigem Säuseln.
    Ich blickte zu Diao rüber. Er kniff die Augen fest zusammen und presste seine Hände gegen den Kopf.
    „Zu viele Interferenzen. Zu viele Wellen. Mir wird übel...“ Dann würgte er, versuchte sich aber angestrengt unter Kontrolle zu halten.
    Dann drehte sich der Mech zu uns um. Und plötzlich ereilte mich auch ein stechender Kopfschmerz. Das Knistern wurde lauter, regelrecht unerträglich. Gefolgt von einer Stimme in meinem Kopf. Bilder und Lichter flackerten vor meinen Augen auf. Verstörende Gesichter. Wieder dieses Wesen aus meinen Träumen. Ein Prickeln in der Luft, alles wurde verzerrt.
    Dann brummte es. Ein tiefes Dröhnen presste sich durch den stickigen Rauch.
    „Jao glu mino Ych! Jao glu mino Ych!“ Es wiederholte die Worte immer schneller und veränderte den Klang. „Jaor glud mie Ycher! Jaoir gluid die Yacher! Jir glind die Rächer! Wir sind die Rächer!“
    Mir stockte der Atem...
    Es intensivierte den Blick, richtete die Waffe auf uns und rief: „Erben Temors, sterbt!“
    Und die Waffe feuerte...

    Danke, @Windweber, @Sensenbach und @Aztiluth, für die Kommentare, Anmerkungen und Berichtigungen. Mit dem folgenden Part bin leider nicht ganz zufrieden. Irgendwie finde ich, sind zu wenig Gefühle drin. Aber vielleicht irre ich mich auch und er ist wunderbar und ich nur zu selbstkritisch.


    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 11 ]


    Es war Gefreite Leen, die mich mit ruppigem Zerren am Hosenbund in eine andere Richtung lenkte.
    „Ein Arzt!“, rief sie erneut. „Samuel ist schwerverletzt!“
    Ich protestierte. Es gab andere, die deutlich schlimmer dran waren und warten mussten.
    Aber merkwürdigerweise half es. Denn nur wenige Sekunden später stellte sich ein freier Arzt zur Verfügung. Auch wenn er anfänglich etwas überrascht wirkte, eben keinen blutüberströmten, halb toten zu sehen. Auf Leens Anweisungen hin wurden wir beide dann behandelt. Zum Glück waren die Wunden nicht tief und die Blutungen leicht zu stoppen. Ein paar Gewebepflaster, etwas Kleber und viel Schmerz später war ich wieder zusammengeflickt und sollte mich etwas ausruhen, dabei die Wunden mit nasskalten Tüchern abtupfen. Eine passende Gelegenheit, endlich mal zu meiner rothäutigen Kollegin zu gehen. Der Major absolvierte inzwischen weiter seine Runde. Hal ging natürlich mit, die mich gleich vorwarnte, sie nicht überstürzt anzusprechen. Als kürzlich Erblindete war sie sehr schreckhaft.
    Am ganzen Körper zitternd und mit Händen aufs Gesicht gepresst, säuselte sie heiser meinen Namen. Instinktiv ließ ich meine Hand auf ihre Schulter gleiten. Sie zuckte heftig zusammen und drehte sich von mir weg. Ich hätte es wissen müssen. Ich war zu übereifrig, zu stürmisch.
    „Sam, bitte sieh mich nicht an.“
    Sie tat mir unfassbar leid. Ich hätte viel eher eingreifen sollen, vielleicht hätte ich sie dann vor diesen Schicksal bewahren können. Schuldig fühlte ich mich. Schuldig an allem, was irgendjemandem in meiner Anwesenheit passiert war.
    Wieder dachte ich an Chu. Ich hatte sie allein gelassen. Ich hatte sie, trotz des Wissens über ihre Schwangerschaft, ins offene Verderben gehen lassen...
    „Sam, ich möchte deine Hand halten.“
    Ich traute mich nicht. Nicht schon wieder wollte ich das Schicksal herausfordern und jemanden durch innige Berührung ins Jenseits begleiten.
    Fordernd ließ sie ihren Handrücken auf dem Knie ruhen und formte angestrengt mit verkrampften Fingern eine leicht geöffnete Faust, in der ich vorsichtig meine Hand platzierte. Diesmal zuckte sie nicht zurück, sondern griff beherzt zu. Ich spürte ihre Erleichterung. Ihre Freude, einen ihr vertrauten bei sich zu wissen. Eine normale Geste, jemandem die Hand zu reichen. Doch für mich ab sofort eine große Hürde, die es zu überwinden galt...
    Schon wieder vibrierte das Schiff. Das Ächzen wurde immer lauter und zeitgleich, so schien es, wurden auch unsere Bewegungen langsamer. In meinem Wahn dachte ich spontan, dass diese Maschinen direkt etwas damit zu tun hatten. Aber das konnte nicht möglich sein, weil keine uns bekannten Merkmale zu entdecken waren, die in Zusammenhang mit den Mechs standen.
    Skeptisch beäugte ich Hal und bildete mir ein, dass ihre Kleidung etwas lockerer aussah. Mir kam ein Einfall.
    „Kannst du mal auf und ab hüpfen?“
    Verdutzt schmollte sie und schaute sich verdächtig um. „Vor all den Leuten?“
    Ich begriff es nicht. Obwohl...
    „Nicht, woran du schon wieder denkst. Mache es einfach.“
    Und sie tat es, wenn auch etwas unbeholfen. Mein Verdacht erhärtete sich. Sie hüpfte immer weiter und schien langsam selbst verblüfft zu sein, so hoch springen zu können.
    Doch ehe ich mich intensiver damit beschäftigen konnte, meldete sich schon einer der Ingenieure zu Wort. „Es scheint so, als wäre etwas mit den Schwerkraftgeneratoren nicht in Ordnung. Ich glaube, das Schiff rotiert langsam aus.“
    Verwirrte Gesichter starrten ihn an.
    Hal fragte nach: „Wie ist das jetzt gemeint? Haben wir bald keine Schwerkraft mehr?“
    Er nickte.
    Ich überprüfte seine Theorie. Und offensichtlich hatte er recht. Die Gravitationsstärke betrug nur noch 0,85 G, nach irdischem Maßstab. Ideal wären hier 1,03 G.
    Ich wollte es genauer wissen. „Wie soll ich mir das vorstellen? Ich denke, die Generatoren sind mit dem Helixantrieb gekoppelt. Und der ist doch nie abgeschaltet.“
    Er zuckte mit den Schultern. Offensichtlich wusste er darauf keine Antwort.
    Jedoch verkündete sich nun Diao. „Es kann aber auch sein, dass das Getriebe selbst beeinträchtigt ist. Vielleicht haben sich die Zahnräder verkantet.“
    „Aber wie sollen wir das herausfinden?“, hakte ein anderer nach. „Wir müssen doch irgendwas unternehmen können...“
    „Moment!“, unterbrach ich sie alle sofort. „Ich für meine Wenigkeit habe wohl schon genug gemacht. Macht, was ihr wollt, aber ohne mich und meine Freunde...“
    „Samuel!“, wies mich Quor strengen Blickes zurecht. „Es ist egal, was du schon alles getan hast. Wenn du helfen kannst, wirst du helfen!“
    „Aber können wir das nicht jemand anders machen lassen? Ich glaube nicht, dass wir die einzigen sind, die es bereits bemerkt haben.“
    „Also, wie sieht's aus?“, fragte der Major und ließ erwartungsvoll seinen Blick durch den Raum schweifen. „Wer schließt sich der Mission an?“
    Schweigen brach aus. Hal glotzte mich nur verdutzt an. Es war ihr anzumerken, dass ihr etwas auf der Zunge lag, das sie mir gern entgegnet hätte. Von Sekunde zu Sekunde wurde ihr Gesichtsausdruck wütender, bis ihr Kopf richtig heidelbeerblau war. Dann, ohne ersichtlichen Grund, wandte sie sich von mir ab und rief: „Ich komme mit!“
    Dann stapfte sie mit lautem Tritt auf ihn zu.
    Verblüfft sog ich schnell Luft ein, was Hiar auch zugleich machte. Verständlich, in solch einer Situation mit dieser Konstellation an Ereignissen. Ich konnte es nur schwer realisieren, dass sich meine Freundin diesem waghalsigen Unterfangen anschließen wollte.
    „Lass den Unsinn!“, rief ich ihr zu und zeigte instinktiv an meine Seite. „Komm wieder her. Das schaffst du niemals. Du wirst dabei umkommen.“
    Doch sie schüttelte den Kopf. „Ich gehe mit ihnen. Ich bin es leid, ständig missachtet zu werden.“
    Ich konnte es nicht glauben. Sie widersetzte sich mir. Warum musste sie nur so stur sein? „Bitte tue mir das nicht an. Bleib vernünftig...“
    „Nein, Sam! Ich will Slay endlich beweisen, dass ich den Namen Mellins redlich verdient habe.“
    „Uns brauchst du nichts beweisen. Außerdem will ich dich nicht schon wieder allein lassen...“
    „Dann komm mit“, konterte sie mit in die Hüften gestemmten Armen. „Überreden kannst du mich nicht.“
    Hiar zupfte an meinem Ärmel und zog mich zu sich runter. Sie flüsterte mir etwas zu. „Gehe mit ihr. Sie wird es nicht ohne dich schaffen. Gemeinsam seid ihr unschlagbar.“
    Ich ergriff ihre zitternde Hand, streichelte sie sanft. „Hiar, du halluzinierst. Du weißt, dass das eine Lüge ist...“
    „Nein, Samuel!“ Sie drückte meine Hand fester und presste sie an ihre Brust. „Der Major hat mir alles erzählt. Wie du die Frauen befreit und den Roboter besiegt hast. Du warst an Chus Seite, als sie von uns ging... Du bist ein Held!“
    Ich kehrte in mich. Ich hatte dem Major ausdrücklich drum gebeten, es niemandem zu erzählen. Aber das bewies mal wieder, dass ich keinerlei Autorität besaß. Ich fühlte irgendwie nichts mehr. Kein Leid, keinen Schmerz und auch keine Freude.
    Aber wenn ich auf meine rothäutige Kollegin blickte, wie tapfer sie wirkte. Sie war erblindet und würde vermutlich nie wieder sehen können. Trotzdem schaute sie hoffnungsvoll in die Zukunft.
    Und Kror, der immer noch im Operationssaal lag und vielleicht nie wieder neue Beine bekommen würde. Er war so hilflos in jenem Moment, als es geschah. Und viele andere, denen etwas zugestoßen war und ab sofort mit den Folgen leben mussten.
    Inmitten all dieser stand nun ich und beklagte mich darüber, noch gesund zu sein. Weil ich gezwungen war, meiner Nation zu helfen, mein Leben für die anderen zu lassen und mich dem Feind zu stellen. Im vollen Bewusstsein, es womöglich nicht zu überleben.
    Ich fühlte mich elendig, neben Hiar zu stehen und nur an mich zu denken.
    Wie hässlich musste ich auf sie wirken, dem Egoismus immer noch Platz zu bieten, während meine bessere Hälfte sich freiwillig dem Selbstmordkommando anschließen wollte?
    Ich wusste, dass sie wusste, dass ich sie nicht wieder allein lassen wollte. Ebenso bildete ich mir ein, dass sie wusste, dass ich wusste, dass sie das nur tat, um in mir unterbewusst Schuldgefühle hervorzurufen.
    So sehr ich sie in jenem Moment hasste, so sehr liebte ich sie auch dafür. Bei ihrem chimae Namen: Lasst es uns wagen! Lasst es mich wagen, Slay zu beweisen, dass ich der Richtige für ihre Tochter bin!

    Ohne weitere Worte an Hiar löste ich mich aus ihrer Hand, atmete tief durch und schritt mit erhobenem Haupt auf Hal und die Soldaten zu. „Ich schließe mich euch ebenfalls an!“

    Endlich geht es mal weiter mit meiner Geschichte. Ein ganz großes Dankeschön, and @Windweber, dass er meine Geschichte so eifrig gelesen und kommentiert hat. Und ich hoffe, sie wird dir auch weiterhin gefallen. Denn geplant sind noch viele Dinge, die auf den Archen und Velit passieren werden. Und auch ein großes Dankeschön an @Sensenbach, dass er angefangen hat, meine Geschichte zu lesen. Ich vermute mal, du hast bisher nur die ersten drei Kapitel gelesen. Denn die reichen ja ungefähr bis zur Hälfte der Geschichte. Natürlich ist mir schon seit langem bewusst, dass das dritte Kapitel recht langatmig, wenn nicht sogar langweilig oder lästig wirkt. Darum habe ich auch beschlossen, die ersten drei Kapitel (vorallem das dritte) zu überarbeiten, damit sie besser zum Endkontext und eben dem roten Faden passen. Auf Windwebers Kommentare und Fragen gehe ich jetzt nicht nochmal ein, weil wir dies ja schon über PN geklärt haben. Außer natürlich, jemand anders hat noch eine Frage zu einem Punkt in der Geschichte, der ihm noch nicht ganz klar ist.
    Anbei endlich ein neuer Part. Da zwischen dem vorangegangenen und diesem Teil recht viel kommentiert wurde, zitiere ich nochmal den letzten Absatz von Teil 9, um den Wiedereinstieg zu erleichtern.

    Zitat von Zarkaras Jade

    LETZTER ABSATZ: Die Verbindung riss ab. Ich hockte noch neben ihr, aber mein Kopf war zu ihr runter geneigt. Ich war mitten im Kuss. Doch was ich küsste, war eine Leiche. Kein Puls war zu spüren, keine einzige Regung, keine Wärme, kein Geräusch. Chu war tot...

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 10 ]

    ***

    Die nächsten Stunden waren quälend lang für mich. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass Chu nun tot war. Ihre Leiche, wir mussten sie zurücklassen. Diaos und Leens tröstende Worte halfen mir nur bedingt, diesen Verlust zu verkraften. Es war nicht allein die Tatsache, dass sie nun tot war, sondern vor allem, dass ich währenddessen mit ihr geistig verbunden war und sie somit all den Schmerz und die Angst mit mir teilte.
    Selbst dass wir weiterhin keinem Feind mehr begegneten, konnte mich nicht aufmuntern.
    Die ganze Zeit über schrieb ich mit Hal. Vermutlich sogar noch mehr, als in den ganzen Wochen, die wir bereits zusammen waren. Die Sehnsucht nach ihr wuchs mit jeder weiteren Minute, die ich nicht bei ihr sein konnte. Allein die Verringerung der Entfernung zwischen uns erlaubte mir ein Fünkchen Hoffnung.
    Doch als auf halber Strecke das Schiff erneut anfing zu beben, befürchteten wir wieder von Robotern überrascht zu werden. Aber es geschah nichts. Nur ein ständiges Ächzen war zu hören, welches sporadisch von schweren Erschütterungen begleitet wurde. Man möge denken, wir hätten uns langsam daran gewöhnt. Aber diese Beben waren viel stärker und zu regelmäßig, um von Einschlägen hervorgerufen zu sein. Alle paar Minuten wurden wir von einer Druckwelle heimgesucht, die uns jedes Mal zu Boden zwangen. Es fühlte sich so an, als würde das Schiff drohen, jeden Moment auseinander zu brechen. Die Anspannung war fühlbar in der Luft. Für Major Quor und die anderen Soldaten war es eine besonders schwere Aufgabe, trotz aller Umstände Ruhe zu bewahren.
    Als wir endlich in der Krankenebene ankamen, waren wir sehr überrascht über die vielen Leute hier. Es wirkte fast so, als wäre gar nichts passiert. Alleinig die Anhäufung der Verletzten und fehlende Elektrizität deuteten auf den Krieg hin. Keine Trümmerberge, kein Leichenteppich und keine vergiftete Luft. Sogar an jeder Kreuzung standen Soldaten und behielten die Umgebung im Auge. Zum ersten Mal erlaubten wir uns, richtig aufzuatmen.
    Aber trotzdem machten viele große Augen, als sie unsere Ansammlung von Ingenieuren und halbnackten Frauen erblickten.
    Auch ich fand endlich etwas Ruhe und konnte vorerst die Selbstmordgedanken verdrängen, welche vermutlich ohnehin nur affektiv auftretende Hirngespinste waren.
    Und dann sah ich Hal am Ende eines Ganges. Kaum trafen sich unsere Blicke, kam sie schon auf uns zugestürmt, stoppte jedoch ein paar Meter vor uns und ließ ihre Augen schweifen. Verlegen schmunzelnd umarmte sie mich dann und schmiegte sich fest an mich. Dass ich dabei immer noch die Pistole in der Hand hielt, schien sie gar nicht realisiert zu haben.
    Nun war ich glücklich. Nun wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Dass wir alle es geschafft hatten. Ich spürte, wie mir die Freudentränen kamen. Aber auch in ihrem Gesicht konnte ich verweinte Augen sehen, nachdem wir uns wieder voneinander lösten und uns Stirn an Stirn unsere Liebe bekennten.
    Der Major räusperte sich und gewann so meine Aufmerksamkeit. Mürrisch musterte er uns beide und schwenkte dann zu Mira um. Sie dagegen schmunzelte nur und nickte mir leicht zu.
    „Major, ich denke, wir können Samuel erstmal für ein paar Minuten entlassen.“
    Drucksend stimmte er zu und wandte sich wieder den anderen zu. „Wir begeben uns erstmal in die Krankenräume. Ich denke, die Frauen haben vorerst genug gelitten. Da will ich sie doch nicht unnötig in der Kälte herumstehen lassen.“
    Sie gingen weiter, während Tamara noch kurz bei uns blieb. Hals verwirrter Blick war mehr als verständlich, denn auch ich kam noch nicht ganz darauf klar, dass die junge Soldatin mit Atemmaske herumlief.
    Unter ständigem Husten und am ganzen Körper zitternd reichte sie meiner Freundin die Hand. „Du kannst wirklich stolz auf ihn sein. Ohne ihn würden vermutlich viele von uns nicht mehr leben.“
    Kaum dies gesagt, verabschiedete sie sich auch schon wieder von uns mit erhobener Hand, schulterte ihr Gewehr und schlenderte lässig davon.
    Ganz verdutzt starrte Hal mich daraufhin an und spitzte vergnügt die Lippen. „Du musst mir unbedingt erzählen, was dort unten passiert.“ Dann schaute sie nochmal kurz dem Trupp hinterher, um sich sofort wieder mir zuzuwenden. „Ist das Diao?“
    Ich stimmte zu.
    „Und das stört die Frauen gar nicht, dass er halbnackt herumläuft?“
    Da musste ich kurz grinsen. „Sei froh, dass du nicht weiter mit bei uns warst.“
    Plötzlich schwenkte ihr eben noch so vergnügte Gesichtsausdruck ins Betrübte um. Mit halb zugekniffenen Augen und recht verschlossener Haltung sprach sie weiter. „Wir sind nur knapp dem Tod entkommen... Die Maschine verfolgte uns über drei Ebenen, bis wir sie endlich abhängen konnten. Ich musste die anderen fast auf Knien anflehen, Kror nicht zurückzulassen.“
    Sie nahm mich an die Hand und führte mich zu einem Nebenkorridor, wo wir ungestört waren. Aber natürlich waren wir nicht die einzigen, die hier ohne Aufsicht herumliefen.
    Seite an Seite schlenderten wir durch einige Korridore und versuchten etwas die Zweisamkeit zu genießen. Aber ich merkte einfach, dass sie trotz meiner Anwesenheit sehr angespannt war.
    Ich fing ein Gespräch an. „Wie geht es den anderen? Wie geht es Kror und Hiar?“
    Leicht schmollend und mit tief gesenktem Kopf antwortete sie. „Kror wird gerade operiert. Und Hiar wird vermutlich für immer blind bleiben.“
    Ehrlich gesagt hatte ich mir bessere Nachrichten erhofft. Obwohl es mir fast klar war, dass es so kommen musste.
    Dennoch... „Ich bin guter Dinge, dass Kror es überstehen wird. Solch einen Muskelberg haut so schnell nichts um.“
    Sie nickte verhalten und schaute sich schüchtern um. „Die Soldaten sagen, die mittleren Ebenen seien sicher. Aber ich glaube das nicht.“
    Dem stimmte ich zu. „Es wäre auch irgendwie unlogisch, wenn sie ausgerechnet die mittleren Ebenen ignorieren würden. Anders kommen sie ja gar nicht an die Oberfläche.“
    Erstaunt wirkte sie plötzlich. Mit großen Augen starrte sie mich an. „Sam, beschwöre das nicht noch herauf! Die Oberfläche ist unsere letzte Zuflucht.“
    „Aber wäre es dem Feind denn nicht egal, wo wir sicher sind?“, fragte ich erwartungsvoll. „Muss er nicht eh die ganze Arche säubern, um uns komplett auszulöschen?“
    Verhalten war ihr Blick. „Um ehrlich zu sein, graust es mich davor, das überhaupt zu vermuten.“
    Diesbezüglich bekräftigte ich sie. Es war nie meine Absicht, dem Feind auch nur geringfügig Sympathie zuzusprechen. Trotzdem brannte mir eine aktuell eine Frage auf der Zunge. „Was sollen eigentlich deren Ziele sein? Warum haben sie uns angegriffen? Es wirkt so willkürlich, aber irgendwie doch geplant.“
    Und das brachte sie nun doch zum Grübeln, unschwer zu erkennen an ihren verdrehten Augen und der hervorblickenden Zungenspitze.
    „Für Diplomatie ist es noch zu früh“, meinte sie schließlich, was mich kurz aus der Fassung brachte.
    Eben noch meinen, sich nicht näher mit dem Feind beschäftigen zu wollen, und nun von juristischer Einigung sprechen.
    „Hal, ich glaube nicht, dass für die eine friedliche Lösung in Betracht kommt.“
    Schniefend quittierte sie es. „Um mal genauso unsensibel zu sein wie du. Glaubst du, es kommen noch mehr Schiffe?“
    Ich stellte diese Frage zurück.
    Und sie meinte. „Für gewöhnlich kämpft ja eine Flotte immer zusammen, weil deren Größe ihr Vorteil ist. Aber ich glaube nicht, dass die weitere...“
    Ein erneutes Beben erschütterte das Schiff und fegte uns den Boden unter den Füßen weg. Wir schlitterten durch den Korridor, ergriffen einander die Hände und versuchten uns irgendwie an der Umgebung abzubremsen.
    Alles stöhnte, vereinzelte Türen sprangen auf und Geländer verbogen sich. Einzelne Bolzen der Stahlträger über uns platzten ab und flogen wie Geschosse in alle Richtungen.
    Und ehe ich mich versah, traf mich ein Splint am Oberschenkel, durchschlug glatt den Stoff und steckte bis zur Hälfte in meiner Haut.
    Im Reflex hob Hal den Arm, welcher kurz darauf von einem Schrapnell getroffen wurde. Sie zuckte zusammen und schaute mich mit verzogenem Gesicht an.
    „So viel dazu, dass es hier sicher sei.“
    Schnell rappelten wir uns auf und rannten los zu den anderen, in die Krankenzimmer. Das Schiff hörte gar nicht mehr auf zu beben und es wirkte fast so, als würden die Korridore immer schmaler werden. Beinahe tänzelnd versuchten wir uns einen halbwegs sicheren Weg durch die Schotts und Gänge zu bahnen, blieben dennoch nicht gänzlich vom Schrottregen verschont.
    Unterwegs sammelten wir noch eine Hand voll andere Leute auf, die sich noch in den Korridoren verirrt hatten. Mit einigen Blessuren kamen wir an. Ich wies eine kleine Platzwunde am Kopf auf, sowie ein paar Kratzer an den Armen und eben der Splint wie auch eine Schraube in der rechten Schulter. Für Hal war es ein besonderes Ärgernis, wurde sie schließlich schon zuvor ärztlich versorgt und ihre Wunden behandelt. Aber wir waren es ja gewohnt von ihr.
    Ironischerweise hörten genau dann die Beben wieder auf, als wir die sicheren Räume betreten hatten. Aber wir beide suchten trotzdem erstmal einen freien Arzt auf. Was sich als schwierig erwies, da es deutlich schwerer Verletzte gab, welche nunmal bevorzugt wurden.
    Uns einen Weg durch die Personenmassen bahnend, entdeckte ich schließlich Hiar in Betreuung einer Schwester auf einer Bank sitzen. Major Quor war auch bei ihr. Offenbar wollte er sich über ihren Zustand erkundigen. Eine nette Geste, wie ich fand.
    Leider schien Kror weiterhin unpässlich zu sein. Langsam machte ich mir schon Gedanken, ab wann ich um ihn bangen sollte...
    „Ein Arzt, schnell!“, rief eine Frau, mir fast ins Ohr brüllend. Und dann packte mich jemand von hinten an der Schulter.

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 9 ]

    Wenigstens konnte ich mit ihr eine kurzzeitige Videoverbindung aufbauen, um ihr zumindest indirekt beistehen zu können. Ich folgte ihr den Steg entlang, die Treppe hinab und bis zum nächsten Korridor. Dann riss die Verbindung ab. Sie war zu weit entfernt. Ich konnte nur noch hoffen und bangen.
    Kaum war der Major wieder zurück, wurden wir beide erneut verlangt. Er erklärte uns sein Vorhaben, weil er Befürchtungen hatte, dass die zweite Maschine schon bald wieder zurückkehren würde, um uns alle zu vernichten.
    Wir sollten irgendwas entwickeln, was die Panzerung durchdringen könnte. Langsam nervte mich sein Vertrauen in mein herausragendes Talent, Glück zu haben.
    Die anderen Ingenieure waren davon nicht sehr begeistert. Es freute sie schon, dass man ihre Talente und Erfahrungen nutzen wollte, aber es freute sie nicht, dies unter Zwang und Zeitdruck zu verlangen. Von mir ausgehend wollte ich alles versuchen, um wieder zu Hal zu gelangen und auch allen anderen, die mir was bedeuteten, zu helfen.
    Gemeinsam machten wir uns ans Werk, unter ständiger Aufsicht der Soldaten Chris und Daniel Lengton. Werkstoff war ja genug vorhanden und Erfindergeist ebenso. Nach kurzem Beraten entschieden wir uns, einerseits eine Vorrichtung zu bauen, welche wie eine Spreizzange funktionieren sollte, und andererseits ein paar EMP-Projektile zu entwickeln.
    Wenigstens lenkte es mich genügend ab, um Chu für einen Moment zu vergessen. Doch ab und zu lauschte auch ich in die verdächtige Stille der endlosen Weiten der Station.
    Mal ertönte ein Pochen und Zischen. Aber keine Schreie oder sonstiges Beunruhigendes.
    Irgendwann gesellte sich dann Tamara mit zu uns, speziell zu mir und Diao. Der Nó schien es ihr angetan zu haben, denn sie konnte ihre Augen nicht von ihm lassen. Ob es daran lag, dass er immer noch halbnackt herumlief?
    Flüchtig unterhielten wir drei uns über die aktuellen Geschehnisse. Diao bedauerte es sehr, bisher keinen anderen Nó angetroffen zu haben. Aber am meisten bedauerte er, noch immer nicht mit Valery übereingekommen zu sein. Er verstand die Situation mit Kror und ihr, wünschte ihnen beiden auch alles Glück des Lebens. Dennoch wusste er, dass sie rechtlich nur mit ihm zusammen sein dürfte.
    Ich bedauerte auch so einiges. Ungeklärte Dinge mit Slay und meinen Eltern. Ein paar mehr Worte mit Mario und den flüchtigen Augenkontakt-Beziehungen mit Serena und Emilie. Ich konnte es nicht leugnen. Im Angesicht der Endgültigkeit war mir jede Frau in meiner Nähe lieb.
    Aber am meisten bedrückte Diao und mich Tamaras Schicksal. Sie wusste, dass sie ohne Gasmaske vermutlich nicht mehr atmen könnte, für den Rest ihres Lebens. Und sie würde nie wieder mehr schwerkörperliche Tätigkeiten ausführen können. Vermutlich würde sie sogar als Schwerbehinderte gelten und ausgesondert werden.
    Doch es bestand noch Hoffnung für sie, wie es auch für Hiar und Kror Hoffnung gab. Tamara wirkte offenherzig, selbstbewusst und lebensfroh. Zwar konnte ich mir nur schwer ein detailliertes Bild ihres Aussehens machen, die blassgrüne Haut verfälschte es, doch stellte ich sie mir spontan hübsch vor.

    Das Schlagen der Rotoren war wieder zu hören. Ich wusste nicht, ob man es generell spüren konnte, aber ich bildete mir ein, dass tatsächlich Frischluft zu uns durchdrang. Zumindest wurde der beißende Geruch milder.
    Wir atmeten kurz auf, doch dann gingen die Sprinkler los. Ein lautes Zischen und kaltes Wasser rieselte auf uns herab. Die Frauen kreischten und quiekten, schüttelten sich und kauerten sich panisch zusammen. Erst einige Momente später schienen sie realisiert zu haben, dass es nur Wasser war. Quors beruhigende Worte verfehlten nicht ihre Wirkung und gaben uns Kraft für das, was uns vielleicht noch bevorstehen konnte.
    Einige Minuten mehr vergingen, wir hatten das Gerät endlich gebaut, bis sich plötzlich die Videoverbindung mit Chu wieder aufbaute. Hoffnung überkam mich! Hoffnung, endlich weiterzukommen und Chu wieder bei uns zu haben.
    Als ich sie auf dem Monitor erblickte, sah ich sofort, dass sie sehr erschöpft war. Nur angestrengt, so wirkte es, konnte sie ihre Augen offenhalten.

    # Lüftungssystem und Sprinkleranlage sind in Betrieb. In wenigen Minuten müsstet ihr bedenkenlos passieren können. #

    Harold bestätigte es. Weitere Minuten vergingen, Diao und ich verfolgten derweilen Chu auf dem Monitor, wie sie sich einen Weg zu uns zurück suchte.
    Überall lagen Trümmer und Tote. Flackerndes Licht, undichte Wasser- und Gasleitungen. Viele Quartiere und Bereiche waren zerstört, Blut an den Wänden und sprühende Funken.
    Chus Blick, wie auch die Kamera schwenkten hinab zu ihren Füßen. Unter ihr waren die Gitterroste, bedeckt mit Geröll und Leichenteilen. Mit staksenden Schritten bewegte sie sich fort, suchte sich Lücken zwischen den Trümmer- und Leichenhaufen.

    Mit einmal krachte es gewaltig! Der Angriff, zwischendurch vermeintlich eingestellt, hatte erneut begonnen. Wieder bebte alles, doch die Lüftung bliebt intakt.
    Chu blickte sich panisch um. Der grelle Lichtstrahl hinter ihr verhieß nichts Gutes. Nur verzerrt drang das verdächtige Geräusch der Präsenz eines der Maschinen zu uns hindurch. Aber es reichte aus, um uns in Alarmbereitschaft zu versetzen. Wir wollten keine Zeit verschwenden und bereits den Gegenangriff durchplanen. Bevor der Major auch nur auf die glorreiche Idee gekommen wäre, mich oder irgendeinen anderen Ingenieur mit dem gebauten Gerät loszuschicken, vermittelte ich Diao als für diese Mission am fähigsten. Die Referenzen waren schnell erklärt, jedoch schwer zu verstehen. Diao behauptete, er wäre unsichtbar für die Maschinen und könne sich deshalb unbemerkt diesen nähern. Allerdings bevorzugt unbekleidet oder zumindest nur mit Handtuch. Begeisterung sah anders aus. Aber der Nó bestand drauf, dies durchzuführen. Auch wenn es der vermutlich letzte Beitrag sein würde, den er ausführen würde.

    Kugelhagel! Lautes Zischen! Chu stand unter Beschuss. Sie beschleunigte ihre Schritte, sie rannte. Hektisch verfasste sie eine Nachricht, während sie weiter umher stolperte.
    # Helft mir nicht! Rettet euch selbst! #
    Dann ließ sie den Kommunikator fallen. Nur im Bildwinkel konnten wir erkennen, wie sie die Pistole auf den Mech unmittelbar vor ihr richtete und abdrückte. Mit schweren Schritten, die alles zum Beben brachten, stampfte er unermüdlich auf Chu zu und richtete den Lauf auf sie. Hauptsächlich waren nur die Schatten und Spiegelungen zu erkennen, aber auch teilweise abgehackte Bilder des Maschinentorsos.

    Dann wurde meine Kameradin nach hinten katapultiert. Das Massentreibergeschütz hatte sie voll getroffen. Wir konnten nur erahnen, wie es um sie stand.
    Mich hielt hier nichts mehr. Gegen alle Anweisungen rannte ich blindlings zum Stationsende, aber wurde dann leider von der verriegelten Tür aufgehalten. Irgendwann kamen dann auch die anderen dazu.

    Wir fanden Chu nur drei Korridore weiter. Ebenso die Maschine, welche uns auch sofort erspähte.
    Quor versuchte sich von oben her dem Feind zu nähern, während Mira und Leen sich über die Stützpfeiler an den Roboter heranschlichen. Diao nutzte die Gelegenheit und präsentiere sich dem Feind offen, entblößt und unbewaffnet. Die Maschine blickte in seine Richtung, schien jedoch keine Reaktion zu zeigen. Ich wusste nicht, ob er irgendwas dabei fühlte, oder er dem Tunnelblick verfiel. Er näherte sich dem Roboter, aber nichts geschah. Ich selbst wollte nur zu Chu und ihr helfen. Mich hinter Diao haltend, versuchte ich, in Deckung zu bleiben.
    Die folgenden Minuten kamen mir ewig vor. Den vorauszusehenden Kampf wollte ich nicht mit ansehen. Ich hatte genug davon, mich ständig in Gefahr zu begeben. Doch als ich Chu endlich erreicht hatte, konnte ich es nicht glauben. Es wirkte so surreal, doch es war die Wahrheit. Vom Bauch abwärts war nichts mehr von ihr übrig. Eine große Blutlache, Gedärme und Metallschrapnelle. Aufgespießt kauerte sie unter der Treppe. Die Eisenstreben des Geländers durchbohrten ihren kompletten Oberkörper und Hals. Der Kopf, verbrannt und weit im Nacken. Ich nahm ihre Hand und legte sie mir an die Wange. Sie sollte Geborgenheit spüren, sie sollte sich sicher fühlen. Aber wir wussten beide, dass es sinnlos war.
    Plötzlich durchfuhr ein Stechen meinen Kopf und ich spürte ihr Leiden, ihre Schmerzen. Krämpfe durchzuckten meinen Körper und raubten mir die Kraft. Gedanken waren gestört und traten nur sporadisch hervor. Ich wusste nicht, was mit mir geschah. Es fühlte sich an, als wäre ich sie, steckte aber in meinem eigenen Körper. Ich starrte sie an und spürte Vertrautheit, als wäre der Grey vor mir ich selbst. Ich spürte meine Beine nicht mehr, ebensowenig konnte ich noch atmen. Jegliche Bewegung, ob bewusst oder nur vorgestellt, bereitete mir unvorstellbare Schmerzen.
    Dann schossen mir Bilder in den Kopf, welche sich vor meinen Augen in greifbare Objekte und Situationen verwandelten. Es waren vergangene Eindrücke, welche anscheinend aus ihrer Sicht stammten. Der Reaktorraum war zu sehen, klar und deutlich. Die Augen waren auf die Tür gerichtet, während meine Finger über die ertastete Konsole wanderten. Ich war in Chus Körper und konnte größtenteils auch ihre Emotionen wahrnehmen. Meine blieben rudimentär vorhanden als leichtes Bewusstsein.
    Und dann öffnete sich die Tür und wir betraten den Raum. Zell, Hal und Sam.
    Ich, also Chu, fühlte mich spontan überrascht und unsicher. Meine Hände zuckten kurz zurück und mir blieb tatsächlich das Herz für einen Moment stehen...
    Die Szene wechselte abrupt. Ich befand mich offenbar in Chus Zimmer. Ich lag im Bett auf dem Rücken und starrte auf meinen Kommunikator. Er zeigte Sams Profilbild, welches ich mit gemischten Gefühlen bestaunte. Wut und Freude empfand ich zeitgleich. Mit den Fingerkuppen strich ich über das Display und zeichnete Sams Umrisse nach.
    Als der Blick sich auf den Namen seiner Partnerin Hal fixierte, verformte sich meine Sicht zu einem leichten Tunnelblick. Zorn verspürte ich. Hass und Neid!
    Ich verdeckte ihren Namen und stellte mir vor, dass mein Name dort stünde...
    Chu drang immer tiefer in meinen Kopf ein. Tausend Nadeln durchbohrten mein Gehirn.
    Wieder wechselte die Szene. Nun war ich in einem Arztzimmer und stand auf einem Laufband. Der Arzt redete wirres Zeug, unverständliche Worte. „...intensiven Untersuchungen und Test, sind wir, unter Berücksichtigung eines Großteils der Faktoren, zu der Erkenntnis gekommen, dass du schwanger bist.“
    Betrübtheit durchdrang mich. Wie eine leere Hülle fühlte ich mich. Mechanisch tippte ich einen Text ein. # Können Sie zu hundert Prozent ausschließen, dass mein Kollege Samuel Ennirate der Kindesvater sein kann? #
    „Zu neunundneunzig Prozent kann ich es ausschließen.“
    Ich verspürte eine aufkeimende Hoffnung. # Besteht die Möglichkeit, dass wir Samuel Ennirate als Kindesvater angeben können? #
    Der Arzt schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich, da er bereits eine Partnerin hat.“
    Die Hoffnung schwand, um kurz darauf wiederzukommen. # Steht mir der Entschluss zur Abtreibung zu? #

    Wieder wechselte das Szenario. Es war die Sache in der Männerdusche. Schüchternheit beherrschte mich, beim Anblick seines nackten Körpers. Meine Augen fixierten sich auf seine Lenden. Die Finger, sie wollten ihn berühren. Sehnsüchtig verlangten sie nach Sams Haut, sie zu berühren und zu fühlen.
    Ich näherte mich ihm, umklammerte zärtlich seinen Nacken und führte die Hand zwischen seine Beine...
    Böse Gedanken kamen mir spontan. Ich wollte ihn erdrosseln, ihm Schmerzen zufügen. Aber die Angst vor Hal überwog...
    Ein letztes Mal veränderte sich die Umgebung. Mein realer Körper war nur noch von puren Schmerzen geplagt, die mich dem Tod immer näher brachten.
    Ich war in der Frauenumkleide, sah aber alles um mich herum nur verschwommen. Nur mich selbst und Hal, die mir gegenüberstand, konnte ich deutlich wahrnehmen. Sie trug Hose und BH, ich selbst war nur in Hose. Ohne ersichtlichen Grund stieg in mir Wut auf. Ich empfand willkürliche Abneigung Hal gegenüber.
    Unsere Blicke trafen sich, sie lächelte verhalten und winkte mir kurz zu. Dann ereilten mich die Gedanken jenen Momentes, die Chu offensichtlich dabei hatte. Es mussten Gedanken gewesen sein, weil es nie passiert war. Ich stellte mir vor, wie ich auf Hal zuging, in meine Hosentasche griff und einen Schraubendreher hervorholte. Perplex starrte Hal mich an und redete wirres Zeug. Ich verstand kein einziges Wort, doch die Bilder erzählten genügend.
    Ich... ich stach zu! Ich rammte ihr das Werkzeug in den Bauch. Immer und immer wieder...
    Niemand kam ihr zu Hilfe, niemand hielt mich auf. Im Tunnelblick war ich gefangen und stach immer weiter auf Hal ein. Blut spritzte. Schmerzensschreie...
    Es befriedigte mich, sie leiden zu sehen, ihren Tod herbeigerufen zu haben und meinem Zorn freien Lauf zu lassen...
    Krämpfe! Schnappatmung! Todesröcheln..!
    Chus Stimme umströmte mich, zerriss mir den Kopf. „Ich liebe dich. Schon am ersten Tag habe ich mich in dich verliebt. Ich vermisse dich. Bitte schenke mir einen Kuss. Bitte! Ich sterbe...“
    Die Verbindung riss ab. Ich hockte noch neben ihr, aber mein Kopf war zu ihr runter geneigt. Ich war mitten im Kuss. Doch was ich küsste, war eine Leiche. Kein Puls war zu spüren, keine einzige Regung, keine Wärme, kein Geräusch. Chu war tot...

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 8 ]


    Eh ich einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, erhielt ich plötzlich eine Nachricht. Völlig im Tran blickte ich darauf und öffnete sie ungehemmt. Doch erst beim Lesen der ersten Wörter wurde mir wieder bewusst, in welcher Situation ich mich gegenwärtig befand. Es wirkte für mich so selbstverständlich, Nachrichten zu erhalten, obwohl es vor einigen Minuten noch unmöglich erschien.
    # Sam? Hier ist Hal! Bitte nicht wundern, ich schreibe über einen fremden Kommunikator. Bitte antworte! #
    Wie ferngelenkt blickte ich zu Chu zurück und schaute in ein neutrales Gesicht. Sie hatte es tatsächlich geschafft, ein funktionierendes Netzwerk einzurichten. Sie half uns, besser zurechtzukommen und uns das Kommunizieren und Koordinieren zu erleichtern. Und ich kritisierte sie so hart wegen eines Kusses...
    Ich spürte, wie meine Augen feucht wurden. Unbewusst rümpfte ich die Nase, wischte mir mit der rechten Hand sanft über die Lippen und richtete die Augen wieder auf den Bildschirm. Es war Hal, die mir schrieb. Für einen kurzen Moment war ich vollkommen gefühlstot, bevor mich eben diese wie eine Flutwelle überrannten!
    Ich war außer mir, zitterte und bebte. Mein Kopf konnte keine klaren Gedanken fassen, keine Empfindungen in Worte verwandeln. Irgendwie, ich wusste nicht wie, schaffte ich es dann doch, eine halbwegs verständliche Antwort niederzuschreiben. # Du lebst Helios sei Dank uns geht es gut wie geht es dir ich habe dich vermisst wo bist du #
    Satzzeichen fand mein Hirn überbewertet. Ich konnte kaum ihre Rückantwort abwarten. Zum Glück kam sie recht fix.
    # Mir geht es gut. Aber Kror lebt noch, liegt aber im Koma. Wir haben Hiar gefunden. Kannst du zu uns auf die Krankenebene kommen? 23/4E-Ebene 10 #
    # Äh? Was ist das für ein Netzwerk? Miri ist das nicht... #
    Ich war überglücklich! Sie hatten es geschafft. Kror lebte noch und Hiar war auch bei ihnen. Sofort schrieb ich ihr zurück.
    # Chu hat das eingerichtet. Wir sind bei den Duschen. Und Diao Thami Teila ist auch bei uns. :) #

    Plötzlich kamen die beiden Soldaten Chris und Daniel Lengton auf uns zu gestürmt. „Die Maschine hat das Schott durchbrochen!“
    Dann ertönte wieder das schrille Pfeifen, wie auch ein greller Lichtschein weit am Ende zu sehen war.
    War dies nun wirklich unser Ende?
    Panisch rannten die Frauen und Ingenieure auf uns zu. Aber Quor hatte eine Idee. Beziehungsweise war dies unsere einzige offensichtliche Fluchtmöglichkeit.
    Wir mussten zum Ende der Station, den Schacht erreichen und bestenfalls in die andere Unterzelle vordringen.
    62/4E war unser Ziel!
    In eng umschlossener Formation sprinteten wir dorthin. Zum Glück war der Schacht noch intakt. Andererseits hätte es vermutlich in den nächsten zehn Ebenen keine Möglichkeit gegeben, über diese Schnittstelle die andere Unterzelle zu erreichen.
    Leider kamen wir doch nicht so weit, wie wir es uns erhofft hatten. Dort drüben waren auch bereits alle Schotts dicht und nun standen wir wieder in der Duschabteilung. Quor sprengte die schmale Schachtbrücke, was zwar äußerst riskant war, jedoch besser als von dieser Maschine abgeschlachtet zu werden. Es war nur ein schwacher Sprengsatz, welcher geradeso ausreichte, um die Stützstreben zu durchtrennen.

    In diesem Abteil dort sah es keinen Deut besser aus und die Luft war auch sehr stickig. Hustenkrämpfe ereilten unsere bereits stark geschwächten Leute. Irgendwas stimmte hier nicht. Auch ich konnte nur schwer atmen. Es ging zwar, überleben war vorerst möglich, jedoch merkte ich schnell, unter welchen extremen Bedingungen.
    Nachdem Quor und Mira kurz die Räumlichkeiten erkundet hatten, kam nur Quor mit einer Person zurück. Diese trug eine Gasmaske. Jedoch schien die Person trotz dieser sehr erschöpft und geistig verwirrt. Es war ein Soldat, die Waffe geschultert und das Marschgepäck in der rechten Hand umhertragend.
    Schwer atmend setzte er sich mitten in die Trümmer und nahm vorsichtig seinen Helm ab. Erst jetzt erkannte ich die weiblichen Gesichtszüge, was es umso dramatischer machte. Das Gesicht war leicht grünlich verfärbt.
    Sofort eilten wir zu ihr. Die Frau, recht jung bei näherer Betrachtung, deutete auf ihre Gasmaske und fuchtelte unter ständigem Husten wild um sich. Auf ihrer Kleidung war der Name 'Tamara Windsor' zu lesen. Dumpf erklang ihre nasale Stimme durch die Atemhilfe: „Die Luft in den anderen Stationen ist verunreinigt.“
    Harold analysierte die Atemluft. „In diesem Raum hier sind Spuren von Kohlenmonoxid enthalten und nur sechzehn Prozent Sauerstoff! Auf Dauer nicht zu empfehlen. Aber dort drüben ist es unmöglich für uns zu atmen! Siebzig Prozent Stickstoff, acht Prozent Kohlenmonoxid und zwölf Prozent Helium.“
    Urplötzlich hob Chu die Hand und begann mit der Zeichensprache.
    Mira übersetzte für uns. „Ich kann dort atmen. Lasst mich gehen. Ich werde die Lüftung neu starten und die Sprinkleranlage einschalten.“
    Verdutzt schaute Quor sie an. „Traust du dir das wirklich zu..?“
    Ich erhob Einwand: „Das kommt gar nicht in Frage, das ist viel zu gefährlich!“
    Dann sprach ich zu Chu direkt. „Mache keinen Unsinn. Du bist schwanger und kannst nicht klar denken. Das ist viel zu riskant.“
    Chu winkte mir ab und machte weiter Zeichensprache.
    „Die Luft ist für mich ungefährlich. Umzukehren ist keine Option mehr. Vertraue mir, Samuel. Ich schaffe das.“
    Quor wollte mehr von der Soldatin erfahren. Was hier Phase war, wieviele Überlebende es gab und wo der Feind sich befände.
    „Zwei feindliche Maschinen haben uns angegriffen! Die eine konnten wir erfolgreich ausschalten, jedoch mit großen Verlusten...“
    „Und die andere?“, fragte Mira nach.
    Die Soldatin schüttelte betrübt den Kopf. „Nach einem kurzen Angriff war sie verschwunden. Vermutlich wurde sie schon beim Einschlag schwer beschädigt und suchte Schutz in den mittleren Stationen.“
    „Und wie habt ihr die erste Maschine ausgeschaltet?“, fragte Quor weiter.
    Verwundert schaute die junge Soldatin drein und zeigte auf ihr Gewehr. „Ein paar gezielte Railgun-Geschosse, was sonst..?“
    Da schauten wir alle nicht schlecht. Sollte das gerade ein Scherz von ihr gewesen sein, oder meinte sie allen Ernstes, unsere Railguns hätten auch nur den Hauch einer Chance gegen diese Roboter?
    Sofort klinkte ich mich mit ein. „Wenn ich etwas anmerken darf, Tamara! Ich bin seit dem Angriff bereits drei Maschinen begegnet und alle drei wurden ausgeschaltet. Aber nie reichten ein paar harte Treffer aus, um diesen Dingern auch nur ansatzweise Schäden zuzufügen!“
    „Wenn ich es aber sage“, wollte sie sich rechtfertigen. „Wir setzten ein paar gezielte Schüsse an den Hals und kurz darauf implodierte der Helm. Ich bin zwar keine Medizinerin, aber ein zerquetschter Kopf ist meiner Meinung nach schon tödlich!“
    Erleichtert atmete ich auf. „Dann glaube ich dir. Dennoch ist es merkwürdig, dass ein paar gut gesetzte Treffer am Hals diese Mechs ausschalten können.“
    „Das mussten Meisterschüsse gewesen sein!“, meinte Quor und warf Tamara einen misstrauischen Blick zu. Schmatzend fügte er noch an „Oder menschliches Glück“, bevor er grummeln davonging.
    Mira schüttelte beschämt den Kopf. „Männer..!“
    Erst jetzt begriff ich es. Erstaunt blickte ich zu Tamara rüber, die ebenso mich anstarrte. Ihre Maske irritierte mich. Doch ich konnte verstehen, warum sie diese weiterhin aufbehielt. Ihre Lunge war schon zu sehr geschädigt, als dass sie ohne sterile Luft hätte atmen können.
    „Du bist die Meisterschützin, nicht wahr?“, fragte ich mit Fingerdeut auf sie.
    Tamara nickte und begann wieder zu husten. Einen kräftigen Zug nahm sie und wollte sich aufrichten. Ich ging ihr zur Hand.
    „Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal so enden würde“, sprach sie und klopfte sich kräftig auf den Brustkorb. Wieder röchelte und hustete sie, schniefte kurz und wischte sich die Tränen aus den Augen. Von so nah wirkte ihre grünliche Haut sehr krank. Porös, alt und faltig.
    „Wie kommt es denn zu dieser Verfärbung?“
    „Welche Verfärbung?“, fragte sie zurück und legte die Stirn in Falten.
    Ich kehrte in mich. Sollte ich es ihr wirklich sagen, dass sie aussah wie ein Grünkohl? Mira und Harold, die nur unweit von uns standen, deuteten mir Kopfschütteln an. Also schwieg ich...
    „Wie heißt du?“, fragte sie weiter, unter ständigem Husten.
    Doch schon wurde ich von Quor gerufen. „Samuel, höre auf, die Soldatin zu belästigen! Wir brauchen dich hier!“

    Als ich Tamara kurz vertröstet hatte, um mich dem Major zu widmen, hatte ich bereits geahnt, was er von mir wollte. Chu hielt eine Pistole und einen Kommunikator in den Händen und schaute mich an.
    # Sei mir nicht böse, Samuel, aber ich habe mich trotzdem entschlossen, es zu versuchen. :) #
    Tief schnaufend erwiderte ich knapp: „Bitte pass auf dich auf! Riskiere nichts, was dich oder das Ungeborene gefährden könnte.“
    Eine kurze Umarmung folgte und Chu ging mit dem Major und einigen anderen Ingenieuren davon. Ich wusste, dass sie recht hatte und ich sie nicht aufhalten konnte. Aber ich wollte sie aufhalten, um sie und ihr Ungeborenes bestmöglich zu schützen. Nur kurz konnte ich sie am Arm packen, bevor Diao mich festhielt.
    „Beruhige dich, Sam. Sie wird es schon schaffen. Sie ist Grey, sie ist robust.“
    Meine Augen blieben auf Chu gerichtet, die uns alle noch einmal kurz ansah, ihre Finger an die Schläfe hielt und dann weiterlief.

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 7 ]

    Einige Minuten später hörten wir dann auf und verließen geschlossen die Umkleide. Draußen auf dem Hauptkorridor angekommen, wollte ich fast wieder umkehren, als meine Augen auf die andere Seite des Korridors gewandert waren. Mira und Leen waren ja zeitgleich in der Frauendusche, um dort nach Überlebenden zu suchen. Und nun standen dort ein Dutzend verstörter Damen, die sich ängstlich aneinander kuschelten. Teilweise nur mit Handtüchern bekleidet oder ohne Schuhe, starrten sie zu uns rüber und drehten sich sofort um, als Diao mit seinem Handtuch um die Lenden heraustrat. Nur eine der Frauen tat dies nicht, was daran lag, dass sie ein Grey war. Die Unteroffizierin legte derweilen weiterhin Klamotten und Schuhe auf den Boden.
    Major Quor winkte Leen zu uns rüber, welche nach kurzem Zögern dem nachkam. Ihre Augen ließ sie dabei nicht von Diao, der nur fröhlich lächelnd herumschaute. Mit jedem weiteren Schritt näher zu uns, verfinsterte sich Leens Blick mehr. Ich wagte einen Wechsel zwischen beiden, weil mir das Betrachten jener lieber war als der Damen. Diaos Gesichtsausdruck blieb unverändert.
    „Gefreite Orson, wie ist die Lage?“, vernahm ich leise das Gespräch zwischen dem Major und ihr.
    „Es waren nicht viele drin...“
    „Wieviele Leichen?“
    „Achtzig.“
    Eindeutig zu viele für meinen Geschmack. Ich suchte schnell das Gespräch zu Diao, bevor ich noch Schlimmeres vernehmen würde.
    „Jetzt erkläre mir erstmal ganz genau, wie du überleben konntest.“
    „Ich habe doch gesagt, er hat mich nicht gesehen“, war wieder Diaos Antwort. „Ich stand direkt vor ihm und er hat nicht geschossen!“
    Ich grübelte. Für mich unvorstellbar, jedoch fern möglich. Skeptisch beäugte ich ihn, doch er wirkte von seinen Worten überzeugt. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, konnte es höchstwahrscheinlich an seiner Haut liegen. Er sagte ja mal, dass Nó für sich selbst schwarz seien, quasi nur ein dunkler Fleck. Und Diao trat vollkommen nackt dem Mech gegenüber. Dass alle anderen Rassenpersonen getötet wurden, bekräftigte diese Theorie. Sollte es wirklich stimmen, wären die Nó unsere größte Hoffnung in diesem Krieg.
    Nochmals musterte ich seinen Körper, stellte mir vor, er würde sein Handtuch ablegen und durch die Stationen laufen. Der Feind wäre blind für ihn...
    Ich war echt am Überlegen, ob ich es wagen sollte, dem Major eine Idee vorzubringen. Passend war es gerade, da deren Gespräch beendet wurde. Leen ging wieder rüber zu den Frauen und Quor wandte sich uns beiden zu.
    Mit kurzer Handgeste verkündete er unserem Nó: „Lass dir von Harold Hose und Pullover geben.“
    Als er sich anschließend mir zuwandte, hätte ich mich fast dazu geäußert, doch er überrumpelte mich mit seiner aggressiven Stimme. „Sam, besorge dir einen Kommunikator und versuche zu irgendjemanden Kontakt aufzubauen!“
    Nickend stimmte ich zu, blickte mich hektisch um und stürzte unbeholfen Richtung Leen. Doch dann kam es mir wieder in den Sinn, dass ich meinen Wunderkasten bei mir hatte. In der ganzen Hektik hatte ich ihn voll vergessen.
    Etwas lädiert sah er aus, mit leichten Schürfungen und Kratzern. Aber er funktionierte tadellos. Nur dumm, dass Miri hier immer noch offline war. Ich wusste keine Möglichkeit, jemanden zu kontaktieren, ohne im Funknetz zu stehen. Aber wenigstens versuchen sollte ich es, um Quor vorerst zu besänftigen.
    Plötzlich tauchte neben mir ein Schatten auf, doch Worte vernahm ich nicht. Ich schreckte hoch und blickte in das Gesicht eines Greys. Freier Oberkörper stand er da, starrte mich mit seinen großen Augen an, spitzte den Mund und legte sich zwei Finger an die Schläfe.
    Bei näherer Betrachtung entdeckte ich ein markantes Merkmal, welches ich von einem unserer Greys kannte.
    „Chu?“
    Und er nickte, gleichsam hörte ich in meinem Kopf ihre Stimme. „Samuel, du lebst! Helios sei Dank!“
    Dann hob es mich kurz und ich würgte Speichel.
    „Chu, du sollst das lassen!“ Gedanken schossen mir blitzschnell durch den Kopf. Ich hatte sie halbnackt gesehen. Die Erinnerungen an den Tag unter der Dusche kamen wieder hoch.
    „Es war ungewollter Reflex von mir“, hörte ich wieder ihre Stimme im Kopf. Dann legte sie mir die Hand auf die Schulter. „Dein Kommunikator. Soll ich schreiben?“
    Krampfhaft überreichte ich ihn ihr und musste mich erstmal setzen. Hartes Kopfdröhnen und bitterer Geschmack im Mund. Ich ließ die Spucke aus meinem Mund fließen, während Chu mir einen Text schrieb.
    Der Major kam unverzüglich zu uns und erkundigte sich nach meinem Befinden. Ich erklärte ihm den Vorgang, was er sofort verstand. Chu hockte sich neben mich und zeigte mir das Display.
    # Was verschlägt dich hierhin? :) # Verwundert blickte ich rum. „Das gleiche wollte ich dich auch gerade fragen.“
    Dann tippte sie weiter. # Ich hatte das Bedürfnis, zu duschen. #
    „Wie, Bedürfnis?“
    Sie schrieb weiter. # Ich weiß es nicht. #
    „Was weißt du nicht? Du bist Grey, du weißt alles!“
    Sie schüttelte den Kopf. # Grey zu sein, ist nicht implizierend dafür, allwissend zu sein. Ich hatte das Bedürfnis, in die Duschen zu gehen. #
    Ich versuchte gar nicht erst, es erneut zu hinterfragen und teilte ihr mein aktuelles Anliegen mit. „Der Major meint, ich soll Kontakt zu jemanden herstellen. Aber ich finde kein Signal. Miri ist immer noch offline und einen funktionierenden Anschluss kann ich hier auch nirgends finden.“
    Sie nickte. # Ich verstehe dein Problem, Samuel. Aber ich weiß eine mögliche Lösung. :) #
    Gespannt wartete ich auf ihren Vorschlag. Sie nahm ihren Kommunikator hervor und zeigte aufs zersprungene Display.
    # Wir können versuchen, deinen Kommunikator als lokales Netzwerk einzurichten. Zwar ist dann Miri immer noch offline, aber wir können andere Leute kontaktieren. #
    „Das geht?“
    Ohne zu zögern, erhob sie sich und ich gleich mit. Doch dann knickte sie kurz ein und ich griff ihr instinktiv unter die Arme. Sie klammerte sich fest an mich und rappelte sich wieder hoch. Als ich mich lösen wollte, glitt meine rechte Hand sanft über ihren Bauch. Und ich spürte etwas...
    Erschrocken starrte ich sie an. Ich traute dem Ertasteten nicht, doch es schien wirklich so zu sein. Lin hatte recht mit ihrer Aussage.
    Schmunzelnd, dennoch verbittert, sprach ich zu ihr: „Du bist wirklich schwanger.“
    Als sie es nickend bestätigte, schossen mir Bilder und Eindrücke in den Kopf. Ich konnte sie nicht zurückhalten, ich musste sie in Worte fassen!
    „Wieso bist du nicht im Dekontaminationsraum? Dort wärst du sicher. Du kannst doch nicht einfach hier herumlaufen, mit einem Ungeborenen im Bauch! Dir hätte etwas zustoßen können...“
    Dann umklammerte ich vorsichtig ihre Taille und versuchte ihrem Bauch etwas Wärme zu spenden. Leicht spürte ich den kleinen Kopf, der von innen gegen die Bauchdecke drückte. Chu war klamm, ihr Oberkörper zitterte.
    „Wir müssen dir etwas anziehen! Du erkältest dich noch!“
    Ich zog meinen Pullover aus und sie nahm ihn entgegen. # Danke, Samuel. Das ist eine schöne Geste von dir. :) #
    Unbeholfen zog sie am rutschenden Hosenbund, stülpte sich halbseitig den Pullover über und steckte den Kopf hindurch. Mit einer Hand an der Hüfte und der anderen überm Kopf ließ sie sich dann von mir helfen, das Kleidungsstück richtig anzuziehen.
    # Der Pullover ist etwas zu groß, aber ich behalte ihn gern an, wenn du es wünschst. :) #
    Dann beugte sie sich zu mir vor und spitzte die Lippen. Sabber lief heraus, was sie aber nicht davon abhielt, mich prompt auf den Mund zu küssen. Zeitgleich drang sie wieder in meinen Kopf ein und bescherte mir ungewohnte, ungewollte Gefühle. Ich spürte, wie mir das Blut in den Unterleib Schoß und ich einem heftigen Kribbeln erlag. Es gefiel mir schon irgendwie, aber war trotzdem mit extremen Schmerzen verbunden. Ich konnte mich nicht kontrollieren und stemmte mit aller Kraft Chu von mir weg. Die Verbindung riss ab und meine Kollegin stolperte rücklings zu Boden. Zu spät realisierte ich es, da landete sie schon unsanft auf den Po und versuchte den Kommunikator vor sich zu halten. Sie verzog keine Miene.
    Aber ich war außer mir! „Was sollte das? Warum tust du das?“
    Sie rappelte sich wieder auf und tippte wieder einen Text. # Ich ging davon aus, dass es dir gefallen würde. Wenn dem nicht so ist, muss es an etwas anderem gelegen haben. #
    Ich war entsetzt! Wollte es nicht glauben, was sie mir schrieb. Doch auch nach mehrmaligem Lesen blieb ich verblüfft.
    „Chu, es liegt einfach daran, dass ich mit Hal zusammen bin!“
    Unbeeindruckt tippte sie weiter. # Also hat es dir grundsätzlich gefallen, nehme ich an. #
    Keiner Antwort würdig...
    Wir holten unser verbliebenes Werkzeug hervor und schraubten die Schutzabdeckung ab. Chu musste einige Kabel umstecken, um das Gerät nicht zu überlasten. Meinen Privatspeicher legte sie auf temporäre Stromversorgung, damit die Daten erhalten blieben, aber der Hauptspeicher nicht zu viel zu arbeiten hatte. Dann überbrückte sie die Formatier-Sperre und verstärkte das Ausgangssignal. Fasziniert war ich von ihrer Fingerfertigkeit und Geschwindigkeit, mit der sie die Arbeiten erledigte.
    Anschließend richtete sie ein temporäres, lokales Netzwerk ein und ließ ein Suchprogramm starten, um alle verfügbaren Kommunikatoren ins Netzwerk einzuladen. Als Passwort wählte ich den vollständigen Namen meiner Freundin. Dieses wurde kryptisch in der Einladung mitgesendet. Eine gute Viertelstunde dauerte alles, bis Chu ihn mir wieder komplett überließ.
    „Und übrigens hat es mir nicht gefallen, was du mit mir angestellt hast. Wieder stemmte ich sie von mir weg, weil sie einen erneuten Versuch machte, mir nahezukommen. „Ich liebe dich nicht und wir werden auch niemals zusammenkommen. Du weißt das.“
    Mit sabberndem Mund und hektisch klimpernden Augen glotzte sie mich leicht dümmlich an. Wieder drang sie in meinen Kopf ein, diesmal aber sanfter und nur teilweise. „Wenn ich dir Schmerzen bereitet haben sollte, entschuldige ich mich dafür. Ich empfinde viel für dich und möchte dir nie wehtun.“
    Wieder versuchte sie, mir näher zu kommen und windete ihre Hand um meinen ausgestreckten Unterarm. Ich riss mich los und nahm Abstand von ihr. „Lass das bitte, geh' aus meinem Kopf! Du hättest daran denken sollen, bevor du mir einen Beinahe-Höhepunkt beschert hast!“
    „Hättest du es zugelassen, hättest du weniger Schmerzen verspürt.“
    Kopfschütteln! „Und als Komplementär mehr Gewissensbisse oder wie?!“
    „Du musst es Hal ja nicht erzählen“, kam zurück, mit Schmunzeln untermalt.
    Das ging mir zu weit! Mit aller Kraft verbannte ich sie aus meinem Kopf, was nicht ohne Schmerzen ging, und stampfte wütend davon. Richtung Diao und Harold. Warum war Chu so dreist? Sie war schwanger, das wusste ich. Und mir war bewusst, dass Frauen während der Schwangerschaft generell etwas emotional unberechenbar sind. Aber, dass sie sich trotz mehrmaliger Erwähnung nicht beherrschen konnte, machte es unausstehlich! Wenn ich nur wüsste, wie Greys genau denken und was sie im Moment durchmachte...

    Zeit, @Aurelia! :alien: Es freut mich, dass du hierhergefunden hast und dir mein Prolog gefallen hat. Verzeihe mir, dass ich erst so spät antworte. Aber ich mache es gern so, dass ich die Antworten gleich mit einem neuen Part verknüpfe, um es für mich selbst "ästhetischer" zu halten. :/ Wegen der Sache mit dem Namen kann ich dir teilweise recht geben, dass das vielleicht im Prolog nicht ganz eindeutig rüberkam. Ich wollte es erst auch wirklich auf der Helios II spielen lassen, aber Helios II klang irgendwie nicht so schön wie Helios III. Darum spielt die Geschichte nun auf der dritten Arche. Ich hoffe natürlich, dass du alsbald weiterliest und die Geschichte dir gut gefallen wird. Versprechen mache ich immer ungern, weil die Geschmäcker schließlich variieren können. :alien:

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 6 ]


    Vorsichtig tasteten wir uns an der Wand entlang und versuchten dabei nicht die Kapsel zu berühren oder sonstigen Lärm zu machen. Kaum betraten wir die Umkleide, erblickten wir bereits das Massaker. Wie in meinen Gedanken bereits erahnt, bewahrheitete es sich. So viele nackte Tote, so viele verstümmelte Leichen. Die Wände voller Blut, zentimeterhohes Wasser und zuckende Lampen. Sofort stiegen wir auf die nächststehende Bank, um halbwegs im Trockenen zu stehen. Die Gesichter der unzähligen Opfer, kalt und starr. Chima, Greys und Menschen. Alle gleichsam tot oder schwer verletzt.
    Und von nebenan war das Wasser laut rauschend hörbar. Alles war voller Dampf, der sich aber im Umkleideraum verflüchtigte. Der Temperatursturz war vermutlich so gewaltig, dass der Dunst bei uns wieder flüssige Form annahm, während er drüben noch als reiner Sprühnebel existierte. Es war hier sehr dunkel, nur sporadisch flackerte mal das Licht auf, gab aber nicht viel von der Umgebung preis.
    Und wie Quor es vorhin bereits vermutet hatte, schien der Koloss erstens wirklich hier zu sein und zweitens tatsächlich einen Stromschlag erlitten zu haben. Zumindest stand diese große schwarze Maschine leicht gebückt mitten im Durchgang zu den Duschen.
    Quor deutete zum Verharren an, während er vorsichtig von Bank zu Bank kletterte, um sich dem Ungetüm zu nähern. Immer wieder gab er Handzeichen, die ich leider nicht verstand. Ich fieberte mit, hoffentlich würde ihm nichts zustoßen.
    „Hier ist jemand!“, rief der Major und fuchtelte etwas mit seiner Lampe herum. Verwundert runzelte ich die Stirn und blickte zu Harold Treen, links neben mir. Er schien ebenso verwirrt zu sein.
    „Wieviele?“, fragte er und sprang auf die Bank vor mir. „Sei vorsichtig, Quor! Ist der Roboter wirklich außer Gefecht?“
    „Anscheinend nur einer. Ein Nó, wenn ich das richtig sehe.“
    „Soll ich helfen kommen?“, fragte er weiter, was Quor sofort verneinte. „Bleibe bei Samuel. Ich schaffe das schon. Ich rufe euch dann, wenn der Nó in Sicherheit ist.“
    Quor versuchte weiter einen Weg in die Duschen zu finden, aber anscheinend versperrte der Feind den Eingang zu sehr. Ich schaute hinauf zur Decke und folgte den LEDs durch den Raum, schwenkte zum Wasser hinunter und fixierte mich auf die freien Stellen zwischen den vielen Toten. Furcht und Einsamkeit suchten mich erneut heim und brachten mich abermals zum Weinen. So viel Leid und Elend hatte ich noch nie gesehen. Und in meiner rechten Hand die Pistole, die mir immer schwerer wurde. Glitschig waren meine Finger, konnten kaum noch den Griff halten. Mein Zeigefinger zuckte leicht und betätigte fast den Abzug.
    „Ich kann das nicht“, säuselte ich und strich mir schamvoll über den Nacken. Meine Hand war eiskalt, der Hals dagegen glühend heiß.
    „Was kannst du nicht?“, fragte Harold und drehte mir den Körper zu. Ich erwiderte nichts und deutete nur auf die Leute hin.
    „Stelle dir einfach vor, sie würden alle schlafen. Das tue ich auch immer so.“
    „Aber ich weiß es besser“, entgegnete ich heiser und wischte mir die Tränen aus den Augen. „So viele Männer, so viele Tote. Jeder hatte sein eigenes Leben, seine eigene Familie. Und nun ist nichts mehr wie vorher.“
    Er schnaufte tief, senkte den Kopf und legte mir die Hand auf die Schulter. „Ich weiß, ich bin Militär und wurde darauf trainiert, in solchen Situation einen klaren Kopf zu bewahren... Aber ich habe mit ansehen müssen, wie eines dieser Dinger meine Partnerin umbrachte. Das Ding hat sie mit dem Speer durchstoßen und ihr den ganzen Brustkorb zerfetzt. Ich konnte sie nicht mehr retten, sie war auf der Stelle tot...“
    „Das tut mir leid...“
    „Wenigstens musste sie nicht leiden...“
    Wir vernahmen des Majors rufende Stimme. „Geht es dir gut? Wie heißt du?“
    Eine hoher Klang folgte. „Soweit schon, denke ich. Diao Thami Teila ist mein Name.“
    Sofort wurde ich hellhörig! Den Namen kannte ich doch. Zuerst wollte ich es nicht glauben, doch es bestätigte sich, als sie kurze Zeit darauf die Duschen verließ. Es war Valerys neuer Partner!
    Aber wie war das möglich? Wie war es möglich, dass nur er und ausgerechnet er überlebte? Ich hatte nichts dagegen, dass er verschont blieb. Dennoch machte es mich stutzig.
    „Sam?“, fragte er in meine Richtung und setzte ein dezentes Lächeln auf.
    „Bist du Valerys Freund?“, fragte ich zurück, was er mit Kopfnicken beantwortete.
    „Kennst du mich nicht mehr, Sam?“
    „Doch, schon... Aber ich war mir unsicher, weil ihr Nó alle gleich ausseht... Sag mal, wie konntest du das überhaupt überleben?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er hat mich nicht gesehen, so kam es mir vor.“
    Ich war skeptisch, wollte mir aber eh nicht zu viele Gedanken über all das machen. „Hauptsache, es geht dir gut soweit... Bist du verletzt? Hast du etwas zum Anziehen?“
    Er tastete sich ab und ruckte sein Handtuch um die Hüfte zurecht. „Ich scheine unverletzt zu sein. Und meine Sachen müssten hier irgendwo herumliegen...“
    „Moment, ihr kennt euch?“ Verwirrter Blick von Harold. „Ihr Ingenieure kennt euch wohl alle untereinander, oder wie?“
    Ich klärte ihn auf. „Diao ist der Partner von Valery, meiner Kollegin. Aber er ist in einer anderen Abteilung tätig.“
    „Ist doch jetzt egal, wer mit wem..!“, unterbrach Quor uns und zeigte zum Roboter rüber. „Samuel Ennirate! Mach' dich an die Arbeit, damit wir hier wegkönnen! Schließe ihn kurz!“
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Ich hatte nur mein Standardwerkzeug dabei, noch nicht einmal isolierte Handschuhe. Und Diao war noch schlechter dran, so ganz ohne Klamotten.
    „Fang an“, grummelte Quor und schob mich näher zum Koloss. Da ich keine Wahl hatte, fing ich also an. Ohne ansatzweise etwas über deren Technologie zu wissen, schraubte und drehte ich vorsichtig an verschiedenen Schlitzen und Öffnungen herum, bis sich irgendwann etwas tat. Es zischte und ratterte, Dampf drang aus kleinen Ritzen heraus.
    Dann begann das Visier zu leuchten und vereinzelte LEDs am Torso blinkten auf. Ich zückte die Waffe und drückte den Lauf gegen dessen Hals. Auch wenn dort dicke Metallplatten angebracht waren, schien mir diese Stelle am ungeschütztesten.
    „Beeile dich!“, knurrte er und hielt ebenso seine Waffe auf die Maschine gerichtet.
    Nur halfen mir solche Befehle nichts. Wenn er oder sein Kamerad nicht mal erklären konnten, was deren Ingenieur gemacht hatte, warum sollte ich es dann von mir aus wissen? Blindes Vertrauen in meine Fähigkeiten war hier unangebracht.
    Immer mehr Lichter gingen an. Als ich bemerkte, dass der Dampf auch schneller austrat, kam mir ein spontaner Einfall. Ohne Grund würde der nicht austreten, wenn die Maschine es vorher auch nicht gemacht hatte. Ich musste mich entscheiden. Entweder noch schneller Rauch austreten lassen, oder ihn daran hindern, auszutreten.
    Das erstere schien einfacher zu realisieren, also stopfte ich mein Werkzeug zwischen die einzelnen Platten und bog sie mit aller Kraft auf.
    Ganz unerwartet floss eine milchige Substanz heraus, recht zähflüssig und klebrig wirkend. Des Weiteren war ein leises Gluckern zu hören, als würde Wasser den Abfluss hinabfließen. Ein bestialischer Gestank nach altem, ranzigen Öl und Ammoniak.
    Quor hielt sich sofort die Nase zu, er begann zu röcheln. Anscheinend war es für Chima unangenehmer als für uns Menschen. Ein nicht endender Fluss aus Schleim und Dampf ergoss sich aus der Brust und setzte sich filmgleich auf deren metallene Oberfläche ab.
    Dann spritzte es mir entgegen und besudelte mein Oberteil und Gesicht. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da warf Harold schon seine Arme um meinen Kopf und drehte mich weg. Diao presste mir sein Handtuch ins Gesicht und rubbelte mir stark die Augen. Dabei spürte ich eigentlich keinen Schmerz oder irgendeine Veränderung. Es fühlte sich nur merkwürdig auf meiner Haut an. Zähflüssig lief mir die Suppe den Hals hinab.
    Das Seltsamste war, dass die Maschine irgendwie nichts weiter tat. Es wirkte so, als hätte sie uns kurz angesehen, uns aber gleich wieder ignoriert.
    Dann ertönte ein knarzendes, quietschendes Geräusch und die ganze Hülle klapperte und vibrierte. Das Werkzeug, zuvor darin steckend, fiel nun einzeln heraus und die Spalte schlossen sich wieder. Jedoch nun so sehr, dass der Panzer zusammengepresst wurde.
    Schnell entfernten wir uns von dem Ungetüm, sprangen von Bank zu Bank, Richtung Ausgang. Mit gebürtigem Abstand nahmen wir Kampfhaltung ein und richteten unsere Waffen auf es.
    Die Arme hoben sich, die Lanze rotierte stockend und das schwere Geschütz gab einen einzigen Schuss ins Leere ab.
    Lautes, markerschütterndes Ächzen...
    Ich zitterte am ganzen Körper, konnte kaum noch die Waffe halten. Dann fiel der Schuss aus meiner Pistole und traf den Mech am Visier. Die Patrone prallte ab.
    Dumpfe Schreie, ähnlich des Aufheulen eines Motors. Der ganze Torso verzog sich, die glimmenden Lampen zersprangen und vereinzelte Bolzen und Schrauben platzten ab.
    Major Quor drückte ebenfalls ab und berieselte den Mech mit einer kurzen Salve. Ohne nennenswerte Wirkung.
    Wie eine Blechdose mit Unterdruck wurde die Apparatur langsam zerquetscht, bis plötzlich der Helm nachgab und implodierte. Ein lauter Knall und vom Kopf war nur noch eine zerbeulte, Melonen große Kugel vorhanden. Maximal halb so groß wie vorher.
    Kurz schenkten wir uns gegenseitig Aufmerksamkeit, wägten schweigend über die Situation ab und eröffneten wortlos das Feuer. Ich drückte einfach ab, immer und immer wieder. Das Klacken der Gewehre, Prasseln der Hülsen ins Wasser und schlagende Perforieren der zerborstenen Hülle. Mochte der Feind bereits tot sein. Für uns war er erst tot, wenn wir ihn für tot erklärten!
    Irgendwann war dann mein Magazin alle, aber ich betätigte weiter den Abzug und befriedigte mich mit den vorgestellten weiteren Schüssen. Für jedes Opfer hier im Raum eine Patrone...

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 5 ]

    „Wir sehen uns in der Krankenebene...“, hörte ich sie nur noch flüstern, bevor ihre Stimme gänzlich vom Waffenfeuer übertönt wurde. Ich sah die Maschine in der Ferne auf uns zukommen, doch es war zu spät. Noch halb ihre Hand haltend, wurde ich von Mira mit kräftigem Ruck durch die sich schließende Tür gezerrt. Unsere Hände lösten sich und zwischen uns schob sich der große, stählerne Keil. Hal war verloren. Alle dort drüben waren verloren...
    „Mach' die Tür wieder auf!“, schrie ich und wollte mich mit aller Kraft von ihr losreißen. Aber sie war stärker und weitere Soldaten kamen dazu, die mich sofort in die Mangel nahmen.
    „Beruhige dich wieder!“, brüllte Mira mich an, doch ich wollte mich nicht beruhigen. Ich wollte zu Hal. Ich wollte zu meiner Freundin. „Lasst mich los!“
    Ich weinte bitterlich, zitterte am ganzen Körper und schrie mir die Seele aus dem Leib. Alle starrten mich entsetzt an, Zivilisten wie Militärs. Aber keiner wollte mich unterstützen.
    „Öffnet die Tür! Lasst wenigstens noch sie hindurch!“
    Dann folgte ein Knebel. Zu viert packten sie an und hielten mich so fest umschlungen, dass ich mich gar nicht mehr rühren konnte. Meine Trauer beseitigte dies aber nicht. Versuchend weiter zu schreien, riss ich den Kopf wild umher, versank in wilde Gedanken an das Schauspiel jenseits der Tür. Schreckliche Bilder von Schmerz und Angst. Das Verstümmeln ihres Körpers, Ersticken lassen am eigenen Blut und das Einsam sein.
    Ich steigerte mich immer heftiger hinein, während die Soldaten mich immer weiter von der Tür wegschleppten. Umzingelt von mich anstarrenden Zivilisten, die selbst so viel Angst zeigten, dass sie kaum laufen konnten.
    Es hob mich, ich begann zu röcheln. Mein Zwerchfell zog sich ruckartig zusammen, bis ich mich übergeben musste. Sofort bemerkte Mira es und entfernte den Knebel aus meinem Mund. Das Erbrochene ergoss sich schwallartig über mich und teilweise auch auf ihre Uniform. Normalerweise wäre es mir peinlich gewesen, aber in diesem Moment war mir alles egal.
    „Lass alles raus“, sprach sie nur mit angewidertem Blick und holte eine Bandage hervor, um mir damit das gröbste wegzuwischen. „Sie werden es schon überleben.“
    Ich schüttelte leicht den Kopf.
    Aber sie tippte nur ans Headset. „Ich bekam eben mitgeteilt, dass sie die Maschine abhängen konnten und gerade auf dem Weg zu den Treppen sind. Und deiner Partnerin scheint es auch gut zu gehen.“
    Ein erleichtertes Aufatmen war von den anderen zu vernehmen, was mich vorerst runterbrachte. Dennoch fühlte ich mich schrecklich, nicht bei ihr sein zu können.

    Noch eine ganze Weile lang schleppten sie mich über den Hauptkorridor, wir passierten weitere Quartiere und Abzweigungen, bis sie abrupt stehen blieben. Planlos wirkten sie auf mich.
    Dann setzten sie mich ab und befreiten mich von den Fesseln. Diese Eingebung kam sehr überraschend, drum schaute ich mich ratlos um. Der Major stand etwas abseits und leuchtete in die Ferne. Dann sah ich es auch, was ihn vermutlich so verunsicherte. Ein weiterer Bohrkopf, der unweit der Duschen stand. Alles um ihn herum zeigte wieder nur Chaos und Zerstörung.
    Sofort schossen mir Bilder in den Kopf. Bilder von nackten, verstümmelten Leichen und blutigen Wänden. Einsame Überlebende, dem Tode so nahe, dass man ihn greifen konnte. Und mittendrin eines dieser Dinger. Skrupellos mordend, willkürlich um sich schießend und unaufhaltsam voranschreitend.

    „Feind in den Gemeinschaftsduschen gesichtet!“, verkündete Major Quor und tippte zur Bestätigung an sein Ohr. Dann zeigte er auf uns Zivilisten, besonders auf mich. „Ihr bleibt zurück. Soldat Chris und Daniel bringen euch an einen sicheren Ort... Samuel Ennirate, du kommst mit mir und den anderen!“ Prompt nahm er seine Pistole aus dem Halfter, entsicherte und sicherte sie wieder, und überreichte sie mir.
    Mit erhobenen Armen wich ich einen großen Schritt zurück. „Moment! Was? Warum ausgerechnet ich?“
    „Wie ich deinem Profil entnommen habe, hattest du vor Kurzem eine Auffrischung des Grundkurses der Waffenbedienung. Und als Reaktorarbeiter besitzt du genügend Referenzen, um meinen Ingenieur, der nun drüben bei den anderen ist, zu ersetzen.“
    Entnervtes Stöhnen meinerseits.
    „Außerdem“, fügte Quor weiter an, „ist es mir lieber, wenn du keine Zeit hast, an deine Partnerin zu denken.“
    Da grinsten Mira und Leen frech.
    „Aber was genau soll ich nun machen?“, fragte ich erneut nach und nahm die Waffe zögerlich entgegen. „Mit der Pistole werde ich bestimmt keinen Schaden an ihm anrichten.“
    „Die sind sehr anfällig für Wasser und Elektrizität“, erwiderte Unteroffizierin Mira. „Du sollst ihn einfach nur kurzschließen. Vielleicht hast du ja sogar Glück und er hat sich selbst einen Stromschlag verpasst.“
    „Oder ich habe Pech und verpasse mir einen!“
    Lautes Grummeln kam aus seinem Mund, bevor er mich am Arm packte und kurz zur Seite nahm. Nur kurz blickte ich zu den Zivilisten, bemerkte sofort deren Verunsicherung und Zweifel. Unbeholfen hielt ich die Schusswaffe in der rechten Hand nach unten geneigt und richtete ebenso meinen Kopf aus. Der Major richtete ihn mit beherztem Griff an mein Kinn wieder auf und starrte mich ernst an. Seine giftgrünen Augen schüchterten mich ein. Ich traute mich nicht mehr, mich zu bewegen und blickte ihn reuend an.
    „Jetzt reiß dich gefälligst zusammen und stehe deinen Mann!“, grimmte er und drückte mich leicht gegen die Wand. Ich nickte nur angedeutet.
    „Keiner von den Ingenieuren dort drüben ist psychisch noch in der Lage, diese Aufgabe zu erledigen. Es interessiert mich nicht den Polyp, warum du den Waffenkurs nochmal absolviert hast und es ist mir auch egal, was mit deiner Freundin ist! Du bist jetzt hier und bist meinem Kommando unterstellt! Du bist verpflichtet, dies zu tun und das weißt du auch!“
    „Aber ich will nicht an einer Aktion teilnehmen, die so wahnwitzig ist...“
    „Der ganze Krieg ist wahnwitzig, Samuel Ennirate. Halte dich einfach an das chimae Sprichwort: Lieber mit der Illusion sterben, eine Chance zu haben, als mit der Wahrheit zu sterben, keine Chance zu haben.“
    „Aber das ist es doch gerade. Ich weiß, dass es unmöglich ist!“
    „Aber das wissen die nicht!“, erwiderte er und zeigte zu den anderen rüber. „Sie brauchen die Illusion, um sich sicher zu fühlen.“
    Ich zögerte weiterhin. Zwar wusste ich, dass er in gewisser Weise recht hatte, dennoch verlangte er eindeutig zu viel von mir. Aber ich hatte keine Wahl. Er war deutlich ranghöher, erfahrener und vor allem Blauchima.
    Als ich nochmal zu den anderen schaute, dabei Miras und Leens Blicke sah, wie sie mich abschätzig aus den Augenwinkeln betrachteten, wusste ich sofort, dass sie mir diese Sache garantiert nicht zutrauten. Vielleicht hatten sie sogar recht und ich würde gnadenlos versagen, vielleicht sogar uns alle in Gefahr bringen. Aber wie ich mir selbst einmal sagte, sollte ich mehr im Kollektiv denken und weniger emotional handeln.
    „Ich tue es“, entglitt mir knapp und ich bugsierte die Pistole sicherer in meine Hand. „Ich tue es für die Gemeinschaft... Aber vorrangig, um den beiden Frauen zu beweisen, dass einfache Zivilisten auch zu etwas fähig sind.“
    Mit schiefem Gesicht glotzte er mich an und rümpfte kurz die Nase. „Hauptsache du hast eine Motivation.“
    Sanft legte er seine Hand an meinen Rücken und gemeinsam gingen wir zu den anderen zurück. Anschließend wies Quor sie alle nochmal ein und wir teilten uns auf.
    Vorsichtig pirschten wir fünf uns heran, ich in der Mitte, und lauschten alle paar Schritte der Umgebung. Überraschenderweise waren keine Geräusche zu hören, die auf eines dieser Maschinen hindeuteten. Nur gedämpft drangen Schreie und klopfende Geräusche zu uns durch. Es waren sehr hohe Stimmen, recht weiblich. Sie kamen aus der Frauenumkleide. Dort lebten noch welche.
    Sofort fiel mir ein Stein vom Herzen. Überlebende!
    Aber dann kamen wieder diese Gedanken auf. Warum nur von dort und nicht auch von uns? Wieviele Frauen hatten wohl überlebt? Und war die Maschine vielleicht sogar dort drüben? Ungern wollte ich die Frauen belästigen, nur um diesen Mech außer Gefecht zu setzen. Aber lieber verstörte Frauen als tote Frauen.
    Ich sollte mit Harold draußen bleiben und auf weitere Anweisungen waren. Derweilen gingen Mira und Gefreite Leen zu den Frauenduschen und Quor in unsere Umkleide.

    „Ob es auch in anderen Abschnitten so heftig herging?“, fragte ich spontan ins Nichts hinein.
    „Vermutlich sind wir noch ganz gut dran“, erwiderte mir Harold. „Was ich so mitgekriegt habe, soll es den Bug am schlimmsten erwischt haben.“
    Resignierender Blick meinerseits. Kein Laut entfleuchte mir.
    Harold sprach weiter: „Aber die Arche ist groß, so schnell ist die nicht kleinzukriegen...“
    Ich seufzte nur.
    „Hab keine Angst, wir passen auf dich auf.“
    „Diesbezüglich mache ich mir keine Sorgen...“
    „Du vermisst sie wieder, stimmt's?“
    Ich nickte und wischte mir die tropfende Nase am Ärmel trocken. „Hieran ist nur ihre Mutter schuld!“
    „Am Krieg? Wohl kaum...“
    „An der Situation hier... Dass ich hier stehe, mit der Waffe in der Hand und befürchten muss, jede Sekunde durch irgendwas getötet zu werden... Wäre Slay nicht so paranoid, hätte ich diesen bescheuerten Kurs nicht machen müssen und könnte nun bei Hal sein...“
    „Ach, deine Schwiegermutter ist Soldatin?“
    „Majorin! Und Blauchima!“
    Nichtmal dass er mir antworten konnte oder wollte, wurde er von seinem Vorgesetzten gerufen. Nach kurzem Wortaustausch via Headset, wandte er sich mir zu. „Wir sollen reinkommen. Anscheinend ist da etwas anders als erwartet.“
    So begann es also. Der Moment der Entscheidung. Der Anfang vom Ende.
    Wenigstens trug ich eine Waffe bei mir, da konnte ja nichts mehr schiefgehen...

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 4 ]

    Eine menschliche Unteroffizierin näherte sich uns. Erleichtert atmeten wir drei auf, sahen wir uns nun gerettet. Mit großen Schritten stapfte sie durch den von Leichen gepflasterten Korridor und leuchtete uns mit ihrer Lampe entgegen. Ich war geblendet, blinzelte hektisch und hielt mir die Hände schützend vors Gesicht.
    „Alles in Ordnung?“, fragte sie und reichte Hal die Hand. „Mira Sulus!“
    „Hal Mellins.“
    „Samuel Ennirate“, deutete ich auf mich hin und zeigte anschließend zu meinem Kollegen. „Kror Takin. Bitte helft ihm zuerst, er ist schwer verletzt.“
    Ein weiterer Unteroffizier kam zu uns und kümmerte sich um Kror. Mit leichtem Rütteln sprach er zu ihm: „Hier ist Harold Treen! Kannst du mich verstehen?“
    Kror nickte kurz und schaute dann zu uns rüber. In seinen Augen fand ich nur Schmerz und Leid. So wirklich bei Sinnen wirkte er nicht mehr.
    Ein weiterer Soldat kam dazu und packte mit an.
    „Seid ihr die letzten?“, fragte Mira und ließ ihren Blick wandern. Doch sie schien bereits zu merken, dass keiner weiter zu retten war. Mit gesenktem Kopf und schnaufend gab sie durch: „Major Quor, vierhundertsiebenundneunzig zählen wir!“
    Ihr Kollege stampfte durch die Leichen, beugte sich immer mal hinunter und überprüfte Lebenszeichen. Doch niemand weiter schien es noch überlebt zu haben.
    Nur so wenige Leute...
    Von einst mehreren tausend. Womit hatten wir das nur verdient? Helios musste uns sehr gut gesonnen sein...

    Mira deutete zum Aufbruch an. Hal und ich, Händchen haltend, folgten ihr und hinter uns kamen Kror mit Harold und noch einem Soldaten, die ihn stützten. Humpelnd schleppte er sich voran und murmelte wirres Zeug vor sich hin. Irgendwas über Valery und Zell. Wie sehr es ihm leid tat, was auch immer falsch gemacht hätte.
    Wie ich es so nebenher mitgekriegt habe, wollten sie ihm unterwegs Schmerzmittel spritzen, doch er lehnte lautstark ab. Das war der einzige Satz, den ich klar heraushören konnte. „Kein Morphium! Keine Schmerzmittel!“
    Natürlich ignorierte sie es und verabreichtem ihm welche. Es war ihre Pflicht, dies zu tun.
    „Kein Morphium! Ich verdiene es nicht!“
    Mira schüttelte nur den Kopf und gab ein spöttisches „Schwarzchima“ von sich.

    Wir verließen das Schlachtfeld, passierten einige weitere Korridore und Gänge, als dann das Licht wieder anging. Erst nur ein Korridor, dann weitere Flure, bis nach wenigen Minuten alles weit und breit vom gleißenden Licht erhellt wurde. Jetzt wurde uns erst das komplette Ausmaß der Zerstörung offenbart. Was uns vorher nur als Trümmerhaufen mit vereinzelten Toten und Verletzten vorkam, wirkte nun eher als Schrottplatz mit integriertem Friedhof und Krematorium.
    Der Anblick meiner Freundin schockierte mich zutiefst. Ihr ganzes Gesicht war rot, die Wimpern total verklebt vom Blut und die Haarstoppeln voller Metallspäne. Am Hals ein verschmierter Abdruck meiner Hände, mit denen ich sie vorhin durch zärtliche Berührungen beruhigen wollte.
    Ebenso, als sie mich anschaute, schien sie irritiert gewesen zu sein. Ihr Handgelenk mit Ärmel wanderte zu meinem Gesicht und wischte mir sanft über dieses. Ich tat es ihr gleich und wischte auch ihr das Blut grob weg. Doch sauber wurde sie dadurch keineswegs. Eher verschmierte ich es noch mehr.

    Mit durchnässter Hose, schweißgebadet, triefend und riechend erreichte ich endlich unser Ziel. Unmittelbar vor uns war die große Stahltür. Viele Leute waren hier. Kränkelnd, gebrechlich, hustend und schreiend. Sie winselten und trauerten um Verstorbene, räumten Trümmerteile weg und bargen Tote.
    Mira ging sofort zu einem anderen Offizier, der vermutlich Major Quor war. Zumindest war er Chima und wirkte sehr autoritär. Zusätzlich waren noch ein paar andere Soldaten hier, die das Chaos versuchten zu organisieren.
    Die Tür war gänzlich blockiert. Wieviele wohl schon drinnen waren und auf Rettung warteten? Andererseits wollten wir drei gerade deshalb dort hinein, weil der Raum als der sicherste Ort in der gesamten Abteilung galt. An sich hatten wir als Reaktorarbeiter das Vorrecht, uns dort einen Platz zu ergattern. Jedoch waren Hal und ich uns einig, dass wir Frauen und Kindern den Vortritt ließen.
    Ich half mit, die Trümmer wegzuschaffen, während Hal zusammen mit einem Sanitäter versuchte, Krors Blutungen zu stoppen.
    Er war ein starker Chima, was er uns auch immer zu verstehen gab. Ich hoffte inbrünstig, dass Valery es geschafft hatte, einen sicheren Unterschlupf zu finden. Ich wusste keine Möglichkeit, meinem schwarzen Kollegen erklären zu können, dass sie nicht mehr am Leben war. Dieser Gedanke trieb mir spontan Tränen in die Augen. Viele Anwesende hier trauerten, weinten und wimmerten. Menschen, Chima, Greys und vereinzelte Nó.
    Mein Blick wanderte kurz zum Major rüber, der gerade von einem Soldaten angesprochen wurde. Sie tuschelten, gestikulierten und blickten sich ständig um. Ich ahnte bereits Schlimmes. Bei Kror schien es auch nicht voranzugehen. Ebenso wenig kamen wir voran beim Schleppen der schweren Betontrümmer und Stahlschrapnelle.
    Meine Gefühle schwankten auf und ab. Nach jedem Stahlblech überkam mich kurzzeitig Ekel und Furcht. Konnte hinter jedem dieser Teile ein lebloser Körper oder nur Teile eines Körpers liegen. Meine blutverschmierten Arme, von leichten Schnittwunden und blauen Flecken übersät, ergriffen die scharfkantigen, verdreckten Metallfetzen und zerrten sie mit aller Kraft heraus. Durchweg befürchtete ich, selbst unter den Trümmern begraben zu werden...
    Wieder waren Schüsse zu hören! Wieder schien einer dieser Mechs eingetroffen zu sein.
    „Wir brechen hier ab“, rief der Major uns zu und kam mit geschulterter Waffe näher zu mir. Fast ganz oben auf dem Trümmerberg hockte ich und reichte die Schrapnelle vorsichtig hinunter.
    „Wir müssen uns zurückziehen! Die Zeit reicht nicht mehr!“
    Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben, dass wir jetzt schon wieder aufhören sollten, doch die nächsten Schüsse rissen mich in die Realität zurück. Lieber fliehen, als nochmal gegen eine dieser Maschinen zu kämpfen. Ohne weitere Verzögerung stieg ich hinab, verschwendete keinen einzigen Gedanken mehr an die vermeintlich Begrabenen und ging wieder zu Hal und Kror hinüber.
    Sie weinte heftig, wischte sich den Schweiß von der Stirn und kniete mit ganzem Körper auf seinem abgetrennten Bein. Unter ihr eine große Blutlache, bestückt mit zahllosen Bandagen und Tupfern. Der Arzt neben ihr gab Kror noch eine Spritze und drückte ihr dann den Tropf in die Hand.
    Kaum näherte ich mich zusammen mit Quor ihnen, schaute sie auf und schmollte leicht. Die Schüsse weit im Hintergrund ließen sie zusammenzucken.
    „Wir sollen von hier verschwinden“, sprach ich zu ihr und beugte mich zu Krors Kopf runter. Wach war er noch, aber er wirkte sehr verwirrt und benommen. Bestimmt das Morphium.
    „Kror, hast du verstanden?“
    Er nickte und versuchte sich mit den Armen abzustützen. Doch es gelang ihm nicht. Er wirkte so nutzlos, fast schon wie Ballast.
    „Beeilt euch!“, hörte ich den Major zu uns sprechen, während er mir den Arm auf die Schulter legte. „Ich lasse ungern gute Männer zurück.“

    Ein ohrenbetäubendes, sirrendes Geräusch ertönte und zwang uns kurzzeitig auf die Knie. Beide Hände fest an die Ohren gepresst, kroch ich langsam voran, wurde jedoch sofort vom Major am Kragen vorangezerrt. Ich geriet ins Stolpern und musste schlussendlich doch meine Arme zuhilfe nehmen, um mich aufrecht zu halten. Der Lärm war unerträglich, schien mir das Trommelfell zu zerreißen. Schmerzen und Schwindelgefühl...
    Augenblicke später reichte der eine Soldat mir Wattebäusche, die ich mir unverzüglich in die Ohren rammte. Es war mir egal, ob ich sie womöglich nicht mehr herausbekommen würde, Hauptsache dieser Lärm wurde gedämpft.
    Die nächste Station war nicht mehr weit weg, doch gingen auf einmal die Signallampen über der Schotttür an.
    „Beeilt euch!“, schrie Quor in die Weite und beschleunigte seine Schritte. „Die Schotts schließen sich gleich! Wir müssen schnell in den nächsten Raum!“
    Noch mehr Panik brach aus, noch mehr Hektik schlich sich in unsere Bewegungen. Die hintersten wollten die vorderen überholen und die vorderen mussten die aufrückenden Leute auf Abstand halten. Ein Gedränge und Geschiebe entstand...
    Schnell schnappte ich mir Hals Hand, um sie in der Eile nicht zu verlieren. Die Soldaten zerrten an mir und zwangen mich zu schnellerem Tempo. Anscheinend wollten sie mich unbedingt noch mit rübernehmen.
    Die Zeit drängte immer mehr...
    Schon zur Hälfte war die Tür geschlossen und erst eine Hand voll Zivilisten und Militärs waren drüben. Der Großteil rückte immer noch auf, stetig und schneller. Der Major an mir, ich an Hal und sie an Kror. Wir bildeten eine Kette, die ständig unter Spannung stand und mit jedem weiteren Schritt zu zerreißen drohte.
    „Major, wir schaffen es nicht“, rief ein Soldat und deutete rechts zu den Treppen hin. „Ich werde die anderen Verletzten von hier aus zu den oberen Ebenen bringen...“
    Ein kurzes Schweigen, doch Quor stimmte zu. Dann schlug mir der Soldat die Hand von Hals weg und drängte sich zwischen uns. Ich wollte sie wieder erhaschen und blieb kurz stehen. Doch der Major hatte mich fest am Kragen und zerrte mich vehement weiter.
    Hal linste hervor, blickte kurz zurück und kam dann zu mir gerannt. „Bitte nehmt mich mit!“
    Aber ehe wir uns versehen konnten, kam auch der Soldat hintergerannt. Derweil führten die anderen Soldaten die Verletzten zu den Treppen.
    Ich passierte die Tür geradeso und konnte Hals Hand noch greifen. Doch ihr Blick sagte mir bereits, dass sie keineswegs mehr darauf erpicht war, mit mir zu kommen. Nur dezent berührten sich unsere Fingerspitzen, erreichten unsere Gedanken den anderen und konnten wir einen flüchtigen Kuss andeuten. Sie lächelte mich an, schloss die Augen und senkte den Kopf.
    „Hal, bitte verlasse mich nicht.“

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 3 ]

    Ein Schmerzensschrei folgte. „Mein Bein!“, schrie er, „Mein Bein!“
    In dieser Finsternis konnten wir kaum etwas erkennen. Ich wollte nur noch weg hier und patschte meine Hände Richtung Boden. Sie ergriffen seinen Arm, an dem ich mit aller Kraft herumzog.
    „Lasst uns von hier verschwinden...“
    „Mein Bein!“, schrie er weiter, nun packte auch Hal mit an. Doch er wehrte sich heftig und riss beinahe mich mit zu Boden.
    Irgendwann verlagerten sich die Massen in unsere Richtung und überrannten uns wieder.
    „Lasst mich nicht allein!“, brüllte er und krallte sich mit aller Kraft an mir fest. „Rettet mich! Mein Bein!“
    Der Lichtschein drang zu uns hindurch und gab einen kurzen Blick auf Krors Körper frei. Ich war entsetzt, als ich hüftabwärts die Blutlache sah. Sein rechtes Bein war vom Knie abwärts nicht mehr vorhanden. Überall lagen Fleischfetzen, Blut und Schleim.
    Ich konnte ihm nicht helfen. Er war zu schwer und ich zu schwach. Alle waren aufgescheucht und niemand wollte uns helfen. Das Knallen des schweren Geschützes drang tiefer zu uns durch. Die Maschine kam langsam in unsere Richtung.
    „Lasst mich nicht zurück!“, schrie Kror immerzu und versuchte über den Boden zu robben.
    Plötzlich gab es eine erneute Erschütterung und wieder dieses fräsende Geräusch. Diesmal von der anderen Seite. Ehe ich mich danach umsehen konnte, zerfledderte ein weiterer Bohrkopf die Wand und durchschlug glatt die Decke in zehn Meter Höhe.
    Alles Umstehende wurde durch das Loch hinausgesogen, ins weite All geschleudert. Sofort klammerten sich alle aneinander und gleichsam ans Bodengitter fest. Acht Personen hingen an mir. Langsam aber stetig rutschten wir Richtung Hüllenbruch. Andere hatten weniger Kraft und Glück, wurden schneller erfasst und durch den schmalen Schacht gequetscht.
    Langsam bewegte sich die Kapsel wieder zurück zum Loch, fuhr Klingen aus und landete wie ein Pfropfen darauf. Der Sog wurde unterbunden. Jedoch ahnten wir bereits, was folgen sollte.
    Der Kugelhagel verlagerte sich nun darauf. Nur wenige Augenblicke später strömte auch dort dieser stickige Rauch heraus, blies mir ins Gesicht und raubte mir die Atemluft. Hustend und keuchend senkten wir unsere Köpfe so tief es ging und pressten uns die Ärmel gegen die Münder.
    Wie ein schweres Schloss knackte es, entriegelte große Bolzen und sprengte auch ihre Hüllenfragmente hinfort. Wie durch ein Wunder überlebten wir die gefährlichen Geschosse und sahen uns nun der im Innern verborgenen Kreatur gegenübergestellt.
    Wir konnten es nun besser erkennen, jedoch blieb es für uns fremd. Ein zwei Meter großer Koloss auf zwei Beinen, in tiefschwarzer, glänzender Rüstung. Übersät mit Schläuchen, Kabeln und Metallplatten. Kein Körper war zu sehen, nur die stählerne Hülle. Am linken Arm prangerte das Massentreiber-Geschütz, schwer und plump. Der rechte Arm war eine rotierende Lanze, einem Giftstachel gleich. Zischend, blinkend und surrend setzte das Ungetüm einen Fuß vor den anderen und verließ leicht unbeholfen die Kapsel.
    Es blickte mich an, ich spiegelte mich in dessen Visier. Dann stach es zu!
    Dem nächstgelegen Opfer zu Füßen rammte es die Lanze mitten durch den Brustkorb. Solch Leichtigkeit hätte ich mir nie zu träumen gewagt. Überall spritzten Blut und Gedärme herum, besudelten die hilflosen Zivilisten. Mein Herz raste, Tunnelblick ereilte mich!
    Kreischen, Schreien, Brüllen...
    Angst und Schauder!
    Erneut stach er zu. Und wieder und abermals. Dann richtete er die Waffe auf mich...
    Herzstillstand! Ich fühlte nichts mehr. Keinen Kummer, kein Leid. Liebe und Hoffnung waren erloschen. Die große Leere kam zum Vorschein. Sie blendete mich.
    Doch dann...
    Ein Blitz. Ein greller, gleißender Lichtblitz schoss an mir vorbei, traf die Maschine hart an der Schulter und zwang sie zum Ausfallschritt. Wenige Momente später kam die Druckwelle von hinten und reflexartig zuckte ich zusammen. Ein erneuter Treffer an die Schulter. Dann schwenkte er um und erwiderte das Feuer.
    „Scharfschützen!“, schrillte Krors Stimme mir entgegen. „Macht ihnen Platz!“
    Wieder bebten die Wände, wieder wurden wir durchgerüttelt. Aber der Mech bewahrte Stand. Nur leicht ging er in die Hocke und rappelte sich anschließend wieder auf.
    Endlose Minuten vergingen, ein stetiger Kugelhagel und viele Tote. Dann war es endlich geschehen. Der Feind fiel um, gab sich geschlagen, und die Lichter erloschen.
    Ich traute mich dennoch nicht, aufzuatmen. Ein flüchtiger Blick zu Hal rüber. Aber sie schien zu vertieft ins Geschehen, als dass sie es erwidern konnte. Starre gelbglühende Augen. Kein Blinzeln, kein Geräusch. Wie zu Stein erstarrt verharrte sie in kniender Pose, die Hände tief in Krors muskulösen Rücken gekrallt. Und mein Kollege schien kaum noch bei Bewusstsein, hechelte mit dumpfen Tönen und grub seine Finger in die Totenmassen.
    Langsam rutschte ich zu Hal rüber und nahm sie in die Arme. Sie erschrak kurz, als unsere Körper sich berührten. Doch sie erkannte, dass ich es war und ich sie beschützen wollte. Gleichsam war uns aber bewusst, dass nichts genug Schutz bieten konnte, gegen solche Grausamkeit.
    Uns umarmend, streichelnd und sanft küssend, versuchten wir mit der Situation klarzukommen und die Ereignisse um uns herum für einen kurzen Augenblick zu vergessen. Trotz des in uns manifestierten Schauders, des Ekels voreinander und dem Unbekannten gegenüber, fühlten wir uns in dieser Sekunde absolut sicher. Ich versank in Gedanken, in Erinnerungen ein paar Tage zurück. An Emilie dachte ich. An Chu und Valery...
    Lebten sie noch? Dachten sie auch an uns? Wie ging es meinen Eltern? Wie würde es Slay ergehen, von Velit aus dies zu verfolgen?
    Kalt waren Hals Hände. Kalt war ihr Atem. Kalt war ihre Nähe zu mir...

    Weitere Minuten vergingen. Wir konnten nicht voneinander lassen, wir brauchten die Nähe. Etwas regte sich bei dem Ungetüm. Es zischte und fiepte. Doch unsere Soldaten hatten es bereits umzingelt und hantierten an dessen Torso herum. Die Scheinwerfer glimmten auf und plötzlich begann sich die Armlanze wieder zu drehen.
    Ohne Vorwarnung platzierten die Militärkräfte gezielte Schüsse an dessen Helm, um sich zeitgleich schnell zurückzuziehen. Nur ein Offizier blieb zurück und steckte irgendwelche Kabel um. Als der Mech sich gerade hochstemmen wollte, schossen elektrische Entladungen durch ihn und den Offizier. Es knisterte und surrte, der beißende Geruch verbrannten Fleisches stieg mir in die Nase. Eine Explosion gleißenden Lichtes und elektrischer Schockwellen folgte, breitete sich rasend schnell aus und versetzte mir einen heftigen, aber nur kurzen Schock. Hal verkrampfte stark und stieß ein schrilles Kreischen aus.
    Ich spürte, wie sich meine Haare aufstellten und ein unangenehmes Kribbeln durch meinen Unterleib schoss.
    Dann geschah es...
    Meine Hose wurde nass.
    Instinktiv rümpfte ich die juckende Nase und stellte fest, dass auch dort Flüssigkeit floss. Leichtes Nasenbluten, wie auch ungeheurer Druck auf den Ohren.
    Kurz schniefte ich, um das unangenehme Gefühl wegzubekommen.
    „Was war das?“, flüsterte Hal heiser.
    Und Kror erwiderte leise: „Ein EM-Impuls.“
    „Ich dachte, das sei verboten auf den Archen“, meinte ich verwundert und rieb mir leicht die Nase. „Wir hätten alle sterben können, wäre er...“
    „Zu intensiv gewesen“, beendete er meinen Satz. „Anscheinend sind diese Maschinen sehr anfällig für Elektrizität.“
    „Hoffentlich auch für Wasser“, fügte Hal an.
    „Das ist mir gerade recht egal!“, erwiderte ich gleichgültig und rappelte mich kurzerhand auf. „Ich will hier nicht länger bleiben. Wir müssen in den Dekontaminationsraum, wie Kror es vorhin meinte.“

    Dies war offensichtlich auch im Interesse der Sturmtruppen und Sanitäter. Paarweise suchten sie die Gänge und Korridore nach Überlebenden ab. Da die Stromzufuhr anscheinend immer noch gekappt war, tappten wir regelrecht im Dunkeln. Kaum, dass ich Krors Silhouette wahrnehmen konnte, machten sich andere Leute hier mit weniger Problemen lautstark auf sich aufmerksam. Rufend und winkend versuchten Hal und ich einen der Soldaten zu uns zu locken, was sich als äußerst schwer herausstellte. Lagen wir mitten im Schlachtfeld, halb überdeckt von Leichen und trugen zudem auch noch dunkle Kleidung.
    Kror ging es vermeintlich gut, seiner Reaktion nach zu urteilen. Hoffentlich hatte er nicht schon zu viel Blut verloren. Hoffentlich würde er es überleben. Ich gönnte es jedem hier, diesen Krieg halbwegs unbeschadet zu überstehen. Aber meiner Familie, Freunden und Bekannten am meisten. Kurz war ich mir selbst der Nächste, bevor meine Freundin mich in die Realität zurückholte.

    Eine gefühlte Ewigkeit verging, weitere Erschütterungen und Explosionen kamen und gingen, bis auch wir schließlich gerettet wurden. Unsere Kommunikatoren gingen bis auf meinen zu Bruch und Miri schien vorerst auch außer Betrieb. Eine sehr merkwürdige Situation, gerade. So brutal und skrupellos hatte ich mir den Krieg nichts vorgestellt. Wir hätten sterben können. Und das schon mehrmals. Aber wie durch ein Wunder, überlebten wir es. Auch, wenn mir klar war, dass dies erst der Anfang war, war ich dennoch froh, mich vorerst in Sicherheit fühlen zu können.

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 2 ]

    „Was war das?“, schrie Hiar entsetzt, von mir nur als dumpfes Flüstern wahrgenommen, und klammerte sich am Bodenrost fest. Überall brach Panik aus. Die Meute rannte und schrie wild umher, stolperte über uns und trat mir heftig in die Rippen.
    Bis irgendwann eine Hand nach mir griff und mich hochriss. Ich kannte ihn nicht, er war mir völlig fremd. Es war ein Soldat.
    Hal rappelte sich kurz danach auf, doch sofort schlug die nächste Salve ein. Wieder erschütterte der Boden, brachte weitere Rohre zum Bersten.
    Das Dröhnen zerschmetterte mir fast das Trommelfell, so laut war es. Ohnehin konnte ich kaum etwas hören, war ich noch vom ersten Einschlag paralysiert.
    „Wir müssen hier weg!“, hörte ich des Soldaten Stimme. Reflexartig nickte ich, fand Halt an ihm und bewegte mich schlingernd langsam voran. Meine Hände suchten nach Hal, erhaschten nebenbei meinen Kommunikator, während mein Blick zu Hiar wanderte.
    Sie lag immer noch da, voller Panik erstarrt. Bleich war sie, von Furcht erfüllt. Überall um uns herum herrschte Chaos. Das einst so gut organisierte Kollektiv war nun aufgescheucht wie wildes Getier. Alles drehte sich in mir, ich verlor kurz die Orientierung. Welche Richtung führte wohin?
    „Ich kann nicht...“, winselte meine Kollegin mit verkrampftem Gesicht. „Ich kann es nicht...“
    Hal wirkte auch vollkommen neben sich und klammerte sich an meinen Körper wie Efeu. Ihre Augen blieben gesenkt, zum abgetrennten Arm des Chima. Dieser lag weiterin neben Hiar, bewegte sich aber nicht mehr. War er tot? Das viele Blut sprach für sich.
    Wie in einem Traum schaute ich auf das Display, sah alles nur verschwommen durch die getrübten Augen. Draußen flogen Trümmer, Steine und Menschen umher. Wie Puppen schwebten sie dahin, regungslos und tot. Mir stockte der Atem. Ich wollte es nicht glauben, aber es war wahr.

    Gemeinsam griffen wir Hiar unter die Arme, stemmten sie hoch und folgten dem Soldaten, wo immer er uns auch hinführte. Beschwerlich war der Gang durch den Korridor, unter dem ständigen Beben und Vibrieren. Jeder Schritt war eine Tortur, welche meine Füße zum Zittern brachte. Wie in einem Traum stolperten wir umher, krallten uns aneinander und sprachen uns leise Mut zu. Nicht, dass wir auch nur ein Wort vernahmen, aber wir mussten etwas gesagt haben, so viel wie sich unsere Münder bewegten.
    All die Geräusche und Eindrücke verschwammen um mich herum zu einer großen Kulisse. Unwirklich und tot wirkte alles. Als träumte ich... Und konnte nicht aufwachen. Aber es war so real, wie die Realität nur sein konnte.
    Meine Hand ergriff das Geländer, führte meinen Körper immer weiter den Steg entlang, während Hals Hände mich von hinten um die Hüfte packten und sie sich an mich zog. Über uns zersprang eine Lampe, die Glassplitter rieselten auf uns herab. Knirschen unter den Sohlen.
    Ein Wasserrohr platzte und Hiar stand direkt daneben. Ihr Gesicht geriet in die Fontäne kochenden Wassers. Ich wusste nicht mehr, was sie eher zu Boden zwang, ob der harte Strahl oder der Reflex. Jedenfalls geschah es noch rechtzeitig, so dachte ich...
    Laut kreischend hielt sie sich die Hände vor die Augen und windete sich wurmgleich auf dem Boden.
    „Hiar, was ist?“ Meine Freundin ging auf die Knie und sah nach ihr. „Geht es dir gut?“
    Entsetzt schreckte ich zurück, als ich einen kurzen Blick auf ihren Kopf werfen konnte. Übersät mit dunkelgrünen Flecken und kleinen Blasen. Hals Finger strichen über ihren Kopf. Sie wollte ihr helfen, doch war es bereits zu spät...
    Der Soldat griff sofort ein, legte sein Gewehr nieder und holte sein Verbandszeug hervor.
    „Ich kümmere mich um sie!“, rief er und drängte energisch meine Freundin zur Seite. Nun fing Hal auch an zu weinen und kauerte sich neben der Chima zusammen. Ich kniete mich dazu und versuchte, Hal zu beruhigen. Aber mich verstörte dieser Anblick ebenso.
    Vorsichtig nahm er Hiars Hände vom Gesicht und bedeckte es mit Gewebepflaster und Verband. Hiars Schmerzen waren regelrecht zu spüren, so heftig kreischte und winselte sie. Schnappatmung und willkürliche Zuckungen...
    „Sam!“, schrie Hal mir ins Ohr und krallte ihre zarten Finger in meinen Pullover. Ich konnte nichts weiter tun, als zusehen und beten. Nur Nähe spendete ich meiner Liebsten. In der Hoffnung, dass es sie aus ihrem Schock holen würde.
    Sanft streichelte ich ihren Rücken und flüsterte: „Sie wird es überleben, sie ist stark...“
    Ein weiterer Soldat kam dazu und gemeinsam halfen sie ihr auf die Beine und brachten sie weg. Nur noch die Worte „Bringt euch in Sicherheit“ rieten sie uns an, bevor sie mit ihr in der Menge verschwunden waren.
    So hockten wir nun da. Eng umschlungen, beide weinend und schluchzend. Ich musste einen klaren Kopf behalten. Aber der Schock saß zu tief. Ich wusste nicht, wohin wir fliehen sollten. Wir waren gefangen auf dem Schiff. Ich musste erstmal verschnaufen. Mich von den vernichtenden Eindrücken erholen, die vermutlich, kaum abgeklungen, erneut auftreten würden. Hals Mimik entgleiste. Die Mundwinkel nach unten gezogen, kreidebleich und von Leere erfüllt. Ein Schatten ihrer selbst...
    Meine Augen rasten umher, suchten einen Ruhepunkt im Chaos. Keiner meiner Kollegen war mehr zu sehen. Ich fühlte mich allein...
    Immerzu hämmerten irgendwelche Objekte auf das Schiff ein, erzitterten den Korridor voller Brutalität.
    Es war der Krieg...

    Hal und ich, wir umarmten uns. Kurz schloss ich die Augen und versuchte so dem Treiben zu entkommen. Aber die Schreie waren zu viele. Heftiges Aufstampfen von schweren Stiefeln, der brüllenden Soldaten. „Bewahrt Ruhe!“, schrien sie. „Bewahrt Ruhe!“
    Feuergefecht...
    Ich hörte Schüsse in der Ferne. Irgendetwas riss mich aus der Benommenheit. Ich starrte in gelbe Augen, umrandet von schwarzer Haut. Ein Koloss aus Muskeln türmte sich vor mir auf.
    „Sam!“, rief er und patschte seine große Pranke auf meinen Kopf. „Hal, folgt mir!“
    Es war Kror, der uns rettete. Uns beide links und rechts eingehakt, zerrte er uns durch den Gang. Äußerst mittig des Korridors, dort waren wir am sichersten vor den Erschütterungen.
    „Wir wollen zum Dekontaminationsraum!“, meinte er und nickte uns zu. Ich erwiderte gleichsam mit Nicken und konzentrierte mich nun darauf. Kror gab mir spontan neuen Mut, dies hier durchzustehen.

    Plötzlich fiel das komplette Licht aus! Wir tappten im Dunkeln. Nur noch die Displays und Gewehrlampen erhellten punktuell die Umgebung. Wie Glühwürmchen in der Unendlichkeit.
    Instinktiv riss ich meinen Kommunikator hoch und erhellte mir den Weg. Krors Silhouette zeichnete sich ab im Zwielicht. Aber was meine Augen im grellen Lichtbild erblickten, machte die Situation nicht besser. Zwischen all den Trümmern und Leichen dort draußen bahnte sich ein größeres Objekt den Weg und flog direkt auf uns zu. Wie eine überdimensionale Patrone sah es aus. Sich schraubend und windend. Das grelle Licht davon ausgehend, blendete die Kamera so sehr, dass sie an Bildqualität einbüßen musste, bis sie schlussendlich vollkommen versagte.
    Dann folgte der Aufprall. Oder auch nicht...
    Das Einzige, was ich noch sehen konnte, war, dass das Objekt sich offensichtlich in die Hülle bohrte. Nur wenige Sekunden später drang ein grässliches Quietschen zu uns hindurch. Es fräste sich hindurch, knallte und schmetterte!
    Immer lauter und abscheulicher wurde das Quietschen und Raspeln, bis eine gewaltige Explosion gute zwanzig Meter den Korridor voraus entstand. Der Boden platzte auf, die ganze Ebene zerbarst und das grelle Licht drang hindurch. Wie eine Signalleuchte drehte es sich rasend schnell. Ich sah nur noch Metallfetzen herumwirbeln, von denen mich einer knapp verfehlte. Der Bohrkopf rotierte schrill, Schreddern von Fleisch und Stahl! Mir spritzte Blut ins Gesicht. Und die Kapsel hob sich immer weiter empor.
    Dann, mit einmal entstand ein heftiger Sog, der uns in dessen Richtung zwang.
    „Dekompression!“, erklang meine Stimme, als hätte mein Unterbewusstsein bereits gewusst, dass ein Hüllenbruch bevorstand.
    Nur wenige Augenblicke und Hilfeschreie später, stoppte der Sog abrupt und wurde von einem Erdbeben begleitet. Die Kapsel verharrte regungslos, der Bohrkopf rotierte langsam aus und zischende Geräusche erklangen. Beißender schwallartiger Rauch vernebelte das grelle Leuchten und setzte sich wie Schlamm zu unseren Füßen ab. Dann zerplatzte das Objekt irgendwie, große Trümmerteile wirbelten wie Klingen umher und säbelten die nahestehenden Leute um.

    Kror, Hal und ich standen zum Glück weit genug weg, um verschont zu bleiben. Andererseits bekamen wir auch vom Folgenden kaum etwas mit. Denn wie es schien, offenbarte sich eine Art Maschine aus der Hülse. Ohne Vorwarnung wurde das Feuer eröffnet. Aus allen Richtungen und Ecken wurde auf den Mech geschossen. Ganze Salven flogen umher, Kugeln sirrten an unseren Köpfen vorbei und vereinzelte Leuchtspurgeschosse markierten das Ziel.
    Ich hielt mir die Ohren zu und presste meinen Kopf fest an Krors Brust.
    „Pam pam pam..!“, schepperte das Rasseln der Patronen aus den Läufen, stießen die leeren Hülsen aus bespuckten mich damit. Klirren und Klimpern auf die Gitter, wie Stecknadeln...
    Ich weiß nicht mehr, wie genau, aber prompt eröffnete die Maschine die Offensive. Viel langsamer aber härter! Vergleichbar mit einer Haubitze knallten die Schüsse heraus und zerfetzten die stickige Luft. Blitzartig sirrten die Projektile umher und durchschlugen ganze Personenmassen! Ein Massentreiber-Geschütz, von so ungeheurer Kraft, dass es sogar die Wände perforierte!
    Beide Fronten lieferten sich einen erbarmungslosen Schusswechsel, von den Verlusten her bei uns deutlich höher. Keine Ahnung, wieviele es waren. Es waren zu wenige Soldaten von uns.
    Instinktiv gingen wir drei in die Hocke und leiteten den Rückzug ein. Wenn Kror schon Panik schob, musste es tatsächlich gefährlich sein!
    Immer weiter knallte der Massentreiber, zertrümmerte alles Getroffene. Kugelblitze, elektrische Entladungen und stetiges Vibrieren der Korridore begleiteten unsere Schritte.
    Plötzlich stürzte Kror zu Boden!

    [ KAPITEL 10-FALLOUT-TEIL 1 ]

    [ 6020 n. Chr. Tag 118 Helios III ]

    Ein merkwürdiger Tag. Ich spürte es bereits zu Beginn der gestrigen Nachtschicht, dass heute so Einiges passieren würde, was ich mir nicht erträumt hatte.
    Ich ging zum Kursus, Hal zuliebe. Slay blendete ich dabei vollkommen aus. Sie war eh nie gut auf mich zu sprechen. Den Kurs absolvierte ich zu meinem eigenen Erstaunen recht gut. Nun konnte ich im Ernstfall auch das Hal-38 bedienen, ohne mich selbst zu verletzen. Merkwürdig fand ich, dass mir zuvor nie aufgefallen war, dass das Gewähr wie meine Partnerin hieß.
    Was ich aber besonders überraschend fand, war die Sache mit Kror. Er berichtete mir ganz überraschend, dass seine Suspendierung aufgehoben wurde und er nun wieder offiziell eine Waffe tragen durfte. Wie passend, dass ich mich nun auch als halber Soldat fühlte. Wenn auch ohne jegliche Eignung, Ausbildung oder Uniform.
    Sofort war mir danach bewusst, dass es kein Spiel mehr war. Der Krieg ereilte uns in unseren zivilen Räumlichkeiten. Nur noch die Zeit trennte uns von der Gegenüberstellung.
    Wie sahen sie aus? Was waren ihre Absichten? Was würde auf uns zukommen?
    05:56:37
    Die letzten Meteore zogen an uns vorbei und absolute Stille kehrte ein. Bedrohliche Stille, welche das kommende Unheil bereits erahnen ließ. Der Asteroid näherte sich ständig, war schon längst nicht mehr aufzuhalten. Das Geheimnis war keines mehr und die Theorien ebenfalls nichtig.

    Die Uhr tickte...
    03:03:03
    Meine Kopfschmerzen waren verschwunden. Der Schweiß kam mir nun mehr zur Geltung, da mir das Konzentrieren wieder leichter fiel. Immer noch waren die Hände eiskalt und zittrig, was sich vermutlich auch nicht bessern würde.
    Gedanken an Mom und Dad.
    Was taten sie wohl gerade? Schliefen sie? Verpassten sie womöglich den Beginn? Dachten sie auch an mich?

    00:03:53
    Die Nachtschicht war zu ende. Ich wusste nicht, wie es den anderen ging. Aber ich war sehr angespannt. Kaum, dass ich meinen Kommunikator halten oder mir die letzten vier Ziffern merken konnte. Ein intensiver Blick zu Hal, aber sie konnte mich nicht trösten. Die Träume und Gedanken. Sollte meine Freundin ums Leben kommen?
    Ich versuchte es zu verdrängen, ließ mich ablösen und gesellte mich zu meiner blauhäutigen Partnerin. Ihr zögerliches Lächeln und vorsichtiges Berühren meiner freien Hand machten es nicht besser.
    „Alles wird gut“, flüsterte sie mit leichtem Nicken.
    Ich wusste es leider besser. Wie sehr ich nun die Anfangszeit vermisste. So blauäugig, schüchtern und unerfahren. Was wäre gewesen, hätten wir uns erst jetzt kennengelernt? Wenige Stunden vorm Krieg?

    Die Uhr stand auf 00:00:00.
    Miri benachrichtigte mich. Hal neben mir und unsere Kollegen einige Meter vor uns. Ich schnappte mir meinen Kommunikator und sah den Asteroiden an Velit vorbeikommen. Es wirkte so, als stünde er still. Ich traute meinen Augen nicht, als ich dieses Objekt sah. Es wirkte so falsch, so surreal. Doch zeigten die Bilder nur die Wahrheit.

    Und dann geschah es...
    Ich konnte eine große silbrig glänzende Wolke aus seiner Front herausbrechen sehen. Im Schein der Sonne funkelte und glimmte es wie schmutziges Eis und bahnte sich einen Weg in unsere Richtung. Lautlos, unaufhaltsam und unbekannt.

    Plötzlich zitterte das Bild.
    Störung!
    Einfach nur Rauschen und Flimmern.
    Verwundert glotzte Hal mich an. „Ist er kaputt?“
    Nur Augenblicke später blitzte etwas auf. Es zeigte ein Gesicht. Nicht irgendeines, sondern das aus meinen Träumen. Es starrte mich an. Ich war gelähmt.
    Regungslos stand ich da, krallte meine Hände fest um den Kommunikator und verlor mich in diesem Surrealismus. Wie ich so auf das Display schaute, versuchte meine bessere Hälfte mich eingehakt weiterzuziehen. Aber rührte mich nicht vom Fleck. Die einnehmende Stimme des Wesens zog mich in ihren Bann. Ganz so, als wollte ich es verstehen, was ich nicht hören wollte.

    „Jao glu Ych! Jao glu Olohu asco! Jao glu Xikta! Jao glu mino Qerasio! Jao glu minooo Ych, jatsssuio Olotaaa ex Olooohu!“
    Mit jedem weiteren Satz unverständlicher Worte, wurde seine Stimme verzerrter und undeutlicher. Ebenso auch die Laute meiner Mädels. Hiar gesellte sich neben mich, was ich nur anhand ihrer Statur und roten Haut erkannte.
    „Wer ist das?“, fragte sie und patschte die Finger aufs Display. Kopfschütteln meinerseits...
    „Jao glu minooo ashi xixi cccylavaaa ex Qeraaas jitiiirheeeo! Jao gluuu miiino z'tio cylaaava, ashi cyyylava, Qerasss cccylaaavaaa! Jaaao gluuu rrrheeeo puuuilooos...“
    Bis nur noch überlagerte Klänge und hallendes Echo vorhanden waren.

    „Was geschieht hier?“, fragten sie einstimmig und plötzlich klarte das Kamerabild wieder auf. Doch es war zu spät. Die silbrige Wolke hatte uns bereits erreicht. Wie es aussah, bestand sie aus vielen kleinen Metallkugeln.

    Instinktiv warf ich meine Arme um beide und riss sie zu Boden. Was folgte, war eine heftige Erschütterung, die alles je zuvor Passierte in den Schatten stellte. Alles bebte, wir wurden regelrecht hochkatapultiert. Wie auch alle anderen an Bord. Ein Knall, so laut, so heftig, dass die Luft vibrierte und vereinzelte Lampen explodierten. Die Schallwelle raste wie ein Orkan durch die Stationen, Korridore und Schächte. Als würde jemand direkt neben uns eine Bombe hochgehen lassen. Ich konnte nichts mehr hören, meine Ohren versagten. Nur noch Rauschen und Surren im Kopf. Schmerzen...
    Kopfdröhnen.
    Die Landung folgte. Wir taumelten umher, sanken in ständiger Drehung langsam zu Boden, konnten uns jedoch nicht vor den weiteren Erschütterungen retten. Kaum berührte meine Hand den Stahl, wurde sie schon wieder von den tänzelnden Schockwellen hinauskatapultiert. Dies geschah mit jedem Teil meines Körpers.
    Der Luftzug drückte uns alle durch den Raum. Wir schlitterten davon. Zeitgleich hob sich der komplette Boden an und Gitterroste flogen mit einer Leichtigkeit umher als wären sie aus Pappe.
    Mit verdrehtem Kopf blickte ich zu Hal rüber. Ihre Lippen formten meinen Namen. Doch ich konnte sie nicht hören. Niemanden konnte ich hören. Panisch starrte sie mich mit weit aufgerissenen Augen an. Angst suchte mich heim. Nicht wissend, was hier geschah, versuchte ich zumindest wieder festen Halt zu finden. Auch wenn dieser unbewusst an Hiars Hintern war.

    Momente vergingen, weitere Einschläge folgten und immer wieder prallten wir gleich einem Gummiball von der Umgebung ab. Allmählich beruhigte sich die Lage, aber gleichsam offenbarte sich die Zerstörung im Schiff. Flackerndes Licht, komplett verfinsterte Korridore, Offene Rohre, undichte Wasserleitungen und viel verbogener Metallschrott. Alle Insassen waren wie paralysiert. Einige regten sich gar nicht mehr, andere schrieen mit schmerzverzerrten Gesichtern. Blutspritzer, Glassplitter unter mir, ein verletzter Mensch neben mir. Sein rechter Arm war abgerissen und prangerte mit dem blutigen Ende vor Hals Nase.
    Ein Trauerspiel...