Zehn Tage dauerte die Reise. Noch länger hätte es Aras nicht ausgehalten. Was zum Teil an der Besatzung lag und anteilig an der Reise an sich. Jeden Abend eine Flasche Rum zu vernichten, ging mit der Zeit auf seine Kondition. Langweilig wurde es auch recht schnell, Tag ein Tag aus nichts weiter als Bäume, Felsen und Strände zu sehen. Das ständige Schwanken des Bootes bescherte ihm auch die letzten Tage Bauchgrummeln und Übelkeit. Vielleicht lag es aber auch am einseitigen Essen, dass der Koch ihnen tagtäglich vor die Nase setzte.
Dennoch war er im Großen und Ganzen zufrieden mit der Flussfahrt. Von den Fischfrauen bekamen sie auch keinen Besuch mehr. Dabei hätte er zu gern eines dieser Wesen eingefangen und genauer studiert. Bei den Naga blieb es ihm ja bereits zweimal verwehrt.
Am frühen Nachmittag traf er in Delyveihs Hafen ein und wurde von Wilfred und Maria empfangen. Sofort merkte Aras, wie die beiden tickten und zueinander standen. Endlich traf er die alten Handelspartner seines Vaters persönlich. Sein Dankesgeschenk für die militärische Unterstützung bei der Verteidigung seiner Stadt wurde auch mit Freuden entgegengenommen. Zwar war es nicht viel, was Aras ihnen mitgebracht hatte -nur ein Beutel voll Schmuck und Edelerz- aber er bestätigte ihnen, dass er bei seiner Rückkehr nach Ymilburg weiteres Edelsteingut nach Delyveih transportieren lassen würde. Viel mehr fiel ihm nicht ein, was er ihnen hätte bieten können, um die entstandenen Schulden zu begleichen.
Den Fischern wurde für diesen Tag auch gewehrt, im Hafen zu verweilen, da sie ohnehin neuen Proviant brauchten. Sie erkundeten ein Wenig den Hafen, die Lokalitäten und die Gärten.
Aras war beeindruckt von dieser Stadt, obgleich er vom Kai aus längst nicht alles überblicken konnte. Ihm gefiel dieser Baustil, mit den vielen Säulen und offenen Räumlichkeiten. Alles sehr hell und schlicht gehalten. Seine Stadt dagegen war das komplette Gegenteil. Alles recht erdrückend und düster. Dennoch fühlte er sich in Ymilburg wohler. Es war seine Heimat, sein Leben.
Zu sehr vergleichen sollte man diese beiden Städte trotzdem nicht, da auch Delyveih einige Defizite in Sachen Ressourcen hatte. Kaum Bäume konnte Aras hier entdecken, von einem Wald ganz zu schweigen. Der Schiffsbau kostete bestimmt allerhand des nachwachsenden Gutes. Leider konnte er sich nicht verkneifen, Wilfred darauf hinzuweisen, dass es viel mehr Baumbestände geben muss. Vielleicht konnte dies ein weiteres Handelsgut sein, in welches Aras mit investieren könnte.
Während der eingehenden Rundführung, kam auch die Truppe dazu. Verhalten blieb die Begrüßung. Daphne fragte scherzhaft nach, ob Zacharas sie so sehr vermisst hat. Dies bestätigte er.
Beim abendlichen Dinieren an, kamen sie mehr ins Gespräch und Aras erfuhr einige Neuigkeiten von seiner Truppe und dem Adelspaar. Das spontan aufgetretene Missverständnis wegen Wilfred klärte sich auf. Die Prinzessin verlies Ymilburg wegen ihres kranken Vaters, der nun aber recht gesund wirkte. Ihre Heilkräfte waren im Spiel, welche Wilfred wieder neues Leben gaben. Die Schiffsweihe wurde auch angesprochen. Aras war gespaltener Meinung, ob es sich anbrachte, Daphne diesbezüglich zu gratulieren. Denn der Name Calypso war schon recht makaber, für ein Schiff, das als Geschenk für Daphne galt.
Aber auch intimere Details, Aras' Vergangenheit betreffend, wurden angesprochen. Nichts, wofür er sich schämen sollte. Die Truppe fand es anscheinend auch interessant, zu erfahren, dass Zacharas van Júmen als Kleinkind bereits schon mal in Delyveih war und sogar Daphne zu Gesicht bekam. Zwar war sie damals nur knapp ein Jahr alt und er nur ein Jahr älter, aber Augenkontakt durften sie schon haben. Schon als Kind sollte er gierig gewesen sein, vor allem nach Muttermilch. Einige der Hebammen und Zofen, die sich damals um ihn kümmern mussten, waren auch heute noch in Delyveih untergebracht. Er sollte sich angeblich auch mal in Marias Ausschnitt erbrochen haben.
Nach dem Essen ließ er sich sein Zimmer zeigen und begab sich in die Bibliothek. Er wollte an diesem Tag nicht mehr so viel in Angriff nehmen. Entspannung musste ihm nun einfach gegönnt werden, nach dieser anstrengenden Reise.
Doch schon wenige Minuten nachdem er in der Bibliothek stöbern durfte, gesellte sich Herzogin Maria zu ihm. Schon bei der Begrüßung am Hafen bemerkte er, dass diese Frau seinem früheren Gemüt gar nicht so unähnlich war. Wie der Lord es sofort ahnte, gönnte sie ihm keine weitere Minute Ruhe und verwickelte ihn zugleich in ein Gespräch.
"Wie ich vernehmen durfte, war meine Tochter einige Zeit lang bei Euch untergebracht." Resignierend schaute sie zu ihm rüber und beobachtete ihn, wie er in einem der Bücher blätterte.
"Ja, das stimmt, Werte Herzogin Maria", erwiderte er prompt und klappte das Buch wieder zu. Der Inhalt war nicht das, wonach er suchte. "Aber ich kann Euch versichern, dass keine engere Beziehung eingegangen wurde..."
"Und warum nicht, wenn ich fragen darf?" Sie wurde offensiver und drängte ihn etwas ans Bücherregal.
Leicht erschrocken blickte er auf und musterte ihr Antlitz. "Wie mein Ihr?"
Schmatzend sprach sie weiter: "Sie ist gutaussehend und nett, es wäre doch eine passende Gelegenheit, um ihre Hand anzuhalten." Sie blickte auf seine Finger. "Wo Ihr doch selbst auch noch ledig seid..."
"Moment!", unterbrach er sie sofort und ging auf Abstand. "Nun muss ich aber eine Sache sofort klarstellen! Ich habe zur Zeit bereits eine Frau an meiner Seite. Auch wenn die Verlobung noch nicht bekanntgegeben wurde..."
"Ach, ist das so?", hinterfragte sie seine in ihren Augen anzuzweifelnde Aussage und kam ihm wieder einen Schritt näher, bis sie nah an seinem Ohr stand. "Wer ist denn die Glückliche? Aus welchem Hause stammt sie denn?"
Verwundert schaute Aras drein, sah sich kurz um und entdeckte eine merkwürdige junge Frau am anderen Ende des Ganges. Ihre Aufmachung war recht sonderbar, aber Aras machte sich nichts draus. Was er in diesem Moment suchte, wusste er selbst nicht einmal, aber irgendwas bewegte ihn dazu, sich umzusehen.
Als er keinen ersichtlichen Grund fand, wandte er sich wieder Maria zu. "Haben die anderen Euch noch nichts davon erzählt? Kuen Neyt ist ihr Name. Sie ist Kerzenzieherin von Beruf und eine ausgezeichnete Soldatin..."
"Kerzenzieherin?" Runzelfalten auf Marias Stirn sagten bereits alles aus, dennoch fragte sie intensiver nach: "Sie ist gar nicht adligem Blutes?"
Aras schüttelte den Kopf.
"Und mit solch einer Frau gebt Ihr Euch zufrieden?"
"Warum denn nicht?", wollte Aras wissen und schnappte sich ein neues Buch aus dem Regal. "Nur weil sie aus bürgerlichen Hause stammt, ist sie doch trotzdem berechtigt, meine Frau zu werden. Mein Vater tat dies auch, ebenso auch mein Großvater."
"Eures Vaters Frau starb ja auch kurz nach Eurer Geburt", argumentierte sie lachend und warf ihm einen abschätzigen Blick zu. "War nicht anders zu erwarten von einer Hofmagd."
"Dies verbitte ich mir, Maria!" Stur klappte er das Buch mit lautem Knallen zu und schlug es in seine hohle Hand. "Meine Mutter war eine ehrenvolle und liebenswürdige Frau."
"Von Eurem Vater können diese Worte nicht stammen... Ihr könnt Daphne ja trotzdem heiraten und Kuen als Mätresse anstellen..."
Da machte er große Augen. Er hätte mit vielem gerechnet, aber niemals mit solchen frevelhaften Behauptungen. "Nein, das geht zu weit! Darauf werde ich mich nicht einlassen!"
"Ich kenne zwar Euer Reich nur flüchtig", fuhr sie fort und rieb sich leicht über die Lippen, „aber ein schlechter Ehemann wäret Ihr bestimmt nicht."
"Das will ich nicht bestreiten, Maria. Daphne würde es an meiner Seite gut ergehen. Dennoch würde ich sie niemals zur Heirat zwingen... Daphne ist für mich wie eine Schwester, die ich nie hatte. Ich kann sie nicht heiraten!"
Und mit diesen Worten, klemmte er sich das Buch unter die Achsel, stampfte wütend zum Tisch hinüber, schnappte sich ebenso die Bücher dort und verließ die Bibliothek. Doch auf halber Strecke wurde er hinter dem nächsten Regal von seiner Truppe überrascht, die ihn nur verdutzt anglotzten. Zacharas blieb kurz stehen, schaute zurück zu Maria und dann wieder zur Truppe.
"Habt ihr alle schön gelauscht?"
Keine Reaktion von seinen Leuten.
Also lief er weiter und kümmerte sich nicht mehr um die Sachen, die hinter ihm in der Bibliothek geschahen oder geschehen werden. Für ihn war das Gespräch beendet. Er wollte nur noch auf sein Zimmer und den restlichen Abend mit dem Lesen der Bücher verbringen. Den Weg zu seinem Zimmer hatte er sich schon beim ersten Mal gemerkt.
Schnaufend und völlig erschöpft von dem ganzen Stress schloss er hinter sich die Tür und ging zum Schreibtisch rüber. Die Bücher dort drauf fallen gelassen, ließ auch er sich kurz auf den Stuhl fallen und atmete erstmal kräftig durch.
"Diese Frau macht einen fertig!" Hart klatschte er das obere Buch vor sich auf den Tisch und klappte es auf. Seine Gedanken an das Gespräch und die kurzen Begegnungen davor beschäftigten ihn nun. "Kann man mich und Daphne auch einfach mal selbst entscheiden lassen, wen man heiraten möchte? Ständig werden meine Entscheidungen in Sachen Liebe angezweifelt..."
Schleichend begab er sich zum Bett rüber und machte es sich darauf bequem. "Ich kann Daphne nicht heiraten. Ich will Daphne nicht heiraten. Wir sind zu verschieden, das kann niemals gutgehen..." Vertieft in sein Buch, bemerkte er nicht, wie draußen auf dem Flur reges Treiben herrschte. Dann wurde plötzlich seine Zimmertür aufgeschlossen und der Diener kam herein. Ihm folgend eine junge, leicht bekleidete Dame. Langes, wallendes rotes Haar, weißes Kleid und barfüßig.
Und ehe sich Aras dazu äußern konnte, war der Diener schon wieder verschwunden und schloss die Tür wieder zu. Der Lord betrachtete die junge Dame aus den oberen Augenwinkeln, während er halb ins Buch linste. Sie stand nur da und schaute sich etwas um. Aras sagte nichts, wusste er ohnehin, was sie hier verloren hatte. Schweigen herrschte in seinem Zimmer, denn er vertiefte sich wieder ins Buch.
Dann erklang ihre zierliche Stimme. "Ich bin Clara. Ihr dürft über mich verfügen, Herzog. Ihr wollt doch wohl nicht schlafen gehen, ohne Euer Gastgeschenk auszupacken, oder?" Prompt streifte sie sich ihr Kleid von den Schultern und präsentierte sich dem Herzog gegenüber nackt.
Verwundert, aber nicht unbeeindruckt, glotzte er sie skeptisch an. Dennoch wandte er seine Blicke von ihr ab und widmete sich wieder dem Buch.
Sie kam näher ans Bett und sprach mit betörenden Zungen zu ihm: "Gastgeschenke dürft Ihr nicht ablehnen, dies würde als Beleidigung gelten."
"So gern ich Gastgeschenke auch annehme, dieses hier lehne dankend ab."
Sie stellte sich vors Bettende, die Arme dabei hinterm Rücken versteckt. Gespielt schüchtern und unschuldig blickte sie ihn an, biss sich leicht auf die Unterlippe und sprach weiter: "Wollt Ihr mich, armes junges Ding, etwa so hier stehen lassen?"
Kurz linste er übers Buch hinaus, überlegte mit starrendem Blick und erwiderte kalt: "Du kannst dich doch auf einen Stuhl setzen."
"Ihr kennt vermutlich meine Mutter. Sie erzählte mir oft von Euch, wie sie Euch durch die Gärten trug."
Nun betrachtete er sie etwas eingehender im Gesicht. Nun, wo sie es erwähnte, erkannte er schon eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Frau, die ihm vage in Erinnerung geblieben war. Ein richtiges Bild zu ihr hatte er aber nicht.
Naserümpfend erwiderte er prompt: "Dann schon mal grundsätzlich nicht, meine Teuerste!" Dann steckte er die Nase wieder ins Buch und hielt es sich extra dicht. "Mit Frauen, die meine Halbschwestern sein könnten, verkehre ich grundsätzlich nicht!"
Kurz kniff sie die Augen zu, lächelte ihm zu und sprach: "Da kann ich Euch beruhigen, Zacharas, ich bin kein Erzeugnis Eures Vaters." Dies geäußert, begann sie, auf das Bett zu kriechen und sich von unten her ihm zu nähern. Obwohl er im Buch vertieft war, merkte er ihre Annäherung und zog die Beine schnell an. Als sie seine Füße ertappte und sich mit ihren Fingern langsam an seinen Knöcheln und Unterschnenkeln hinauftasten wollte, riss er sich hoch und erhob sich vom Bett. Sie kroch ihm nach, doch er war flink und schon nach kurzen Augenblicken zur Raummitte geeilt.
"Ich hörte, Ihr seid ein passabler Zauberer."
"Hast du das?", hinterfragte er und hob ihr Kleid auf. Beim näheren Betrachten dieses Stück Stoffes, fragte er sich, warum sie überhaupt etwas angezogen hatte. Es verhüllte eh nur das Nötigste. Anschließend ging er zum Schreibtisch rüber, wo die anderen Bücher lagen.
"Ihr würde gerne Euren Zauberstab sehen", gab sie forsch wieder und erhob sich mit einer gekonnten Drehung von der Bettkante. Während sie am Bettgestell entlangschritt, ließ sie ihre Hand über dieses gleiten und zeichnete mit den Fingern geschwungene Wellen. "Wo versteckt er sich denn?"
"Das, Clara, werde ich dir garantiert nicht verraten." Er legte vorsichtig ihr Kleid über die Stuhllehne und schnappte sich ein neues Buch. Sie näherte sich mit großen Schritten ihm und legte ihre Hände ruhend auf seinen Schultern ab. Leicht begann sie, diese zu massieren und schmiegte sich an ihn. Aras ließ das immer noch kalt, er machte eine Drehung und löste sich so von ihr.
Aber ihre Hände wannderten mit und ergriffen seine Hüfte. "Ist er etwa unter Eurer Robe?"
Ihm wurde das zu bunt. Vorsichtig ergriff er ihre Handgelenke und befreite sich aus ihren Fängen. Leicht angewidert schaute er sie an und deutete zum Kleid. "Ziehe dich wieder an, Clara. Ich bin vergeben und werde mich nicht auf einen Seitensprung einlassen!" Wieder legte er sich aufs Bett und nahm bequeme Stellung ein. "Ich liebe Kuen und werde sie nicht durch eine Zofe oder leichte Dame ersetzen. Schnapp dir ein Buch und suche dir einen Platz zum Lesen."
"Dann wähle ich den freien Schlafplatz neben Euch..." Kaum wollte sie sich neben ihn legen, versperrte er diese Seite bereits mit seinen Beinen.
Ein Kopfschütteln sollte ihr signalisieren, sich nicht weiter zu nähern. Doch sie ignorierte es und nahm trotzdem Platz. Sanft klammerte sie sich an sein Bein und griff nach dem Buch in seinen Händen. "Das Buch braucht Ihr nicht, Herzog van Júmen."
"Unterlass das!", murrte er sie an und entriss es ihr wieder, um sich anschließend wieder zu erheben und erneut zum Tisch rüberzugehen. Ihre Blicke folgten ihm.
Er ruckte den Stuhl etwas vor, deutete darauf und sprach: "Entweder du setzt dich hierhin und bist still, oder du verlässt den Raum."
"Wie wäre es denn, wenn Ihr Euch auf den Stuhl setzt und ich Euch massiere?"
Kurz überlegte er, denn verspannt fühlte er sich schon. Jedoch begriff er schnell, dass sie ihm vermutlich nicht nur den Hals und Rücken massieren wollte. So sehr er dies generell befürwortet hätte, wollte er solcherlei Aktivitäten lieber von einer ihm vertrauteren und sympathischeren Frau durchführen lassen.
"Nein danke, Kuen kann das gut genug."
Augenrollend erwiderte sie: "Sie ist nicht hier, also ziert Euch nicht so!"
Sie kroch vom Bett und stakste hochbeinig zu ihm rüber. Er betrachtete sie nicht, ihm war dieses forsche Verhalten zuwider. Grundsätzlich hatte er nichts dagegen einzuwenden, jedoch wusste er um die Konsequenzen.
"Ich ziere mich gar nicht, wertes Fräulein. Ich weiß einfach, dass es falsch ist."
"Was ist an diesem Anblick falsch?", fragte sie nach und stellte sich breitbeinig, mit in die Hüften gestemmten Armen vor ihn hin. Ein freches Schmunzeln zierte ihr Gesicht.
Aras blieb konsequent und ruckte ihr den Stuhl rum. Mit einem großen Satz stolperte sie auf ihn zu, kletterte auf die Sitzfläche des Stuhls, verfing sich im Kleid, klammerte sich mit den Händen an seinen Schultern fest und warf ihn rücklings zu Boden. Der Stuhl samt ihr fielen mit um und landeten auf ihn. Völlig perplex schaute Aras an sich herab, erblickte die nackte Frau auf ihm, wie sie sich hektisch am Stoff der Kutte hinaufziehen wollte, und drückte ihr die Hände sanft gegen die Stirn. Sie zog sich hoch und stemmte sie nach unten.
"Unterlass das, habe ich gesagt!"
"Ziert Euch nicht so, Herzog! Nur ein kurzer Ruck und es ist geschehen."
"Ich bin vergeben! Ich will keine andere Frau mehr!"
Als sie anfing, plötzlich ihre Hände in seine Seitentaschen zu stecken -vermutlich wollte sie seinen Zauberstab ertasten- reichte es Aras endgültig. Er schloss die Augen, konzentrierte sich und ließ Clara schweben. Sie schrie und kreischte, krallte ihre Finger in seinen Stoff und zappelte hektisch mit den Füßen. Doch nach einigen Sekunden erstarrte sie komplett und konnte nur noch leises Brummen von sich geben. Fest waren ihre Finger in seiner Kutte gekrallt, je höher er Clara anhob, umso weiter wurde der Stoff gedehnt. Er öffnete die Augen, sah sein regungsloses Opfer über ihm schweben und ließ sie kurz ihre Finger bewegen können. Sie löste sich komplett von ihm und er buchsierte sie an die Decke. Die Hände lenkte so, dass sie ihren Schambereich verdeckten. Ängstlich starrte sie ihn mit großen Augen an und versuchte krampfhaft lautere Töne herauszubekommen.
Der Meistermagier erhob sich von der liegenden Position, fischte ihr Kleid vom Boden auf und ließ es ebenso nach oben schweben. Nun grinste er sie belustigt an und wickelte grob das Kleid um ihre Hüfte. „Ich habe doch gesagt, du sollst das unterlassen! Ich habe dir gesagt, ziehe dich wieder an! Hast du verstanden?"
Sie nickte leicht.
Er vergewisserte sich noch einmal. "Verlässt du nun mein Zimmer und lässt mich in Ruhe und alleine schlafen?"
Sie nickte erneut.
"Gut so." Dann ließ er sie vorsichtig wieder hinab, stellte sie auf den Füßen ab und löste komplett den Zauber von ihr. So schnell konnte er gar nicht schauen, da warf sie sich das Kleid über und hatte den Raum verlassen. Der Herzog war zufrieden, keiner verletzt und niemand sonst hatte es anscheinend mitgekriegt. Für den Lord ein perfektes Ergebnis. Auch, wenn er nicht gänzlich stolz auf sich war -immerhin wandte er an einer Frau seinen Levitationszauber an- fühlte er sich trotzdem im Recht, dies gut gelöst zu haben. Nun konnte er schlafengehen. Er ging nicht davon aus, dass ihn so schnell noch mal eine dieser Frauen auflauern will.
Er zog sein Nachtgewand an, schüttelte die Bettdecke nochmal frisch auf und legte sich mit einem Buch in seinen Armen schlafen. Die Augen schlossen sich und er schlief ein...
...Mitten in der Nacht war es. Plötzlich polterte es in seinem Zimmer und ein greller Schein riss ihn unsanft aus seinem Schlaf. Er wachte auf und blickte in den ungewöhnlich erleuchteten Raum. Ein flackerndes Licht, hervorgerufen von vielen kleinen Kerzen, die im Raum herumschwebten. In der Raummitte stand eine Frau. Es war dieselbe Frau, die er vorhin kurz in der Bibliothek gesehen hatte.
Gleiche Größe wie er und gute Proportionen. Sie trug eine schwarzweiße, längsgestreifte Bluse und darüber eine hellgraue Corsage. Ihre langen Beine wurden von einer weißen, leicht transparenten Strumpfhose bedeckt, über welcher sie eine kurze, dunkelblaue Hose trug, die ihr bis zu den Knien reichte. Um die Hüfte trug sie locker einen viel zu weiten, goldenen Gürtel, an desssen zahlreichen Ösen und Schlaufen Goldplättchen und Silberperlen hingen. Der Gürtel war nur durch die linke Schlaufe der Hose gezogen, um ihn halbseitig auf richtiger Höhe zu halten. An den Füßen trug sie hellbraune, elegante Lederschuhe mit dunkelschwarzen Schnürsenkeln und jeweils ein kleines Silberglöckchen an den Säumen, die bei jeder Bewegung läuteten. Ihre Unterarme waren vom Blusenstoff unbedeckt. Dafür hingen um ihre Handgelenke kleine Kettchen aus Weißgold. An beiden Mittelfingern steckte ein Bernsteinring. Ihr Gesicht hatte etwas verspieltes. Grasgrüne Augen, volle Wimpern, spitzzulaufende Nase und einen mit königsblauem Lippenstift verzierten Mund. Nah anliegende Ohren, leicht errötete Wangen. Ihr pechschwarzes, kurzgeschnittenes Haar wurde von einem silbernen Krönchen verziert, das ihr offensichtlich auch etwas zu groß geraten war. Das Krönchen war bestückt mit fünf feuerroten Rubinen, die ringsum angebracht waren.
Und in dieser Aufmachung stand sie mitten im Raum und glotzte den Lord an. Verständlich, dass dieser sich gleich erkundigen musste. "Wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier?"
"Ich bin Liandra!", verkündete sie ihren Namen und riss frohlockend ihre Arme in die Höhe. Sich auf der Hacke drehend, pfiff sie wie ein Vögelchen und tänzelte leicht um sein Bett herum. Vollkommen verwirrt verfolgte er das Schauspiel, welches offensichtlich eine echte Inszenierung darstellen sollte.
Irgendwann blieb sie dann abrupt neben ihm stehen und grinste ihn breit an. Aras wich leicht zurück, er fühlte sich etwas bedroht von dieser Frau. Aber sie grinste immer weiter und beugte sich immer mehr zu ihm hin. Bis sie eigentlich aufs Bett hätte fallen müssen, so schief stand sie da. Aber sie kippte nicht vorn über, sondern stand auf den Zehenspitzen und schien von einer Magie so gehalten zu werden. Aras selbst war es nicht, der sie verzaubert hatte. Eine gute Minute verging, beide starrten sich an und rührten sich kein Stück.
Dann presste sie aus ihren Zähnen hervor: "Könntest du etwas Platz machen, ich kann mich kaum noch halten..."
Er starrte sie weiterhin an, machte aber keinerlei Anstalten in diese Richtung. "Ich... was..? warum..?"
"Das war keine Frage, sondern eine Aufforderung..."
"Ich kenne Euch nicht mal! Warum sollte ich für Euch weichen?"
Urplötzlich wurde Aras zur Seite geschoben und Liandra ließ sich auf die freie Fläche fallen. Sie landete mit dem Bauch auf der Bettkannte, das Gesicht in die Matratze gedrückt und die Beine waagerecht baumelnd. Alamiert zückte Aras unverzüglich seinen Zauberstab, beugte sich auf und hielt ihn ihr entgegen. Obwohl er sah, dass sie noch mit sich zu kämpfen hatte, drückte er ihr den Stab leicht an den Kopf und sagte: "Noch ein fauler Zauber und um Euch ist es geschehen!"
Vorsichtig hob sie die Hände an, kippte etwas nach hinten und setzte mit den gestreckten Beinen auf. Ihr Kopf ging in den Nacken und sie schaute direkt auf den Zauberstab. Mit schielendem Blick, gespitztem Mund und eingezogenene Wangen, säuselte sie leise: "Es wird bei mir zwar keine Wirkung haben, aber trotzdem zeige ich dir mal angemessenen Respekt."
"Wie bitte?", hinterfragte er skeptisch und blickte in ihre grasgrünen Augen, die sehr einnehmend und betörend auf ihn wirkten. Sie zwangen ihn zum Senken des Zauberstabs, was er nur leidlich verfolgen konnte. Er konnte sich nicht dagegen wehren, von ihr abzulassen. Als Aras ihn wieder in seiner Seitentasche verschwinden ließ, riss sich Liandra hoch und nahm mit einer gekonnten Drehung auf der Bettkannte Platz. Ihm halb zugewandt, buchsierte sie ihre zierlichen Hände im Schoß, blickte ihn schief an und schnaufte leise.
Aras richtete sich auch etwas auf. "Und nun nochmal von vorn. Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?"
"Also ich bin Liandra, die Göttin der Adligen und jener, die es sein wollen!", erwiderte sie mit breitem Grinsen, rückte sich ihr silbernes Krönchen zurecht und hielt ihm anschließend den Zeigefinger auf die Brust. "Und du bist Zacharas van Júmen, der Herzog von Ymilburg, aus der Provinz Maretstein. Sohn von Melchior und Ella van Júmen."
„Eine Göttin?“, fragte er skeptisch und schenkte ihr nur abwertende Blicke. "Das soll ich Euch nun glauben?"
Ihre Mundwinkel fielen nach unten, betrübt schaute sie drein. Leichte Verunsicherung sendeten ihre Augen aus, unterstützt von schüchternem Reiben über ihre Arme. "Sollen solltest du das schon", erwiderte sie mit dicken Pausbacken nickend. "Denn es ist die Wahrheit."
"Beweist es mir!"
Hart rollte sie die Augen und stöhnte. "Immer wollen alle einen Beweis für meine Göttlichkeit... Gut, dann beweise ich es dir. Schließe die Augen!"
Aras tat es, wenn auch widerwillig und mit Vorsicht.
Einige Sekunden vergingen.
"Und nun öffne sie wieder!"
Er riss sie auf, starrte immer noch in das gleiche Gesicht und ließ seine Augen durchs Zimmer schweifen. Aber nichts Ungewöhnliches konnte er entdecken. "Was soll ich nun sehen? Ist doch alles wie vorher."
"Ich habe auch nicht gesagt, dass ich etwas verändere", entgegnete sie und wischte sich über die Lippen. Sie erhob sich vom Bett, drehte sich zu ihm und rückte abermals ihr Krönchen zurecht. Dann schnippte sie in die Finger und verschwand spurlos. Nur wenige Sekunden später tauchte sie mit einem erneuten Fingerschnippen auf der anderen Bettseite wieder auf, trug nun aber ein hellgelbes Ballkleid, mit silbernem Hüftband und goldenen Schuhen. "Findest du mich hübsch so?"
Keine Reaktion seinerseits.
"Anscheinend nicht..." Dann schnippte sie wieder in die Finger und verschwand erneut, um wenige Sekunden später abermals aufzutauchen, diesmal am Bettende, breitbeinig und mit einer Hand in die Hüfte gestemmt, während die andere Hand die schnippende Geste zeigte. Nun trug Liandra eine graue Kapuzenrobe und war barfuß. "Ist dies mehr nach deinem Geschmack? Immer noch nicht?"
Abermals verschwand sie und kam wieder zum Vorschein. Diesmal baumelte sie kopfüber an der Decke, die Füße in einer Querstrebe verkeilt und war in dicke Felle eingepackt. Wie eine Wilde sah sie darin aus, alleinig ihre schiefsitzende Krone machte sie etwas kultivierter. Sie blickte hinab zu ihm und fragte erneut: "Glaubst du mir jetzt?" Kaum gesagt, verschwand sie wieder und tauchte direkt neben ihm auf dem Bett wieder auf, im purpurnen Nachthemd. "Oder soll ich..?"
Aras wollte sich aufrichten, da erschien sie plötzlich in hockender Position -in schwerer Eisenrüstung- auf ihm und presste ihm die Hände auf den Brustkorb. "...etwa noch direkter werden?"
Das schwere Gewicht erdrückte ihn, er sank tief in die Matratze ein. Schmerzgeplagt verkrampfte er und wollte sie irgendwie von sich herunterstemmen. Doch sie verharrte auf ihm und lehnte ihren Oberkörper sogar noch zusätzlich auf ihn. "Schenkst du jetzt dem etwas Glauben, Herzog?"
Er nickte energisch. Aber eher, um aus dieser erdrückenden Lage herauszukommen, als ihrer Aussage zuzustimmen.
Sie verschwand wieder von seinem Körper und stand wieder in ihrer ursprünglichen Aufmachung in der Raummitte.
Nach Luft schnappend presste er heiser heraus: "Und was genau wollt Ihr nun von mir?"
"Zuerst einmal würde ich mich freuen, wenn du mich duzen würdest."
"Beim nächsten Mal vielleicht."
"Und weiterführend habe ich zu Ohren bekommen, dass du dich bessern willst."
Verdutzt blickte er drein, rieb sich leicht den Bauch und fragte: "Und Ihr seid nun hier, um Euch zu vergewissern, ob dies wirklich so ist?"
"Könnte man so sagen", erwiderte sie mit gespitzten Lippen und verdrehte verträumt die Augen. Ein hektischer Ruck, gefolgt von einer schnellen Drehung und sie ging in den Ausfallschritt, um dann mit leicht gebückter Haltung auf Aras zu zeigen.
Laut rief sie auf: "Du kannst wirklich von Glück reden, dass du Marias Angebot abgelehnt hast..." Ein lauter Händeklatscher folgte, mit erneuter Drehung. "Das hätte sonst recht peinlich für dich enden können." Dann sprang sie mit einem Satz aufs Bettgestell und balancierte darauf herum.
"Inwiefern?", fragte Aras nach und spielte mit dem Gedanken, Liandra einen kurzen Stoß gegen die Knöchel zu geben.
"Sagen wir mal so...", fuhr sie fort und wiegte mit ihren Armen das Gleichgewicht, "ich habe deine Freunde in die Bibliothek geführt, dass sie euer Gespräch auch noch rechtzeitig zu hören bekommen."
"Was habt Ihr!?" Sofort riss er sich hoch, dabei fing das Bett an zu wackeln und Liandra verlor das Gleichgewicht. Auf einem Bein strauchelte sie umher und versuchte mit den Händen nach ein paar herumschwebenden Kerzen zu greifen. Diese gaben jedoch nach und konnten ihr Gewicht nicht halten. Liandra rutschte gänzlich weg und landete hart auf dem Boden.
"Wieso habt Ihr das getan!?"
Sofort rappelte die vermeinliche Göttin sich wieder auf, richtete ihr Krönchen und zupfte etwas an ihrer Hose herum. Dann klopfte sie sich mit sanften Schlägen den Hintern vom Staub frei und richtete ihre Corsage wieder aus, sodass ihr Busen wieder richtig saß.
Aras war außer sich und wollte aus dem Bett kriechen, doch sie machte bereits eine Handbewegung und drücke ihn zurück ins Bett. Leicht kichernd sprach sie dann: "Bleibe ruhig liegen, Herzog, ich wollte eh gerade gehen!" Mit diesen Worten, ruckte sie erneut ihr Krönchen zurecht, schnippte mit den Fingern und verschwand nun endgültig.
Urplötzlich überkam Aras die Müdigkeit und er fiel binnen Sekunden in einen tiefen Schlaf.