Beiträge von Asni im Thema „Der Tod eines Charakters“

    Wenn Du jetzt noch so freundlich wärst, Titel und Autor zu publizieren, könnte ich m ir selbst ein Bild davon machen... :schiefguck:k

    Sehr gerne. Ich bin nur der Bitte nachgekommen, nicht zu spoilern... daher also im Spoiler Autor und Titel ^^

    Spoiler anzeigen

    Joe Abercrombie - The Blade Itself (Buch eins der Trilogie The First Law). Ich hab die Bücher nur auf Englisch gelesen und befürchte, dass das im Deutschen nicht wirkt. Außerdem sind in der Übersetzung die Titel durch langweilige Reihenbegriffe (Kriegsklingen, Racheklingen, Heldenklingen... etc.) ersetzt worden, so dass man sich überhaupt nicht mehr auskennt :S

    Der Wanderer : Ergänzend zu deinen Ausführungen zu Gandalf möchte ich noch anmerken, dass die Farben bei den beiden wichtigsten Zauberern (weiß und grau) auch noch so interpretiert werden können, dass sich in der Farbe Grau Gandalfs Zögerlichkeit und Ängstlichkeit im Kampf gegen Sauron (für den die Farbe Schwarz - schwarze Reiter / drohende Dunkelheit etc verwendet wird) widerspiegelt. Gegen den Balrog geht Gandalf an einer entscheidenden Stelle auf Konfrontation und tritt auch aus dem Verborgenen. Damit gibt er die Zögerlichkeit auf und findet sich auch in seine Rolle, was nach seiner Rückkehr in die Geschichte ja dann auch voll zum Tragen kommt. In diesem Sinn ist das ein hervorragend gewähltes Beispiel dafür, wie Tod und Wiedergeburt eines zentralen Charakters gut gelingen kann. Zumindest ist das meine Meinung ^^

    Ich find's aber im schriftstellerischen sehr schwer, erst mal über einen geraumen Zeitraum einen Prota aufzubauen und wachsen zu lassen. Das kostet Zeit, Nerven und viel Energie.

    Den dann auch noch zu killen, kann eigentlich nur Sinn machen, wenn ich daneben einen zweiten Prota habe, der im Schatten immer schon vorhanden war, aber bisher noch nicht in's Licht getreten ist.

    Das ist halt eine grundsätzliche Frage, die die Art der Geschichte bzw. die Erzählweise betrifft. Wenn sich die Geschichte vor allem um einen Charakter dreht, dessen Denken und Fühlen gezeigt wird, und dessen Handlungen die Geschichte vorantreiben und interessant machen, während alle anderen Charaktere eher Statisten sind, bei denen man das Gefühl haben könnte, dass sie wie ein Roboter einfach stehen bleiben, sobald sie aus dem Fokus geraten (ich übertreibe bewusst; das zieht natürlich ganz andere Probleme nach sich), dann wird es schwieriger, den Wechsel von einem Charakter auf einen anderen zu vollziehen. Vermutlich würde man dann also eine ganze Reihe an Lesern verlieren.

    Wenn es jetzt aber eher so ist, dass es eine ganze Menge an Erzählcharakteren gibt, aus deren Perspektive die "eine große Geschichte" erzählt wird und wenn diese Geschichte eben nicht die Geschichte eines Protagonisten ist, dann dürfte das leichter funktionieren. So ist es in ASoIaF. Es ist eben nicht die Geschichte von John Snow und wie er den Iron Throne gewinnt. Und es ist auch nicht die Geschichte von Ned Stark, wie er versucht, seinen Jugendfreund & König vor dem Untergang zu bewahren. Es ist viel vielschichtiger, komplexer, verworrener etc. Da wirkt es mMn natürlicher, dass in dem tödlichen "Spiel um den Eisernen Thron" immer wieder mal Charaktere ihr Leben verlieren.

    Aber erst mal in einer Erzählung einen Hauptcharakter aufbauen, um ihn dann mittendrin dem Hades zu überantworten?

    Würde für mich höchsten dann (im Bereich der Fantasy) Sinn machen, wenn jener Protagonist den Staffelstab (Schwert, Lanze, Gral, Kelch etc. pp.) weitergeben muß, weil er selbst das angestrebte Ziel nicht erreichen kann.

    Und selbst dann würde sich das Ganze eher am Ende der Erzählung befinden statt am Anfang oder mittendrin.

    Ganz genau! Die Frage nach dem Warum muss schlüssig beantwortet werden. Mir kam letztens wieder in den Sinn, dass eines meiner absoluten Lieblingsbücher damit anfängt, dass einer der Protagonisten im allerersten Kapitel erstens überhaupt nicht heldenhaft rüberkommt und zweitens das Kapitel so endet, dass man denken könnte, der Charakter wäre gestorben. Ich hab das Buch zweimal abgebrochen und musste mich wirklich dazu zwingen, das zu lesen (ich musste es für ein Seminar an der Uni lesen, also gab es keine Wahl ^^ ). Dadurch hat sich aber auch mein Geschmack und meine Toleranz gegenüber solchen Geschichten mit ungewöhnlichen Settings, Charakteren, Erzählweisen etc durchaus erweitert.

    Und Romeo und Julia sterben doch auch zum Schluss (Hamlet sogar auch, wenn mich nicht alles täuscht - hab das Ding leider nie zuende gelesen :hmm: ) und trotzdem wird Shakespeare als einer der größten Literaten aller Zeiten gefeiert. Kann also sein, dass es einfach unsere Konditionierung ist, die unsere Erwartungen und Vorstellungen prädisponiert. Umso interessanter, wenn mal etwas nicht so läuft wie sonst immer.

    Shakespeare unterscheidet sich von typischer Fantasy dann doch gewaltig. Es sind halt hauptsächlich Dramen, die er geschrieben hat. Die tragen häufig ja schon im Kern in sich, dass sie eine tragische Geschichte erzählen, die Mitgefühl beim Zuschauer erzeugen soll. Die nach meinen verständnis typische Fantasygeschichte hört fast immer mit einem Happy End auf. Plakativ gesagt überwindet der Held alle Widrigkeiten, besiegt den Antagonisten und gewinnt etwas als Belohnung. Das Gefühl, das man da als Leser mitnehmen soll, ist neben der temporären Flucht aus dem Alltag jenes, dass die Welt doch eigentlich in Ordnung ist. Man ist mit dem Ausgang der Geschichte glücklich und zufrieden. Man ist beruhigt, dass die Guten gewinnen und die Bösen bestraft werden. Das passt so vom Grundkonzept nicht wirklich dazu, dass der Held stirbt.

    Dass es auch solche Geschichten gibt, heißt natürlich nicht, dass es nur solche Geschichten geben sollte. Wie gesagt, wenn die Geschichte so angelegt wird, dass der Tod eines Charakters sich gut einfügt oder tatsächlich sinnvoll für die Entwicklung oder Lösung eines Konflikts ist, dann spricht nicht so viel dagegen.

    2. Wie sähe es aus, wenn der Protagonist zwar scheinbar stirbt, aber in einer Parallelwelt weiterhin Einfluss auf seine Welt hat und die Aktionen darin steuert bspw. durch einen anderen Charakter oder Magie man es allerdings erst ein paar Kapitel oder ein bis mehrere Bände später in einer Art Rückblerfährt?

    Wenn es zum Setting passt, dann kann man das machen. Ich könnte jetzt ein Beispiel nennen, wo das super gut funktioniert, einfach weil das Jenseits im zweiten Band wie eine eigenständige Welt eine Rolle spielt und im ersten Band (!) schon die Grundlagen dafür gelegt sind, dass es dieses Jenseits gibt.

    Das ist dann kein echter Tod, also schummeln. Wenn es gut gemacht ist, geht schummeln immer.

    Da muss ich dann widersprechen. Wenn es eine sinnvolle Entwicklung der Story ist, dann ist das mMn ok und kein Schummeln. Schummeln wäre für mich, wenn man der Story anmerkt, dass der Autor nach dem Tod des Charakters gemerkt hat, dass das eine doofe Entscheidung war und er jetzt doch lieber wieder mit diesem Charakter weitererzählen würde und sich daher an den Strohhalm Jenseits / Leben nach dem Tod klammert.

    Abgesehen davon wäre ich auch sehr vorsichtig damit, einen Hauptcharakter einfach und unüberlegt sterben zu lassen, weil es unerwartet ist und schockiert oder so. Das geht vermutlich in die Hose.

    In meiner Fantasy Welt, Seram, ist Magie sehr gefährlich. Vor allem für die Anwender. Sie ist direkt an Emotionen gekoppelt, und ohne entsprechende Ausbildung, verändert sie die Persönlichkeit und bestimmt irgendwann das gesamte Denken, der Anwender.
    Die Magie übernimmt quasi die Kontrolle, über das eigene Denken.

    Das gehört jetzt zwar eigentlich nicht zum Thema, aber ich finde, das klingt nach einer sehr spannend Magiekonzeption!

    Irgendwie hätten sie ein Happy Ending verdient, und ich wünsche mir eines für sie.

    Hier musste ich spontan an den Film "Savages" denken. Ich schreib das mal in einen Spoiler, falls jemand den Film angucken will, dann besser nicht lesen ^^

    Spoiler anzeigen


    Der Film erzählt die Geschichte von drei jungen Marihuana-Züchtern und -Händlern (2 männl., 1 weibl.), die in einen Konflikt mit mexikanischen Drogenkartellen geraten. Die Frau wird entführt.... es passiert ganz viel... schließlich kommt es zum Austausch von Geld gegen die Geisel und zum Showdown, der dann auch blutig mit dem Tod aller endet.
    Ein Stilmittel, das sich durch den ganzen Film zieht, ist, dass die Frau / Geisel immer wieder als Erzählerin auftritt (Stimme aus dem Off). Das wird dann hier auch eingesetzt, ganz nach dem Motto "This is how it could have happened" und dann gibt es einen kleinen Sprung zurück und der Showdown wird nochmal so erzählt, wie er "tatsächlich" passiert ist. Das verrät schon, dass sie nicht gestorben sein kann, sonst könnte sie es nicht mehr erzählen...
    Naja, mein Punkt ist: Ich weiß nicht, ob man das nochmal so umsetzen kann oder ob das funktioniert, aber es wäre eine Möglichkeit, einen Charakter sowohl sterben zu lassen als auch nicht sterben zu lassen. :hmm: Klingt bescheuert, aber beim ersten angucken von "Savages" dachte ich echt, dass das doch so einfach nicht zu ende sein kann. Das war ein sehr gelungener emotionaler Effekt. ^^ Also als "Leser" erlebt man ja erstmal den Tod der Charakters, nur um dann "erlöst" zu werden. Ich finde das zumindest in diesem einen Fall eine sehr coole Möglichkeit.

    Das könnte man auch umdrehen und erst das Ende erzählen, wie sich ein Charakter das wünscht oder vorstellt und dann die brutale Realität, wie die Hoffnung wie Sand durch die Finger rieselt und vom Wind davongetragen wird.

    Es tut einer Geschichte ungemein gut, wenn ein Prota stirbt. Der Leser ist sich dann nicht mehr so sicher, was passiert oder passieren kann. Nichts ist langweiliger als eine gefährliche Situation, in welcher der Leser zu 100% weiß, dass der Prota überlebt.

    Mir fällt gerade heute spontan dazu die Frage ein, warum man da wieder so in Gegensätzen denkt. Ganz nach dem Motto "entweder gut oder böse" scheint bei diesem Thema überspitzt formuliert auch nur "entweder Prota überlebt oder stirbt" zu gelten. Das ist natürlich rein logisch ein Gegensatz, aber man muss ja Überleben nicht mit Unversehrtheit gleichsetzen. Eventuell wäre es ja z.B. richtig spannend, wenn ein Held im Glauben, der einzige zu sein, der den bösen Herrscher töten kann, auszieht und auf dem Weg in einer gefährlichen SItuation seinen Schwertarm verliert (ja, man könnte da irgendwie an Jamie Lannister denken... :hmm: ). Oder ein Magier, der zum Ausführen eines Zauberspruchs beide Hände braucht, verliert eine davon. Oder er verliert durch einen Pfeil seine Stimme (weniger brutal ginge auch ein Zauberspruch oder eine starke Erkältung).
    Das könnte alles für Leser und Protagonisten sehr überraschend sein und vor allem letztere dazu zwingen, ihren Plan zu ändern.

    Anknüpfend an das, was @Schreibfeder zwei Posts weiter oben geschrieben hat, sollte man hier aber vielleicht auch aufpassen, welche Protas man wie verstümmelt. Die Ideen, die ich hier angesprochen habe, würden alle den Plot verändern. Ich denke, da sollte man sich auch vorher überlegen, wie man hier Probleme und Schwierigkeiten umgeht und was man damit neben der eigentlichen Handlung noch erzählen will.

    Abgesehen davon würde ich trotzdem nicht unbedingt ausschießen, dass ein Charakter stirbt.