"Lordas geht nirgendwo hin." Der alte Mann blieb hart wie Stein. Ereck seufzte und fuhr sich über die Wangen. Zufrieden stellte er fest, dass sein Bart wieder nachzuwachsen begann. Wenigsten hier war Fortschritt zu erkennen.
"Wieso fragen wir den Jungen nicht selbst, was er für richtig hält?" Lordas saß stillschweigend neben seiner Leibgarde, den Blick auf die Tischplatte gerichtet. Er sah nicht auf, als Ereck seinen Namen nannte.
Ottmund brachte sich ein: "Haben die Banditen dir die Zunge rausgeschnitten, Bursche?"
"Achtet auf Eure Worte", blaffte Allion, "sonst ist es nicht seine Zunge, um die Ihr euch Sorgen müsst!"
Ottmund stand abrupt von seinem Platz auf. Sofort griff Ereck nach seinem Arm.
"Ihr solltet auf Eure Worte achten", fuhr Ottmund den Alten an. "Ein einfacher Leibwächter hat Männern von Amt Respekt zu zollen"
"Männer von Amt haben diese nur zu oft inne, weil sie bessere als sich selbst getötet haben!"
Ein lauter Knall hallte im Raum wieder und schnitt jedes Wort ab, dass hätte geäußert werden können. Ereck hatte mit voller Wucht seine Faust auf den Tisch hernieder fahren lassen.
"Genug!", raunte er und erhob sich, wobei er gleichzeitig Ottmund an dessen Arm nach unten zog, sodass dieser sich setzte.
"Ich verlange von keinem in diesem Raum, dass er den anderen respektiert, aber ist es zuviel verlangt, dass wir uns nicht ankeifen wie Waschweiber? Allion, Eure Ehre steht außer Frage und ich weiß, Ihr seid ein Mann von Stolz - zurecht - aber ein Mindestmaß an Dankbarkeit werdet Ihr Euch doch sicher abringen können?"
"Meine Dankbarkeit ist nicht von Belang. Ich werde Euch den Jungen nicht für Eure politischen Spielereien aushändigen!"
Dieselbe Leier wie schon seit Stunden. Matt warf genervt einen Blick zur Tür, Ereck verfluchte sich dafür, Lohra nicht mit zu der Versammlung genommen zu haben. Sie hätte Frieden stiften können.
"Niemand sagt etwas von politischen Spielereien. Wir sprechen davon, eine Armee unter seinem Namen zu einen und Zesien zurückzuerobern."
Allion Erelis' Augen waren funkelnde schwarze Steine, sein Blick gnadenlos. Ihn würde Ereck nicht brechen können, aber vielleicht Lordas. Der Junge war kaum merklich auf seinem Stuhl hin und hergerutscht, als er die Rückeroberung erwähnt hatte.
"Lordas ... Eure Hoheit", wandte Ereck sich direkt an ihn, "vergesst für einen Moment, was er euch eingebläut hat und denkt an das Volk. Euer Volk!"
Keine Antwort.
"Haltet den Knaben nicht zum Narren!", warf Allion trocken ein. "Er lässt sich von Euch kein Honig ums Maul schmieren. Er redet mit niemandem, bevor ich es nicht für richtig erachte."
"Ich muss mich fragen, wer hier der Diener ist, und wer der Herr", wandte Ereck sich erneut an Lordas. Keine Antwort.
"Sobald ihr verkündet, dass er lebt, müsst ihr seinen Standort preisgeben, damit die Heere sich einfinden können. Sie werden einen kräftigeren Beweis als Euer Wort verlangen. Es ist ein großes Risiko, den neuen Zerbu zu verraten. Keiner würde wissen, wie viele sonst noch dem Ruf folgen. Jeder müsste fürchten, allein dazustehen. Nicht zu vergessen, dass es viele Halunken gibt, die in der Gunst des Zerbus oder des Seneschalls nur zu gern steigen würden, in dem sie Lordas einen Pfeil ins Auge oder ein Messer in den Rücken jagen."
Seufzend ließ Ereck sich wieder in seinen Stuhl falle. Er hasste es, zugeben zu müssen, dass der Alte nicht Unrecht hatte.
"Was schlagt Ihr also vor, sollen wir tun?"
Nun beugte Allion sich vor. Auf diese Frage schien er gewartet zu haben.
"Warten."
"Worauf?", fragte Ereck.
"Warten, darauf, dass die hohen Herren ihn vergessen. Warten, bis sie denken er sei keine Bedrohung mehr. Die hohen Herren sind sehr gut darin, Dinge zu vergessen, die nicht greifbar sind. Aber das Volk vergisst nicht so leicht. Sie haben nichts, außer ihren Erinnerungen und Träume. Wenn die Zeit reif ist, werden sie Lordas Rückkehr herbeisehnen."
"Ihr wollt wegrennen und Euch verstecken, wie ein Feigling?", fragte Ereck verwirrt.
"Manchmal braucht es großen Mut, ein Feigling zu sein. Aber ich versichere Euch, wir werden nicht untätig rumsitzen. Ich habe Familie im Norden. Ein mächtiges altes Haus von Königen. Sie werden uns eine Armee geben. Eine kleine vielleicht, aber eine Armee. Lordas wird lernen, sie zu Befehlen. Und wenn er lange genug untergetaucht ist, wird er in den Krieg ziehen. Zunächst kleine Siege, die ihm mehr Unterstützer bringen. Er wird die Tochter eines mächtigen Mannes heiraten. Dieser Mann wird ihm helfen, mehr Soldaten zu kaufen. Schiffe. Es wird vielleicht Jahre dauern. Und das Volk von Zesien wird leiden, aber wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird es davor umso mehr nach Befreiung lechzen. Auch einige der hohen Herren dürften zu diesem Punkt der Tyrannei müde geworden sein. Ich sage, es ist besser, Zesien eine Zeit lang leiden zu lassen und es dann zu retten, als es überstürzt zu versuchen und unsere letze Hoffnung zu töten."